Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Johann Wadephul und erteile für die SPD Fraktion Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag für Schleswig-Holstein: Der Landtag wird die Errichtung eines Landesverfassungsgerichts beschließen. - Das sind nicht meine Worte, sondern die Leitsätze eines Kommentars der „Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung“, denen ich mich für die SPD- Landtagsfraktion uneingeschränkt anschließen kann.
Mit verfassungsänderndem Gesetz vom 17. Oktober 2006 haben wir beschlossen, es allen anderen Bundesländern gleichzutun und auch bei uns und für uns in Schleswig-Holstein zur Klärung verfassungsrechtlicher Streitfragen und Meinungsverschiedenheiten ein eigenes Landesverfassungsgericht zu errichten. Bis dato war es dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vorbehalten, schleswig-holsteinische Landesverfassungsfragen zu klären. Das hat zeitweilig sehr lange gedauert, auch weil von Richterinnen und Richtern entschieden werden musste, die nicht täglich und ausschließlich mit schleswig-holsteinischem Landesrecht zu tun hatten.
Künftig werden Richterinnen und Richter, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Rechtsprofessorinnen und Rechtsprofessoren, Volljuristen und Volljuristinnen aller Sparten der Rechtswissenschaft und Jurisprudenz, die im schleswig-holsteinischen Landesrecht zu Hause sind, ortsnah, sachnah und hoffentlich zeitnah die an sie herangetragenen Streitfälle entscheiden. Das Gesetz, das wir heute verabschieden, enthält die für jeden in der Landesverfassung festgelegten Kompetenzbereich erforderlichen Verfahrenseinzelregelungen sowie einen einvernehmlichen Standortvorschlag aller fünf Fraktionen des Landtags.
Das Landesverfassungsgericht wird seinen Sitz in Schleswig haben und sich dort vornehmlich der Geschäftsstelle des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts bedienen. Weil es dort möglich ist, bereits vorhandene räumliche und personelle Gerichtsinfrastruktur optimal und kostengünstig mitzunutzen, hat Schleswig den Zuschlag erhalten. Ausschlaggebend für die Standortwahl waren nicht vorrangig Repräsentations- und Traditionsgesichtspunkte, die zum Beispiel für Lübeck hätten sprechen können, sondern ausschließlich sachlich-fachliche Gründe. Wir brauchen für die Justiz keine Festsäle, sondern Funktionsräume.
Entscheiden wird das neue Gericht zum Beispiel über die Auslegung der Landesverfassung, wenn es Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten von Verfassungsorganen wie Landtag oder Landesregierung gibt. Entscheiden kann das neue Gericht bei Meinungsverschiedenheiten über die Vereinbarkeit von Landesgesetzen mit der Landesverfassung, auch auf Antrag kleinerer Oppositionsfraktionen. Entschieden werden kann endlich auch bei uns in Schleswig-Holstein über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Kreisen, die das in der Landesverfassung verankerte Recht auf kommunale Selbstverwaltung durch den Landesgesetzgeber verletzt sehen.
Jedenfalls einstweilen noch nicht entscheiden können wird das neue Gericht über die Vereinbarkeit von Landesgesetzen mit den bürgerlichen Grundund Freiheitsrechten, die im Grundgesetz des Bundes verankert sind. Herr Kollege Wadephul ist soeben darauf eingegangen. Die rechtliche Voraussetzung dafür wäre die Verankerung eines eigenen Grundrechtekatalogs in der Landesverfassung oder die Übernahme der Grundrechte des Grundgesetzes als Bestandteil auch der Landesverfassung durch ausdrückliche landesverfassungsrechtliche Bezugnahme. Für beide Alternativen wäre eine erneute Landesverfassungsänderung erforderlich. Wir werden uns mit den anderen Fraktionen des Hauses - aus unserer Sicht wohlwollend - beraten, ob wir auch insoweit dem Vorbild aller anderen Bundesländer mit Ausnahme von Hamburg folgen wollen.
