Protokoll der Sitzung vom 13.07.2007

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/1477 (neu)

(Anke Spoorendonk)

Bekanntmachung des Präsidenten des SchleswigHolsteinischen Landtages Drucksache 16/1468

Wer dem Antrag Drucksache 16/1477 (neu) zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich stelle Einstimmigkeit fest. Ich bedanke mich. Damit haben wir den Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 36 auf:

Informatik als Unterrichtsfach in der Schule

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/1496

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Herr Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug erhält für die FDP das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Einfluss komplexer Informationssysteme auf unser Leben nimmt immer weiter zu. Das Fach Informatik muss deshalb heute mehr denn je als Teil der Allgemeinbildung verstanden werden. Es sollte daher auch als gleichberechtigtes Unterrichtsfach im mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächerkanon der Schulen verankert werden. Hierauf, meine Damen und Herren, zielt unser Antrag.

Weshalb besteht hier in Schleswig-Holstein besonderer Handlungsbedarf? Anfang dieses Jahres ist eine Synopse zum Informatikunterricht in Deutschland als Examensarbeit an der Technischen Universität Dresden vorgelegt worden. Diese Studie zeigt, dass wir im Ländervergleich weit hinter den meisten anderen Bundesländern im Schulfach Informatik herhinken.

Der Autor stellt zum Beispiel fest, dass - ich zitiere - „in Bremen, Hessen und Schleswig-Holstein ein Unterrichtsfach Informatik für die Sekundarstufe I völlig fehlt.“ Andere Länder sind, wie gesagt, hier viel weiter und bieten Schülern bereits früh eine altersgerechte Einführung in die Grundlagen der Informatik.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht dabei nicht etwa um oberflächliche Bedienungsfähigkeiten durch Schulung in der Handhabung irgendwelcher Software-Pakete, also Internetführerscheine oder so etwas. Es geht um einen Lehrplan. Ich nenne einmal das Beispiel des Lehrplans der sächsischen Mittelschule für die 7. und 8. Klassenstufe. Es geht um Themen wie das Grundverständnis bezüglich des Computers - Daten und Strukturen -, In

formationsverarbeitung mit Themen wie „Modell Algorithmus - Lösung“ sowie um die Frage: Wie werden Informationen verschlüsselt? - Also erste Anwendungsbezüge. Im 10. Jahrgang folgen dann zum Beispiel komplexe Anwendungssysteme mit anschließender Projektarbeit.

Informatik ist eine eigenständige wissenschaftliche Disziplin mit eigener Methodik. Sie ist außerdem zunehmend auch eine Schlüssel- und Querschnittsdisziplin, die heute aus vielen anderen Wissenschaften nicht wegzudenken ist. Das reicht von der Biologie, wo die Bioinformatik eine zunehmende Rolle spielt, über die Ingenieurwissenschaften, die Medizin - Stichwort Medizininformatik und ihre Bedeutung für die medizinische Forschung - bis zur Ökonomie, bis zu den Wirtschaftswissenschaften, Stichwort Wirtschaftsinformatik.

Meine Damen und Herren, viele Bundesländer haben Informatik daher auch im Unterrichtsangebot der Oberstufe sehr viel weitgehender verankert als Schleswig-Holstein. Ich nenne beispielsweise die Bundesländer Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen.

Hier in Schleswig-Holstein droht im Zuge des Übergangs vom bisherigen Kurssystem in der Oberstufe zur Profiloberstufe sogar ein Rückschritt. Im ersten Entwurf der Oberstufen- und Abiturprüfungsverordnung war Informatik als Fach explizit nicht den Naturwissenschaften gleichgestellt. In der jetzt kursierenden neuen Entwurfsfassung ist das zwar etwas kaschiert und nicht so deutlich gemacht worden, aber ich habe sowohl aus der Universität Kiel als auch aus den Lehrerverbänden erfahren, man habe bei Rücksprache mit Vertretern des Kultusministeriums von dort die klare Aussage bekommen, Informatik könne kein Abiturprüfungsfach sein.

