Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Tribüne begrüße ich die Damen des Landfrauenverbandes Schenefeld - wenn ich das richtig sehe - einschließlich einer männlichen Begleitung! - Seien Sie uns alle sehr herzlich willkommen!
Sehr geehrte Damen und Herren! Seit einigen Wochen wird intensiv über die Höhe der Regelsätze in der Sozialhilfe und beim Arbeitslosengeld II diskutiert. Die Gewerkschaft ver.di - und ich habe eben gehört, auch die Grünen - fordern eine Erhöhung der Regelsätze von bisher 347 € auf 420 €.
Ich glaube, wir sollten uns die Gesamtsumme vor Augen halten, wir reden dann über 5,5 Milliarden €. Ich glaube, wir sollten uns weiterhin angesichts dieser Diskussion noch einmal die Fakten vor Augen führen und keine Ad-hoc-Forderungen stellen. Wir gewähren in Deutschland Arbeitslosengeld II, um den Lebensunterhalt zu sichern. Dabei handelt es sich in der Tat um eine pauschale Geldsumme. Davon muss der notwendige Bedarf an Produkten und Dienstleistungen gedeckt werden. Hierzu zählen unter anderem Nahrungsmittel, Kleidung, Körperpflege und Hausrat.
Gesonderte Bedarfe, wie etwa die Erstausstattung einer Wohnung oder die Finanzierung einer mehrtägigen Klassenfahrt, werden gesondert gewährt. Für den Regelsatz wird die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes zugrunde gelegt. Diese Statistik spiegelt die Lebensverhältnisse privater Haushalte in Deutschland wider. Dabei werden im Einzelnen Daten über die Einkommens-, Vermögens- und Schuldensituation sowie die Konsumausgaben privater Haushalte ermittelt.
Richtig ist - und aus meiner Sicht auch nicht zu kritisieren -, dass sich die Regelsätze nicht an den tatsächlichen Verbrauchsausgaben von durchschnittlichen Ein-Personen-Haushalten orientieren. Vielmehr werden hier die Ausgaben von unteren Einkommensgruppen herangezogen. Für die CDULandtagsfraktion bleibt es auch wichtig, dass in der
Diskussion über die Regelsätze auch das Lohnabstandsgebot beachtet wird. Das gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unteren Lohngruppen und genauso für Rentner mit einer sehr kleinen Rente.
Ich sehe eine Ausnahme bei Kindern und Jugendlichen - das will ich sehr deutlich sagen. Dies wurde allerdings auch während der Klausursitzung des Bundeskabinetts in Meseberg auf den Weg gebracht. Auch Sicht der CDU-Landtagsfraktion war das allerdings auch ein Stück weit zu spät. Ich finde, das sollte man offen eingestehen. Wir wollen Kindern ein finanziell besser abgesichertes Leben ermöglichen. Das Maßnahmepaket der Union, mit dem Familien finanziell gefördert und die Bildungschancen der Kinder verbessert werden sollen, enthält unter anderem die Ausweitung des Kindergeldzuschlags. Ich finde es bedauerlich, Frau Kollegin Birk, dass Sie darauf nicht eingegangen sind.
Von den bisher 830.000 Anträgen auf Kindergeldzuschlag sind bisher nur 12 % bewilligt worden. Grund dafür ist unter anderem ein kompliziertes Antragsverfahren. Durch die Neugestaltung sollen vor allem Harz-IV-Empfänger profitieren.
Für viele sozial schwache Kinder geht diese Situation mit Bildungsarmut einher. Das will ich ausdrücklich unterstreichen. Das müssen wir ändern, denn diesen Kindern werden häufig bereits in jungen Jahren Zukunftschancen genommen.
Um den Teufelskreis aus materieller Armut und mangelnder Bildung zu durchbrechen, setzt die CDU auf eine Politik, die allen Menschen und allen Kindern bessere Chancen gibt.
Angesichts der Erfordernisse einer Wissensgesellschaft ist es zudem nicht hinnehmbar - und ich finde, darüber müssen wir uns auch unterhalten -, dass 95 % der Akademikerkinder, aber nur 17 % der Kinder aus einer Arbeiterfamilie eine akademische Ausbildung erhalten. Auf Bundesebene prüft die Union eine geringere Mehrwertsteuer auf typische Kleinkind- und Kinderprodukte des täglichen Bedarfs. Auch das könnte ein Lösungsbeitrag sein.
Im Frühjahr wurde festgestellt, dass aufgrund von relevanten Preisentwicklungen keine Regelsatzänderung erfolgen muss. Der Satz in Höhe von 345 € wurde bestätigt. Er wurde am Ende ein wenig angehoben, weil es auch etwas mit der jeweiligen Rentenanpassung zu tun hat, sodass wir jetzt bei 347 € liegen. Wichtig ist mir weiterhin festzustellen: Ein ALG-II-Bezieher bekommt heute schon Leistungen von gut 800 € monatlich vom Staat, inklusive Re
gelsatz, Miete, Heizungskosten und Versicherung. Ein Hartz-IV-Empfänger hat mitunter mehr als mancher Rentenempfänger, der mit weniger als 800 € im Monat auskommen muss und sein ganzes Leben gearbeitet hat. Das müssen wir in der gesamten Diskussion berücksichtigen.
