Protokoll der Sitzung vom 13.07.2007

Bei dem Brand am 28. Juni 2007 waren Rauchgase in den Leitstand des Kraftwerkes eingedrungen, sodass der Reaktorfahrer infolge der Rauchentwicklung ein Atemschutzgerät anlegen musste. Das wissen Sie. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob hier nicht der strafrechtliche Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung §§ 229, 230 StGB erfüllt ist. Gegenüber den Ermittlungsbehörden war seitens des Kernkraftwerks Krümmel die Benennung der Personalien des möglicherweise geschädigten Reaktorfahrers verweigert worden. Auch die Dienstpläne wurden nicht herausgegeben.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich!)

Diese werden jedoch benötigt, um zeugenschaftlich zu einer etwaigen Gesundheitsbeeinträchtigung zu vernehmen. Daher hat die Staatsanwaltschaft einen entsprechenden Beschluss des Gerichts erwirken müssen. Ob der Brand und damit die mögliche Gesundheitsbeeinträchtigung auf menschlichem Verschulden beruht, müssen die weiteren Untersuchungen ergeben. Ich will damit der Sache auch keine weitere Dramatik geben. Ich möchte nur eines dazu sagen: Ich halte dieses Verhalten des Betreibers für völlig inakzeptabel.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es ist schon schwierig, wenn der Atomaufsicht möglicherweise nicht alle Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Sich in diesem Fall, in dem erklärt wird, man möge alles offenlegen, alles werde erklärt, gegenüber der Staatsanwaltschaft zu verweigern, sodass sie einen Gerichtsbeschluss herbeiführen muss, das kenne ich eigentlich nur aus anderen Zusammenhängen, die ich hier jetzt nicht weiter benennen möchte.

Ich kann nur sagen, ich bin fassungslos über so ein Verhalten. Ich denke nur, es ist parlamentarisch erforderlich, dass ich Ihnen das an dieser Stelle sage und nicht Interviews gebe und Sie das hinterher in der Zeitung lesen. Ich will jetzt nicht den Vorfall bewerten, ich meine nur, Sie müssten es schlicht wissen.

(Beifall)

Ich danke Herrn Minister Döring.

Es gibt neue Redezeiten nach § 56 Abs. 6 der Geschäftsordnung: 2:40 Minuten. Ich erteile aber auch weiterhin der Landesregierung das Wort, und zwar Ministerin Dr. Gitta Trauernicht.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Erläuterungen meines Kollegen Uwe Döring haben deutlich gemacht, in welcher Situation sich die Reaktoraufsicht meines Hauses bei der Aufklärung der Vorgänge in Brunsbüttel und Krümmel befindet. Ich verwahre mich deshalb mit Nachdruck gegen die unqualifizierten Vorwürfe gegen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Reaktorsicherheitsabteilung, die Großartiges leistet und in den letzten 14 Tagen rund um die Uhr mit der Aufklärung beschäftigt ist, zum Teil gegen die Absichten des Konzerns, uns unmittelbar un

(Dr. Johann Wadephul)

missverständlich die richtigen Informationen zu geben. Wir haben teilweise Informationen gehabt, die zu korrigieren waren und die den Staatssekretär möglicherweise in die Situation gebracht haben, im Ausschuss in der letzten Woche Fakten darzustellen, die korrigiert werden müssen, weil sie noch nicht hinreichend durch unsere eigenen Leute und durch die Sachverständigen geprüft werden konnten.

Das macht deutlich, wie wichtig es ist, dass es erst zu einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung kommt, dass diese durch die Sachverständigen gegengecheckt wird und auf dieser Basis, wie von den Regierungskoalitionen beantragt, ein Bericht erfolgt. Erst dann haben wir wirklich Klarheit, was dort geschehen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir aber bislang gar nichts gesagt hätten, gehört in das Reich der Fabel. Wir haben eine Sozialausschusssitzung gehabt, in der wir einen Bericht vorgelegt haben. In diesem Bericht wurde deutlich gemacht, was die Ursachen nach der bisherigen Kenntnis für die Zwischenfälle, die Störfälle, die Schnellabschaltungen sind.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Wenn sie falsch waren, dann waren sie vielleicht deswegen falsch - und das können Sie in der nächsten Ausschusssitzung überprüfen -, weil die Zuarbeit von Vattenfall fälschlich war.

(Zurufe des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Matthiessen, Sie sind nicht dran!

Ich weise mit Entschiedenheit den absurden Vorwurf zurück, dass das Ministerium für Reaktorsicherheit Vorgänge in Brunsbüttel und Krümmel vertuscht. Sie hatten in der letzten Sozialausschusssitzung Gelegenheit, jede Frage zu stellen. Sie haben jede Frage beantwortet bekommen. Sie haben in der nächsten Sitzung - deswegen begrüße ich diese Sitzung - die Möglichkeit, die Fragen sachlich zu stellen, und wir werden sie beantworten.

Die Emotionalität, die hier teilweise in den Debattenbeiträgen zum Ausdruck kommt, weist nur auf bestimmte Interessenlagen hin, aber nicht auf die Interessenlage, alles zu tun, damit die Sicherheit

der Bevölkerung vor den Gefahren von Kernenergie tatsächlich gewährleistet werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke der Frau Ministerin.

