Protokoll der Sitzung vom 13.09.2007

Herr Hentschel sagte, bei den Grünen betrage die Quote 60 %. Ihr müsst euch also noch einigen, wer die 60 % und wer die 40 % ausmacht.

(Heiterkeit - Zuruf des Abgeordneten Karl- Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

- Okay, Mitglieder waren von Herrn Hentschel gemeint.

Der FDP könnte eine gesetzliche Regelung möglicherweise gut tun: Die Fraktion besteht zurzeit nur aus Männern. Wir sollten trotzdem nicht der Versuchung erliegen, aus den Kürzeln der FDP eine „Frauen-Diskriminierungs-Partei“ zu machen. Ich erinnere nur an so profilierte FDP-Frauen wie Frau Aschmoneit-Lücke oder Frau Happach-Kasan, die hier jahrelang beste Parlamentsarbeit geleistet haben.

(Beifall)

Dass die CDU in ihrer Fraktion weniger als 25 % Frauen hat, liegt nicht in erster Linie an der dort eher unverbindlichen Quotierung, sondern wesentlich daran, dass 25 der 30 Abgeordneten aus direkt gewonnenen Wahlkreisen kommen. Frau Tengler hat eben auf diese Problematik hingewiesen. Wo eine einzelne Person aufgestellt wird - das ist ja in jedem Wahlkreis so -, kann man eben nicht quotieren. Und auf die Zahl und Zusammensetzung der direkt gewählten Abgeordneten des Landtages könnte man auch mit einer verbindlichen ListenQuotierung keinen Einfluss nehmen. Von der CDUListe stammten bei der letzten Landtagswahl nur fünf der 30 Abgeordneten.

(Frauke Tengler)

Insgesamt sind 2005 in unseren 69-köpfigen Landtag 22 Frauen gewählt worden. Das ist knapp ein Drittel. Der Wissenschaftliche Dienst des Landtages hält die von den Grünen beantragte Festlegung einer landesgesetzlichen 50-%-Quote für rechtlich zulässig. Aus dem Staatsziel, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken - Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz -, ergäbe sich jedenfalls die verfassungsrechtliche Möglichkeit einer gesetzlichen Quotierung, obwohl damit unstreitig Verfassungsgrundsätze wie die Gleichheit der Wahl, die Wahlvorschlagsfreiheit der Parteien und sogar das materielle Grundrecht der Gleichberechtigung von Frau und Mann beeinträchtigt würden, letzteres, weil sich eine Quotenregelung zugunsten von Frauen gleichzeitig als Benachteiligung von Männern auswirkt. So der Wissenschaftlicher Dienst im Umdruck 16/2273 auf Seite 4.

Wir werden im weiteren parlamentarischen Verfahren politisch zu entscheiden haben, ob wir mit staatlichen Mitteln in die Organisationsfreiheit und Satzungsautonomie der politischen Parteien eingreifen wollen, um dem Ziel einer möglichst ausgeglichenen Repräsentanz von Männern und Frauen im Landesparlament näher zu kommen oder es gar zu erreichen.

Ich freue mich auf die Beratungen im Fachausschuss.

(Anhaltender Beifall bei SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls. - Für die FDP-Fraktion hat nun deren Vorsitzender, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Grüne wollen die Frauenquote im Wahlrecht.“ Diese Überschrift zierte den einen oder anderen Artikel in einer örtlichen Tageszeitung. Gemeint war der uns vorliegende Gesetzentwurf zur Einführung einer Quote im Landeswahlrecht.

Besonders viel Freude hat mir der erste Satz der SPD-Pressemitteilung zu der Initiative der Grünen gemacht. Dort erklären die Kollegin Redmann und der Kollege Puls - ich zitiere -: „Die Beteiligung von Frauen und Männern an parlamentarischer Arbeit ist notwendig.“

Volle Zustimmung, liebe Kollegin und lieber Kollege, denn ohne Frauen und Männer gäbe es keine parlamentarische Arbeit. Ein drittes Geschlecht ist mir bisher noch nicht bekannt.

