Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile für die antragstellende Fraktion dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mir sagte einmal eine Parteifreundin, es sei unfair, wenn die Gleichstellungspolitik immer nur von Frauen gemacht werde und wenn die Männer sich unterdessen mit den harten Themen beschäftigten. Heute bringe ich aus voller Überzeugung als Mann ein Gesetz zur Gleichstellung der Frauen in der Politik ein. Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes besagt nach der Novelle von 1993:
„Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Dieser Artikel enthält nicht nur eine Erlaubnis des Staates für den Abbau von Ungleichbehandlungen, er enthält vielmehr eine Verpflichtung zu aktivem staatlichem Handeln. Die Wirklichkeit sieht leider immer noch anders aus. Die Präsenz von Frauen im Landtag von Schleswig-Holstein ist auf dem niedrigsten Stand seit 15 Jahren. Im Bundestag ist es ähnlich. Frauen sind in allen politischen Gremien unterrepräsentiert. Verbessert hat sich das nur bei den Parteien, bei denen eine verbindliche Quote eingeführt worden ist.
- Außer beim SSW. Der hat einen Frauenanteil von 60 %. Ich gratuliere euch! Eine Quotenregelung zielt deshalb in erster Linie auf eine Beseitigung von Nachteilen in den Parteien hin.
Konzentration zur Sache! Ich weiß, es gibt immer noch Männer, die glauben, man müsste dann, wenn man über Gleichstellungspolitik redet, lächeln. Ich halte das nicht für angemessen. Es geht nicht nur um die Beseitigung von Nachteilen in Parteien. Es geht weiter. Um die Benachteiligung in allen Bereichen der Gesellschaft abzubauen, müssen die Benachteiligungen insbesondere in den Gremien, die über die Lebensverhältnisse der Menschen in den unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft entscheiden, abgebaut werden. Nur wenn wir im Parlament zur Hälfte Frauen als Abgeordnete haben, ist es zu erwarten, dass die Entscheidungen auch so ausfallen, dass sie in den anderen gesellschaftlichen Bereichen die entsprechenden Wirkungen verursachen. Es geht also nicht nur um die Umsetzung eines Verfassungsauftrags. Es geht auch um echte Vorteile. Meine Erfahrung ist, dass die starke Einbeziehung beider Geschlechter die Qualität der Entscheidungen verändert. Das verbreitert die Perspektive und es verändert das Kommunikationsverhalten sowie die Form der Konfliktlösung.
Immer wieder hört man von Frauen, dass ihnen die gängigen Formen der Kommunalpolitik, in der der Nachwuchs der Politiker und Politikerinnen heranwächst, so unangenehm sind, dass sie diese Strukturen meiden. Dazu kommt, dass viele Frauen den Spagat zwischen Familie und Beruf sowieso schwer bewältigen. Wie soll es dann noch möglich sein, sich intensiv ehrenamtlich zu betätigen? Oft genug finden die kommunalen Sitzungen ausgerechnet zwischen 17 und 20 Uhr statt. Das ist die sogenannte Zeit der Familien-Rush-Hour zwischen dem Kindergartenschluss und der Gute-Nacht-Geschichte. Dies ist die einzige Zeit am Tag, die die Familie in der Regel gemeinsam verbringen kann.
Sehr geehrte Frau Kollegin Todsen-Reese, Sie haben in Ihrer Pressemitteilung vom 20. August 2007 völlig recht. Dort sagten Sie, Ziel sei die tatsächliche Teilhabe von Frauen an politischer Arbeit. Der vorliegende Antrag ändert zunächst nur das Landeswahlgesetz. Ich bin aber überzeugt davon, dass die Wirkung der von uns vorgeschlagenen Änderung weit über die Zusammensetzung des Landtages hinausgeht und dass die Parteien dazu gebracht werden, aktiver als bisher Nachwuchsförderung zu betreiben, denn es bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als schon auf kommunalpolitischen Ebenen und in den Parteigremien Frauen zu fördern, damit diese später ein Landtagsmandat übernehmen können.
