Protokoll der Sitzung vom 11.10.2007

(Minister Dr. Christian von Boetticher)

voreingenommen mit dem Thema umgeht, wird hier zustimmen müssen -, dass für die dazu nötige Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen auf internationaler, europäischer und auch nationaler Ebene bisher wenige schlüssige Konzepte vorzufinden sind, zumindest, wenn man den Bogen auch etwas weiter spannt und betrachtet, wo wir im Endergebnis landen müssen.

Gerade zu einer solchen konzeptionellen Untermauerung der vereinbarten Ziele wollen wir als CDU-Fraktion mit unserer Großen Anfrage einen Beitrag leisten und wir werden deshalb die Große Anfrage selbst und die weiterführenden Hinweise intensiv auswerten. Ich möchte für meine Fraktion ankündigen, dass wir diese konzeptionelle Arbeit ohne inhaltliche Vorbehalte führen werden. Keine der denkbaren Handlungsoptionen wird von uns von vornherein ausgeschlossen. Das gilt auch für die Weiterentwicklung der Energieversorgung in Deutschland. Denn was immer wir letztlich tun, es muss realistisch sein.

(Beifall des Abgeordneten Thomas Stritzl [CDU] - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sollte das nicht selbst- verständlich sein, dass man alle Möglichkei- ten ausschöpft?)

- Der nächste Satz ist nicht ganz unwichtig, deswegen freue ich mich, dass Sie jetzt gerade aufmerken. Traumtänzereien, wie der gleichzeitige Verzicht auf Kohle- und Kernenergie, bringen uns an dieser Stelle nämlich gerade nicht weiter.

(Beifall bei der CDU - Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen alles prüfen!)

- Ganz genau, das sollten Sie an dieser Stelle auch noch einmal tun.

(Zurufe der Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Thomas Stritzl [CDU] Aus der eingangs skizzierten Analyse sind für uns jedoch sehr wohl auch zum jetzigen Zeitpunkt zwei Grundsätze abzuleiten. Die Quellen, die den welt- weiten Ausstoß an Treibhausgasen speisen, sind global nahezu flächendeckend verteilt, allerdings mit sich rasch verändernder Intensität und Steige- rung in vielen Regionen der Welt. Eine für uns sinnvolle Konzeption muss deshalb so angelegt sein, dass sie auch global wirksam werden kann. Si- cher wären wir in Schleswig-Holstein, in Deutsch- land und vielleicht sogar in Europa in der Lage, un- ter Einsatz unseres wissenschaftlichen und techno- logischen Potenzials und unter Umschichtung und Mobilisierung erheblicher finanzielle Ressourcen (Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

unseren Anteil und unseren Ausstoß an Treibhausgasen so zu senken, dass wir auf ein global verträgliches Pro-Kopf-Niveau absinken würden. Ich sage aber, dass wir damit allein unserer Verantwortung als führende Wissenschafts- und Wirtschaftsnation nicht gerecht werden.

(Beifall des Abgeordneten Thomas Stritzl [CDU])

Allein aufgrund unseres anteilig geringen und weiter sinkenden Beitrags am globalen Gesamtausstoß an Klimagasen wird unser Beitrag zum Klimaschutz nämlich nur dann nachhaltig sein, wenn er auch für andere vorbildlich sein kann. Unser Weg zum Klimaschutz muss für andere eben nicht nur gangbar, sondern er muss auch attraktiv sein. Denn sonst wird uns - ob vernünftig oder nicht - kein anderer folgen.

Deshalb muss und wird Klimaschutz für die CDU nicht eines von vielen Politikfeldern sein, in denen eine Volkspartei agiert. Ebenso wie das andere große Thema der Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit, nämlich die öffentlichen Finanzen, ist Klimaschutz für uns eine Querschnittsaufgabe, die vor die Klammer gezogen gehört. Wenn man das ernst nimmt, wird man allerdings auch ein paar Rahmenbedingungen akzeptieren müssen. Und für die CDU gilt hier:

Erstens. Energie muss bezahlbar bleiben beziehungsweise wieder bezahlbar werden. Licht, Wärme, Mobilität und Zugang zu Informationen dürfen keine Frage des Geldbeutels sein.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

So wichtig gegenwärtig der Beitrag des Energiesparens zum Klimaschutz ist - das wird keiner bestreiten -, Energieknappheit kann und darf mit Blick auf die technologische Entwicklung und die weltweit steigende Nachfrage keine dauerhafte Rahmenbedingung sein. Es muss um eine klima- und preisfreundliche Produktion gehen.

Zweitens. Die weltweit steigende Mobilität - sowohl mit Blick auf den Welthandel als auch mit Blick auf den Individualverkehr - muss akzeptiert und klimaverträglich gestaltet werden.

