Protokoll der Sitzung vom 10.10.2007

(Beifall beim SSW)

Ich halte die ganze Debatte für ziemlich absurd und bitte einige, in sich zu gehen und sich ein solches Szenarium vor Augen zu führen.

Deutschland ist ziemlich dicht besiedelt. In aller Regel fliegen Flugzeuge von Städten zu Städten. Das heißt, sie fliegen auch über Städte. Die Tower sind ja nur deshalb eingestürzt, weil die Flugzeuge noch voll betankt waren. Deshalb macht es also nur Sinn, ein Flugzeug nach relativ kurzer Zeit abzuschießen. Denn je länger es fliegt, desto weniger ist es eine Bedrohung als Bombe, weil weniger Treibstoff im Tank ist.

Auf dem Weg von Frankfurt nach Hamburg fliegt man ungefähr 45 Minuten. Man muss über das Volksparkstadion. Wir halten die Terroristen für so blöde, dass sie uns anrufen und sagen: „Ihr müsst uns bitte abschießen, und das möglichst über unbewohntem Gebiet, weil wir sonst vorhaben, ins Volksparkstadion hineinzufliegen.“ So sind die ja, die Terroristen. Das haben sie auch bei den TwinTowers gemacht. Da haben sie sich auch gemeldet und gesagt: Wir fliegen in die Türme rein.

Die müssen über das Volksparkstadion. Wie wollen wir denn entscheiden, ob da nicht ein Spinner am Werk ist, der erklärt: „Ich fliege in das Volksparkstadion“, obwohl er eigentlich nur nach Hamburg will?

Herr Abgeordneter Kubicki, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Moment, Frau Präsidentin. Bei einem Dreiminutenbeitrag geht das nicht.

Was haben wir uns denn vorzustellen, was passiert, wenn ein voll betanktes Flugzeug über einer westdeutschen Großstadt abgeschossen wird, welche Auswirkungen das hat? Vielleicht macht die Debatte das bei Terroristen, die sich umbringen wollen, weil sie glauben, sie kriegen dann 30 Jungfrauen geschenkt, gerade zum Ziel ihrer Begehrlichkeiten. Die weltweite Wirkung einer solchen Maßnahme, der Staat schießt unschuldige Menschen in einer Maschine ab - das müssen nicht Terroristen tun, das macht der Staat selbst - und verursacht dadurch noch größere Schäden durch herabfallende Trümmerteile und Benzin oder was auch immer, diese Diskussion führt doch geradezu dazu, dass man Leute, die sich auf diese Art und Weise umbringen wollen, dazu herausfordert, sich so zu benehmen. Die brauchen dann keine Bomben an Bord zu schleppen. Sie brauchen nur die Kabinentür zu kapern.

(Zuruf von der CDU: Das ist eine Horrordis- kussion!)

- Das ist keine Horrordiskussion. Das ist genau das, was Herr Jung uns beschreiben will.

Ich frage umgekehrt: Was erwarten wir denn von Leuten, von denen wir glauben, sie wollen sich wegsprengen, dass sie denn tun? Sie werden sich genauso verhalten, dass sie ein solches Szenario herbeiführen.

Da wir nur relativ kurze Zeiten haben, muss schnell reagiert werden. Herr Ritzek, die CDU-Fraktion hat einmal ernsthaft vorgeschlagen - das ist bei Ihnen ernsthaft diskutiert worden -, Atomkraftwerke mit Flugabwehrraketen zu sichern. Ich habe ihnen gesagt: Von Fuhlsbüttel bis Brokdorf brauchen Sie zweieinhalb Minuten. Das kann gar kein Mensch mehr entscheiden. Das müssen Sie automatisch machen. Bei einer kurzen Gradabweichung müssen Sie Flugzeuge sofort vom Himmel holen, weil Sie sonst das Risiko laufen, dass Sie sich falsch entschieden haben.

Die ganze Absurdität der Debatte wird daran deutlich. Es ist technisch Unsinn, was wir hier betreiben, es ist politischer Unsinn, was wir hier betreiben, und es ist rechtlich unmöglich. Deshalb sollten wir diese Debatte schnellstmöglich beenden.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für einen weiteren Wortbeitrag erhält Herr Innenminister Dr. Ralf Stegner.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich würde gern das Augenmerk darauf lenken, dass es nicht besonders klug ist, Debatten über solche praktischen Dinge öffentlich zu führen. Das ist genauso, als ob sie bei anderen Themen, bei denen es auch nur schwarz und weiß gibt, nämlich bei Folter, darüber diskutieren: Ist es schon Folter, wenn Sie jemanden so lange unter Wasser halten, dass er glaubt, dass er ertrinkt, oder ist es erst Folter, wenn er wirklich ertrinkt?

Es gibt Debatten, die man klugerweise in der Öffentlichkeit nicht führt.

Man macht für extreme Situationen keine extremen Gesetze.

Wenn politisch Verantwortliche Entscheidungen treffen, haben sie sich in einem Rechtsstaat immer zu rechtfertigen. Das ist auch gut so. Die Debatte darüber aber bringt nur Angst und Schrecken für die Bevölkerung, hat keinerlei praktischen Nutzen. Ich füge hinzu, ich wünschte mir manchmal, dass sich nicht jeder an einer solchen Debatte beteiligt, der das im Zweifelsfall ganz bequem von seinem Sessel aus tun kann.

Das Grundgesetz ist ein guter Orientierungsmaßstab für diese Debatte generell. Alles andere ver

breitet Angst und Schrecken und hat keinerlei praktischen Nährwert. Das wollte ich gern einmal gesagt haben.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Danke schön. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Ich stelle zunächst fest, dass der Berichtsantrag Buchstabe B der Drucksache 16/1626 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.

Es ist beantragt worden, den Buchstaben A des Antrages Drucksache 16/1626 dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Damit ist das einstimmig so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die heutige Sitzung und unterbreche die Tagung. Ich wünsche Ihnen, dass Sie alle gut dort hinkommen, wohin Sie müssen. Wir sehen uns morgen früh wieder.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 17:45 Uhr

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst und Ausschussdienst