Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

„Die Summe von Einzelinteressen ergibt nicht Gemeinwohl, sondern Chaos.“

Dieses Zitat stammt übrigens von einem Christdemokraten, vom früheren Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel. Er hat völlig recht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der doch sehr bemerkenswerte Beitrag des von Unkenntnis gezeichneten Innenministers hat mich veranlasst, noch einmal nach vorn zu kommen. Herr Kollege Stegner, Sie spielen immer auf Wahlprognosen an, die ich abgegeben habe und die sich nicht eingestellt haben. Das muss bei Ihnen ja ähnlich gewesen sein, sonst wären Sie nicht Juniorpartner in einer CDU-geführten Landesregierung.

Sie allerdings haben in der Vergangenheit bereits den Nachweis erbracht, dass viele Ihrer nachprüfbaren Vorhersagen nicht eingetroffen sind. Ich will jetzt gar nicht von dem 35-Millionen-Loch im Bildungsministerium reden, für das Sie als Staatssekretär verantwortlich waren. Ich will davon reden, dass Sie uns vor fünf Jahren gesagt haben: Wenn Ihr Modell der Zusammenführung des UK S-H stattfinden würde, würden wir heute schwarze Zahlen schreiben. Wir sind - glaube ich - bei 80 Millionen € Miesen.

(Lachen bei der FDP)

Das zu Ihren Vorhersagen, zu Ihren Kenntnissen und zu Ihrer hervorragenden Kenntnis der Materie.

(Günter Neugebauer [SPD]: Kommen Sie doch mal zur Sache!)

- Ich komme zur Sache. Kollege Neugebauer, das ist Sache. Denn offensichtlich geht an der SPDFraktion ja auch vorbei, dass hinsichtlich des schleswig-holsteinischen Polizeigesetzes - was ich Ihnen vorausgesagt habe - das Bundesverfassungsgericht in der mündlichen Verhandlung gegen das Kfz-Screening erhebliche Bedenken geäußert hat. Sie werden sehr zeitnah erleben - auch das sage ich Ihnen voraus -, dass jedenfalls dieser Punkt Ihres Gesetzes wegfliegen wird, von dem Sie gesagt haben: Ganz toll; ich, Stegner, in Harvard studiert, weiß das alles.

Ich sage Ihnen das auch - jedenfalls in zwei wesentlichen Punkten - bei dem jetzt umzusetzenden Glücksspielstaatsvertrag voraus.

Wenn Sie auf den Kollegen Arp anspielen und darauf, dass wir Anträge eingebracht haben - ich bin

(Minister Dr. Ralf Stegner)

begeistert, dass das so ist, dass der Kollege Arp sie formuliert hat -, kann ich nur feststellen: Der ist in der Materie in den letzten zwei Jahren deutlich besser zu Hause als Sie.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU] - Dr. Heiner Garg [FDP]: Das ist auch nicht schwer!)

Da weder der Kollege Arp Jurist ist noch Sie Jurist sind, kann ich sagen: Einarbeitung in die Materie führt zu besseren Erkenntnissen. Auch das hätte ich Ihnen gern nahegelegt. Vielleicht kommt die Erkenntnis bei Ihnen ja auch noch, dass markantes Auftreten und das Beschimpfen der anderen nicht ausreichen, um rechtlich differenzierte Tatbestände zu beurteilen.

(Konrad Nabel [SPD]: Das müssen Sie gera- de sagen!)

- Kollege Nabel, das sage ich deshalb, weil nicht jeder, nur weil er „Nabel“ heißt, die Lizenz bekommt, Richter oder Staatsanwalt zu werden. Dazu braucht man ein bestimmtes Studium. Das setzt voraus, dass man bestimmte Sachverhalte bewältigen kann.

(Zurufe)

Wenn es so wäre, dass man allein durch die Funktion des Sitzens bestimmte Qualifikationen erreicht, bräuchten wir bestimmte Studien und Prüfungen nicht mehr. Vielleicht sollten Sie das einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der FDP - Zurufe)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. Wir kommen nunmehr zur Abstimmung, zunächst über den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen, Drucksache 16/1566. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der FDP-Fraktion Drucksache 16/1770 abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe ! - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag der FDP-Fraktion Drucksache 16/1770 mit den Stimmen von CDU, SPD und SSW gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Kollegen Arp und Koch abgelehnt.

Ich lasse jetzt über den Gesetzentwurf der Landesregierung in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf der Landesre

gierung mit den Stimmen von CDU, SPD und SSW gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Arp und Koch angenommen.

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/970, Staatsmonopol bei Sportwetten aufbrechen. Der Ausschuss empfiehlt Ablehnung des Antrages Drucksache 16/970. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der Abgeordneten Arp und Koch abgelehnt.

Wir kommen nun zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/999, Staatliches Lotteriemonopol erhalten. Der Ausschuss empfiehlt die Ablehnung des Antrages Drucksache 16/999. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Damit ist der Antrag mit den Stimmen von CDU, SPD, FDP und SSW gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung des Abgeordneten Arp abgelehnt.

Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 25 auf:

Eine interkulturelle Bildung braucht mehr pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/1761

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Angelika Birk.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine interkulturelle Bildung braucht mehr pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund. Was verbirgt sich hinter dieser Überschrift?

Wir alle wissen, dass diejenigen Schülerinnen und Schüler mit bildungsfernem Hintergrund, die zusätzlich aus einem anderen Land eingewandert sind oder deren Eltern eingewandert sind, es besonders schwer in unserem Bildungssystem haben. Die Diskriminierung ist hier am himmelschreiendsten.