(Heiterkeit)

Beim Durchlesen des Gesetzentwurfs der Grünen ist leicht festzustellen, dass dessen Bezeichnung als Gesetzentwurf für eine Frauenquote nicht zutrifft. Der Gesetzentwurf der Grünen richtet sich zu gleichen Teilen an beide Geschlechter. Mit der von den Grünen gewollten Änderung des Landeswahlrechts wird genauso eine Frauen- wie Männerquote in das Landeswahlrecht festgeschrieben. Künftig sollen also jeweils zur Hälfte Männer und Frauen im Landtag vertreten sein.

Übertragen auf den Bundestag hieße dies, dass von den 30 Frauen in der 51-köpfigen Grünen-Fraktion mindestens fünf ihren Platz zugunsten von Männern räumen müssten.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ach! - Widerspruch des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Doch, es wäre so, Herr Kollege Hentschel. - In diesem Fall wäre eine Quote also eher eine Männerquote.

Im Übrigen ist die interessante Frage noch nicht geklärt, ob damit gleichzeitig die Frauenpartei verboten werden müsste, deren Mitgliedschaft ja an das Geschlecht gebunden ist und die auch zu Wahlen antritt. Sie hieße unzulässigerweise nach ihren Statuten „Frauenpartei“ und nicht „Frauen- und Männerpartei“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich sind auch uns die Diskussionen über Geschlechterquoten bekannt. Es hat sie auch immer wieder bei uns auf Parteitagen gegeben. Komischerweise sind es dann aber immer wieder Vertreterinnen oder Vertreter der betroffenen Geschlechter, die gegen eine sie begünstigende Quote ans Rednerpult gehen und ausführen, dass sie einen freien Wettbewerb wollen und eben in diesem Wettbewerb - wie der Kandidatur zu einer Wahl - bestehen wollen und nicht durch eine Quote.

Meine Kinder, Herr Hentschel, beide Töchter übrigens, beide 27 Jahre alt, halten diese Diskussion für so gestrig, dass sie mich immer wieder fragen, ob wir uns wirklich damit beschäftigen müssen.

Schauen Sie sich einmal die Situation bei den Juristen an. Mehr als 50 % sind Frauen. Die Quote der Lehrerinnen liegt mittlerweile deutlich über 60 %, in bestimmten Schulbereichen liegt sie bei 80 %

(Klaus-Peter Puls)

und mehr. Dort spielt die Quotendiskussion eine komplett untergeordnete Rolle.

Ich empfehle wirklich, die Parteitage der FDP zu besuchen. Bei uns sind es die Frauen, die vehement gegen die Quotierung auftreten, weil sie sagen: Diese ist eine bestimmte Form der Diskriminierung, die wir uns nicht länger gefallen lassen wollen. Hierbei gelte die Devise, sie seien ansonsten nicht fähig und müssten mit der Frauenquote untergebracht werden.

Darüber hinaus gibt es einen entscheidenden Unterschied beispielsweise zu den Bestrebungen im öffentlichen Dienst eine ausgeglichenere Quote der Geschlechter zu erreichen. Weil auch hier Frauen im Vergleich zu Männern immer noch unterrepräsentiert sind, sind bei gleicher Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber Frauen vorzuziehen. Dies setzt aber immer eine gleiche Qualifikation voraus. Ist die Bewerberin besser qualifiziert als ihr Konkurrent, dann hat sie aus diesem Grund die Position zu erhalten. Ist es der Mann, so hat er ein Anrecht darauf. So sollte es auch sein.

