Es hat in der öffentlichen Diskussion zum Teil darüber hinausgehende Wünsche nach einer generellen Kostenfreiheit der Schülerbeförderung auf dem Land und in den kreisfreien Städten gegeben. Es war von vornherein Beschlusslage und Position der SPD, dass dieser durchaus nachvollziehbare Wunsch nicht mit dem Land, sondern in und mit den Kreisen zu erörtern ist. Die Verantwortung liegt bei ihnen. Das Land schafft heute den rechtlichen Rahmen dafür, dass die Kreise darüber im Rahmen des für sie Bezahlbaren entscheiden.
In den kreisfreien Städten wird es bei der bisherigen Regelung bleiben, da es dort keinen eigenen Schülerverkehr unabhängig vom normalen Linienbetrieb gibt. Die Monatsfahrkarten bleiben dort auch privat nutzbar und werden erheblich subventioniert und verbilligt an Schüler abgegeben, in Kiel und in Lübeck zum Beispiel für 70 bis 75 % der Kosten.
Jetzt sind die Kreise aufgefordert, ihre Satzungen zur Schülerbeförderung schnellstmöglich der neuen Rechtslage anzupassen. Ich gehe davon aus, dass sie das sehr großzügig tun werden, um damit Rechtssicherheit für die Eltern zu schaffen. Ich bin davon überzeugt, dass die Kreistage gerade im Vorfeld der Kommunalwahlen zu einer rationalen Abwägung zwischen ihrer eigenen finanziellen Lage und der Notwendigkeit zur Entlastung ihrer Bürgerinnen und Bürger kommen werden. Ich empfehle
allen, sich in diesem Zusammenhang einmal die Broschüre der Koalition für den ländlichen Raum anzusehen, die im ersten Stock ausliegt, und sich so intensiv mit der Problematik sowohl der Bildung als auch der Schülerbeförderung auf dem Land auseinanderzusetzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ende Januar 2007 - vor fast genau einem Jahr - ist in Schleswig-Holstein die 30-prozentige Zwangsbeteiligung der Eltern an den Schulbuskosten eingeführt worden. Fast ein Jahr später wird sie heute wieder abgeschafft. Wir Liberale sind - wie Sie wissen - von Anfang an gegen die noch einige Minuten geltende Regelung gewesen, die heute nun wieder aus dem Schulgesetz herausgekickt wird, denn es ist eine unsoziale Regelung, die zulasten der Menschen im ländlichen Raum geht. Das ist auch einer der Gründe dafür gewesen, deretwegen wir das Schulgesetz damals abgelehnt haben. Dies hatte ich auch vor einem Jahr anlässlich der zweiten Lesung zum Schulgesetz ausgeführt.
Im vergangenen Jahr habe ich in mehreren Landtagsdebatten - am 10. Mai, am 12. September und am 14. Dezember - betont, dass mit der Zwangsbeteiligung der Eltern an den Schulbuskosten ein verkapptes Schulgeld eingeführt würde. Es gab darauf einen lebhaften Widerspruch aus den Reihen der Koalitionsfraktionen. Ich will mich auf ein Zitat beschränken. In der ersten Lesung über unseren Gesetzentwurf im Mai erklärte der Fraktionsvorsitzende der CDU, der Kollege Johann Wadephul:
Neun Monate später ändern Sie, Herr Kollege Wadephul, das Schulgesetz nun doch und das ist gut so. Wir beklagen das gar nicht. Eine späte Einsicht ist auch gut. Zu diesem Sinneswandel an der Spitze der Landesregierung und an der Spitze der LandesCDU kam es bekanntlich im November letzten Jahres im Verlauf einer Reise des Ministerpräsidenten nach Indien.
- Reisen bildet, das kann man sagen, hier hat Wolfgang Kubicki recht. - Auf den Weg der Erleuchtung wurde Peter Harry Carstensen jedoch nicht deshalb geführt, weil er auf Reisen einem indischen Guru begegnete. Dies sage ich, um hier jede Vermutung von Anfang an zu ersticken. Nicht die Konfrontation mit östlicher Weisheit, sondern vielmehr der harte Zusammenprall mit schleswig-holsteinischer Westküstenquerköpfigkeit hat das Einlenken der Landes-CDU bei diesem Thema letzten Endes verursacht.