Demgegenüber will die FDP mit ihrem Antrag erreichen, dass genau dies möglich ist, dass immer dann, wenn die Schulen über qualifizierte Informatiklehrkräfte verfügen, das Fach sowohl als vierstündiges Profilfach als auch als zweistündiges Profil ergänzendes Fach in der Oberstufe angeboten werden kann. Das Institut für Informatik an der Universität Kiel hat außerdem eine Studienordnung für ein Lehramtsfach Informatik in Kombination mit drei anderen Unterrichtsfächern entwickelt, die man studieren kann. Der Entwurf dieser neuen Studienordnung liegt den zuständigen Ministerien vor. Im Wissenschaftsministerium stößt die Initiative aus der Kieler Universität - wie man hört - auf sehr freundliche Aufnahme. Dort ist man daran interessiert, eine Lehrerausbildung in diesem Bereich zu entwickeln. Aber - wie man auch hört

(Vizepräsidentin Ingrid Franzen)

bremst das Bildungsministerium aus Gründen, die ich persönlich nicht nachvollziehen kann. Vielleicht kann Frau Erdsiek-Rave dazu etwas sagen. Aber eine gewisse Informatik-Phobie scheint im Bildungsministerium - ich hatte vorhin das andere Beispiel der Abiturprüfungsordnung genannt - vorhanden zu sein.

(Beifall bei der FDP)

Wir möchten diese Blockaden gern aufbrechen. Dazu gehört selbstverständlich auch die Forderung, dass bei der Einstellung in den Schuldienst ein Studienfach Informatik bei angehenden Lehrern genauso den Zugang zum Lehrerberuf ermöglichen muss wie andere Fächer. In den Staatsexamenstudienordnungen ist Informatik bislang nur als Zusatzfach, als drittes Fach, möglich. Mit dem Wechsel zum Bachelor-/Master-Modell ist verbunden, dass es in Zukunft ein drittes Fach gar nicht mehr geben wird. Das bedeutet, würden wir Informatik nicht mit anderen Lehrfächern in der Lehrerbildung gleichstellen, würden wir in Zukunft überhaupt keine Informatiklehrer in den allgemeinbildenden Schulen mehr bekommen. Das wäre in der Tat in Sachen Informatik in der Schule gegenüber bisher ein Rückfall für Schleswig-Holstein, ein Rückfall in die Steinzeit, Frau Erdsiek-Rave. Ich denke, das gilt es zu verhindern. Ich bitte Sie um Unterstützung für unseren Antrag.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion der CDU erteile ich Frau Abgeordneter Sylvia Eisenberg das Wort.

Herr Landtagspräsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es wieder einmal mit einem typischen Ekkehard-Klug-Antrag zu tun. Irgendjemand hustet in der Gegend herum und schon steht die FDP Gewehr bei Fuß, um ein zusätzliches Unterrichtsfach in den Fächerkanon aufzunehmen,

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

ohne die Voraussetzungen zu klären und ohne Vorschläge zu machen, welches andere Fach denn möglicherweise im Unterricht wegfallen könnte.

Da die Zeit aber knapp ist, will ich mich kurz fassen. Ich werde es zwar nicht so kurz schaffen wie mein SPD-Bundestags-Kollege Bürsch, von dem ich neulich gehört habe, dass er versucht hat, seinen

Redebeitrag freiwillig zu begrenzen, aber ich werde es probieren.

(Zurufe)

- Ich weiß, dass er gescheitert ist, aber es lag nicht an ihm.

Ich werde das probieren, aber trotzdem einige Überlegungen äußern, die im Bildungsausschuss diskutiert werden sollten.

Erstens. Grundsätzlich ist zu überlegen - natürlich -, ob das Fach Informatik der Naturwissenschaft oder der Mathematik zuzuordnen ist. Darüber scheinen sich die Gelehrten noch nicht einig zu sein. Aus dieser für mich offenen Frage aber ergeben sich weitreichende Konsequenzen für die Einschätzung, ob es als eigenes Fach im Austausch gegen eine Naturwissenschaft in der Sekundarstufe I und Sekundarstufe II oder als ein in ein Fach zu integrierendes Element zu betrachten ist.

