Die Reaktorschnellabschaltung wurde nicht infolge des Brandes ausgelöst, sondern durch Fehlbedienung bei Abschaltung des zweiten Trafos.
Weiter erklärte Staatssekretär Körner, einen Raucheintrag in das Maschinenhaus habe es nicht gegeben. Am Tag darauf musste Vattenfall bekanntgeben, es seien doch Rauchgase in die Leitwarte eingetreten.
Weiter erklärte Staatssekretär Körner, es wurden bislang keine chloridhaltigen Substanzen in den Rauchgasrückständen festgestellt. Zwei Tage später wird bekannt gegeben, dass die hochgiftige Chlorverbindung Dioxin im Filter gefunden wurde. Frage: Wie kann es kommen, dass selbst das Ministerium erneut und wiederum falsch informiert wurde?
Sind die verantwortlichen Personen festgestellt worden? Sind diese beurlaubt worden? Welche Auflagen haben Sie erteilt, um Vattenfall zur Klärung der offenen Punkte zu zwingen und um sicherzustellen, dass sich so etwas nicht wiederholt?
Wieso darf der Pressesprecher Banek, der seit Jahren wiederholt falsche Informationen verbreitet hat, weitermachen?
Meine Damen und Herren, zweiter Komplex, Leitwarte! Bis heute weiß niemand, was am 28. Juni in der Leitwarte von Krümmel wirklich passiert ist. Es wurde berichtet, dass in der Leitwarte zum Zeitpunkt des Brandes statt der sechs üblichen Personen mehr als 20 Personen anwesend waren. Als Rauchgas eintrat, seien nicht genügend Atemmasken vorhanden gewesen. Es soll Missverständnisse und Auseinandersetzungen gegeben haben. In der Folge gab es mehrere Fehlbedienungen. Die automatische Datensicherung hat nicht funktioniert.
Fragen: Warum hat bis heute keine Befragung der anwesenden Personen durch die Reaktoraufsicht stattgefunden? Hat da möglicherweise eine Feier stattgefunden? Hatten anwesende Personen Alkohol getrunken? Warum sind der Reaktorfahrer und der Schichtleiter trotz Einladung des Bundesministeriums nicht zu dem Gespräch am letzten Dienstag erschienen? Stimmt es, dass bis heute alle anwesenden Personen von Vattenfall ein Redeverbot haben? Wieso lässt sich die Ministerin das gefallen?
Warum ist nach dem Nichterscheinen der beiden Personen am Dienstag nicht eine Auflage erteilt worden, dass diese Personen am nächsten Tag zu erscheinen haben? Warum ist nicht hilfsweise die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden? Gibt es eine automatische Aufzeichnung aller Gespräche und technischen Abläufe? Was ist mit den verloren gegangenen Daten? Wo sind sie verschwunden?
Meine Damen und Herren, ich komme zum dritten Komplex, Entzug der Betriebserlaubnis. Ich stelle fest: Erstens. Ein Betreiber, der wiederholt falsche Angaben über meldepflichtige Ereignisse in zwei Atomkraftwerken gemacht hat, ist nicht zuverlässig.
Zweitens. Eine Betriebsleitung, die mehrfach und bewusst falsche Angaben gemacht hat, ist nicht zuverlässig.
Drittens. Wenn für einen Reaktor irrtümlich eine Schnellabschaltung durchgeführt wurde, wenn Sicherheitsventile fälschlich in einer Krisensituation im Atomkraftwerk geöffnet wurden, wenn Kommandos falsch verstanden wurden, dann besitzen die Leitung und die Belegschaft des AKW nicht die nötige Fachkunde. Das gilt auch für Brunsbüttel,
Viertens. Wenn in die Leitwarte eines AKW während eines Brandes Rauch eindringt, sodass Atemmasken aufgesetzt werden müssen, dann ist die erforderliche Vorsorge gegen Schäden nach dem Stand von Wissenstand und Technik - das ist die Formulierung aus dem Atomgesetz - nicht mehr gegeben. Die Leitwarte muss so ausgelegt sein, dass selbst im Falle eines GAUs das AKW noch gesteuert werden kann.
