Protokoll der Sitzung vom 12.07.2007

Nun zum Thema Ganztagsschulen. Neue Gemeinschaftsschulen, neue Regionalschulen können oder sollen sich zu Ganztagsschulen in offener Form entwickeln. Dabei, mittelfristig weitere Ganztagsschulen in gebundener Form für alle Schulen der Sekundarstufe I einzurichten und bereits im kommenden Schuljahr neue Ganztagsschulen zu genehmigen, wie Sie es fordern, lassen Sie leider offen, wo die notwendigen Mittel und die Lehrerstellen herkommen sollen. Eigentlich hätten Sie zeitgleich zu all Ihren Forderungen einen Nachtragshaushalt einbringen müssen. Das ist wirklich fern aller Realität, meine Damen und Herren!

(Beifall bei SPD und CDU)

Wir haben am Montag in der Tat ein großes Bildungspaket geschnürt. Das ist ein Paket, das, wie ich glaube, zum ersten Mal in der Bildungsgeschichte des Landes so weit vorausdenkt und vorausplant. Das ist eine sehr gute Perspektive, finde ich.

(Beifall bei SPD und CDU)

Es sieht in Bezug auf die Ganztagsschulen zusätzliche 10,8 Millionen € von 2009 bis 2011 für den weiteren Ausbau und die Förderung der offenen Ganztagsschulen vor. Wir haben damit die ursprüngliche Summe fast verdoppelt. Und wir haben jetzt beschlossen, 50 zusätzliche Lehrerstellen ab 2009, also im nächsten Haushalt, bereitzustellen. Wir wollen damit auf die besonderen pädagogischen Herausforderungen reagieren, die sich den

Schulen in sozialen Brennpunkten stellen. An solchen Schulstandorten verstärken sich ja jeweils mehrere Problemlagen. Dazu gehört natürlich insbesondere die Situation der Migrantenfamilien, die noch dazu in einem schwierigen Umfeld leben. Die brauchen offene Ganztagsschulen. Die Erwartungen, die es an einigen Schulen gibt, wollen wir mit der verpflichtenden Struktur einer gebundenen Ganztagsschule erfüllen.

Was die generelle Ausweitung der Ganztagsangebote angeht, so haben für uns weitere offene Ganztagsschulen Priorität. Inzwischen gibt es davon 352 in Schleswig-Holstein. Das ist innerhalb von vier Jahren mehr als ein Drittel aller Allgemeinbildenden Schulen. Sie haben sich insgesamt als Schulen weiterentwickelt, und zwar in sehr enger Abstimmung mit den Eltern, mit den Schulträgern und mit allen Partnern vor Ort. Ich finde, das ist ein großer Gewinn an pädagogischen Ressourcen. Die Schulen haben sich sehr ideenreich zu ganzheitlichen Lernund Lebensorten entwickelt.

(Beifall bei der SPD)

Nun zum Thema Unterrichtsverpflichtung für Lehrerinnen und Lehrer in Sekundarstufen. Sie kennen die Ergebnisse, aber manches ist, glaube ich, in der Debatte immer noch unklar. Wir ändern in der Tat die Verpflichtung vom Schuljahr 2010/2011 auf einheitlich 26 Stunden für die Sekundarstufe I in den neuen Schularten.

Ich habe ja die Abfolge Ihrer Änderungsanträge auch wahrgenommen. Ich weiß nicht, ob Sie inzwischen nachgerechnet haben. Sie haben in Ihrem ursprünglichen Antrag, in dem Sie die gemeinsame Verpflichtung für alle Lehrkräfte der Sekundarstufe I fordern, offengelassen, auf welcher Höhe sich das eigentlich bewegen soll. Das ist natürlich schlau. Es ist klar, wenn ich sage, alle unterrichten 27 Stunden, vom Gymnasium bis zur Regionalschule, dann geht das, weil dann die Gymnasiallehrer die Absenkung bei den Hauptschullehrern bezahlen würden. Wir haben eine solche Regelung bewusst nicht gewählt; das will ich ganz klar sagen. Wir haben nicht die Stundenverpflichtung der Gymnasiallehrer heraufgesetzt nach dem Motto: Ihr finanziert sozusagen die Absenkung bei den anderen Lehrkräften.