Bei Aufstellungen zu Wahlen gibt es keinen objektivierbaren Qualitätsmaßstab, wie wir gelegentlich feststellen können. Es gibt keine Ausbildung oder einen Schein, um objektiv festzustellen, wer denn die bessere Kandidatin beziehungsweise der bessere Kandidat ist. Hier ist allein die Wirkung auf die Mitglieder des Wahlgremiums und die Wirkung auf die Wählerinnen und Wähler entscheidend, die ja ihre Stimme im Zweifel zugunsten dieses oder jenes Kandidaten oder dieser oder jener Kandidatin abgeben müssen.

Die Möglichkeit auszuwählen wird aber von der von den Grünen vorgeschlagenen Quote eingeschränkt, weil Frauen auf Männerplätzen grundsätzlich nicht beziehungsweise nur in Ausnahmefällen kandidieren dürfen, wenn eben der Platz nicht durch einen Mann besetzt ist.

Wir sind jederzeit bereit, mit Ihnen über eine Verbesserung der tatsächlichen Gleichstellung in allen Lebenslagen zu reden. Voraussetzung muss sein, dass niemand einen moralischen Anspruch auf eine bestimmte Position erhebt.

Wir sind nicht überzeugt, dass dies gesellschaftlich durch straffe 50:50-Regelungen im Wahlrecht erreicht wird, ungeachtet der Tatsache, dass nach unserem Verfassungsverständnis niemand wegen seines Geschlechts bevorzugt oder benachteiligt werden darf. „Niemand“ heißt: Er oder sie darf nicht individuell wegen seines oder ihres Geschlechts bevorzugt oder benachteiligt werden.

Wir warten aber gern die Diskussionen im Ausschuss ab, allerdings mit Skepsis, ob wir uns dem Vorschlag der Grünen anschließen können.

(Beifall bei FDP, CDU und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Kubicki. - Für den SSW im Landtag hat dessen Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Bestandsaufnahme sind wir uns alle einig: Es ist ein Trauerspiel, dass die Frauenquote in den deutschen Parlamenten 88 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts immer noch so niedrig ist. Natürlich wäre es nur gerecht, wenn auf der Hälfte dieser Stühle Frauen säßen.

Die Quotierung per Gesetz ist eine scheinbar simple Lösung für dieses Problem; ob sie auch eine gute Lösung ist, wage ich dennoch zu bezweifeln. Hinter diesem Vorschlag verbirgt sich der Gedankengang, dass Frauen lediglich deshalb nicht in den Parlamenten sitzen, weil ihnen alte Männer im Weg stehen. Wenn die Quote gesetzlich vorgeschrieben sei, dann löse sich das Problem von selbst. - Wie gesagt, das ist zu einfach. Denn wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass weniger Frauen als Männer bereit sind, sich überhaupt innerhalb einer Partei um einen Listenplatz zu bewerben. Dies mag zum Teil mit der Dominanz der Männer zu erklären sein, es liegt aber auch daran, dass ein politisches Mandat für viele Frauen keine attraktive Perspektive ist. Vielen erscheinen die politische Kultur, das Klima in den Parteien, die Sitzungsformen und der Zeitdruck nicht besonders attraktiv und schon gar nicht mit einem geregelten Familienleben vereinbar. Politik muss ein attraktiver Arbeitsplatz für Frauen sein, und dies ist eine weitaus schwierigere Aufgabe, die nicht nur mathematisch gelöst werden kann.

Deshalb - das sage ich ganz deutlich - halte ich auch nichts vom Ansinnen der Grünen, den anderen Parteien jetzt einen innerparteilichen Reformprozess per Gesetz vorzuschreiben. Eine nachhaltige Verbesserung der demokratischen Beteiligung der Frauen in Schleswig-Holstein erreicht man nicht mit dem Diktat des Landeswahlgesetzes, sondern nur, indem sich die Parteien, allen voran die CDU, dieser Diskussion wirklich stellen. Das ist ein steiniger Weg, aber auch der nachhaltigere.