Nachdem zuvor bereits der Dithmarscher Kreistag den Gesetzesvollzug in Sachen Schülerbeförderung verweigert hatte, zog am 16. November bekanntlich auch der Kreistag von Nordfriesland nach. Das hat die Führung der Landes-CDU - schließlich kommen Herr Carstensen und auch der Chef der Staatskanzlei aus Nordfriesland - veranlasst, mit wehenden Fahnen den Rückzug anzutreten. Im Hinblick auf diesen Kurswechsel und auf die vorausgegangene Revolte in Husum war im „Flensburger Tageblatt“ am 22. November - also wenige Tage später wörtlich Folgendes nachzulesen:
„Dem Rechtsbruch wird nachgegeben, resümierte SPD-Fraktionschef Lothar Hay, der sich not amused zeigte über die Erklärungen Carstensens.“
Dies nun von der sozialdemokratischen Seite. Hier kam auf einmal Kontra, nachdem die Sozialdemokraten nach dem SPD-Landesparteitag Mitte März für eine Änderung trommelten. Das ist einer dieser paradoxen Aspekte der Diskussion der letzten Monate, in der - neben der Sachfrage - vonseiten der Großen Koalition offenkundig unglaublich viel Taktik in dem Verhalten der einen wie der anderen Seite enthalten war.
Der Höhepunkt war bekanntlich das SeptemberPlenum im letzten Jahr, als Herr Innenminister Stegner - mittlerweise außer Dienst - in der zweiten Lesung zum FDP-Gesetzentwurf über seine persönlichen Erklärungen zur anstehenden Sachfrage ins Stolpern geriet und nach seinem Beinahe-Rauswurf aus dem Kabinett seinen unterdessen vollzogenen Amtsverzicht ankündigen musste. Die FDP-Fraktion kann deshalb gut verstehen, dass nicht nur wir am heutigen Tag Grund zur Zufriedenheit haben,
Da nun allerdings seitens der Koalition und insbesondere seitens der CDU das Versprechen abgegeben worden ist, die Kommunen würden für den Wegfall der 30-prozentigen Zwangsbeteiligung einen finanziellen Ausgleich erhalten, ist auch dieses Thema hier noch kurz zu erörtern.
In der Frage, wie viel eigentlich die geforderte Kompensation zugunsten der Kreise in Euro und Cent ausmacht, gab es nämlich in den letzten Monaten aus den Reihen der Großen Koalition fast so viel Verwirrung wie in der Schulbuskostenfrage selbst. Herr Landtagspräsident Kayenburg bezifferte die Höhe der Einnahmen, die den Kreisen im Falle einer Schulgesetzänderung entgehen würden, auf rund 11 Millionen €; Schleswig-holsteinischer Zeitungsverlag, 20. November. Minister - mittlerweile außer Diensten - Stegner sprach laut dpa vom 21. November von einer „zweistelligen Millionensumme im Jahr“.
- Das könnte deckungsgleich sein. Jetzt kommt aber die Abweichung. Schön aufpassen, Holger Astrup! - Ministerpräsident Carstensen knüpfte die von ihm vorgegebene Rolle rückwärts am gleichen Tage, also auch 21. November, im „Hamburger Abendblatt“ an die „Bedingung, dass die Einnahmenverluste der Kreise nach seiner Rechnung etwa 4,5 Millionen € durch Landesmaßnahmen ausgeglichen werden“.
Dann kommt der vierte Punkt. Die Koalitionsrunde, die Mitte Dezember nach dem Dezember-Plenum zusammenkam, bezifferte die fällige Kompensation laut „Lübecker Nachrichten“ vom 14. Dezember auf 7 Millionen €. Das ist jetzt mindestens die dritte, wenn nicht die vierte Zahl. Also heiteres Kompensationsraten in den Reihen der Großen Koalition! Oder man könnte auch auf die Idee kommen: Die Herrschaften sind nicht nur nicht in der Lage, eine gemeinsame Politik zustande zu bringen, sondern sie können auch nicht einmal rechnen.
