Protokoll der Sitzung vom 14.12.2007

Das Kalkül der Regierung, die Proteste würden sich totlaufen, ist nicht aufgegangen. Im Gegenteil, der Widerstand blieb auf hohem Niveau und erreichte mit dem gesetzwidrigen Beschluss im Nordfriesischen Kreistag am 14. September 2007 einen Höhepunkt. Damit stellte sich die kommunale Basis von CDU und SPD offen gegen die eigene Landesregierung.

Erst kippte die SPD, dann die CDU-geführten Kreistage von Dithmarschen und Nordfriesland und schließlich kapitulierte der Ministerpräsident im Vorfeld des eigenen Parteitages.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Plön jetzt auch!)

Die CDU tut jetzt so, als wolle sie damit den Eltern einen Gefallen tun. Das hat überhaupt keine Rolle gespielt. Tatsächlich ging es nur darum, die eigen Basis zu beruhigen; die Eltern spielten keine Rolle.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und jetzt? - Der Landkreistag hat erklärt, dass die Entscheidungen der Kreistage von Dithmarschen und Nordfriesland und jetzt Plön, die Elternbeteiligung an den Schulbuskosten nicht umzusetzen, gegen geltendes Recht verstoßen. In den meisten Kreisen zahlen die Eltern bereits seit Sommer. Das ist für die Familien eine unerträgliche Situation. Der Kreistag Plön hat mit den Stimmen von RotGrün bei Enthaltung der CDU beschlossen, dass das Geld zurückgezahlt wird. Der Landrat und der Kreispräsident Kalinka - der hier ja anwesend ist haben gegen diesen Beschluss Widerspruch eingelegt. Wir brauchen also schnell Klarheit. Wie lange sollen die Eltern noch zahlen? Bekommen sie ihr Geld zurück? Deswegen haben wir unsere Gesetzesänderung eingebracht.

Herr Abgeordneter Hentschel, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kalinka?

(Zurufe)

Jetzt gibt es drei Möglichkeiten: Die SPD will die Elternbeteiligung gar nicht kippen. Frau ErdsiekRave hat das gerade eben deutlich gemacht. Sie will nur, dass die Kreistage entscheiden, ohne Kompensation. Dann liegt der Schwarze Peter wieder bei den Kreistagen und die Eltern zahlen womöglich

(Karl-Martin Hentschel)

weiter. Das wäre ein unerträgliches Drücken vor der Entscheidung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Die CDU will sogar die Beteiligung an der Schülerbeförderung ganz abschaffen - jedenfalls hat sie es so beschlossen -, also auch für die Oberstufenschüler, wenn man den Parteitagsbeschluss liest. Das ist sicherlich wünschenswert, kostet aber noch mehr. Sie sagt aber nicht, wer das bezahlt, sondern fordert - die große Regierungspartei fordert, weil sie nicht sagen kann, wie sie es bezahlt -, die SPD solle sagen, wer es bezahlt. Das ist kaum realistisch, aber das sagt eine Menge über den Realitätsverlust der CDU als Regierungspartei.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Meine Damen und Herren, beenden Sie dieses parteitaktische Verwirrspiel auf dem Rücken der Eltern! Stimmen Sie unserer Gesetzesvorlage zu!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Der alte Zustand muss wieder hergestellt werden. Die Eltern müssen ihr Geld wiederbekommen. Fangen wir endlich an, die Bürokratie abzubauen, wie Sie es so großmundig versprochen haben, damit die Kosten für die Kreise kompensiert werden können!

Gestatten Sie mir zum Schluss ein paar Anmerkungen zur Situation der Koalition und zu dem gestrigen Koalitionsausschuss.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Zur Sache! - Weitere Zurufe)

- Natürlich, das war gestern Thema. - Der unsinnige Beschluss der Koalition zu den Schülerbeförderungskosten war die Folge einer Reihe von Ereignissen, die alle eines gemeinsam haben: Die Realitätsverweigerung der Union und die Unfähigkeit der Unionsspitze und des Ministerpräsidenten, seiner Partei die Wahrheit zu sagen. Vor der Wahl haben sich die CDU und der Ministerpräsident vehement gegen Einsparungen bei Beamten, gegen eine Beteiligung der Kommunen an den Lasten, gegen konkrete Einsparungen und gegen eine Verwaltungsreform gestellt. Wider besseres Wissens wurde behauptet, es sei genug Geld da, wir würden nur nicht richtig wirtschaften.

Selbst nach der Wahl trauten Sie sich nicht, die Wahrheit zu sagen, und die Tabus „keine Kürzungen bei den Beamten und bei den Kommunen“ und

„keine Gebietsreform per Gesetz“ wurden sogar in den Koalitionsvertrag geschrieben.

(Zurufe)

Herr Abgeordneter Hentschel, ich bitte Sie, zum Thema zu sprechen.

Ja, ich komme zum Thema. - Als dann klar wurde, dass die Realität eine andere ist, mochte der Ministerpräsident seiner kommunalen Basis immer noch nicht die Wahrheit sagen. Mit seiner Zustimmung wurde auf dem CDU-Parteitag beschlossen, die Kürzungen bei den Kommunen zu 100 % zu kompensieren - obwohl jeder wusste, dass das unmöglich ist. Das Einzige, was davon übrig geblieben ist, ist die Beteiligung der Eltern an der Schülerbeförderung. Niemand wollte die Eltern an der Schülerbeförderung beteiligen, die Elternbeteiligung stand nicht im Koalitionsvertrag. Nur weil Sie sich nicht trauten, Ihren „Kommunalos“ die Wahrheit zu sagen, mussten Eltern von Kindern auf dem Land bezahlen. Welch ein Zynismus!

