Protokoll der Sitzung vom 27.02.2008

(Beifall bei CDU und FDP - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau dazu führt ein solcher Vorgang aber! Das ist das Problem!)

- Ich glaube, Sie sind schon sehr lange mit einem solchen Verdacht behaftet, lieber Kollege Hentschel. Mit einer solchen Voreingenommenheit kann man sehr schwer Politik machen. Das merken wir ja auch an der Art und Weise, wie Sie sich zu solchen Fragen einlassen.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte hinzufügen: Genausowenig darf es einen Generalverdacht gegen Personalräte, Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre geben, seit die VW-Affäre bekannt ist. Aufgrund dieser Vorgänge müssen wir eine gesellschaftliche Debatte führen, aber Sie setzen gesamte Bevölkerungsschichten pauschal unter Generalverdacht.

(Beifall bei CDU und SPD)

Die Reaktionen auf das Bekanntwerden dieses Steuerskandals waren geradezu reflexartig. Die Rezepte, die auch aus der Politik vorgetragen wurden, lauteten erwartungsgemäß: höhere Strafen, einfachere Steuergesetze und mehr Personal bei der Steuerfahndung. Das waren die drei wesentlichen Forderungen.

Hinsichtlich der Forderung nach höheren Strafen muss man natürlich wissen, dass unsere Gesetze im Bereich der Steuerhinterziehung ebenso wie beim Betrug oder der Veruntreuung in schweren Fällen

schon heute eine Höchststrafe von zehn Jahren vorsehen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Und eine Min- deststrafe von einem Jahr bei besonders schweren Fällen!)

Dieses Strafmaß muss man natürlich mit den Strafmaßen für andere Tatbestände in Relation setzen. Man muss sich dann die Frage stellen, wie höhere Strafen aussehen sollen. Fordert man beispielsweise „lebenslänglich“?

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Todesstrafe! - Das ist doch absurd!)

Mit einfacheren Steuergesetzen, Kollege Hentschel, haben wir als CDU unsere Erfahrungen - auch als Koalitionspartner in Berlin. Ich sage es einmal ganz deutlich: Wir wollten das Erbschaftsteuergesetz abschaffen, während unser Koalitionspartner für das komplizierteste Reformwerk aller Zeiten gesorgt hat.

(Beifall bei der CDU - Zuruf des Abgeordne- ten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Ich hoffe, dass Kollege Stegner, der einer der wenigen hier im Hause ist -

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Hentschel, Sie sind nachher dran, aber nicht jetzt!

Ja, Herr Hentschel ist etwas aufgeregt. Das kann ich aber verstehen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Stegner, der als einer der wenigen hier im Hause bundespolitische Ambitionen hat und Funktionen ausübt, wird Möglichkeiten suchen können, um auch mit uns gemeinsam Erleichterungen im Steuerrecht zu finden. Wenn Sie von mir den einen oder anderen Ratschlag haben möchten, Herr Stegner, kann ich Ihnen gern die Adresse eines Professors geben, die ich Ihnen zur Verfügung stellen würde.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn wir über Liechtenstein reden, dann geht es nicht nur um Steuerverkürzungen, es geht nicht nur um Vermögensver

(Frank Sauter)

schleierung, sondern um die Frage, wie es in der heutigen Zeit überhaupt möglich sein kann, dass sich ein Land innerhalb Europas außerhalb aller Normen setzen kann, die im Bankenrecht, im Strafrecht und bei internationalen Finanztransfers üblich sind.

Meine Damen und Herren, im Ergebnis geht es auch um Geldwäsche. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Berichterstattung der „Lübecker Nachrichten“ vom Wochenende. Darin ging es um einen Bericht, der im italienischen Parlament gegeben wurde. Italienische Behörden weisen massiv darauf hin, dass seitens der italienischen Mafia Geldwäsche auch in Deutschland stattfindet.

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Und an unserer schönen Ostseeküste!)

