Weiterhin stellt sich die Frage: Wie können die Verfahren zur Personalauswahl gestrafft werden, um zu einer rascheren Entscheidung über Ernennung, Warteliste und Absage zu gelangen? Wer bewirbt sich denn schon nur bei einem Arbeitgeber? Er werden immer mehrere Bewerbungen abge
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist richtig, dass sich die Landespolizei einem ständigen Organisationsentwicklungsprozess unterzieht, um die Qualität der Arbeit zu erhalten, und dass sie jetzt dabei ist, die Schwerpunkte der Kriminalitätsbekämpfung präziser zu formulieren, um zielgenauer und wirkungsvoller eingreifen zu können. Das diskutieren wir ja gleich beim nächsten Tagesordnungspunkt noch etwas intensiver.
Ich meine, wenn wir uns mit den hier schon genannten Fragen im Innen- und Rechtsausschuss beschäftigen, wird deutlich werden, dass das Lob und die Anerkennung, die wir den Polizistinnen und Polizisten immer gern aussprechen, nicht nur Inhalt von Sonntagsreden ist, sondern Maßstab für unser politisches Handeln in Bezug auf die Polizei und vor allem in Bezug auf die Situation ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Thomas Rother und dem Vorredner, dass sie nicht die volle Zeit genutzt haben. Man darf dies vielleicht einmal sagen.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Karl-Martin Hentschel, das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank an die Mitarbeiter des Ministeriums und der Polizei für die Beantwortung der Großen Anfrage. Sie gibt uns wichtige Information über die Situation unserer Polizei, nach den Schulen den zweitgrößten Personalbereich des Landes. Da meine Vorredner schon viele Zahlen und Daten der Antwort referiert und analysiert haben, will ich darauf verzichten und mich auf einige Aspekte beschränken, die mir von besonderer Bedeutung erscheinen.
Wenn ich die Zahlen der Polizei und der Tarifangestellten im Polizeibereich zusammenzähle, dann ist die Zahl über die letzten 20 Jahre weitgehend konstant geblieben. Es hat sich kaum etwas geändert, es sind mal 20 oder 30 mehr und weniger geworden. Wir müssen das aber auch den Aufgaben gegenüberstellen.
Liest man den Bericht über die Entwicklung von Straftätern und unterhält sich mit den Vertretern der Gewerkschaften, dann kann man sicherlich notwendige Personalaufstockungen von der Regierung fordern. Denn überall wird davon gesprochen, dass eine neue Aufgabenqualität auf die Polizei zukommt. Für die Opposition sind solche Forderungen sicherlich billig, wir können ja alles fordern. Ich werde das aber nicht tun, da es angesichts der unverändert katastrophalen Finanzlage des Landes unverantwortlich wäre. Wir würden nur Hoffnungen erwecken, die niemand einlösen kann, und so den Politikverdruss noch steigern, und das wäre schlimm.
Trotzdem müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Aufgaben der Polizei in den letzten Jahren nicht abgenommen haben, sondern eher mehr wurden. Dazu gehören neue Formen der Kriminalität. Gesprochen wird von Einsätzen bei Demonstrationen, die immer mehr Personal binden. Aber auch Fußballspiele - das müssen nicht einmal die Spitzenspiele der oberen Ligen sein - bergen mehr Konfliktpotenzial. Selbst Volksfeste auf dem Lande erfordern oft mehr als einen beobachtenden Beamten, der allein durch seine Präsenz nicht mehr automatisch für Ruhe sorgt.
Die Ursachen dafür sind bekannt: Die erhöhte Gewaltbereitschaft bei jungen Männern als Folge der Perspektivlosigkeit von Bildungsverlierern, Mangel an Ausbildungsplätzen und daraus resultierendem Herumhängen, Alkoholkonsum und eben Gewaltbereitschaft. Diese Ursachen wird die Polizei nicht beseitigen können. Da sind Wirtschaft, Schule und Politik gefragt. Die Polizei muss aber damit umgehen. Bei wachsenden Aufgaben und beschränkten Finanzen landet man automatisch bei dem oft benutzten Schlagwort „Konzentration auf die Kernaufgaben“, das ja auch in dem Strategiepapier 2012 angesprochen wird. Was sind „Kernaufgaben“? Die Präsenz auf der Straße, um Vorfälle von vorneherein zu verhindern, die ständige Bereitschaft der Reviere, um schnell reagieren zu können, was oft im Gegensatz steht, oder die effiziente Verbrechensbekämpfung? Dazu kommen die Präventions
aufgaben wie zum Beispiel die sehr fruchtbare Mitarbeit in kriminalpräventiven Räten. All das alles wird man nicht reduzieren wollen. Nicht zurückziehen darf sich die Polizei auch von öffentlichen Veranstaltungen und der Überwachung öffentlicher Räume. Wer diese Aufgaben privaten Sicherheitsdiensten überlassen will, der gibt öffentlichen Raum in unserer Demokratie preis. Das dürfen wir nicht zulassen.