Das neue Schulgesetz proklamiert einen Paradigmenwechsel: Statt früher Auslese erfolgt individuelle Förderung. Wir nehmen die Landesregierung beim Wort und fordern eine Offensive für interkul

(Wolfgang Kubicki)

turelle Bildung. Alle Kinder, nicht nur diejenigen mit Migrationshintergrund, brauchen in einem zunehmend von Globalisierung geprägten Alltag interkulturelle Bildung und Erziehung. Dies funktioniert glaubhaft nur, wenn auch pädagogische Fachkräfte mit Migrationserfahrung überall dort arbeiten, wo Kinder lernen oder ihre Freizeit verbringen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies bedeutet auch, die potenzielle Zweisprachigkeit von Kindern mit Migrationshintergrund zu fördern und endlich als Bildungsvorteil zu nutzen. Wir wollen, dass die Landesregierung um pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund für Kindertagesstätten, Jugendzentren und vor allem für Schulen intensiv wirbt. Wir wollen, dass sie diese Leute wollen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Im Augenblick ist aber das Gegenteil der Fall. Die diskriminierungsfreie Einstellung dieser so dringend gebrauchten Fachleute scheitert meistens an der Nichtanerkennung der im Ausland erworbenen Abschlüsse und Berufserfahrungen. Migrantinnen und Migranten sind durchaus in unseren Kindertagesstätten, Jugendzentren und Schulen zu finden, aber als Aushilfskräfte auf befristeten, schlecht bezahlten Stellen. Dass sie trotzdem vielen Kindern mit Migrationshintergrund zu einem Bildungserfolg verhelfen konnten, verdient unseren höchsten Respekt.

Wir möchten nun, dass dieses Zufallsergebnis, das gegen viele Widerstände manchmal doch erreicht wird, dass trotz schlechter Startbedingungen Kinder, die aus anderen Ländern hier eingewandt sind, einen guten Schulerfolg haben, die Regel wird. Deswegen ist es wichtig, dass das, was die Kultusministerkonferenz heute beschließt, nämlich eine gemeinsame Erklärung, um der Integration eine Chance zu geben und endlich auch mehr Einwanderinnen und Einwanderer mit Migrationshintergrund an unseren Schulen zu beschäftigen, in SchleswigHolstein schnell umgesetzt wird. Andere Bundesländer sind hier schon weiter; ich verweise auf Hamburg und Nordrhein-Westfalen.

Es muss dann auch gelingen, das muttersprachliche Angebot in einem angemessenen Konzept zu realisieren. Es ist mir klar, dass wir nicht die Sprache aller Herren Länder als Zweitsprachenunterricht mit Zeugnissen überall einführen können. Aber wenigstens mit den Sprachen, die hier doch sehr häufig gesprochen werden - Türkisch, Russisch oder Italie

nisch -, könnten wir beginnen, denn diese Kinder auch die italienischen - haben einen sehr großen Bildungsnachteil, jedenfalls wenn wir unseren Statistiken glauben dürfen.

Es ist auch eine Annerkennung, wenn Kinder sehen, dass eine fremde Muttersprache - nämlich ihre Muttersprache, die für die Deutschen fremd ist - eine Wertschätzung im Kindergarten oder in der Schule erfährt. Nur wenn Kinder ihre eigene Muttersprache gut sprechen, sind sie auch in der Lage, Deutsch gut zu lernen. Das ist in der Sprachwissenschaft allgemein bekannt und viele Fachleute sehen mit Trauer, dass die Kinder weder das Deutsche noch ihre eigene Muttersprache mit einen ausreichenden Wortschatz und einem flüssigen Grammatikstil beherrschen. Das ist wirklich eine Bildungskatastrophe. Der müssen wir begegnen. Deshalb müssen unbürokratisch und kreativ Wege gefunden werden, dass sowohl die Muttersprache als auch das Deutsche gut gelernt werden. Im deutschsprachigen Unterricht sind wir schon ein großes Stück weiter. Darüber haben wir in der Vergangenheit gesprochen. An dem anderen hapert es allerdings noch.

Denn erst wenn Kinder auch in ihrer Heimatsprache Literatur lesen können, nutzen sie die Bilingualität voll aus. Das brauchen wir, auch wenn wir an unsere internationalen Wirtschaftsbeziehungen denken.

Ich möchte mit einem Bild schließen. Die Schauspielerin und Schriftstellerin Renan Demirkan oder der Regisseur Fatih Akin sind zwei große Namen, die für viele bilinguale Künstler mit türkischem Hintergrund in Deutschland stehen. Sie zeigen uns, was aus interkulturellem Lernen in Deutschland entstehen kann, nämlich eine neue europäische Kultur. Diesem Ziel fühlen wir uns verpflichtet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abgeordneten Wilfried Wengler das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, lassen Sie mich eines voranstellen: Nichts ist so gut, dass es sich nicht verbessern lässt. Man muss sich aber sorgfältig mit der Frage der Mittel und Wege auseinandersetzen. Damit komme ich zu Ihrem Antrag. Im Hinblick auf den anstehenden Bedarf an päd

(Angelika Birk)

agogischen Fachkräften sind wir in Schleswig-Holstein geradezu darauf angewiesen, auch die Ressourcen an geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern mit Migrationshintergrund zu erschließen. Hier wird also das Angebot den zukünftigen Anteil bestimmen.

Ihrer zweiten Forderung kann ich nur bedingt zustimmen. Die Umgangssprache unseres Landes ist die deutsche Sprache. Unser primäres Ziel muss daher sein, Kinder mit Migrationshintergrund in die Lage zu versetzen, sich problemlos in der deutschen Sprache artikulieren zu können, um die Anforderungen in Schule und Beruf zu erfüllen.