Zunächst werden wir, auch durch die für heute vorbereitete Änderung der Geschäftsordnung des Landtages, dafür sorgen, dass unser schleswig-holsteinisches Landesverfassungsgericht mit den schon zugewiesenen Kompetenzen in einem zügigen parlamentarischen Verfahren mit kompetenten, verfassungsrechtlich versierten Persönlichkeiten besetzt wird und seine Arbeit bis spätestens Mitte nächsten Jahres konkret aufnehmen kann. Um auf das Eingangszitat aus der „Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung“ zurückzukommen: Die praktische Arbeit wird erweisen, dass heute in der Tat ein guter Tag für Schleswig-Holstein ist.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls und erteile für die FDP-Fraktion dem Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was lange währt, wird endlich gut. Was FDP, Grüne und SSW mit dem Gesetzentwurf zur Änderung der Landesverfassung im Januar 2006 parlamentarisch auf den Weg gebracht haben, findet heute seinen Abschluss. Schleswig-Holstein wird nun auch sein eigenes Landesverfassungsgericht bekommen.
Ich bin sehr froh darüber, dass wir es letztlich geschafft haben, parteiübergreifend ein Zeichen zu setzen. Wir alle in diesem Haus wollen dieses Landesverfassungsgericht. Das haben wir mit einem gemeinsamen Entwurf eines Landesverfassungsgerichtsgesetzes bewiesen und wir haben dies mit unserer einstimmigen Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf im Innen- und Rechtsausschuss noch einmal untermauert.
Meine Fraktion begrüßt dabei, dass sich unsere Vorstellungen über den künftigen Amtssitz des Landesverfassungsgerichts als richtig erwiesen haben. Schleswig als zentraler Ort in Schleswig-Holstein und als Sitz der Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie des Oberlandesgerichts bietet die besten Voraussetzungen für das künftige Landesverfassungsgericht. Kollege Baasch, damit möchte ich die Stellung von Lübeck in der Geschichte überhaupt nicht schmälern.
Künftig wird die Geschäftsstelle beim Oberverwaltungsgericht auch dem Landesverfassungsgericht dienen. Die Grünen haben hierzu einen Änderungsantrag eingebracht, der die Geschäftsstelle aus Repräsentationsgründen beim Oberlandesgericht vorsah. Das haben wir aus gutem Grund abgelehnt. Zunächst muss die Geschäftsstelle nicht repräsentativ sein, sondern sie muss funktionieren. Wegen der Sachnähe von Verwaltungsrechtsstreitigkeiten und Verfassungsrechtsstreitigkeiten ist eine Anbindung des Landesverfassungsgerichts an das Oberverwaltungsgericht deshalb sachlich eher geboten. Vor allen Dingen können aber die repräsentativen Säle des Oberlandesgerichts im Einzelfall und grundsätzlich auch durch ein Landesverfassungsgericht genutzt werden.
Die Wählbarkeit zum Verfassungsrichter wird nicht mehr an das Höchstalter von 62 Jahren gebunden sein.
Auch Bürgerinnen und Bürger mit Wohnsitz außerhalb Schleswig-Holsteins können künftig Richterin oder Richter beim Landesverfassungsgericht sein, was übrigens in fast allen anderen Ländern ebenfalls der Fall ist.
Das künftige Landesverfassungsgericht wird mit mindestens drei Berufsrichterinnen oder Berufsrichtern besetzt sein. Alle Richterinnen und Richter üben ihr Amt ehrenamtlich aus. Damit haben wir, bei allem Prestige, eine steuerzahlerfreundliche Variante gewählt. Dies ist ein ebenfalls wichtiges Signal in Zeiten überschuldeter öffentlicher Haushalte. Schließlich war das Kostenargument lange Zeit ein Grund gegen die Einrichtung eines eigenen Landesverfassungsgerichts. Hier haben wir, wie ich meine, eine akzeptable Lösung gefunden.