Am ehesten noch kann sich die Polizei von den Aufgaben der Verkehrsüberwachung zurückziehen, zumindest von Teilen davon, und diese gegenüber den Versicherungen zu gebührenpflichtigen Dienstleistungen machen. Man kann hinterfragen, ob es Polizisten, die über Jahre ausgebildet sind, braucht, um Unfälle aufzunehmen, Geschwindigkeit zu kontrollieren oder gar Parkplätze zu überwachen. Aber auch dies ist schon alles diskutiert worden, und es ist schon einiges passiert. Wichtig ist aber, dass sich die Polizei weiterhin als bürgerfreundliche Polizei versteht und darauf entsprechend in der Ausbildung wert gelegt wird. Ich glaube, da ist Schleswig-Holstein durchaus vorbildlich.
Ein positives Image der Polizei, der berühmte Freund und Helfer, ist von unschätzbarem Wert. Wenn erst einmal die Polizeibeamten als Feinde betrachtet werden, wie das in Frankreich in den Vorstädten von Paris aus der Ferne betrachtet der Fall zu sein scheint, dann wird die Arbeit der Polizei in einer Weise erschwert, die durch keine Einsparungen oder Effizienzgewinne ausgeglichen werden kann. Dazu gehört übrigens auch die Frage der Auswirkungen des wachsenden Frauenanteils, der in der Anfrage dargestellt wird. Es gibt für mich, gerade auch in Gesprächen mit Polizisten, keinen Zweifel daran, dass der wachsende Frauenanteil bei der Schutzpolizei zu einem positiven Image beigetragen hat und in vielen Situationen auch deeskalierend wirken kann.
Wichtig ist auch die zunehmende Einstellung von Migrantinnen und Migranten, die wesentlich dazu beitragen können, dass auch die Akzeptanz der Polizei in den Einwandermilieus erhöht wird. Hier ist übrigens die Polizei Vorbild für andere Landesbehörden in Schleswig-Holstein.
Meine Damen und Herren, wer über die Arbeit und Entwicklung der Polizei redet, der kommt nicht umhin, auch über die innere Organisation der Polizei zu reden. Eines der aktuellen Probleme ist die
vom Kollegen Kubicki schon genannte Überalterung in den kommenden zehn Jahren, die noch durch eine Verlängerung der Dienstzeit auf 67 Jahre verstärkt werden kann. Das muss mitbedacht werden. Auch die Debatte über die drei- versus zweigeteilte Laufbahn muss weiter geführt werden, die Gewerkschaft hat uns dazu ja sehr interessante Zahlen geliefert.
Damit hängen dann auch das Beförderungswesen und das Dienstrecht eng zusammen. Seit Jahrzehnten leistet sich der Staat den Luxus, ein eigenes Rechtsgebiet auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts ausschließlich für einen Teil der öffentlich Bediensteten zu pflegen. Allein die jährlichen Beurteilungen aller Polizeibeamten, selbst dann, wenn eine potenzielle Beförderung in weiter Ferne liegt, binden zigtausende von Arbeitsstunden und Konferenzen, die sinnvoller für andere Zwecke genutzt werden könnten.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] und Anke Spoorendonk [SSW])
Um das zu ändern, müssen wir uns aber vom im öffentlichen Dienst praktizierten Laufbahnprinzip verabschieden. Wenn wir den öffentlichen Dienst im Allgemeinen und die Polizei im Besonderen endlich zu einem Vergütungssystem führen, das sich ausschließlich an der konkret ausgeübten Tätigkeit und der persönlichen Leistung misst und das in die gesetzliche Sozialversicherung eingebunden ist, würde das vieles radikal vereinfachen, und Beurteilungen wären nur dann erforderlich, wenn sich ein Beamter auf eine Beförderungsstelle bewirbt. Aber so weit sind wir noch nicht, auch wenn bei der Föderalismusreform ein erster Schritt in diese Richtung schon getan wurde.
