Die nächste Krise kommt, die Koalition ist menschlich zerrüttet. Sie ist inhaltlich gescheitert. Sie hat kein einziges Projekt, das ihre Weiterexistenz rechtfertigt. Hier klammern sich zwei Fußkranke aneinander, weil sie Angst haben, sich loszulassen, weil sie sonst umfallen.
Ich bin überzeugt: Neuwahlen sind objektiv nötig. Es gibt in Schleswig-Holstein eine Mehrheit für eine konsequente Bildungsreform von den Kitas bis zu den Hochschulen.
Es gibt in Schleswig-Holstein eine Mehrheit für eine innovative Wirtschaftspolitik, denn die Arbeitsplätze der Zukunft werden von unseren kreativen jungen Leuten an den Hochschulen und in der Wirtschaft geschaffen und nicht durch Bedienung von Klientel der CDU.
Und schließlich bin ich auch zutiefst davon überzeugt, dass es in Schleswig-Holstein eine Mehrheit für eine konsequente, bürgerfreundliche Verwaltungsstrukturreform gibt. Weniger Verwaltung, weniger Bürokratie, mehr Geld für Kindergarten und Schulen, dafür werden wir die Menschen gewinnen.
Meine Damen und Herren, der Zustand dieser Regierung ist für Schleswig-Holstein nicht mehr erträglich. Schleswig-Holstein braucht etwas Besseres. Gestern wurde noch beschworen, dass jetzt alles besser wird. Heute wird die Verabschiedung des Nichtraucherschutzgesetzes abgesetzt, weil sich die Koalition wieder einmal nicht einigen kann. Es ist gerade so, als wollten Sie heute unbedingt dokumentieren, dass die Auflösung nötig ist.
- Frau Präsidentin, gestatten Sie mir zum Schluss ein Zitat aus Schillers Drama „Wallensteins Tod“: „Dieser letzten Tage Qual war groß.“ Machen Sie dem ein Ende!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Ich weise darauf hin, dass für die Annahme des An
trages nach Artikel 13 Abs. 2 der Verfassung eine Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder - sprich 46 Mitglieder - erforderlich ist. Wer dem Antrag Drucksache 16/1638 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen -
- Die Hoffnung stirbt zuletzt. - Damit ist der Antrag gegen die Stimmen der Fraktionen von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und SPD abgelehnt.
a) Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in der Öffentlichkeit (Nichtraucher- schutzgesetz - NiRSG)
Die Koalitionsfraktionen haben sich einvernehmlich geeinigt, den Tagesordnungspunkt 3, der für Donnerstag geplant war, auf die Novembersitzung zu verschieben.
(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Was heißt „einvernehmlich?“ - Karl- Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Moment, Moment! Das Nichtraucher- schutzgesetz ist nicht mit unserer Zustim- mung von der Tagesordnung genommen worden! Es gibt darüber keine Abstimmung, nichts! Es gibt keinen Konsens, es muss be- handelt werden! - Monika Heinold [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Zumindest nicht einvernehmlich!)
(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist aber nicht einvernehmlich! - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht einvernehmlich!)
Frau Präsidentin, nachdem der Tagesordnungspunkt im Sozialausschuss nicht aufgerufen worden ist, ist von den beiden großen Parteien signalisiert worden, dass er abgesetzt werden soll. Ich stelle hiermit den Antrag, den Tagesordnungspunkt abzusetzen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kayenburg. Dann bitte ich um Abstimmung. Der Abgeordnete Kayenburg hat beantragt, den Tagesordnungspunkt 3 von der Tagesordnung abzusetzen und im November wieder aufzurufen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Damit ist der Antrag des Abgeordneten Kayenburg mit der Mehrheit des Hauses angenommen und der Tagesordnungspunkt 3 auf die Novembersitzung verschoben worden.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Jahre 1999 wurde das Staatsangehörigkeitsrecht in Deutschland modernisiert. Das sogenannte ius sanguinis, das Recht der Abstammung, wurde aufgeweicht und durch eine Lightvariante
des sogenannten ius soli, das Recht des Bodens, das in den angloamerikanischen Ländern gilt, abgelöst. Hintergrund ist, dass in Deutschland traditionell derjenige Deutscher ist, dessen Eltern Deutsche sind. In anderen Ländern gehört jemand zum Staatsvolk, wenn er in dem Land geboren wurde.