- Ja, auch an der Ostseeküste, also überall dort, wo Investitionen in den Tourismus erfolgen. Insofern darf es für uns als Parlament nicht nur darum gehen, wie wir in Schleswig-Holstein auf die Vorfälle in Liechtenstein reagieren. Vielmehr müssen wir als internationale Staatengemeinschaft solche Steuerlöcher wie in Liechtenstein stopfen können. Dann erst werden wir Probleme, die aus Geldwäsche und Reinvestitionen aus kriminellen Machenschaften resultieren, lösen können.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der SPD erteile ich der Frau Abgeordneten Anna Schlosser-Keichel das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde hat bei mir den Eindruck erweckt, man hoffe, mit einigen zusätzlichen Steuerfahndern das Problem der Steuerhinterziehung zu verhindern. Ich meine, so einfach ist es nicht, und auch die Antragstellerin, Frau Anke Spoorendonk, hat in ihrem Beitrag betont, dass das Problem sehr vielschichtiger ist. Meiner Meinung nach wären wir nicht gut beraten, das Heil jetzt allein in einem Ausbau der Steuerfahndung zu suchen.

Wir brauchen insgesamt eine gut ausgestattete Steuerverwaltung, die Steuerfahndung für die harten Fälle - so nenne ich sie mal - und auch Betriebsprüfer, die in akzeptablen Intervallen bei den Firmen auftauchen, mit denen man also rechnen muss. Selbstverständlich brauchen wir auch einen Innendienst, der die Zeit hat, bei der Bearbeitung der

Steuererklärungen grundlegende Plausibilitätsprüfungen anzustellen. So könnte man zum Beispiel die Kapitaleinkünfte von Großverdienern, die unter dem Sparerfreibetrag liegen, überprüfen, wie das in den vorliegenden Fällen offensichtlich nicht geschehen ist. Der Innendienst muss auch die Zeit haben, bei Mehrergebnissen, die die Fahnder, die Betriebsprüfer, bei der Betriebsprüfung ermittelt haben, den Betrag zeitnah festzusetzen und auch beizutreiben. Wie bei allen Rechtsbrechern muss auch bei den Steuersündern die Strafe auf dem Fuße folgen.

(Beifall bei SPD, SSW und der Abgeordne- ten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Anke Spoorendonk hat beklagt, dass die Zahl der Steuerfahnder in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Der Ehrlichkeit halber muss man aber dazusagen, dass zu dem Zeitpunkt, als über 100 Fahnder beschäftigt waren, die Fahndungsstellen eine Sonderaktion durchführten. Dabei ging es um die sogenannten Bankenfälle. In den Jahren 2001 bis 2004 waren 27.000 Datensätze zu überprüfen. Ich erinnere mich, dass auch aus dem Innendienst Personal in die Steuerfahndung abgezogen worden ist. Deswegen war damals auch nicht der reguläre Personalbestand zu verzeichnen.

Ich denke auch, dass wir in der Gesamtschau der Steuerverwaltung nicht so übel ausschauen, wie oft getan wird. Die Antwort der Landesregierung auf Anfragen der FDP und des SSW machen deutlich, dass bei der Ausstattung der Steuerverwaltung Wünsche offen bleiben. Das Personal-Soll und das Personal-Ist stimmen nicht überein. Aber man muss ehrlicherweise auch zugeben, dass das Personal aufgewachsen ist. Das ist bei der finanziellen Lage in unseren Verwaltungen keine Selbstverständlichkeit. Es hat keine Personaleinsparungen gegeben, mit einer Ausnahme, die ich gern zugestehen will: Wir haben es zugelassen, dass im Doppelhaushalt 2007/2008 die Zahl der Ausbildungsplätze nicht unerheblich zurückgefahren worden ist. Ich halte das nach wie vor für einen Fehler.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Auch Kollege Neugebauer. Wir sind der Meinung, dass diese Frage bei den Beratungen über den Doppelhaushalt 2009/2010 wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden muss.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Frank Sauter)

Ich will noch zwei Punkte ansprechen, die in der aktuellen Diskussion eine Rolle spielen. Das eine ist die Forderung nach Steuervereinfachung. Insoweit verweise ich auf unseren Zehn-Punkte-Katalog, den wir in der letzten Legislaturperiode vorgelegt haben, den wir über unsere Bundesparteitage auch in Richtung Berlin auf den Weg gebracht haben; dort allerdings harren unsere Vorschläge nun der Umsetzung. Ich würde jedem zustimmen, der sagt, es bestehe Handlungsbedarf. Ich glaube allerdings nicht, dass Steuerhinterzieher vom Schlage eines Herrn Zumwinkel davon zu beeindrucken sind, denke aber, dass ein überschaubareres, ein als gerechter empfundenes Steuerrecht den „Volkssport“ Steuerhinterziehung, dem, wenn man der Presse oder Umfragen glauben darf, 60 % unserer Bundesbürger anhängen, eindämmen könnte. Ich bin davon überzeugt, dass dies im Sinne der Steuerehrlichkeit Wirkung zeigen würde.