Die Bundesregierung hat zugesagt, dass die Regelsätze bis zum November noch einmal überprüft werden. Dann wird es ein Ergebnis geben. Eine Anpassung der Regelsätze an jede einzelne Preisschwankung ist nicht vorgesehen und auch nicht wünschenswert. Eine solche Anpassung gibt es für Erwerbstätige übrigens auch nicht.
Lassen Sie mich abschließend wie folgt zusammenfassen: Eine Reihe von Regelsätzen wird auf Bundesebene überprüft. Die Zahl der Empfänger des Kindergeldzuschlags soll ausgeweitet werden. Das Lohnabstandsgebot muss strikt beachtet werden. Die Initiativen der Bundesregierung, wie zum Beispiel die Initiative „Jobs ohne Barriere“ oder die Initiative „50plus“ leisten ganz konkrete Beiträge, um Menschen aus dem Bezug des Arbeitslosengeldes II zu befreien. Handlungsbedarf sehen wir alle gemeinsam im Bereich von Kindern und Jugendlichen. Da gibt es Vorschläge. Wir sind auf die Ergebnisse im November 2007 gespannt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Offen gesagt, habe ich mich beim Lesen des Antrags von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geärgert.
Nicht etwa, weil er sich gegen Armut wendet, und auch nicht, weil er Kinder und Jugendliche in den Fokus rückt; auch nicht, weil es nicht richtig wäre, in diesem Hohen Haus über Armut zu diskutieren. Das ist immer richtig und immer wichtig. Ich habe mich geärgert, weil es wieder ein typisch populistischer Antrag ist,
weil BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Berlin Regierungsverantwortung hatten, als wir die Grundlagen für ALG II gelegt haben, und weil die Grünen so tun, als gehe es nur um Geld! Das stimmt eben nicht.
Jedes von Armut betroffene Kind ist eines zu viel. Die Lebenschancen von Kindern dürfen nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen.
Im nachhaltigen Kampf gegen Kinderarmut kommt deshalb vor allem dem Ausbau der Bildungsangebote von Anfang an eine Schlüsselrolle zu. Dafür müssen wir alle finanziellen Kräfte mobilisieren und zielgerichtet einsetzen. Ich bin der Meinung, dass strukturelle Veränderungen sehr viel besser geeignet sind, die Zukunftschancen von Kindern sicherzustellen. Dazu gehört ein Ausbau von Kindertagesstätten, besonders im Ganztagsbereich, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern und um Kindern zusätzlich zur Familie einen unterstützenden Rahmen zu geben.
Ich glaube, dass es besser ist, frühe Bildungsangebote und Sprachförderung zu forcieren, damit Kinder mit guten Chancen in die Schulzeit starten. Weiter ist in diesem Zusammenhang die Gemeinschaftsschule zu nennen, damit jedes Kind seinen Fähigkeiten und Bedarfen entsprechend gefördert wird. Auch die Stärkung des Übergangs von der Schule in Ausbildung und Beruf gehört dazu, denn nichts beugt Arbeitslosigkeit besser vor als eine solide Ausbildung. Weiter ist die Fortsetzung einer aktiven Arbeitsmarktpolitik zu nennen, damit Eltern in der Regel berufstätig sind und ihre Familie angemessen versorgen können. Das betrifft auch und gerade den Niedriglohnsektor.
Ebenfalls zu nennen ist ein Mindestlohn, damit auch Eltern mit geringer Qualifikation ausreichend verdienen. Darüber reden wir gleich im Anschluss noch. Das Durchbrechen der Armutsspirale ist ferner wichtig, damit eine Familie nicht über Generationen von Sozialleistungen abhängig ist. Auch eine Weiterentwicklung des Kinderzuschlags, wie er auf Bundesebene in Arbeit ist, ist ebenso wie eine aktive Gleichstellungspolitik zu nennen, denn sie - das hat eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Frühjahr dieses Jahres gezeigt - ist das beste Mittel gegen Kinderarmut.
Ich gehe kurz auf diese Studie ein. Die Erwerbstätigkeit der Mütter ist die beste Option zur Armutsprävention bei Eltern und Kindern. Dies belegt die Studie. Die Böckler-Stiftung stellt dies fest, indem sie aufzeigt, dass die Kinderarmut dort hoch ist, wo Mütter gar nicht oder nur wenige Stunden arbeiten gehen. Dies wurde in den Ländern Großbritannien und Deutschland untersucht. Es wurde festgestellt, dass dort jedes fünfte Kind unter 15 Jahren von Armut bedroht ist. In Schweden ist es nur jedes
zehnte Kind. Trotzdem sind unsere Sozialleistungen für Familien viel höher als in Großbritannien. Das endet jedoch an der Grundlage nichts.