Alle diese vier Punkte, meine Damen und Herren, rechtfertigen den Entzug der Betriebserlaubnis, wenn nicht in angemessener Zeit Abhilfe geschaffen wird.
Ich frage: Welche konkreten Auflagen wurden Vattenfall in jedem einzelnen dieser Fälle, die zum Entzug der Betriebserlaubnis führen können, zur Abhilfe auferlegt? Welche Fristen wurden Vattenfall in jedem einzelnen dieser Fälle dazu jeweils gesetzt, damit Vattenfall nachbessern kann? Wie ist der Stand der Abarbeitung?
Noch etwas, Frau Ministerin: Auf die Frage von Christian Schröder im „Schleswig-Holstein Magazin“ - ich zitiere -: „Sie haben gestern beschlossen, unter anderem soll Vattenfall in einer Woche einen Bericht vorlegen.“ - Das ist am Montag gewesen. „Unter Rot-Grün hat man zum Teil Tagesfristen gesetzt. Warum lassen Sie sich so viel Zeit?“, haben Sie geantwortet: „Natürlich werden Tagesfristen gesetzt.“ Frage: „Welche Auflagen wurden Vattenfall konkret mit Tagesfristen auferlegt?“ - Die Antwort möchte ich wissen!
Fünfter Komplex, Mängelliste: Nach der periodischen Sicherheitsüberprüfung 2003 von Brunsbüttel wurde ein Mängelliste mit 600 Positionen erstellt, von denen 200 Positionen immer noch nicht abgearbeitet sind. Vattenfall versucht gerichtlich, die vorgeschriebene Veröffentlichung nach Umweltinformationsrichtlinie der EU zu verhindern. Frau Ministerin, ich frage Sie: Warum haben Sie jetzt nicht anlässlich der aktuellen Vorfälle die Veröffentlichung der Liste dem Betreiber zur Auflage gemacht, damit die Öffentlichkeit endlich über die Mängel informiert wird?
Komplex Dübel! Das Kernkraftwerk Biblis steht seit 270 Tagen still, weil im vorigen Herbst durch Zufall falsche Dübel entdeckt wurden. Daraufhin wurde der zuständigen Prüffirma Stangenberg von der hessischen Regierung gekündigt, weil das Vertrauensverhältnis gestört war. Jetzt müssen in Biblis mehr als 7.000 falsche Dübel ausgetauscht werden. Anschließend wurden auch Krümmel und Brunsbüttel in Stichproben auf falsche Dübel geprüft. Jetzt wurden auch in Krümmel falsche Dübel entdeckt. Die gleiche Firma Stangenberg hat auch im letzten Jahr in Krümmel die periodische Sicherheitsüberprüfung durchgeführt.
Ich frage: Warum hat die Landesregierung die Vertragsbeziehungen mit der Firma Stangenberg fortgesetzt? Warum hat die Landesregierung der Firma sogar - nach der Antwort auf die Kleine Anfrage des Kollegen Detlef Matthiessen - einen Persilschein ausgestellt? Hat sich die Landesregierung mit der hessischen Regierung über diese Firma ausgetauscht? Hat diese Firma etwas mit der Kontrolle der Dübel zu tun? Gedenkt die Landesregierung jetzt, die Geschäftsbeziehungen mit der Firma Stangenberg zu beenden, die das Vertrauensverhältnis zur hessischen Regierung bereits zerstört hat?
Meine Damen und Herren, wenn eine Gefahr in einem Atomkraftwerk fahrlässig oder durch leichtsinniges Handeln verursacht wird, dann ist das ein Straftatbestand. Frage: Besteht eine Gefahr, wenn der Wasserspiegel über den Kernbrennstäben im Reaktorkern um 2 m absinkt oder wenn von zwei gestaffelten Einspeisesystemen wegen technischer Fehler und Betriebsfehler bereits das dritte in Kraft treten muss und zugleich Rauch in den Leitstand eindringt? Wieso ermittelt die Staatsanwaltschaft noch nicht?