Drittens. Ein weltweit steigender Flächenbedarf zur Produktion von Nahrungsmitteln und Energiepflanzen für eine weiter steigende Weltbevölkerung muss antizipiert und auch unter den Gesichtspunk

(Axel Bernstein)

ten des Natur- und Artenschutzes klug entwickelt werden.

Viertens. Als führender Standort für Forschung und Entwicklung wollen wir unseren Beitrag zur Bereitstellung der nötigen technologischen und gesellschaftlichen Innovationen leisten. Wir wollen aber auch als Standort profitieren. Auch hier gilt, dass wir keine möglicherweise zielführende Entwicklungsrichtung von vornherein ablehnen.

Unter all diesen Rahmenbedingungen gilt: Ein Konzept zur Erreichung der vereinbarten Reduktionsziele - ein Patentrezept -, das sowohl realistisch umsetzbar als auch politisch konsensfähig ist, gibt es derzeit noch nicht.

Mit einer sorgfältigen Auswertung und einer breiten Diskussion der Ergebnisse unserer Großen Anfrage wollen wir dazu einen Beitrag leisten. Zu einem solchen Dialog laden wir auch ausdrücklich ein.

Ich darf mich im Namen meiner Fraktion ausdrücklich beim federführenden Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, seinen Mitarbeiterinnen und den Mitarbeitern und denen der weiteren beteiligten Häuser für die Arbeitsgrundlage bedanken, die sie uns für Schleswig-Holstein an die Hand gegeben haben.

Anmerkend - nicht einschränkend - möchte ich sagen, dass politische Vorgaben bei der Beantwortung einzelner Fragen selbstverständlich zu berücksichtigen sind. Sie dürfen im Einzelfall aber eine inhaltliche Beantwortung nicht ersetzen.

Zum zweiten Fragenkomplex, nämlich den Auswirkungen des Klimawandels auf unser Land, möchte ich Folgendes feststellen:

Der Küstenschutz ist und bleibt gewährleistet. Er ist mittelfristig durch die heutige Auslegung der Küstenschutzbauwerke gegeben und erscheint auch darüber hinaus leistbar.

Absehbar müssen die Auswirkungen auf die Fischerei handhabbar bleiben.

Klimabedingtes Auftreten von Neozoen und die Abwanderung heimischer Arten in Flora und Fauna müssen durch ein flexibles und effizientes Monitoring beobachtet werden.

Nicht zuletzt: Nach allen vorliegenden Erkenntnissen wird Schleswig-Holstein auch in Zukunft ein hervorragender Standort für leistungsfähige landwirtschaftliche Produktion bleiben.

Zusammenfassend bleibt für eine erste Bewertung an dieser Stelle festzuhalten:

Im Gegensatz zu vielen anderen Regionen der Erde haben wir in Schleswig-Holstein absehbar nicht mit gravierenden klimabedingten Veränderungen zu rechnen, die unsere Kulturlandschaft, unsere regionalen Lebensgrundlagen und unsere Lebensweise unmittelbar bedrohen.

Vor dem Hintergrund des erheblichen Zeitverzuges zwischen dem Emittieren von Treibhausgasen und ihrem klimatischen Wirksamwerden besteht dennoch auch für uns dringender Handlungsbedarf. Uns öffnet sich - Herr Matthiessen, ich glaube, diesen Punkt hatten Sie schon einmal im Vorfeld anzumerken versucht - ein begrenztes Zeitfenster nach der Erkenntnis der Zusammenhänge des Klimawandels - damit ist nicht die individuelle Erkenntnis, sondern das gesellschaftlichen Wirksamwerden der Zusammenhänge gemeint -, in dem wir Maßnahmen ergreifen müssen, um irreversiblen Klimafolgen möglichst zu begegnen.

Darüber hinaus ist - der Herr Minister sprach es bereits an - eine intelligente Klimaschutzpolitik ein Gebot der Vernunft. Auch bei uns werden die Kosten, welche die Umstellung auf eine klimafreundliche Lebens- und Wirtschaftsweise hervorruft, deutlich geringer ausfallen als die Mittel, die zu einem Umgang mit den Folgen eines ungebremsten Klimawandels nötig wären.

In diesem Sinne freue ich mich auf den anschließenden Dialog mit der Hoffnung, dass die Offenheit, was die Diskussion, die technologischen und sonstigen Möglichkeiten angeht, nicht nur auf unserer Seite herrscht, sondern vielleicht auch bei dem einen oder anderen, der sich sehr in seine Position verbissen hat.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Konrad Nabel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Alle Parteien haben sich inzwischen den Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben und das ist gut so. Bei der CDU hat es allerdings besonders lange gedauert, bis auch sie sich auf den von der SPD in unserem Land eingeschlagenen und später von RotGrün fortgesetzten Weg begeben hat.