Ich weiß nicht, ob Sie für alle auf 24 Stunden gehen wollten, wie es die GEW gefordert hat; übrigens eine absurde Forderung, muss ich wirklich sagen, ohne einen Gedanken daran, was das kosten würde und wer das bezahlen soll.

Jetzt reduzieren Sie sich also auf die Frage: Wie ist denn eigentlich der Start und womit fangen die

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Schulen an? Ich finde, es gibt gute Voraussetzungen für die neuen Schularten Regionalschule und Gemeinschaftsschule ab 2010, wenn die gesetzliche Umwandlung in Regionalschulen erfolgt. Es bedeutet nämlich, dass sich für rund 6.000 Lehrerinnen und Lehrer im Land die Pflichtstundenzahl um eine bis anderthalb Stunden reduziert, meine Damen und Herren. Das heißt aber nicht, dass die Arbeitszeit abgesenkt wird. Dieses Missverständnis darf nicht entstehen. Es geht darum, den erhöhten pädagogischen und organisatorischen Aufwand, der an den neuen Schularten erforderlich ist, erfüllen zu können. Das wollen wir mit der Absenkung der Stundenzahlen ermöglichen.

Ich will auch nicht verschweigen - bisher hat das ja noch niemand gesagt, auch nicht die Grünen; das wundert mich -, dass dabei auf der anderen Seite natürlich eine Erhöhung für die derzeitigen Gesamtschullehrerinnen, jedenfalls für die, die in der Sekundarstufe I arbeiten, herauskommt. Es ist ja bekannt, dass ich das zusammen mit meiner Fraktion gern vermieden hätte. Aber eine solche Pflichtstundenzahl, wie sie derzeit an den Gesamtschulen geleistet wird, war nur finanzierbar, solange es eine überschaubare Zahl von Gesamtschulen gab. Bei der absehbaren Ausweitung der Zahl bis zum Schuljahr 2010/2011 lässt sich das nicht mehr halten. Es bleibt aber bei der deutlichen Besserstellung gegenüber der jetzigen Stundenverpflichtung. Bis zur Änderung des Pflichtstundenerlasses, die wir jetzt auf den Weg bringen, gilt in den kommenden drei Schuljahren die laufbahnbezogene Stundenzahlverpflichtung.

Das gemeinsame Lernen - der Abgeordnete Weber hat das noch einmal ausgeführt - wird erst aufwachsend vom Jahrgang 5 an eingeführt. Sie lassen übrigens auch offen, wenn Sie sagen, das muss sofort gelten, ob das nur für diejenigen gelten soll, die mit einem Teil ihrer Stunden in den neuen Klassen unterrichten, oder ob sie auf einmal die Pflichtstunden für alle komplett herabsetzen wollen, egal in welcher Schulform sie noch unterrichten. Das kann doch wohl nicht gemeint sein. Sie lassen manchmal etwas Präzision in Ihren Anträgen vermissen.

Wir wollen den erhöhten Aufwand, den die Lehrkräfte und die Schulen natürlich beim Neustart haben, damit unterstützen, dass diese Schulen zwei zusätzliche Wochenstunden pro Lerngruppe bekommen, um im Team den Unterricht vorbereiten zu können. Aber mir - und das finde ich in der Debatte etwas bedauerlich - ist viel wichtiger, was wir in Zukunft für den Unterricht tun, was an Unterricht und Fördervolumen bei den Schülerinnen und

Schülern zusätzlich ankommt. Das macht den allergrößten Teil des finanziellen Gesamtvolumens, über das wir sprechen, aus. Das werde ich Ihnen gern noch einmal vorrechnen, das kann ich jetzt aber nicht.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Wegen der Zeit. Herr Abgeordneter Kubicki, wir haben uns wochenlang damit beschäftigt, ich kann das wirklich im Schlaf.

