Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

Ich denke, das ist wichtig für die Klärung dieser Frage; und deshalb frage ich mich natürlich ein bisschen, wo das Problem liegt. Denn schon jetzt werden kleine Polizeistationen - in der Regel wenn der Amtsinhaber ausscheidet - geschlossen. Hinzu kommen natürlich polizeitaktische Gründe, die beachtet werden. Das hat in der Vergangenheit niemanden so recht aufgeregt. Es heißt natürlich auch was Herr Hamm hier gesagt hat -, dass es dort, wo es sinnvoll ist, es weiterhin die kleinen, ein- und zweimännigen Stationen geben wird. Das Dogma, das hier beschrieben worden ist, habe ich bislang nicht erkennen können.

Irritierend war weiterhin allerdings eine Aussage aus dem Innenministerium, Herr Minister, in der „Norderstedter Zeitung“ vom 29. November 2007, die Mindestgröße für eine Polizeistation liege bei fünf Beamten. Ebenso wurde in dem Artikel behauptet, um vor den anstehenden Kommunalwahlen Unruhe in den Gemeinden zu verhindern, werden diese Pläne erst danach veröffentlicht. Ich denke, dass klar geworden ist, dass beides Unfug ist. Kleine Stationen bleiben wichtig für eine bürgernahe und eine auf Prävention setzende Polizeiarbeit.

Weitere Punkte, die im Konzept von Dezember 2006 genannt sind, wie die Frage der Besoldung, der Einsatz von Tarifpersonal oder die gemeinsame Ausbildung für Schutz und Kriminalpolizei, sind aus meiner Sicht Themen, die ebenso wichtig und vielleicht jetzt ein bisschen zu kurz gekommen sind, aber die nicht weniger brisant sind als die Frage der kleinen Stationen. Sie sind ebenso wichtig und mit denen sollten wir uns auch beizeiten im Innen- und Rechtsausschuss neben der aufgabenbezogenen Schwerpunktsetzung befassen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Thomas Rother. Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat dessen Vorsitzender, Herr Abgeordneter Karl-Martin Henschel.

(Thomas Rother)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Text Strategie 2012 der Landespolizei stammt vom Dezember 2006, ist also bereits ein Jahr alt. Wieso das Papier jetzt so viel Aufregung verursacht, ist aus dem Papier selbst nicht so richtig ersichtlich. Denn das Papier benennt lediglich allgemeine Kriterien für die Weiterentwicklung der Polizeiarbeit in Schleswig-Holstein.

Es ist unbestritten, dass die Polizei großen Belastungen ausgesetzt wird. Deswegen wird seit Jahren über die strategische Weiterentwicklung der Aufgaben, der Strukturen und der Ausbildung und der Ausrüstung diskutiert. Mit der Polizeireform III war es gelungen, über 150 Beamte aus der Polizeiverwaltung in den Dienst vor Ort zu verlagern. Entscheidend dafür war die Auflösung einer kompletten Ebene.

Mit der aktuellen Diskussion geht es erneut um eine Reihe von Fragen der Polizeiorganisation: Soll man die kleinen Polizeistationen auf dem Lande, die häufig nur aus wenigen Beamten bestehen und die deswegen sowieso nicht ständig besetzt sein können - das muss man dazu sagen -, zugunsten größerer Reviere auflösen? Oder ist das Gesicht des Polizisten vor Ort von entscheidender psychologischer Bedeutung für die Sicherheit? Sollen die Standorte der Kriminalpolizei stärker zusammengefasst werden, um die Qualität der Arbeit zu erhöhen? Oder ist es besser, wenn man darauf verzichtet und stattdessen mehr Ortskenntnis bei den Lagebesprechungen vorhanden ist? Gibt es noch weitere Einsparungsmöglichkeiten auf der Ebene der Landespolizei oder des Landeskriminalamtes oder in den Polizeidirektionen, also in den Verwaltungsebenen der Polizei? In allen diesen Fällen gibt es gute Argumente dafür und dagegen.