Die letzte wichtige Frage im Zusammenhang mit der Zukunft der Polizei ist die nach der Organisationsstruktur. Da dies aber das Thema des Strategiepapiers 2012 ist, das wir im nächsten Tagesordnungspunkt besprechen werden, werde ich dazu jetzt nichts sagen.
Meine Damen und Herren, die vielen Informationen der Großen Anfrage geben uns wichtige Informationen, die wir bei der Diskussion über die Weiterentwicklung der Polizei gut nutzen können. Es spricht vieles dafür, dass es zu einer „Polizeireform IV“ kommen wird. Ich schlage deshalb vor, die Große Anfrage an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen und dort in Zusammenhang mit der Diskussion über die Polizeistrategie heranzuziehen.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel. - Das Wort für den SSW im Landtag hat deren Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Passend zur Großen Anfrage der FDP läuft die Gewerkschaft der Polizei gegen die Überalterung der Polizei in Schleswig-Holstein Sturm. Da ein Bild bekanntlich mehr als tausend Worte sagt, hat sie kurzerhand einen 60-Jährigen in die Uniform eines Bereitschaftspolizisten gesteckt und fragt auf ihren Plakaten: „Ist das die Zukunft?“ Die Antwort lautet, wenig überraschend, eindeutig: Nein. Jedem, ob nun Polizeiexperte oder nicht, ist klar, dass ein 60-Jähriger zwar in Sachen geistiger Fitness durchaus mit einem jüngeren Polizeikollegen mithalten kann, das Erlebte wahrscheinlich aufgrund seiner Besonnenheit und Erfahrung sogar besser verarbeiten kann, aber körperlich ist er seinen jüngeren Kollegen unterlegen. Unterlegen ist er damit auch gewaltbereiten Fußballfans, die auf Krawall gebürstet sind. Diesen Hooligans kann man keine Oldies in Uniform entgegenstellen. Die Altersgrenzen für Sondereinsatzkommando und Mobiles Einsatzkommando liegen nicht ohne Grund bei 45 beziehungsweise 48 Jahren.
Sieht aber die Zukunft der Polizei wirklich so aus, wie eben beschrieben, also massenweise überalterte Polizisten, die zu Aufgaben herangezogen werden, von denen sie überfordert werden? Die ausführliche Antwort auf die Große Anfrage belegt, dass wir derzeit in Schleswig-Holstein eine Altersstruktur haben, die zumindest mittelfristig nicht Besorgnis erregend ist. Darüber hinaus zeigen die einzelnen Antworten, dass man sich in der Polizei durchaus bewusst ist, dass potenziell eine Überalterung droht.
Die Zugangsjahrgänge werden kleiner, so dass sich die Altersstruktur in den nächsten zehn bis 20 Jahren verändern wird. Erste Gegenmaßnahmen sind bereits getroffen. Dazu gehören unter anderem die gezielte Anwerbung von Frauen und der Umbau der Schichtstruktur, um in gewissem Maße eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten. Davon profitieren im Übrigen nicht nur die Polizistinnen, sondern auch deren Kollegen insgesamt.
Die Probleme der Wasserschutzpolizei, die auf dem Arbeitsmarkt der ausgebildeten Seeleute gegen starke Konkurrenz allzu oft das Nachsehen hat, zeigen, dass man auch bei der Polizei frühzeitig neue Rekrutierungsmuster entwickeln muss. Ob diese dann im Einzelfall erfolgreich sind, zeigt sich erst im Laufe der Jahre, wenn die Neueingestellten wirklich bei der Stange geblieben sind.
Für viele Polizisten ist das sicherlich ein ganz neues Gefühl. Bislang galt der Beruf des Polizisten als durchaus attraktiv. Die Werbetrommel musste erst in den letzten Jahren zum Einsatz kommen. Die Zahlen deuten aber darauf hin, dass die Konkurrenz zunehmen wird, was sich meines Erachtens allerdings positiv auf die Arbeitsbedingungen auswirken könnte. In Schleswig-Holstein ist derzeit jeder siebte Polizist im mittleren Dienst 50 Jahre alt und älter. Da steht die schleswig-holsteinische Polizei im Vergleich zu anderen Bundesländern gar nicht mal so schlecht dar, dennoch lässt sich absehen, dass sich das Verhältnis weiter verschlechtern wird, der Anteil der Älteren also weiter wachsen wird.
