Protokoll der Sitzung vom 12.09.2007

Wir leben nicht mehr im Feudalismus, wo König Christian, der auf Raten Ausverkaufende, sich

einen Wald als fiskalische Notreserve hält. Dies verstößt auch gegen ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Unserer sich auf freien Wettbewerb orientierenden Marktwirtschaft steht ein öffentlicher Besitz, aus dessen Bewirtschaftung primär Gewinn gezogen werden soll, entgegen. Der Verkauf von Teilflächen wird erleichtert. Naturschutz wird - wenn überhaupt - nur noch nach Kassenlage gemacht. Dieser Gesetzentwurf muss weg. Was wir brauchen, ist eine Stiftung für den Landeswald.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Der Wald war und ist eine langfristige Investition. Er sollte daher dem Zugriff des Finanzministers entzogen werden, der damit kurzfristig Haushaltslöcher stopfen will.

Der Landeswald könnte sehr zuschussarm bewirtschaftet werden, weil auf mittlere Sicht die Holzpreise steigen. Ihre Formel lautet jedoch: Zuschuss ist Wald mit Gemeinwohlaufgaben. Gewinn ist Wald ohne Gemeinwohlaufgaben.

Der Wald ist nicht mehr in erster Linie an Gemeinwohlleistungen zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger und der Natur orientiert, sondern an Gewinnmaximierung durch vermehrten Holzeinschlag und -verkauf. Damit verstößt der Gesetzentwurf der Landesregierung gegen ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Mai 1990.

(Lachen bei der CDU)

Zu den Zielen des öffentlichen Waldes heißt es in der Urteilsbegründung: „Die Bewirtschaftung des... Staatswaldes... dient der Umwelt- und Erholungsfunktion des Waldes, nicht der Sicherung von Absatz und Verwertung forstwirtschaftlicher Erzeugnisse.“

Zweitens ist offenbar ein scheibchenweiser Verkauf von Waldflächen geplant, wie wir ihn bereits in der Vergangenheit zu beobachten und zu beklagen hatten. Die bisherige Finanzausschussbeteiligung bei Verkäufen von 350.000 bis 1 Million € soll gestrichen werden. Lediglich bei Verkaufswerten, die über 1 Millionen € liegen, soll wie bisher der Landtag entscheiden.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört, hört!)

Die Öffentlichkeit erfährt von kleineren Verkäufen von zum Beispiel 100 ha nichts. Mal sind es 100 ha hier, mal 80 ha dort; dies sind Eigenjagdgrößen. Waldverkauf wird zur Geheimsache. Transparenz

(Günther Hildebrand)

ist nicht Ihre Stärke, Herr Minister. Das haben Sie heute Morgen bereits unterstrichen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das zeigt sich auch in dem als geschlossene Gesellschaft konzipierten Verwaltungsrat. Es können zwar Natura-2000-Gebiete verkauft werden, aber anders gesetzlich geschützte Biotope innerhalb des Waldes wie zum Beispiel Bruchwälder oder Moore sind überhaupt nicht in besonderer Weise vor einem Verkauf gesichert.

Drittens verliert der Landeswald seine herausgehobene Stellung gegenüber dem Privatwald, indem die bisherige besondere Verpflichtung auf Gemeinwohlleistungen vor allem bezüglich des Umweltund Naturschutzes ersatzlos gestrichen wird. Bislang sieht das Landeswaldgesetz in § 6 Abs. 2 Ziele und Grundsätze einer naturnahen Waldbewirtschaftung vor. Ein auf Gewinnmaximierung ausgerichteter Betrieb kann dies nicht erfüllen.

Aber Sie wollen die Formel ja auch ändern. Mit dem weitgehenden Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel, einem Vorrang heimischer Baumarten, der Anpassung der Wilddichte sowie der Erhöhung des Altholz- und Totholzbestandes etwa leistete der Landeswald bisher einen wertvollen Beitrag zum Natur- und Artenschutz in Schleswig-Holstein.