Zum Schluss möchte ich mich noch bei allen bedanken, die an unserem Entwurf mitgearbeitet und ihn unterstützt haben. Ganz besonders nennen möchte ich den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband und den Deutschen Juristinnenbund. Dort hat man sich jeweils sehr für das Vorhaben eingesetzt. Ich bedanke mich auch bei den beiden ersten Frauenministerinnen von Schleswig-Holstein Gisela Böhrk und Angelika Birk. Ich bedanke mich für die positive Reaktion der SPD-Landtagsfraktion und der stellvertretenden Landesvorsitzenden Bettina Hagedorn. Ich bedanke mich für die konstruktive Reaktion der frauenpolitischen Sprecherin der CDU-Fraktion Herlich Todsen-Reese. Ich bedanke mich natürlich besonders für die Unterstützung von Staatssekretärin Karin Wiedemann und der Frauenunion Schleswig-Holstein.
Das hat mich in der Tat besonders überrascht. Diese Unterstützung stimmt mich euphorisch. SchleswigHolstein hatte die erste Ministerpräsidentin und das erste quotierte Kabinett.
- Das kommt noch, das machen wir auch! Es wäre doch toll, wenn Schleswig-Holstein auch in dieser Frage wieder einmal Zeichen setzte.
Ich danke Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel. Für CDU-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Frauke Tengler das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Politik ist kinderfeindlich“, so Frau Koch-Mehrin, FDP-Europaabgeordnete, gestern in der Zeitung mit den vier großen Buchstaben. Sie muss es wissen. Sie ist aktive Politikerin, hat zwei kleine Kinder und erwartet das dritte. Mein Respekt gilt Frauen wie ihr, die einen politischen Hochleistungsjob und Familie mit sehr kleinen Kindern miteinander vereinbaren.
Es ist unstrittig, dass sich alle Parteien mehr Mitglieder und unter den Mitgliedern mehr Frauen wünschen. Es ist auch unstrittig, dass wir den Sachverstand, die Kompetenz, den Blickwinkel der Frauen in der Politik brauchen. Es ist leider aber auch unstrittig, dass laut Umfrage der Wochenzeitung „Die Zeit“ sich nur 29 % der Männer, aber dann nur noch 15 % der Frauen sich überhaupt vorstellen könnten, Politiker zu werden.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN will die Situation der an Frauen notleidenden Parteien jetzt per Gesetz verbessern. Die großen Parteien haben ja bereits auf die Situation reagiert: Bei der SPD gibt es bei der Aufstellung der Liste das sogenannte Reißverschlussverfahren, die Quote, bei der CDU das ungeliebte Quorum. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen nun die Parteien gezwungen werden, 50 % Männer und 50 % Frauen auf die Landesliste zu setzen. Wenn das nicht zu erreichen ist, ist die Liste entsprechend des Prozentsatzes der Frauen in der Mitgliedschaft zu besetzen.
Eine Quotenregelung ist nicht nur inhaltlich zweifelhaft. Ein Diktat von oben wird die Situation der Frauen in der Politik und ihren Anteil im Landtag nicht grundlegend verbessern.
Nach unserem Wahlsystem werden 40 von 69 Abgeordneten in den Wahlkreisen Schleswig-Holsteins direkt gewählt. Es versteht sich von selbst das sieht der Entwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜ
NEN auch nicht vor -, dass für die Aufstellung in den Wahlkreisen eine Quote nicht gilt. Das heißt in der Konsequenz Ihres Vorschlages: Ein im Wahlkreis gewählter Kandidat (Mann) hat sich unter Umständen hinter einer nicht gewählten Kandidatin (Frau) auf der Liste einzureihen. Auch dieses ist einem gewollten höheren Frauenanteil nicht dienlich. Vielmehr wird den betroffenen Frauen vorgeworfen werden, nur aufgrund ihres Geschlechts so weit gekommen zu sein - und das, meine Damen und Herren, will keine Frau.
Meiner Fraktion und mir ist es daher wichtiger, zu fragen: Warum ist es so schwierig, mehr Frauen für Politik zu begeistern? Ist es das geringe gesellschaftliche Ansehen von Politikern - „Politik ist ein schmutziges Geschäft“ -, ist es Desinteresse, ist es Resignation - „dort verändert sich ja doch nichts“ -, ist es ein höherer Anspruch an Freizeit und Privatleben, ist es die Tatsache, dass die politische Arbeitszeit kinder- und familienfeindlich ist? Schweden macht es anders. Oder ist es ein gebrochenes Verhältnis zur Macht, wie unsere jetzige Bundeskanzlerin 1994 zu 75 Jahren aktives und passives Frauenwahlrecht formulierte?