Die Grundausstattung der neuen Schulformen wird von Anfang an so sein, dass die erweiterte Stundentafel für die Gemeinschaftsschule und die Regionalschule gilt und das zusätzliche Fördervolumen mit sechs Stunden pro Klasse in der Gemeinschaftsschule und vier Stunden pro Klasse in der Regionalschule dazukommt.

Übrigens - ich kann Ihnen das im Bildungsausschuss gern näher erläutern - haben Sie den Rückgang der Schülerzahlen total ausgeblendet, der schon voll im Gang ist und ab 2010 mit Tausenden von Schülern in jedem Jahr in den allgemeinbildenden Schulen - schon jetzt nachlesbar in den Berichten zur Unterrichtsversorgung - einsetzen wird. Die Zahlen sind Ihnen gar nicht präsent.

(Zuruf der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Sie haben gesagt, es gebe noch gar keinen Rückgang, erst ab 2010. Das ist einfach nicht richtig.

Natürlich ist es gut, die Perspektive bis auf das Jahr 2020 zu richten, weil das der Zeitraum ist, für den uns die dramatischen Zahlen zur Verfügung stehen. Wer nach 2020 geboren wird und zur Schule gehen wird, kann man heute nur mit Einschränkungen sagen, aber die Bevölkerungsprognosen, die man jetzt hat, sind verlässlich.

Frau Ministerin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Klug?

Entschuldigung, Herr Dr. Klug, ich habe meine Redezeit schon überzogen.

Mit dieser Lösung, für die das Land bis 2020 rund 540 Millionen € investieren wird, haben die Schulen eine klare und tragfähige Perspektive für die erfolgreiche Umsetzung der Schulreform. Es fällt der Opposition schwer, das anzuerkennen; das merkt man, aber es lässt sich belegen, dass die Ko

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

alition der Bildung einen hohen Stellenwert einräumt, und ich bin sehr froh darüber.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke der Frau Ministerin. - Es gibt Wortmeldungen für weitere Kurzbeiträge. Zunächst erteile ich Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Ute Erdsiek-Rave, ich bin natürlich gern in der Opposition, vor allem, wenn man eine Landtagstagung hat wie diese, in der wir eine Verfassungsänderung durchgesetzt haben, die von einer großen Mehrheit des Hauses zunächst in namentlicher Abstimmung abgelehnt wurde; diesmal mussten Sie zustimmen. So etwas ist ein Erfolg für die Opposition; dann macht Opposition Spaß.

Wenn dann auch noch zwei Anträge, die wir zur Bildungspolitik gestellt haben, jedenfalls zur Hälfte Montag vom Koalitionsausschuss vorweg beschlossen werden,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen bei der CDU)

ist Opposition gar nicht so unerfolgreich. Ich verstehe Opposition schon als Aufgabe, den Finger in die Wunden zu legen und die Dinge voranzutreiben und nicht darin, der Regierung zuzujubeln, auch wenn Sie das gern möchten. Das müssen Sie mir verzeihen, Frau Ministerin.

Wir sind auch in finanzieller Hinsicht in unseren Anträgen sehr moderat vorgegangen und haben genau überlegt, was wir fordern und was wir nicht fordern. Deshalb haben wir unseren ersten Änderungsantrag noch einmal variiert, weil wir der Meinung sind, dass sich auch die Opposition nicht in Traumschlössern bewegen sollte, sondern mit ihren Anträgen seriös bleiben sollte.