Konflikte mit dem EU-Artenschutzrecht sind vorprogrammiert. Der Schwarzspecht oder die verschiedenen Fledermausarten brauchen alte Bäume. Diese wird es in einem reinen Wirtschaftswald kaum noch geben. Das bereits zitierte BVG-Urteil schreibt dagegen vor, dass die Forstpolitik weniger auf Marktpolitik ausgerichtet sei. Sie diene vor allem der Erhaltung des Waldes als ökologischem Ausgleichsraum für Klima, Luft und Wasser, für die Tier- und Pflanzenwelt sowie für die Erholung der Bevölkerung.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Im Gegensatz dazu soll die Anstalt laut Gesetzentwurf Gemeinwohlleistungen nur noch im Rahmen der Zuwendungen des Landes nach Maßgabe des Landeshaushaltes tätigen.

Der Landeswald erfüllt bisher in besonderer Weise Aufgaben des Natur- und Umweltschutzes und hat eine wichtige Erholungsfunktion für die Menschen. Ohne Not gibt die Landesregierung diese herausgehobene Stellung des Landeswaldes auf. Der Landesforst soll zukünftig einseitig auf Gewinnmaximierung ausgerichtet werden. Mit dieser Vorgabe

verstößt die Landesregierung gegen die verfassungsrechtliche Bindung der öffentlichen Wälder an das Gemeinwohl.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Gruppe des SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Der kommt vom Deich! Der weiß gar nicht, was Wald ist! - Heiterkeit)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Langsam aber sicher weiß der Bürger nicht mehr, was er von dieser Regierung und der sie tragenden Parteien halten soll.

Die Kolleginnen und Kollegen von der CDU sind ja wenigstens noch konsequent in ihrer Haltung. Sie haben klar angekündigt, dass sich der Landeswald rechnen soll und alle anderen Ziele gegenüber der Gewinnorientierung hinten anstehen sollen. Diese Haltung teile ich zwar nicht, aber man weiß wenigstens, wo sie stehen.

Bei den Sozialdemokraten allerdings weiß man es nicht. Da wird über Jahre, ja Jahrzehnte eine gute Politik zur naturnahen Entwicklung der Landeswälder gemacht, die auch von uns als SSW unterstützt wurde. Und nun gibt man diese Politik völlig auf.

Auf dem Landesparteitag der SPD wurde letztes Wochenende verkündet, dass Schluss sein solle mit der rein wirtschaftlichen Betrachtung von Staatseigentum und dass man wieder zurückfinden wolle zur Verantwortung für soziale Belange. Und dann bekommen wir hier so etwas geboten.

(Beifall beim SSW)

Die Landesforsten werden in eine eigene Rechtsform überführt, die Gewinnstreben zum Ziel hat und bei der der Naturschutzgedanke und die Gemeinwohlleistungen des Waldes für die Bürgerinnen und Bürger nur noch nach Kassenlage mal hier und mal da eine Rolle spielen dürfen.

(Sandra Redmann [SPD]: Das ist doch totaler Quatsch!)

Wir kennen dieses Spiel schon von der Diskussion über die Schülerbeförderung. Auf Parteitagen wird etwas verkündet und im Landtag wird dann das Gegenteil dessen beschlossen. Und nun macht die So

(Detlef Matthiessen)

zialdemokratie mit diesem Spiel bei den Landeswäldern weiter.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für uns hat der Landeswald eine ganz andere Bedeutung als für die derzeit Regierenden. Für uns ist der Landeswald immer noch die größte Naturschutzmaßnahme des Landes Schleswig-Holstein. Aufgabe des Landeswaldes ist es nicht vorrangig, Gewinn abzuwerfen, sondern seinen Beitrag für den Klima- und Naturschutz zu leisten. Und deshalb braucht man ihn auch nicht in eine Anstalt öffentlichen Rechts zu überführen. Im Landeswald sollen die Freiräume geschaffen werden, die im Privatwald nicht geschaffen werden können. Jeder Privatwaldbesitzer betreibt seine Forsten nach den Bestimmungen des Landeswaldgesetzes. Das ist gut so und wird von uns auch anerkannt.