Eine Anmerkung noch zum Abschluss. In den letzten Tagen wurde in der Öffentlichkeit noch das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes diskutiert, der ausführte, dass mangels einer Rezeptionsklausel, die die Grundrechte unmittelbar in unsere Verfassung inkorporiert, künftig das Bundesverfassungsgericht für Eingriffe von Landesrecht in die Grundrechte zuständig wäre. Wir sollten diese Anregung aufgreifen und die Landesverfassung entsprechend ändern, Herr Kollege Puls, und dies möglichst zeitnah. Nach dem, was ich gehört habe wir haben uns bei verschiedenen Gelegenheiten schon darüber unterhalten -, bin ich sicher, dass wir diesbezüglich einen gemeinsamen Vorschlag machen können. Ich denke, das Einfachste und das Beste ist es tatsächlich, wenn wir die Grundrechte schlicht und ergreifend zum Bestandteil der Verfassung und zu unmittelbar geltendem Recht erklären.
Ich denke, wir sollten das Bundesverfassungsgericht künftig mit dieser Frage mit Landesrecht nicht mehr traktieren.
Kollege Wadephul, Kollege Puls, wie ich den Tageszeitungen und Ihren Redebeiträgen habe entnehmen können, scheint es auch eine entsprechende Willensbildung innerhalb Ihrer Fraktionen zu geben. Ich denke, wir sollten die Januar-Tagung dazu nutzen, mit einem diesbezüglichen Antrag in das Plenum zu gehen und dann auch zeitnah zu einer Änderung der Verfassung kommen.
Für heute ist positiv festzustellen, dass das neue Landesverfassungsgericht seine Arbeit mit der Unterstützung des gesamten Parlaments aufnehmen wird. Auch ich denke, das ist ein guter Tag für Schleswig-Holstein.
Ich danke dem Herrn Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Herrn Abgeordneten und Fraktionsvorsitzenden Karl-Martin Hentschel das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich sehe das Ganze mit einem lachenden und einem weinenden Auge, weil ich gerade vor zwei Wochen mit einer Verfassungsklage in Karlsruhe war. Es ist ganz nett, einmal nach Karlsruhe zu fahren. Das werden wir in Zukunft nicht mehr haben, sondern wir werden dann nach Schleswig fahren.
Aber Scherz beiseite. Selbstverständlich begrüße ich die Einrichtung eines eigenen Landesverfassungsgerichts in Schleswig-Holstein. Darüber sind wir uns alle einig. Wir sind schließlich das letzte Bundesland ohne ein solches Gericht und es ist gut, dass schleswig-holsteinische Verfassungsstreitigkeiten in Zukunft auch in Schleswig-Holstein und nicht im fernen Karlsruhe entschieden werden. Ich denke, ein Gericht, das vor Ort ist, hat die Möglichkeit, mehr ortsnah und aus ortsnaher Kenntnis zu entscheiden. Das ist gut für Schleswig-Holstein. Gut ist auch, dass uns eine ehrenamtliche Lösung gelungen ist.
Natürlich wird es auch eine Geschäftsstelle geben müssen. Dennoch ist das angesichts der Finanzen eine vernünftige Lösung und ich glaube, dass wir damit auch eine Lösung haben, die von allein Seiten gut angesehen ist, die von allen akzeptiert wird. Das ist positiv, das ist ein guter Start für dieses Gericht.
habe mir gesagt: Wenn man ein solches Gericht schafft und die Räumlichkeiten sind vorhanden die ehemalige Präsidentin des Oberlandesgerichts hat mir gesagt, dass es ohne Probleme möglich ist -,
dann hätte ich es angemessen gefunden zu sagen: Das Gericht wird in Schleswig in dem alten, traditionellen, ehrwürdigen Gebäude des Oberlandesgerichts untergebracht. Leider haben das die anderen nicht so gesehen.
Dennoch werde ich dem Gesetzentwurf zustimmen. Ich mache das nicht zum Dollpunkt, Herr Kubicki. Aber Sie können sehen: Auch bei den Grünen spielt manchmal die Repräsentabilität eine Rolle.