Wir alle müssen uns darum kümmern, mehr Frauen für die Politik zu gewinnen, zu interessieren, nicht per Gesetz, sondern per Überzeugung. So existiert zum Beispiel das Mentoring-Programm in unserer Partei: Interessierte Frauen begleiten sowohl männliche als auch weibliche Abgeordnete über einen längeren Zeitraum bei ihrer Arbeit.
Dieses Programm ist sehr erfolgreich, weil sich fast jede zweite Teilnehmerin danach entscheidet, zunächst kommunalpolitisch aktiv zu werden. Das ist ein guter Weg, um Frauen für die politische Arbeit zu gewinnen.
Auch wenn sich in der vergangenen Woche der Frauenanteil im Vorstand der CDU-Landtagsfraktion von drei auf zwei reduzierte, was ich bedaure,
In diesem Zusammenhang allerdings ein Hinweis: Selbstverständlich hat meine Fraktion das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes vom 21. Juni 2007 zur Kenntnis genommen, das eine verfassungsrechtliche Beurteilung der gesetzlichen Quotenregelung vornimmt. Bedauerlich ist nur, dass die Anzahl der Frauen in der CDU-Landtagsfraktion höher ist als im Gutachten angegeben.
Männer und Frauen sollen gleichermaßen Anteil am politischen Geschehen haben, das heißt, Chancengleichheit ohne Quotenregelung. Dieses ist ein langfristiger Prozess im Umdenken sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern. Dafür gibt es in unserer Partei gute Beispiele:
Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass die CDU die erste Bundeskanzlerin Deutschlands stellt? Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass die CDU die erste Oberbürgermeisterin in Kiel stellt? Und am Sonntag wird eine von der CDU unterstützte Landrätin in Nordfriesland gewählt. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, kümmern wir uns gemeinsam darum, dass mehr Frauen mitgestalten und mitentscheiden wollen.
Ich danke der Frau Abgeordneten Frauke Tengler. Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Klaus-Peter Puls.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die grundsätzliche Position der SPD-Landtagsfraktion lässt sich in einem Satz formulieren: Die Quotierung der Geschlechter bei der Aufstellung von Wahllisten ist sinnvoll und nützlich, weil sie die Chancengleichheit von Männern und Frauen sichert. Mit einer landesgesetzlich verordneten Quotierung liefe der Landtag bei uns als SPD-Partei offene Türen ein, weil wir bereits seit 1988 in unseren Parteistatuten eine Pflichtquote von mindestens 40 % für jedes Geschlecht festgelegt haben und weil wir diese selbst gesetzte Pflichtquote bei Kandidatenlisten auch anwenden, und zwar durch abwechselnde Aufstellung Frau/Mann oder Mann/ Frau im sogenannten „Reißverschlussverfahren“.
In der Praxis hat das dazu geführt, dass Frauen und Männer in den Parteigliederungen und Fraktionen der SPD heute auf allen politischen Ebenen und in allen politischen Feldern angemessen repräsentiert sind und mitentscheiden. In der parlamentarischen Realität des Landtages spiegelt sich das exakt wider. Die 29-köpfige Landtagsfraktion der SPD setzt sich zusammen aus zwölf Frauen und 17 Männern. Zwölf von 29 sind 41,4 %. In der Landesregierung ist das Verhältnis der vier SPD-geleiteten Ressorts 50 zu 50 %. Neben dem Innenminister und dem Justizminister stellen wir die Sozialministerin und die Ministerin für Bildung und Frauen. Die eigenständige und gesonderte Ressortzuständigkeit für Frau
Wie sieht es bei den anderen Fraktionen aus? Die antragstellenden Grünen brauchten eigentlich für sich auch keine gesetzlich verordnete Frauenquote. Bei den Grünen gibt es verbindliche Quoten schon seit 1979, und es stimmt, was Frau Birk, auch ehemalige Frauenministerin in Schleswig-Holstein, und Herr Hentschel in ihre Pressemitteilung geschrieben haben: „In keiner anderen Partei haben und hatten so viele Frauen Ämter und Mandate inne, vom Kreisvorsitz bis zur Ministerin auf Bundesebene“. Auch in der derzeitigen Landtagsfraktion sitzen wieder zwei grüne Frauen und zwei grüne Männchen, hätte ich fast gesagt,
Herr Hentschel sagte, bei den Grünen betrage die Quote 60 %. Ihr müsst euch also noch einigen, wer die 60 % und wer die 40 % ausmacht.