In Zukunft sollte also eine erleichterte Einbürgerung möglich werden und Jugendliche, die in Deutschland geboren werden, bekommen die deutsche Staatsbürgerschaft. Damit wurde Mehrstaatlichkeit als faktische Verhältnisse in einer Immigrationsgesellschaft akzeptiert.
Gegen diese Pläne gab es dann eine beispiellose Kampagne im hessischen Landtagswahlkampf mit der Folge, dass dieses Vorhaben in einem faulen Kompromiss endete. Die Kinder, die in Deutschland geboren sind, bekommen zwar die deutsche Staatsbürgerschaft, sie müssen sich aber, wenn sie 18 Jahre alt sind, entscheiden, ob sie die deutsche Staatsbürgerschaft oder die ihres Herkunftslandes beziehungsweise des Herkunftslandes ihrer Eltern abgeben. Damit wurde der gesellschaftliche Konflikt um genau acht Jahre verschoben. Im Jahre 2008 - das ist im nächsten Jahr - werden die ersten Jugendlichen vor dieser Frage stehen. Jugendliche aus Einwandererfamilien müssen sich dann überlegen, welchen Pass sie abgeben.
Damit stehen deutsche Jugendlichen, die hier aufgewachsen sind, vor der Frage: Entscheide ich mich für den Pass meiner Eltern oder für den Pass des Landes, in dem ich lebe und weiterleben werde. Viele von diesen Jugendlichen sprechen noch nicht einmal die Sprache ihres Herkunftslandes beziehungsweise des Herkunftslandes ihrer Eltern gut. Das heißt, diese Jugendlichen sind Deutsche, sie werden in Deutschland bleiben und trotzdem besteht die Gefahr, dass sich solche Jugendlichen dagegen entscheiden. Da spielen viele Dinge eine Rolle, insbesondere bei Jugendlichen türkischer Herkunft, die sich im Generationskonflikt befinden, ein Alter, in dem es sowieso Konflikte zwischen Eltern und Kindern gibt. Jugendliche müssen lernen, Verantwortung zu übernehmen, sie müssen sich um Berufsausbildung und Schule kümmern.
Man kann sich vorstellen, welches zusätzliche Konfliktpotenzial entsteht, wenn auch noch diese Frage im Raum steht: Behältst du unseren Pass oder entfernst du dich durch deine Entscheidung jetzt noch weiter von uns? Wie ist es in einer Gesellschaft, in der man sich nicht akzeptiert fühlt, was immer noch für eine ganze Reihe von Jugendlichen aus Einwandererfamilien gilt, die eigene Herkunft zu verleugnen?
Die Doppelstaatsbürgerschaft der Nachkommen von Migranten, die wir gefordert haben, ist kein notwendiges Übel, das so schnell wie möglich beseitigt werden muss. Sie spiegelt vielmehr die Lebensrealität vieler Menschen in unserer Gesellschaft wider, in der viele Menschen starke Bezüge zu mehreren Ländern haben. Kinder, die hier aufwachsen und deren Eltern unterschiedliche Staatsbürgerschaften haben, zum Beispiel die deutsche und die türkische, haben selbstverständlich eine doppelte Staatsbürgerschaft. Hier wird dies auch akzeptiert.
Die Probleme im Zusammenhang mit Migration entstehen nicht aus der doppelten Staatsbürgerschaft heraus. Sie entstehen aus ganz anderen Gründen heraus, nämlich aus dem Bildungsgefälle zwischen Einheimischen und Migranten, aus dem Mangel an Berufsausbildung und aus dem Rückzug in eine Parallelgesellschaft. Diese Tendenzen sind problematisch. Darin sind wir uns einig. Sie werden durch das Verbot der doppelten Staatsbürgerschaft für Migrantinnen und Migranten nicht behoben. Im Gegenteil, sie werden eher verstärkt. Deswegen fordern wir die Landesregierung auf, initiativ zu werden, um dies zu korrigieren. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.