Deshalb ist es nicht allein entscheidend, mit Geld zu operieren. Vielmehr geht es darum, die strukturellen Voraussetzungen zu verändern. Das Ziel von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist ehrenwert. Auch wir sind gegen Kinderarmut. Allerdings haben wir sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, wie sie effektiv bekämpft werden kann. Während Sie von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für eine Ausschüttung staatlicher Transferleistungen sind, mit denen die betroffenen Familien in Armut und Abhängigkeit verbleiben, lautet unsere Position: Die Rahmenbedingungen müssen sich verbessern. Deshalb ist das Geld in der Arbeitsmarktpolitik, in kompetenter Kinderbetreuung und in der Ausbildung besser investiert.
Im Übrigen wird natürlich auch im Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Anpassung des Existenzminimums geprüft. Dazu gehören die Überprüfung der Preisentwicklungen der letzten Jahre, die Überprüfung möglicher Folgen anderer Anpassungsfaktoren wie zum Beispiel der Inflationsrate oder des Verbraucherpreisindex und natürlich auch die Überprüfung möglicher Auswirkungen eines Mindestlohns auf die Ausgaben für Grundsicherung. Diese Überprüfungen laufen. Sie sind in der Regierung vereinbart. Der Kollege Geerdts hat dies eben angesprochen. Deshalb glaube ich, wir brauchen diesen Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht. Wir werden ihn deshalb ablehnen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Birk, ich habe mit dem Antrag einige Probleme, und zwar nicht, weil Sie den großen Begriff der konzertierten Aktion - Sie wissen, wo die herkommt, - dafür benutzen, sondern weil ich ihn zum Teil scheinheilig finde. Sie erwecken den Eindruck, dass Sie endlich einen Missstand erkennen, den Sie selbst als Regierungspartei in Berlin mitbeschlossen haben. Zwischen den Zeilen unterstellen Sie, so habe ich das zumindest empfunden, dass die Regelung des SGB II zu Armut führt. Wenn Sie das unterstellen, dann sage ich, Sie hätten die Regelung zum SGB II in Berlin nicht mitbe
schließen dürfen. Dann hätten Sie auch hier in der vergangenen Legislaturperiode alles daransetzen müssen, dass diese Regelungen nie in Kraft treten dürfen.
Liebe Kollegin Birk, dort, wo Sie Verantwortung tragen, nämlich in den Kommunen, um genau diese schönen Dinge in die Tat umzusetzen, die Sie hier präsentiert haben, machen Sie genau das Gegenteil. Der Kollege Fischer hat in Kiel dazwischen gerufen. Dort machen Sie das genaue Gegenteil. Dort steigen die Gebühren. Dort werden Stadtteilbibliotheken geschlossen, und zwar auch mit den Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich finde das zumindest problematisch, liebe Kollegin Birk.
Das, was Sie hier fordern, nämlich eine grundsätzliche Revision, mag durchaus sinnvoll sein. Was ich weniger sinnvoll fand, war beispielsweise Ihr reflexhafter Vorschlag, dass nach der Ankündigung einer Steigerung der Milchpreise ALG-II-Empfänger gleich 50 € mehr bekommen müssten. Ich frage Sie: Warum nicht auch Polizeibeamte, warum nicht Busfahrer und Krankenschwestern? Was sollen wir denen sagen, wenn die Milchpreise steigen? Ich finde, Sie machen es sich an dieser Stelle zu einfach.
Im Rahmen einer Generalrevision - das sage ich ausdrücklich - kann und muss man selbstverständlich die Frage stellen, inwieweit heute die dem SGB II zugrunde liegenden Regelsätze noch zur Sicherung des sozialen und kulturellen Existenzminimums ausreichen. Man kann auch fragen, wie im Rahmen einer solchen Revision eine Dynamisierung dieser Transferleistungen erfolgen kann. Trotzdem warne ich davor, den Empfängern von ALG II etwas vorzumachen. Ich möchte daran erinnern: Die Transferleistungen, die das soziokulturelle Existenzminimum sichern sollen, sind bei Asylbewerbern und BAföG-Empfängern niedriger angesetzt als derzeit im SGB II. Sie haben bezüglich der Transferleistungen aber denselben Anspruch. Nach den Reformzielen ist das Arbeitslosengeld II eine Übergangshilfe. Es soll keine andauernde Rentenleistung sein, die sich Betroffene ihr Leben lang erarbeitet haben. Auch zur Erinnerung sage ich: Manchmal hilft ein Blick ins Gesetz. Ob Regelleistungen nach § 20 SGB II, Einmalsonderzahlungen nach § 23 Abs. 3 SGB II, Mehrbedarfe nach § 21 SGB II, Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II sowie die Möglichkeit der ergänzenden Darlehen bei unabweisbarem Bedarf nach
§ 23 Abs. 1 SGB II; es gibt eine ganze Reihe von Geldleistungen, die insgesamt das soziokulturelle Existenzminimum bei ALG-II-Empfängern sichern sollen.
Ich bekenne mich ausdrücklich aus zu Folgendem, auch wenn es in der augenblicklichen Diskussion nicht so populär sein mag: Ich bin nach wie vor Anhänger der These: Wer arbeitet, der muss auch mehr im Portemonnaie haben als der Empfänger staatlicher Transferleistungen.