Der Höhepunkt dieser Entwicklung war nun der letzte Parteitag. Wieder hat der Ministerpräsident sich nicht getraut, seinen Delegierten die Wahrheit zu sagen, dass die Verwaltungsreform kommen muss und dass für weitergehende Forderungen kein Geld da ist. Stattdessen wurde der Eindruck erweckt, die Kreisreform könnte gekippt werden und man könnte die Kostenbefreiung bei der Schülerbeförderung sogar noch ausweiten, jedoch ohne zu sagen, wie das bezahlt werden soll. Jetzt, Herr Ministerpräsident, sind Sie wieder einmal ein Gefangener ihrer eigenen Partei. Deshalb sind Sie gestern Abend zu keinem Ergebnis gekommen.

(Zuruf von der CDU: Keine Sorge!)

Herr Ministerpräsident, hören Sie auf, sich selbst, Ihrer Parteibasis und den Menschen im Land etwas vorzumachen. Werden Sie endlich regierungsfähig. Einsparkonzepte, Stellenabbau, Kreis- und Kommunalreform und Schulreform müssen entschlossen angepackt und fortgesetzt werden. Regieren heißt nicht, im Land herumzufahren, launige Reden zu halten und alle Leute totzuloben.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

(Karl-Martin Hentschel)

Regieren heißt, Entscheidungen zu treffen und diese auch durchzusetzen; auch und vor allem gegenüber der eigenen Parteibasis.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Regieren heißt auch, die Heckenschützen in der eigenen Fraktion zur Ordnung zu rufen, wenn die jede Woche ein Feuer legen und Alarm rufen.

(Zurufe von der CDU)

Wenn Sie dazu nicht in der Lage sind, wenn sich diese Koalition nur noch von einem psychologischen Drama mit Herrn Stegner zum anderen bis zum Koalitionsausschuss schleppt, dann hören Sie auf, Herr Ministerpräsident! Geben Sie dann endlich den Weg frei für Neuwahlen. Neuwahlen am 25. Mai 2008 wären eine gute Lösung und die gleichzeitige Kommunalwahl würde direkt einmal Kosten sparen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die CDU-Fraktion erhält der Fraktionsvorsitzende Dr. Johann Wadephul das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst richte ich ein Kompliment an den Kollegen Hentschel. Die Formsteigerung ist unverkennbar. Gestern haben Sie eine unterirdische Rede gehalten. Heute sind Sie schon auf Normalnull angekommen. Irgendwann schaffen Sie es, eine positive Rede zu halten, die etwas für den politischen Gehalt dieses Landes bringt.

Das Thema der Elternbeteiligung an den Kosten der Schülerbeförderung ist sicher kein Ruhmesblatt in der jüngeren Politikgeschichte des Landes Schleswig-Holstein. Ich nehme hier niemanden aus; auch manchen Handelnden auf der kommunalen Ebene meiner Partei nicht.

Herr Kollege Hentschel, ich empfehle aber allen, soweit Sie über kommunale Vertreter verfügen, in den eigenen Spiegel zu gucken, um zu gucken, was man selbst verkehrt gemacht hat. Bei Ihnen, Herr Kollege Hentschel, gibt es ja nicht so viele Vertreter.

Sie haben zumindest die Ursache gestreift, auf die ich eingehen will. Warum haben wir miteinander über dieses ganze Thema diskutiert? Die Ursache war, dass wir uns gezwungen gesehen haben, einen

Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich in Höhe von 120 Millionen € vorzunehmen. Es ist die einhellige Auffassung der gesamten kommunalen Ebene gewesen, dass es hierfür einen Ausgleich geben sollte. Das hat der Landkreistag so gefordert. Bemerkenswerterweise hat der Kreis, der als erster ausgestiegen ist, nämlich Nordfriesland, auch als erster Kreis an uns geschrieben. Ich habe den Brief oben im Büro. Dieser Kreis hat als erster gefordert, dass hier Kompensation geschieht.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist Ihre Partei!)

Deswegen ist es natürlich wenig glaubhaft, wenn man an dieser Stelle als erster Kreis aussteigt. Das gilt aber auch für diejenigen, die hier im Haus handeln. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und auch Herr Kollege Klug, wir können gern einmal einige Debatten über die Ausstattung der kommunalen Ebene aufrollen. Wenn wir darüber geredet haben, wie die Finanzausstattung der Kommunen ist, dann haben Sie von der Opposition immer wieder gefordert, die Kommunen besser auszustatten. Hier, wo wir das gemacht haben, flüchten Sie in schlichten Populismus.

(Lachen bei FDP und SSW - Monika Hei- nold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollten nicht, dass die Eltern das Geld rüber- schieben müssen!)

- Sie wollten für die Kommunen immer eine bessere Situation.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das nennen Sie Entlastung?)

- Das ist eine neue Einnahmequelle für die kommunale Ebene. Herr Kollege Hentschel, ich darf Sie daran erinnern, dass dies nicht die Idee der Koalitionsfraktionen war, sondern dass es die Idee des Landkreistages gewesen ist. Es ist an allererster Stelle die Idee des Kreises Nordfriesland gewesen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Nun haben wir feststellen müssen, dass sich viele kommunale Parlamente mit der Umsetzung schwer getan haben. Nordfriesland hat zwar erst beschlossen, diesen Beschluss dann aber wieder aufgehoben. Der Dithmarscher Kreistag hat gar nicht erst beschlossen. Ich halte hier fest und unterstreiche das, was die Frau Bildungsministerin gesagt hat. Es ist eine Frage der Rechtskultur, ob wir darauf achten, dass die Gesetze, die wir hier beschließen, eingehalten und durchgesetzt werden.