(Zurufe von der CDU)

Natürlich wird wie auch schon bei dem sogenannten Grünbuch Energie des Wirtschaftsministers in der heutigen Debatte zur Antwort auf die Große

(Axel Bernstein)

Anfrage der CDU klar, dass es bei vielen Gemeinsamkeiten im Ziel weiterhin einige Unterschiede bei der Einschätzung der gegenwärtigen Lage gibt. Unterschiede gibt es weiterhin bei der Beurteilung und Gewichtung der verschiedenen Ursachen für den Klimawandel. Ich meine zum Beispiel - das kam eben schon deutlich heraus - die Einschätzung der Rolle der heutigen Form der Landbewirtschaftung und die daraus zu ziehenden Konsequenzen.

Unterschiede haben wir auch bezüglich der Wahl der Instrumente und der zukünftigen Energieerzeugungssysteme sowie bei der Rolle des Staates in diesem Prozess, aber auch - das ist für mich ganz wichtig - bei der Beurteilung des Bewusstseins der Bevölkerung und der Bereitschaft, eigenes Verhalten zu ändern, wenn damit aktiver Klimaschutz betrieben werden kann.

Ich kann mir an dieser Stelle eine Bemerkung zum neuesten Vorschlag unseres Bundeswirtschaftsministers Michael Glos nicht verkneifen, der doch wirklich vorgeschlagen hat, die Mülltrennung teilweise wieder aufzugeben. Es mag ja sein, dass das duale System nicht das beste aller Trennsysteme ist. Wir waren Anfangs ja auch sehr skeptisch und hätten uns eine getrennte Sammlung der unterschiedlichen Abfallfraktionen in öffentlicher Verantwortung gewünscht, wie es auch Berndt Heydemann seinerzeit vorgeschlagen hatte und für unser Land vorbereitet war.

Nachdem das duale System aber seine Kinderkrankheiten überwunden hatte und auch einige Auswüchse beseitigt wurden, hat es funktioniert. Es ist Teil der vorbildlichen und inzwischen europaweit kopierten deutschen Abfalltrennung, die deshalb so erfolgreich war, weil die Bürger sie immer besser praktizierten und das Bewusstsein für Wertstoffe, für Weiterverwendung und Recycling vorhanden ist. Welch ein Rückschlag wäre dies für das Bemühen, die Bürgerinnen und Bürger auf dem Weg in die Klimawende mitzunehmen, wenn wir es so machten!

Wir Sozialdemokraten vertreten als Volkspartei die Interessen breiter Bevölkerungsschichten an dauerhafter, zukunftssicherer und auch heute sicherer Energieversorgung. Uns geht es nicht in erster Linie um die Interessen der Großkonzerne, der Energieoligopole und der dahinterstehenden Shareholder. Uns geht es darum, auf diesem Planeten auch zukünftig ein halbwegs angenehmes Leben zu ermöglichen, das heißt unseren Kindern und Enkeln sowie vielen weiteren Generationen.

(Beifall bei der SPD)

Dazu brauchen wir die Klimawende, die auch eine Wende im Bewusstsein aller Bürgerinnen und Bürger bezogen auf das eigene Verhalten und die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse sein muss. Natürlich brauchen wir eine andere Landbewirtschaftung und andere Produktionsweisen sowie andere Ziele für die Dauerhaftigkeit von Produkten und ihre Wiederverwendbarkeit. Und wir brauchen natürlich - das steht ja auch bei allen anderen Rednern heute im Fokus; aber es ist eben nur ein Teil - eine andere Energiepolitik.

Wie seit Ende der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts stehen dabei die drei großen E im Mittelpunkt sozialdemokratischer Energiepolitik. Das gilt auch für Herrn Kayenburg und Herrn Wadephul.

Da ist als Erstes das Energiesparen zu nennen.

An zweiter Stelle ist die Erhöhung der Energieeffizienz zu nennen. Hier sind Investitionen in die Zukunft nötig, die manche Haushalte, aber auch Klein- und Mittelbetriebe nicht ohne Weiteres leisten können. Hier muss der Staat zur Seite stehen, auch wenn vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Betrieben inzwischen klar ist, dass Energiesparen und die Erhöhung der Energieeffizienz nicht nur die besten, sondern auch die preisgünstigsten Energiequellen sind.

Gestern hatten wir einen parlamentarischen Abend der Innovationsstiftung. Da hat Professor Jochem sehr eindeutig und auch nachvollziehbar dargestellt, dass in Betrieben die Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz nicht nur klimaschonend sind, sondern sich auch betriebswirtschaftlich rechnen. Ich denke, so etwas müsste man vielen Betrieben in unserem Land etwas deutlicher machen.