Zur Frage der Strukturen: Wir haben in unserer Partei bekanntlich in der Verwaltungsstrukturreformdiskussion für eine Zusammenfassung der Ämter und Gemeinden zu Größenordnungen von in der Regel 20.000 Einwohnern diskutiert. Jede Gemeinde und jedes Amt soll dann Ansprechpartner für alle wesentlichen Aufgaben des Staates für die Bürgerinnen und Bürger sein. Wir haben in diesem Zusammenhang auch über die Polizei gesprochen. Unser Vorschlag war, dass dann auf dem Land zu jedem Rathaus auch ein Polizeirevier gehört. Eine solche Eins-zu-eins-Beziehung hätte den Vorteil, dass klarere Strukturen für die Bürgerinnen und Bürger geschaffen werden als die heutigen Strukturen, die häufig eher historisch gewachsen

und weniger nach objektiven Notwendigkeiten begründet sind. Manches Polizeirevier, das auf dem Lande existiert, ob zwei oder fünf Personen, ist eher zufällig da, während es solche Reviere in anderen Gebieten überhaupt nicht gibt. Das wissen wir alle. Das ist sehr unterschiedlich im Land. Häufig ist es einfach historisch oder demografisch zu begründen. Wo ein Polizist gestorben ist, hat man das Revier aufgelöst, wo der Mann noch jung war, hat man es noch 30 Jahre aufrechterhalten. Das sind Strukturen, die eher zufällig sind.

Ich glaube, dass es Sinn ergibt, über diese Strukturen zumindest zu diskutieren und nachzudenken. Es gibt aber sicher auch andere Gesichtspunkte, die besondere Faktoren vor Ort berücksichtigen. Zum Beispiel kann es sein, dass es viele fremde Touristen im Sommer gibt, obwohl da wenig Leute wohnen. Es kann auch sehr große räumliche Entfernungen geben - Insellagen zum Beispiel - und dort muss man Sonderregelungen treffen.

Meine Damen und Herren, ich plädiere deswegen dafür, diese Diskussion nicht aufgeregt zu führen, sondern den polizeiinternen Gremien erst einmal die Zeit zu gönnen, Vorschläge zu erarbeiten. Dann kann auf einer sachlichen Grundlage die Diskussion geführt werden.

(Beifall des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Natürlich erwarten wir von der Polizei, dass sie sich neuen Herausforderungen stellt. Und natürlich können wir angesichts der Finanzlage des Landes keine großen Versprechungen machen. Aber umgekehrt können die Polizei und die Bevölkerung von uns erwarten, dass wir die Diskussion sachlich führen und uns nicht an populistischen Diskussionen beteiligen, bei denen die Partialinteressen - diesmal nicht die Parteiinteressen - im Vordergrund stehen.

(Zuruf des Abgeordneten Klaus-Peter Puls [SPD])

Ich glaube, diese aufgeregten Debatten kennt man bei jedem Thema, wenn es um Strukturen geht. Vor Ort ist es immer leicht, eine Diskussion zu führen, wenn etwas weggenommen werden soll. Ich glaube aber, dass wir nur dann vernünftige Diskussionen führen können, wenn wir versuchen, zunächst einmal objektive Kriterien zu entwickeln und dann zu einer Einzeldiskussion zu kommen. Ich halte das für ausgesprochen wichtig, damit Politik rational bleibt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: Könnt ihr mir sagen, warum ihr geklatscht habt? Weil er nett ist, oder?)

Ich danke Herrn Abgeordneten Hentschel. - Das Wort für den SSW im Landtag hat deren Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Ende 2004 das Polizeiorganisationsgesetz des Landes hier im Landtag beschlossen wurde, ging auch die Arbeit der von Innenminister Buß in Auftrag gegebenen Reformkommission III zu Ende. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass diese Kommission ganz wesentlich dazu beitrug, dass die neue Polizeiorganisation - trotz Kritik - letztlich umgesetzt wurde. Denn die Reformvorschläge kamen aus den eigenen Reihen der Polizei. Sie waren kein Produkt der oberen Riege, sondern eine Gemeinschaftsaufgabe.