Ich komme nun auf das Problem zu sprechen, das in der letzten Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses aufgekommen ist. Ich hatte gefragt, was passiert, wenn wir gegen das Polizeigesetz klagen. Wir haben die Diskussion gemeinsam geführt. Es gab ein Gutachten von Burkhard Hirsch, das ausgesagt hat, dass es Probleme gibt, und das Sie, Herr Kubicki, mir gegeben haben. Danach habe ich gefragt, warum das nicht geht und habe den Ausschuss gebeten, dem Wissenschaftlichen Dienst den Auftrag zu erteilen, das einmal zu prüfen. Es stellte sich dann tatsächlich heraus, dass wir alle gemeinsam die ganze Angelegenheit nicht zu Ende durchdacht haben, sodass tatsächlich solche Klagen in Zukunft gar nicht in Schleswig-Holstein durchgeführt werden können, sondern wir wieder nach Karlsruhe gehen müssen. Ich habe deshalb in meiner Rede angekündigt, dass wir eine entsprechende Änderung der Verfassung einbringen werden. Aber nachdem ich nun gehört habe, dass es von allen Fraktionen genauso gesehen wird - nachdem Herr Kollege Puls im Ausschuss noch gesagt hatte, das kommt auf keinen Fall in die Tüte -, freue ich mich, dass Sie sich von der SPD und von der CDU besonnen haben. Ich denke, wir werden einen gemeinsamen Antrag zur Änderung der Landesverfassung einbringen, dann haben wir auch eine Zweidrittelmehrheit. Das ist besser so. Wir werden dann die Landesverfassung um einen Grundrechtekatalog erweitern. Ich hoffe, dass wir tatsächlich bis Mai in die Situation kommen, dass wir vor dem neuen Gericht auch alle landesverfassungsrechtlichen Fragen in Schleswig-Holstein entscheiden können. Das freut mich.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einmal meine Freude ausdrücken und feststellen, dass wir jetzt mit der Verabschiedung des Landesverfassungsgerichtsgesetzes nicht mehr das einzige Land ohne ein eigenes Landesverfassungsgericht sein werden. Das gehört jetzt endgültig der Vergangenheit an. Wichtig ist auch, vonseiten des SSW festzuhalten, dass die Voraussetzungen für das Landesverfassungsgericht mit dem vorliegenden Gesetz sehr gut sind, weil wir alle Fraktionen gemeinsam - dieses Gesetz konstruktiv begleitet haben, jetzt einbringen und mittragen.
Für ein Landesverfassungsgericht ist dies - wie ich sagte - eine gute und angemessene Voraussetzung. Mit diesem eigenen Landesverfassungsgericht wird uns manch langer Weg nach Karlsruhe endlich erspart bleiben. Normenkontrollverfahren, Kommunalverfassungsbeschwerden und Beschwerden gegen Wahlprüfentscheidungen werden in Zukunft am Landesverfassungsgericht entschieden werden. Damit entlasten wir nicht nur das Bundesverfassungsgericht; viel wichtiger scheint mir die Chance, mit einem eigenen Verfassungsgericht kürzere Verfahrenszeiten hinzubekommen. Ich denke, dass das im Sinn aller Betroffenen und Beteiligten ist.
Ein wichtiger Punkt, den wir im Zusammenhang mit dem Landesverfassungsgericht später evaluieren sollten und der auch schon im Ausschuss angesprochen wurde, ist das Fehlen von Grundrechten in der Landesverfassung. Das will ich jetzt nicht wieder aufgreifen, weil dazu wirklich alles gesagt worden ist. Ich denke aber, dass es richtig ist, dass wir so schnell wie möglich eine Änderung der Landesverfassung herbeiführen, damit auch die Grundrechte des Grundgesetzes in das Landesrecht aufgenommen werden. Für Bürgerinnen und Bürger des Landes wird das notwendig sein, denn natürlich gehört zu einem Landesverfassungsgericht, dass Individualklagen zugelassen werden.
Zum Standort: Ich freue mich natürlich darüber, dass Schleswig jetzt Standort des Landesverfassungsgerichts sein wird.