Ein zu großer Anteil älterer Kollegen ist für die Polizei nicht empfehlenswert, weil die älteren Kollegen die Laufbahn ihrer jüngeren Kollegen blockieren. Das ist ein schlechtes Signal: Wenn man sich als junger Polizist anstrengen kann wie man will und sich das überhaupt nicht in Form einer Beförderung niederschlägt, kann das Engagement schnell in Frust umschlagen.
Bereits vor diesem Hintergrund müssen wir einerseits über flexible Konzepte sprechen, die die Polizeibeamten immer wieder neu fordern, also eben keine stupiden Routinen, sondern ein anspruchsvoller Arbeitsalltag, der niemanden anödet. Das bedeutet andererseits aber auch, dass die Schichtmodelle nicht endlos ausgereizt werden sollten. Überforderte Polizisten, die einen riesigen Berg Überstunden vor sich herschieben, sind in der Regel unzufriedene Polizisten.
Personalmanagement hat natürlich auch für die Älteren angemessene Jobs zu schaffen, in denen sie ihre Erfahrungen weitergeben können. Das ist allerdings ein Thema, das wir im Beamtenrecht des Landes noch viel zu wenig berücksichtigt haben. Von daher kann ich nur unterstreichen, was der Kollege Hentschel vorhin sagte. Wir müssen auch an das Beamtenrecht rangehen, um hier neue Weichen zu stellen. Wir müssen anerkennen, dass die starren Beamtenlaufbahnen angesichts der
wachsenden Aufgaben nicht mehr den Anforderungen eines modernen Personalmanagements entsprechen. Nicht nur die Interessenvertreter der Polizisten fordern seit Langem eine leistungsgerechte Besoldung, die so bald wie möglich die starre Form der Stellenbewirtschaftung ersetzt. Das fordern auch diejenigen, die eine größere Durchlässigkeit im Polizeidienst propagieren.
Letztlich geht es darum, Wahlmöglichkeiten zu verbessern. Die Antwort der Landesregierung zeigt, dass die Zahl der Kündigungen, um in der freien Wirtschaft zu arbeiten, vernachlässigbar klein ist. Ich zumindest war überrascht darüber, dass jahrelang überhaupt kein einziger schleswig-holsteinischer Polizist in die Wirtschaft wechselte. Das mag Gründe haben, das mag auch Gründe haben, die mit der Situation auf dem Arbeitsmarkt zusammenhängen, aber ich denke, es ist dennoch bemerkenswert. Aber nicht erst an dieser Stelle zeigt sich, dass die Große Anfrage in erster Linie Zahlen zugänglich macht. Das will ich nicht herabwürdigen, denn so lobenswert die Große Anfrage auch ist und wir damit auch erstmals einen genauen Blick auf die Altersstruktur der Polizei gewinnen konnten, desto größer wird die Neugier darauf, wie die Polizisten ihre Situation selbst interpretieren. Die GdP hat bereits die Ergebnisse der Großen Anfrage kommentiert. Ich frage mich, was das Gros der Polizisten jetzt davon hält.
Letztlich wollen die Bürgerinnen und Bürger engagierte Polizeibeamte, die sich vor Ort auskennen und die ausgeruht und motiviert ihre Arbeit erledigen. Sie wollen bürgernahe Beamte, die sich unbürokratisch als Experten für ihr Viertel verstehen und darüber hinaus ein gern gesehener Sicherheitspartner für Schulen und Kindergärten sind, Beamte, die sich auch für die Ursachen der Probleme interessieren, mit denen sie tagtäglich konfrontiert sind. Diese Traumbeamten fallen nicht vom Himmel. Vielleicht brauchen wir auch noch andere, aber ich denke mir, für viele Menschen im Land ist das der Traumbeamte, der ihnen bei Nachfrage einfällt.
Es bedarf insgesamt dauernder Anstrengungen, Qualifizierungen und Motivierung, um den guten Standard, den wir im Land haben, zu halten.
Darum - meine letzte Bemerkung: Ein Damoklesschwert von 5.000 zu streichenden Stellen ist dabei sicherlich der völlig verkehrte Weg.