Der SSW stimmte dem Polizeiorganisationsgesetz damals zu, nicht zuletzt, weil vorgesehen war, dass es in zwei Jahren evaluiert werden sollte. Ob diese Evaluation jetzt formal stattgefunden hat, wage ich zu bezweifeln. Was öffentlich bekannt ist - zumindest konnten wir es der Presse entnehmen, zum Beispiel auch der „Norderstedter Zeitung“ -; ist allein die Tatsache, dass die Polizeiführung des Landes anscheinend an einer Strategie 2012 für die Landespolizei Schleswig-Holstein bastelt. Dabei geht es in erster Linie um die kleinen Polizeistationen auf dem Land. Ihnen droht nach Presseberichten möglicherweise das Aus, da vorgesehen ist, dass alle Dienststellen, die mit weniger als fünf Beamten besetzt sind, auf den Prüfstand kommen.

Innenminister Stegner - ich zitiere weiter aus der Presse - soll dazu gesagt haben, dass er den Strategieplänen zustimme, aber wegen der anstehenden Kommunalwahlen Unruhe in den Gemeinden verhindern wolle. Polizeiintern sei das Strategiepapier jedoch bekannt, das auf höchster Ebene verfasst worden sei und sich mit den künftigen Aufgaben der Landespolizei befasse. So war in den „Lübecker Nachrichten“ nachzulesen, dass Polizeidirektor Burkhard Hamm über eine Definition der Kernaufgaben nachdenkt. Ich gehe davon aus, dass irgendwann auch die Politik mit einbezogen wird, aber bisher habe ich nur das herausfinden können. Keiner hier im Haus verschließt die Augen vor den gesellschaftlichen Veränderungen, denen sich alle öffentlichen Einrichtungen, also eben auch die Poli

zei, stellen müssen. Doch eine ergebnisoffene Diskussion über die Ausrichtung der Polizei sieht anders aus.

Für den Sprecher des Innenministeriums sind diese Behauptungen - immer noch laut Pressebericht „kalter Kaffee“, fest steht nur, dass in dem genannten Papier die künftige Entwicklung der Landespolizei abstrakt beschrieben worden ist. Entschieden ist noch nicht, wird vonseiten des Innenministeriums hervorgehoben. Es wird aber eingeräumt, dass man als Mindestgröße für eine effizient arbeitende Polizeistation von fünf Beamten ausgeht, wobei hervorgehoben wird, dass auch der Landesrechnungshof die kleinen Stationen kritisiere - so geschehen in den Bemerkungen des Landesrechnungshofes 2007 und auch schon 2005.

Die Prüfung des Landesrechnungshofes aus dem Jahre 2005 wurde damals von allen Fraktionen zurückgewiesen, nicht nur wegen des Zeitpunktes nämlich kurz nach Einführung der neuen Polizeiorganisation - sondern auch aus inhaltlichen Gründen.

Der Kollege Schlie sagte damals zum Beispiel für die CDU-Fraktion:

“Die sogenannten ein- und zweimännigen Polizeistationen gewährleisten die Sicherheit im ländlichen Raum. Sie stehen nicht aus wirtschaftlichen Gründen zur Disposition.“

Auch der Kollege Rother stellte sich hinter die kleinen Polizeistationen des ländlichen Raums:

„Insbesondere im ländlichen Raum sind sie der Garant einer bürgernahen Aufgabenwahrnehmung durch die Polizei. Der Bestand dieser Stationen darf aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion nicht infrage gestellt werden.“

Inzwischen hat die Gewerkschaft der Polizei die Gerüchte über das neue Strategiepapier zum Anlass genommen, das Ende der kleinen Landstationen auszurufen. Und so ganz unverständlich sind die Ängste der Polizeibeamten ja nicht. Angesichts des Zwangs, 5.000 Stellen im öffentlichen Dienst zu streichen, erscheinen Befürchtungen, die kleinen Ein- oder Zwei-Mann-Stationen zu schließen, sehr real. So kann man in diesen Wochen mit Händen greifen, wie viel Vertrauen die Landesregierung mit ihrem Wortbruch in Sachen Weihnachtsgeld bei den Polizisten im Land verspielt hat.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!)