Die zweite Forderung ist jene nach der Verschärfung des Strafrechts. Diese Forderung kam auch aus meiner Partei. Dem kann ich gar nichts abgewinnen. Ich bin der Meinung, dass das geltende Recht ausreichend ist, dass es aber konsequent angewendet werden muss und dass Deals, die aus der Portokasse bezahlt werden können, einfach nicht zu akzeptieren sind.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Dabei ist nicht die Rede von Geldstrafen. Auch diese haben natürlich ihren Platz. Ich denke, dass man gerade Menschen mit einer solchen kriminellen Energie und Geldgier, die ziemlich alles tun würden, um ihr Vermögen am Fiskus vorbeizuschleusen, mit einer ordentlichen Geldstrafe erheblich treffen könnte. Diese müsste allerdings eine Größenordnung haben, die nicht aus der Portokasse zu bezahlen ist.

Es ist schon darauf hingewiesen worden: Laut Gesetz beträgt die Höchststrafe zehn Jahre Gefängnis. Das ist schon eine Menge. Im Vergleich dazu muss man einmal in die Bilanz der Steuerfahnder schauen. Für das Jahr 2006 wird berichtet, dass 2.800 Steuerstrafverfahren durchgeführt wurden. Daraus haben sich 26 Jahre Freiheitsstrafe ergeben. Jeder kann sich ausrechnen, wie oft tatsächlich eine Freiheitsstrafe verhängt worden ist, und man kann sich auch ausrechnen, wie oft annähernd die Höchststrafe verhängt worden ist, nämlich niemals. Ich finde, insoweit besteht Handlungsspielraum auch für die Gerichte. Eine Debatte um eine Erhöhung der Höchststrafe auf 15 Jahre ist nach meiner Auffassung eine Geisterdebatte.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

Für die Fraktion der FDP erteile ich dem Herrn Oppositionsführer und Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte mir schon gedacht, dass aus einer Aktuellen Stunde zu diesem Thema nichts Vernünftiges herauskommen kann. Deshalb bitte ich den Kollegen Neugebauer, dies im Finanzausschuss noch einmal als Tagesordnungspunkt aufzurufen, damit wir uns intensiver mit der Fragestellung beschäftigen können, was die Steuerhinterziehung generiert und wie man ihr wirksam - ich sage ausdrücklich: wirksam - begegnen kann.

Liebe Anke Spoorendonk, daraus eine Systemkrise zu machen, ist für mich der Ausdruck von Verzweiflung und auch von mangelnder Durchdringung der Materie.

Um zum Kern zu kommen: Wir reden momentan möglicherweise über 1.000 Fälle, die bundesweit Aufsehen erregt haben. Auf Schleswig-Holstein heruntergerechnet bedeutet das ungefähr 30 Fälle. Das sind 2,5 % der Fälle, die wir jedes Jahr aufgrund von Steuerfahndungsaktivitäten in Schleswig-Holstein haben.

(Zurufe der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Zu Ihnen komme ich gleich noch, Herr Kollege Stegner, weil ich das Pharisäertum und die Beckmesserei, mit der wir die Diskussion führen, mittlerweile unerträglich finde. Ich will darauf hinweisen, dass wir vor nicht langer Zeit angesichts von Bankenfällen darüber diskutiert haben, was unsere damalige Landesbank Schleswig-Holstein eigentlich getan hat. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, gab es damals 17.000 Vorgänge der Vermittlung von Steuerhinterziehungsmöglichkeiten über die Landesbank Schleswig-Holstein nach Luxemburg. Ich will daran erinnern, dass wir eine Verwaltungsratsvorsitzende mit dem Namen Heide Simonis und einen Finanzminister mit dem Namen Claus Möller hatten, den ich in einer Finanzausschusssitzung gefragt habe, wie es eigentlich kommen kann, dass eine staatsaufsichtlich kontrollierte Bank Steu

(Anna Schlosser-Keichel)