(Beifall bei SSW und SPD)

(Wolfgang Kubicki)

Dass es keine wirkliche Abkürzung gibt, zeigt schon die Tatsache, dass in Deutschland der Anteil der Frauen mit Direktmandaten wesentlich geringer ist als der Anteil der über die Liste gewählten. Gerade einmal zehn der 40 Direktmandate in diesem Haus wurden von Frauen gewonnen. Daran ändert der Vorschlag der Grünen zunächst nichts.

Es ist also ein viel tiefergreifendes Umdenken erforderlich, das auch nicht erst bei der Landtagswahl beginnen kann. In den meisten Parteien steht am Anfang einer politischen Karriere die Kommunalpolitik. Schon hier muss die Politik für Frauen attraktiv sein. Ansonsten werden viele interessierte, engagierte und kompetente Frauen frühzeitig abgeschreckt.

Letztlich geht es auch bei der Frauenquote in der Politik um allgemeine Fragen der Gleichstellung wie die Stellung der Frau im Berufsleben, die Kinderbetreuung und die Arbeitsteilung in den Familien. Sie haben entscheidende Bedeutung dafür, ob sich Frauen von den Parteien rekrutieren lassen, ob sie wirklich für Wahllisten nominiert werden und ob sie ein Mandat erringen.

Das zeigt auch die Entwicklung in den skandinavischen Ländern, die die weltweit höchsten Frauenquoten in den Parlamenten erreicht haben und wo junge Frauen in Parlamenten wie auch in Regierungen in der ersten Reihe mitreden. Vorbildhaft ist aus meiner Sicht dabei immer noch, was in den 80er-Jahren in Norwegen geschah, wo Gro Harlem Brundtland als Ministerpräsidentin maßgeblich dazu beitrug, dass sich nicht nur die Frauenquote in der Politik veränderte; auch die politische Kultur wurde anders, angefangen mit den Abläufen von Kabinettssitzungen und der Abarbeitung von Tagesordnungspunkten. Heute liegt der durchschnittliche Anteil der Frauen in den Parlamenten der skandinavischen Länder bei über 41%.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe zu Hause ein Bild von Margaret Thatcher mit ihrem Kabinett: eine Frau und zig Männer. Und ich habe ein Bild von Gro Harlem Brundtland und ihrem zweiten Kabinett zu Hause. Es stammt von Mitte der 80er-Jahre und zeigt Frauen und Männer, bunt durcheinander. Es sind Welten, die da aufeinanderstoßen. Darum, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht es letztlich auch.

Die Entwicklung in unseren nördlichen Nachbarländern zeigt uns mit anderen Worten, wie wichtig der gesellschaftliche Diskurs ist. Dazu gehört auch der politische Wettbewerb der Parteien um die besten Lösungen gesellschaftlicher Fragestellungen. Wenn Parteien meinen, dass sie diese Debatten

ohne die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am politischen Geschehen in den Parlamenten führen können, dann muss auch das diskutiert und infrage gestellt werden, damit sich die Wählerinnen und Wähler, sofern sie dies wollen, auch gegen diese Parteien entscheiden können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe schon gemerkt, dass der Kollege Hentschel dem SSW für seine Reaktionen nicht gedankt hat. Ich finde, das ist ein wichtiger Punkt, der hier angesprochen werden musste, aber ich hoffe, dass ihr von den Grünen auch respektiert, dass es unterschiedliche Wege zu einem gemeinsamen Ziel gibt. Ich denke, der SSW hat in den letzten Jahren maßgeblich zur Weiterentwicklung der Frauenpolitik in diesem Land beigetragen.

(Beifall bei SSW, CDU und SPD)

Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Bevor wir zu den Kurzbeiträgen kommen, möchte ich neue Besucher auf der Tribüne begrüßen. Es sind Mitglieder der Gemeinde Lindewitt aus dem Kreis Schleswig-Flensburg sowie Schülerinnen und Schüler und deren Lehrerinnen und Lehrer der Integrierten Gesamtschule Faldera aus Neumünster. Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)