Die Diskussion um den Bestand der kleinen Stationen wird nicht zufällig besonders heftig im Norden des Landes geführt. Schließlich liegen die meisten

(Karl-Martin Hentschel)

der 45 Ein-Mann- und 30 Zwei-Mann-Stationen nördlich des Nord-Ostsee-Kanals. Dort sind die Beamten fester Bestandteil des dörflichen Lebens und vielerorts nach Schließung von Schule und Post die einzige offizielle Stelle überhaupt. Deren Symbolkraft ist also nicht zu unterschätzen.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Wir sprechen hier über subjektives Sicherheitsempfinden. Das nimmt einfach ab, wenn der Notfall nur noch einem Ortsfremdem oder, schlimmer noch, nur einem Anrufbeantworter gemeldet werden kann. In diesem Punkt teile ich ausdrücklich nicht die Kritik des Landesrechnungshofes, der das empfundene Sicherheitsgefühl in seiner Wirtschaftlichkeitsanalyse völlig außer Acht gelassen hat.

Ich hoffe, dass wir die neue Strategie der Polizei vertiefend im Ausschuss diskutieren können. Mit dem hoch transparenten Verfahren bei der Polizeireform 2004 mit Umsetzung 2005 hat dies alles gar nichts -

Frau Kollegin, die Zeit!

Ich bin am Ende meiner Rede. - Ich wollte nur deutlich machen: Das hoch transparente Verfahren, das wir bei der Umsetzung der Polizeiorganisation 2004/2005 beobachten konnten, gibt es hier nicht. Das bedauere ich sehr. Das ist zu kritisieren.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Von daher kann ich gut verstehen, dass die Frustration der Polizei zum Greifen ist.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat erneut der Herr Innenminister.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ach Gott!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie „Ach Gott!“ sagen, sage ich Ihnen, ich habe mich nicht wegen Ihnen noch einmal gemeldet - das lohnte nicht -, sondern weil der Beitrag der Abgeordneten Spoorendonk eine angemessene Antwort erwartet.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Mich scheinen Sie nicht zu mögen!)

- Bei Ihnen klatscht auch nur ein Mitglied im Saal, wenn Sie reden. Insofern habe ich schon ein gewisses Mitleid für Sie.

Ich wollte etwas zur Frau Abgeordneten Spoorendonk sagen. Sie hat ein paar Punkte vorgetragen, die schon eine Antwort verdienen. Frau Kollegin, man muss sich entscheiden, was man will. Mir wird vorgehalten, ich setzte mich nicht mit Kritik auseinander, zum Beispiel mit der des Präsidenten des Landesrechnungshofes. Ich schätze den Präsidenten des Landesrechnungshofs sehr, bin aber nicht der Meinung, dass man all seinen Vorschlägen folgen sollte, weder bei der Big Band noch beim Aufwand bei der Einstellung von Polizisten noch bei der Frage des möglichen Abbaus von Polizeistellen. Da bin ich nicht seiner Auffassung. Das sage ich ausdrücklich hier in diesem Haus. Das ist nicht meine Position.

(Beifall bei SPD und SSW)

Aber dass man sich damit auseinandersetzt und überprüft, ob man die Schwerpunkte richtig setzt, kann man von einem Innenminister verlangen, der die Haushaltslage des Landes gut kennt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Verursacht hat!)