Jetzt komme ich zu dem Punkt, um den es geht. Die Schulleiterwahl ist bei Regionalschulen und Gemeinschaftsschulen deswegen unterschiedlich, weil § 42 und § 43 für Regionalschulen und Gemeinschaftsschulen im neuen Schulgesetz unterschiedlich formuliert sind. Regionalschulen können neu gegründet werden, das heißt, man kann die Realschule auslaufen lassen und gleichzeitig am selben Standort eine Regionalschule gründen. Damit hat man eine Neugründung, während die alte Schule ausläuft. Bei Gemeinschaftsschulen ist das explizit

nicht möglich. Das ist der Unterschied im Schulgesetz. Warum das so gemacht worden ist, weiß ich nicht. Das ist der rechtliche Grund dafür, dass es nicht möglich ist, dass der Schulleiterwahlausschuss an dieser Stelle neu beschließt. Dass es beamtenrechtliche Probleme gibt, ist unbestritten. Das Ministerium hat das Vorschlagsrecht und muss drei Kandidaten vorschlagen. Aber der Schulleiterwahlausschuss kann auch bei Gemeinschaftsschulen entscheiden.

Jetzt sage ich Ihnen, warum unsere drei Anträge wichtig sind: Wenn sich Lehrer hinsetzen und ein Konzept für ein neues Schulsystem ausarbeiten, wenn sie sich möglicherweise ein, zwei, drei Jahre lang viel Arbeit machen, Konzepte ausarbeiten und dann die Situation eintritt, dass ein Schulleiter das Konzept nicht mitträgt, wie wir das im Land in einigen Fällen explizit erleben, ist das für die Schule katastrophal.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn dann auch noch die Lehrer alle eine unterschiedliche Stundenzahl bei gleichen Arbeitsbedingungen haben, ist das schlecht für die Stimmung. Wenn die Lehrer ein Konzept für eine Ganztagsschule ausarbeiten, weil sie in einem sozialen Brennpunkt -

Kollege Hentschel, die drei Minuten sind um!

Schade. - Ich formuliere meinen Schlusssatz: Wenn die Lehrer ein Konzept für eine Ganztagsschule ausarbeiten, sollten sie das auch sofort starten können, nicht erst mit einem völlig anderen Konzept beginnen müssen und drei Jahre später „umswitchen“ müssen. Das gibt keinen Sinn, Frau Ministerin. Deswegen finde ich es gut, dass die Koalition unsere Anträge im Ausschuss beraten wird. Auch an dieser Stelle wird die Opposition dazu beitragen, dass die Lage verbessert wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für einen weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug.

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Ministerin noch einmal zum Thema demografische Entwicklung, und zwar zur aktuellen Situation, befragen. Dass wir im nächsten Jahrzehnt unter dem Strich einen spürbaren Rückgang der Schülerzahlen erleben werden, ist unbestritten.

Frau Ministerin, Sie haben uns im Bildungsausschuss und Finanzausschuss erst Mitte März einen Umdruck zur aktuellen Schülerzahlentwicklung vorgelegt. Ich habe den Umdruck heute leider nicht auf dem Tisch, aber ich erinnere mich sehr genau an die Ergebnisse der Übersicht: Eine echte Verringerung der Schülerzahlen gibt es derzeit nur im Bereich der Grundschulen. Bei den weiterführenden allgemeinbildenden Schulen ist nur eine Verschiebung von einem Bereich zum anderen spürbar; Sie haben deutlich steigende Schülerzahlen bei den Gymnasien und Gesamtschulen angegeben, dafür deutlich sinkende Schülerzahlen bei Realschulen und Hauptschulen. Außerdem ist ein Zuwachs von über 2.600 Schülerinnen und Schülern bei den berufsbildenden Schulen ausgewiesen worden.

Das führt unter dem Strich dazu, dass in diesem Jahr von einer demografischen Rendite überhaupt nichts zu spüren ist, sondern dass - wenn Sie die berufsbildenden Schulen hinzuzählen - sogar ein Zuwachs, wenn auch nur in geringem Umfang, zu registrieren ist.

(Zuruf der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])