Aber die Aufgabe des Landes ist es, in seinen Wäldern der naturnahen Entwicklung nicht nur eine Chance zu geben, sondern diese auch zu fördern. Und das kostet Geld.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wird aber der Landeswald in eine eigene Rechtsform überführt, so wird sich der wirtschaftliche Druck erhöhen und andere Ziele werden in den Hintergrund rücken. Ein Ziel wie die Gewinnorientierung sollte nicht als Hauptziel, sondern als Nebenziel formuliert sein. Unsere Betrachtungsweise unterscheidet sich sehr von der der Großen Koalition. Wir wollen, dass sich die Landeswälder so naturnah wie möglich entwickeln können und dass der Gewässer- und Naturschutz hier die entscheidende Rolle spielt. Deshalb können wir auch nicht verstehen, dass im Verwaltungsrat der neuen Anstalt neben dem Fachministerium und dem Personalrat zwar das Finanzministerium und sogar Vertreter der Wirtschaft ihren Platz bekommen sollen, die Umweltverbände aber völlig außen vor gehalten werden.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Bestimmung zeigt exemplarisch, dass die fachlich fähigen, aber unbequemen Naturschutzverbände draußen vor gelassen werden sollen. So soll Gewinnstreben vor Naturschutz gestellt werden.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Betrachtet man dann noch die Presseerklärung des Umweltministers vom 4. September, so müssen die

Alarmglocken umso mehr schrillen. Da wird erstens angekündigt, dass der Verkauf von sogenannten unwirtschaftlichen und entbehrlichen Splitterwaldflächen weitergeführt werden soll. Was das bedeutet, konnten wir insbesondere beim Verkauf des Waldes Christianslust im letzten Jahr sehen. Diese Politik wird jetzt weitergeführt und wenn erst einmal alles weg ist, kann man diese Entwicklung nicht mehr zurückdrehen. Diese Flächen werden für den Naturschutz dank der Großen Koalition verloren sein.

Als Zweites kündigt der Minister an - ich zitiere -: „Es soll versucht werden, für Infrastruktur- und Tourismusleistungen, (zum Beispiel Trimm-dich- Pfade, Parkbänke und Reitwege) Beiträge Dritter zu erheben.“

Man will also Beiträge erheben, entweder von den Bürgerinnen und Bürgern selbst, von den Kommunen oder von den Vereinen, die den Wald nutzen. Auf jeden Fall sollen wir alle für die Politik der Landesregierung zahlen, und zwar in bar, in cash. Hier wird somit nicht der Spagat zwischen Einnahmeoptimierung und Erhalt der Gemeinwohlleistungen geschafft, sondern der erste Schritt hin zu einem völligen Rückzug des Landes aus seinen Wäldern getan. Der Schritt hin zum Verkauf aller Landeswälder ist da nicht mehr weit. Die weniger gewinnbringenden, aber umweltpolitisch wertvollen, naturnahen Wälder werden auf ein Minimum reduziert. Das hat dann nichts mehr mit Gemeinwohlleistungen zu tun. Ab dem ersten Januar gehört der seit Jahrzehnten oft in ehrenamtlicher und mit ehrenamtlicher Unterstützung aufgebaute Landeswald nicht mehr den Bürgerinnen und Bürgern, sondern nur noch dem Finanzminister und dem finanzpolitischen Diktat.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Konrad Nabel das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn es eigentlich zum Schluss der Debatte nicht mehr angebracht ist, möchte ich etwas sagen. Denn der SSW hat mich auf die Palme gebracht, ungeachtet dessen, dass Palmen bei uns nicht wachsen.