Zweitens. Die Erweiterung der Bildungsinhalte um den Bereich Informatik ist grundsätzlich ein richtiger Ansatz.

Drittens. Die Einführung eines Bachelor-/MasterLehramtsstudienganges der Informatik an der CAU ist auch als Voraussetzung für die Einführung von Informatik als mögliches profilbegleitendes Fach in der Oberstufe des Gymnasiums im Bereich des naturwissenschaftlichen Profils notwendig und wird deshalb begrüßt.

Viertens. In den Profilen aber, wo nur zwei Naturwissenschaften gemäß der KMK-Vereinbarung Pflicht sind, ist deren weitere Reduzierung zugunsten von Informatik bisher nicht vorgesehen, Herr Dr. Klug.

Fünftens. Meines Wissens reicht für die Grundbildung in Informatik ein zweieinhalbjähriger Lehrgang aus. Auch deshalb stellt sich die Frage, ob bereits in der Sekundarstufe I Informatik als Fach angeboten werden sollte und - wenn man diese Frage bejaht - wie ein Curriculum im Gymnasium über mindestens fünf Jahre gestaltet werden könnte. Die KMK plant zurzeit meines Wissens noch keine Bildungsstandards für dieses Fach.

Sechstens. Tatsache ist aber auch, dass zehn beziehungsweise elf Bundesländer Informatik als Fach im Wahl- oder Wahlpflichtbereich der Sekundarstufe I überwiegend im Realschul- und Gymnasialbereich anbieten. Lediglich in Sachsen ist es Pflichtfach, die anderen Bundesländer integrieren die informatorische Grundbildung in andere Fächer. In zehn beziehungsweise neun Bundesländern können

(Dr. Ekkehard Klug)

die Schülerinnen und Schüler Informatik als Grundbeziehungsweise Leistungskursfach wählen.

Herr Dr. Klug, ich glaube, wir haben die gleiche Vorlage gehabt.

Grundsätzlich müsste an dieser Stelle - am besten im Bildungsausschuss - doch einmal insgesamt überlegt werden, wie der Fächerkanon in den Schulen gestaltet werden soll, bevor wir jedes Mal mit einem einzelnen Antrag ankommen und sagen, da soll etwas passieren.

(Vereinzelter Beifall bei CDU, SPD und SSW)

Ich denke, dieser Aufgabe sollte sich der Bildungsausschuss einmal stellen. Diese und weitere sich fachlich wie sachlich ergebenden Fragen sind besser im Bildungsausschuss als hier zu diskutieren.

(Beifall bei CDU, SPD, SSW und des Abge- ordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Abgeordneten Jürgen Weber das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Ansinnen der FDP und von Herrn Dr. Klug ist in der Tat eines, über das es sich lohnt, intensiver zu diskutieren. Wir tun das bei uns in der Fraktion seit Beginn des Jahres durchaus konstant. Es gibt dort in der Tat Beratungsbedarf.

(Beifall des Abgeordneten Thomas Hölck [SPD])

Ich muss nicht all das wiederholen, was Herr Dr. Klug und Frau Eisenberg hier über den Istzustand ausgeführt haben. Ich glaube, es reicht, wenn Sie das ein- oder zweimal gehört haben. Das müssen Sie nicht noch einmal hören. Natürlich muss aber die Frage geklärt werden, gerade im Bereich der Sekundarstufe I, also der Mittelstufe, ob es eines eigenständigen Schulfaches bedarf oder ob wir zentrale Unterrichtsinhalte aus dem Bereich der Informatik auch anders vermitteln können. Ich will mich in dieser Frage gar nicht abschließend positiv oder negativ festlegen, das müssen wir meines Erachtens noch einmal beraten.

Ein Stück der Philosophie des neuen Schulgesetzes ist es auch, dass wir die Möglichkeit haben, viel mehr auf das zu hören, was die Schulen als Profil entwickeln, und die Kontingentstundentafeln soll

ten es ermöglichen, mehr als bisher Informatik in der Sekundarstufe I implementieren zu können.

Es geht also weniger um die Frage des Ob, sondern meines Erachtens um die Frage des Wie. Auch da empfehle ich eine intensive Beratung im Bildungsausschuss.