Wir haben jetzt die Debattenlage, dass wir nach § 56 Abs. 6 der Geschäftsordnung fünf Minuten neue Redezeit haben für die Fraktionen. - Ich erteile das Wort zunächst dem Fraktionsvorsitzenden der SPD-Fraktion, Herrn Lothar Hay.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das skandalöse Verhalten Vattenfalls hinsichtlich des Herausrückens von Informationen macht deutlich, dass hier mit allen Mitteln des Rechtsstaates Fakten und Informationen besorgt werden müssen, damit wir im Landtag, in den Ausschüssen beurteilen können, welche Situation vor Ort tatsächlich geherrscht hat, um daraus auch andere Prüfungsmöglichkeiten nach dem Atomgesetz abzuleiten. Diese sollten wir in aller Deutlichkeit hier im Parlament benennen. Es ist das skandalöse Verhalten Vattenfalls, das dazu geführt hat, dass die Staatsanwaltschaft hier als Instrument des Rechtsstaates eingreifen musste. Das können wir nicht akzeptieren.

(Beifall bei der SPD)

Was im Ausschuss geleistet werden muss, ist: Wir brauchen eine Zeitleiste, wir brauchen eine Beantwortung der aufgeworfenen Fragen sowohl hier im Parlament als auch im Ausschuss und am Ende muss aufgrund der vorhandenen Gesetzeslage geprüft werden, ob die Zuverlässigkeit und die Fachlichkeit des Kraftwerkbetreibers noch gegeben ist. Wenn nicht, dann muss diese Genehmigung aus Gründen der Sicherheit für die Menschen in Schleswig-Holstein entzogen werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich kann gut verstehen, dass das Ganze von politischem Getöse überlagert wird, aber an dieser Stelle geht es um Fakten und nicht um politischen ShowKampf mit Rücktrittsforderungen an die Ministerin. Die Ministerin hat das Vertrauen der SPD-Fraktion und wird dieses auch in Zukunft für die Aufarbeitung all dieser Dinge, was Vattenfall betrifft, haben.

(Beifall bei der SPD)

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

Ich danke Herrn Abgeordneten Hay. - Das Wort für einen Kurzbeitrag hat die Frau Abgeordnete Monika Heinold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erster Punkt! Mit Drucksache 16/1511 haben wir heute einen mündlichen Bericht beschlossen. Dieser mündliche Bericht soll all die Punkte umfassen, die hier aufgelistet sind, von a bis m mit Ergänzung. Eingeschoben ist der Halbsatz, dass es hinterher noch einen schriftlichen Bericht dazu geben soll. Es heißt aber nicht, dass nur der schriftliche Bericht diese Fragen beantworten soll, sondern auch der mündliche.

(Zuruf von der SPD: Soweit es geht, heutiger Stand!)

So lesen wir den Antrag. Alle Punkte, Frau Ministerin, sind nicht beantwortet worden und ich fordere Sie auf, das, was heute mit den Stimmen der Großen Koalition beschlossen worden ist, nämlich all diese Punkte mündlich zu berichten, hier auch zu machen.

Zweiter Punkt. Wir haben den Auszug aus dem „Schleswig-Holstein-Magazin“, wo Sie gefragt wurden, ob Sie, wie Rot-Grün früher, Tagesfristen setzen. Sie haben gesagt: „Natürlich werden Tagesfristen gesetzt.“ Wir fordern Sie auf, Frau Ministerin, zu sagen: Welche Tagesfristen haben Sie gesetzt? Welche Auflagen haben Sie gemacht? Sind die erteilten Auflagen erfüllt worden? Wenn nicht, was war die Konsequenz? Wir erwarten, dass dies hier heute klar und deutlich beantwortet wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich danke der Frau Abgeordneten Heinold.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geben Sie erst mal der Ministe- rin Zeit zu antworten!)

- Das bestimmt die Ministerin selbst, ob sie antworten will.

Ich erteile jetzt dem Oppositionsführer, Herrn Kubicki, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Lothar Hay, für mich ist es eine Selbstver

ständlichkeit, dass die SPD-Fraktion die Ministerin stützt. Alles andere wäre ziemlich komisch. Wenn der Fraktionsvorsitzende der SPD sich hier hinstellen und sagen würde: „Wir haben kein Vertrauen mehr zur Ministerin“, wäre das das Ende der Ministerin.

Aber es ist nicht die Frage, ob die SPD Vertrauen hat, die spannende Frage ist, ob die Bevölkerung noch Vertrauen hat oder haben kann. Ich sage noch einmal: Wir werden bestimmte Vorgänge, die das Ministerium kommuniziert hat, deutlich aufklären. Wenn sich herausstellen sollte, dass die Informationen, die wir aus Niedersachsen erhalten haben, zutreffend sind, Informationen aus Schleswig-Holstein unzutreffend sind, wird das Konsequenzen haben müssen, auch in der Frage des Umgangs - nicht nur der Länder untereinander, sondern insbesondere des Ministeriums mit dem Parlament.

Nun zur spektakulären Ankündigung, dass ein Ermittlungsverfahren gegen wen auch immer - bisher gegen Unbekannt - wahrscheinlich wegen des Anfangsverdachts einer fahrlässigen Körperverletzung ins Werk gesetzt worden ist. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Herr Minister, das wissen Sie doch selbst.

(Zuruf von Minister Uwe Döring)

- Ich kritisiere ja nicht, dass Sie das hier mitteilen. Wenn es Tatsachen gibt, die eine Straftat möglich machen würden, gibt es einen Anfangsverdacht, den die Staatsanwaltschaft bejahen muss, um zu ermitteln. Da es von öffentlichem Interesse ist, kommt es auf einen Strafantrag hier gar nicht an. Das können Sie ja selbst entscheiden. Ich habe es gestern schon einmal gesagt: Wo ein Wille ist, ist ein Weg. Das ist ja auch eine spektakuläre Geschichte.

(Zurufe von der SPD)

Bei jedem Unfall, bei dem es zu Verletzungen von Personen kommen kann, muss die Staatsanwaltschaft prüfen, und das macht sie auch regelmäßig. Ob Verkehrsunfall -

(Anhaltende Zurufe von der SPD)