Noch interessanter ist, wenn man das mit in die Betrachtung einbezieht, was vor zwei Tagen in einem Schreiben der kommunalen Landesverbände an den Finanzausschuss - inzwischen auch verumdruckt
„Ausweislich der Kompensationsliste (Anla- ge 4 zur Landtagsdrucksache 16/1286) wurde den Kommunen in Schleswig-Holstein für das Jahr 2007 eine Entlastung in Höhe von 6 Millionen € und für das Jahr 2008 eine Entlastung in Höhe von 9 Millionen €, mithin insgesamt 15 Millionen €“
„zugesichert. Der Gesetzentwurf enthält keine Aussagen dazu, auf welche Weise ein annähernd quantitativer Ersatz für den Wegfall dieser Kompensationsmaßnahme durch das Land geleistet wird.“
Wir können also feststellen - das will ich resümieren -: CDU und SPD bleiben hinter dem von ihnen selbst aufgestellten Ziel einer Kompensation für die Kreise ziemlich weit zurück. Herr Landtagspräsident Kayenburg müsste demnach heute das wahr machen, was er laut „Bild“-Zeitung, Hamburg-Ausgabe, am 22. November erklärt hat:
„Wenn für die Kommunen die zusätzlichen Kosten nicht vollständig kompensiert werden, stimme ich im Landtag dagegen.“
Abgesehen von der reichlich unklaren Lage im Hinblick auf die Folgen für die kommunalen Finanzen bietet der heute zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf inhaltlich Licht und Schatten. Der große Pluspunkt - das will ich ausdrücklich feststellen - ist der grundsätzliche Wegfall der vom Landesgesetzgeber vorgegebenen Zwangsbeteiligung der Eltern an den Schulbuskosten. Das ist das, was wir im Kern ja auch wollten. Aber es gibt durchaus auch einen Minuspunkt, den ich nicht verschweigen kann. Wir hatten uns in unserem Gesetzesantrag, der ja im Dezember noch einmal von den Grünen wortgleich eingebracht worden ist, an der alten Regelung orientiert, die eine Kannvorschrift mit einer ganz wesentlichen Bedingung verknüpft, nämlich mit der Bedingung, dass vor Ort auf der Kreisebene nur dann eine angemessene Elternbeteiligung eingeführt werden kann, wenn Schülernetzkarten ausgegeben werden, die man auch in erheblichem Umfang für private Zwecke nutzen kann.
Wie Sie alle wissen, ist das die Situation etwa im Hamburger Umland mit dem Zugang zum Hamburger Verkehrsverbund. Da kann man sagen: Wenn man so erhebliche Vorteile hat, ist sicherlich auch eine Gegenforderung im Sinn einer Beteiligung an den Kosten durchaus begründbar. Aber diese entscheidende Verbindung ist in dem Entwurf der beiden Regierungsfraktionen weggefallen. Es ist jetzt sozusagen nackt eine Kannvorschrift im künftigen Gesetz enthalten, die besagt, dass die Kreise eine Elternbeteiligung einführen können. Dabei ist selbst das bis heute noch geltende Limit von 30 % weggefallen. Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so darüber aufgeregt haben, als ich vorhin in einem Zwischenruf gesagt habe, die Versprechungen, die jetzt vor der Kommunalwahl von Kreisen erfolgen, die Elternbeteiligung nicht einzuführen, werden ihre Bewährungsprobe erst nach der Kommunalwahl ableisten müssen. Das ist doch die Erfahrung, die die Bürger in Schleswig-Holstein mit vielen, vielen Versprechungen etwa der CDU vor der letzten Landtagswahl gemacht haben, und nach der Landtagswahl sah die Welt dann anders aus.
Ich weiß gar nicht, warum Sie sich da so furchtbar aufgeregt haben. Das sind die praktischen Erfahrungen. Weil wir dieses Risiko sehen und insoweit nicht hundertprozentig mit dem zufrieden sind, auf was sich die beiden Regierungsfraktionen geeinigt haben, werden wir uns in der Abstimmung der Stimme enthalten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Versuch von CDU und SPD, den Eltern in Schleswig-Holstein per Landesgesetz jährlich 9 Millionen € für die Beförderung ihrer Kinder zur Schule aus der Tasche zu ziehen, ist glücklicherweise gescheitert.
Das schon in Kraft getretene Gesetz wird heute zurückgenommen. So etwas passiert nicht oft. Es wird rückwirkend außer Kraft gesetzt. Die Kreise Dithmarschen und Nordfriesland haben die Landesregierung in die Knie gezwungen.
Was für ein Possenspiel, meine Damen und Herren, das CDU und SPD im letzten Jahr aufgeführt haben! Es fing damit an, dass CDU und SPD beschlossen hatten, den Kommunen jährlich 120 Millionen € wegzunehmen. Einen Teil dieses Geldes, nämlich 1,9 Millionen € jährlich, sollten sich die Kommunen bei den Eltern zurückholen - unglaublich, sich so etwas überhaupt zu überlegen -, indem die Eltern die Schulbuskarten teilweise selbst mitbezahlen sollten. Der vorherige Beschluss der Großen Koalition, hier groß verkündet, künftig alle Entscheidungen einer Familienfreundlichkeitsprüfung zu unterziehen, meine Damen und Herren, war schnell vergessen und entpuppte sich leider als leeres Versprechen. Stattdessen sollten die Familien mit den zusätzlichen Kosten belastet werden.