Meine Damen und Herren, der Bericht der Ministerin ist unzureichend. Seit zwei Wochen warten wir auf konkrete Informationen. Bis heute liegt nichts vor. Mich interessiert nicht mehr, welche schönen Reden die Ministerin gegen Atomkraftwerke hält.
Mich interessiert, ob die Ereignisse aufgeklärt werden. Mich interessiert, ob konkrete Auflagen erteilt werden, deren Nichterfüllung zum Entzug der Betriebserlaubnis führt. Mich interessiert, ob konkrete Fristen gesetzt werden. Mich interessiert, warum
Frau Ministerin, ich hatte wirklich erwartet, dass Sie heute und jetzt unsere Fragen zumindest zum Teil beantworten. Nichts ist geschehen. Ich stelle mit Goethe fest: Der Worte sind genug gewechselt, wir wollen endlich Taten sehen.
Frau Ministerin, mein Vertrauen in die Reaktoraufsicht in Schleswig-Holstein - das, was ich jetzt sage, steht nicht in meiner Rede - ist jetzt gestört.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ministerin hat relativ detailliert über die technischen Probleme gesprochen, die sehr gravierend waren. Ich möchte keine weiteren hinzufügen; es gibt sicherlich noch andere. Kollege Hentschel hat - sage ich einmal - den umfassenden Fragenkatalog, den wir als Antrag zur Beantwortung durch die Regierung formuliert haben, um weitere Fragen ergänzt. Wir haben ihn ja durch gemeinsame Anfrage von der CDU- und der SPD-Fraktion wie auch durch den FDP-Antrag ergänzt. Ich meine, auch diesen Fragenkatalog brauchen wir hier jetzt nicht weiter zu beantworten.
Meine Damen und Herren, es waren schon zwei gravierende Vorfälle in Brunsbüttel und in Krümmel, die niemanden unbeeindruckt gelassen haben. Das liegt nicht nur an dem zeitlichen Zusammentreffen beider großer technischer Probleme in beiden Kernkraftanlagen, sondern auch daran, dass beim Thema Kernkraft eigentlich immer fundamental das Für und das Wider von Kernkraftwerken angesprochen sind. Dafür oder dagegen aus verschie
denen Gründen, aus wirtschaftlichen, aus klimaschutzrelevanten, aus sicherheitstechnischen, parteipolitischen, ideologischen und anderen Gründen. Glaubens- und Vertrauensargumente werden in solchen Störfallsituationen hochstilisiert. Leider treten dann sehr oft verlässliche Bewertungen aufgrund mangelnder Fachkenntnisse in den Hintergrund.
Umso wichtiger ist eine transparente und glaubwürdige Darstellung aller Fakten durch die Verantwortlichen. Jeder Betrieb von Kernkraftwerken ist nur zu rechtfertigen - das ist und bleibt die Meinung der CDU-Fraktion -, wenn der Betrieb mit höchsten Sicherheitsstandards ohne Einschränkung erfolgen kann. Das ist etwas Selbstverständliches, wie Herr Kubicki gesagt hat, aber ich möchte es wiederholen.
Deshalb war es unmittelbar nach Auftreten der Störfälle an den beiden Kernkraftwerken von entscheidender Bedeutung, dass drei wichtige Meldungen vom Betreiber Vattenfall gegeben wurden, nämlich, dass keine Menschen in den Anlagen und draußen zu Schaden gekommen sind, dass keine Störungen des Reaktorprozesses und damit auch keine Strahlengefährdung erfolgte und dass der Prozess unmittelbar nach Eintritt der Schäden beherrschbar war.
„Es bestand zu keiner Zeit eine Gefahr. Die Anlage war im stabilen Zustand, die Sicherheitssysteme haben gegriffen.“
So auch die Ausführungen des Sachverständigen vom TÜV Nord bei der Anhörung in der letzten Woche im Sozialausschuss, so auch die Ausführungen der Ministerin.