Protokoll der Sitzung vom 27.02.2008

Die Einbeziehung sozialpädagogischer Fachkräfte in Ganztagsangebote und außerunterrichtliche Aktivitäten wäre an vielen Schulstandorten eine enorme Hilfe für viele Schüler und den Erfolg der Schulen insgesamt. Vor allem Schüler, deren Bildungserfolg andernfalls hochgradig gefährdet wäre, können dadurch Bildungs- und Lebenschancen erhalten, die andernfalls nicht gesichert werden könnten So ließe sich verhindern, dass viele Schüler wie bisher in „Warteschleifen“ landen oder ohne Abschluss aus der Schule abgehen und damit von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen bleiben.

Volkswirtschaftlich rechnet sich das Instrument einer verstärkten Förderung der Schulsozialarbeit allemal.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in anderen Staaten, gerade auch in unserer Nachbarschaft, in der Ostseeregion, ist die unterstützende Mitwirkung von Sozialpädagogen und ähnlichen Fachkräften in Schulen längst, seit vielen Jahren allgemeiner Standard. Wir würden hier eine Entwicklung nachvollziehen, die woanders bereits vor langer Zeit begonnen hat.

Die FDP-Fraktion hält es für zwingend erforderlich, dass wir diesen Weg auch in Schleswig-Holstein beschreiten. Bereits im Rahmen der Haushaltsberatungen zum Doppelhaushalt 2007/2008 haben wir Anträge für die Einrichtung eines Haushaltstitels zur Förderung von Projekten der Schulsozialarbeit an sozialen Brennpunkten gestellt. Wir wollten für den Start dieser Förderung 4 Millionen € bereitstellen. Es ist klar, dass die Idealvorstellung, an allen Schulen oder Schulzentren entsprechende unterstützende Strukturen einzurichten, erst mittelfristig erreicht werden kann. Da, wo es wirklich dringend nötig ist, wo es brennt, sollte man mit einer Förderung vonseiten des Landes nach unserer Überzeugung so schnell wie möglich einsteigen. Der Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes mit der Verankerung dieser Aufgabe auch für das Land bietet dazu den Einstieg.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ohne derartige unterstützende pädagogische Hilfen ist es praktisch nicht möglich, Fehlentwicklungen entgegenzusteuern, wie sie auch in diesem Land vor Ort immer wieder geschildert werden. Ich will hier ein Beispiel anführen: Gegenüber dem zuständigen Ortsbeirat haben die Schulleiter zweier Schulen auf dem Kieler Ostufer von den Schwierigkeiten berichtet, einen geregelten Unterricht für alle Schüler sicherzustellen, wenn oft mehr als 50 % der Unterrichtszeit damit verbracht werden müsse, die dazu nötige Beteiligung am Unterricht zu sichern. Das Spektrum zunehmender Unterrichtsstörungen so in den „Kieler Nachrichten“ nachzulesen - reiche in vielen Klassen von der Nichterledigung von Hausaufgaben über Reden im Unterricht, Mitschüler Ärgern, Schreien, Pöbeln, sich Schlagen bis hin zu ,hammerharten’ Störungen.

Wenn solche Schwierigkeiten nicht nur von einzelnen „Problemschülern“ ausgehen, sondern jeweils

(Vizepräsidentin Ingrid Franzen)

pro Klasse fünf bis neun Schüler dazu beitragen, dann haben Lehrerinnen und Lehrer auf sich allein gestellt, ohne unterstützende Sozialarbeit keine Chance, die Situation in den Griff zu bekommen. Diesen Missstand müssen wir beenden. Deshalb muss Schulsozialarbeit, und zwar in wachsendem Maße, ausgehend von den Schulen, die hier besondere Unterstützung benötigen, zum Standard des Bildungsangebots auch in Schleswig-Holstein werden. Ich bitte Sie herzlich um Unterstützung für unseren Gesetzentwurf.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Klug. Bevor ich in der Worterteilung weitergehe, möchte ich auf der Besuchertribüne Mitglieder des Haus- und Grundeigentümervereins Elmshorn und Teilnehmerinnen des Mentorenprogramms des Wirtschaftsministeriums herzlich begrüßen. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich erteile nun der Frau Abgeordneten Susanne Herold für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schulsozialarbeit ist wichtig. Das wurde unlängst in der Landtagsdebatte zum Bericht ,,Kooperation Schule und Jugendhilfe" sehr deutlich von Sozialministerin Trauernicht herausgestellt. Herrn Dr. Klug scheint diese Debatte dazu befruchtet zu haben, einen Teil des FDP-Änderungsantrages zum Schulgesetz aus dem Jahr 2007 herauszulösen und mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf wieder aufzulegen.

Herr Kollege Klug, ich kann das durchaus nachvollziehen, denn in der Tat beschäftigt kaum ein anderes Thema die jugend- und bildungspolitische Diskussion so wie die ganzheitliche Bildung und Erziehung von Heranwachsenden. Angesichts der wachsenden Anzahl schulmüder Jugendlicher, der hohen Bedeutung von Schulabschlüssen, der Schwierigkeiten von Jugendlichen, in einen Beruf zu gelangen, und der hohen Jugendarbeitslosigkeit gewinnt die Schulsozialarbeit rasant an Bedeutung für Schule und Jugendhilfe.

Dabei entstehen Defizite im Bildungs- und Erziehungsbereich in unserer Gesellschaft heute vor allem dadurch, dass Kinder und Jugendliche von ihren Eltern sowie in ihrem sozialen Umfeld zu we

nig Unterstützung und Förderung erhalten. Hier handelt es sich nicht allein um ein Problem sogenannter bildungsferner Schichten. Nein, es handelt sich um eine Entwicklung, die alle gesellschaftlichen Schichten einschließt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb hat der Ausbau der Kooperation von Jugendpflege und Schule auch in unserem Lande zu Recht einen sehr hohen Stellenwert. Neben einem guten Unterrichtsangebot ist es aus diesem Grunde in den letzten Jahren immer wichtiger geworden, Ganztagsangebote auszubauen und ergänzende soziale und pädagogische Leistungen in den Schulen anzubieten.

(Beifall der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

Ich möchte an dieser Stelle auch die gemeinsamen Anstrengungen, die von den Schulen, den Trägern der Jugendhilfe und den beteiligten Kommunen unternommen werden, würdigen und allen Beteiligten für die gute Zusammenarbeit danken.

(Beifall bei der CDU)

Eine erfolgreiche Kooperation von Jugendhilfe und Schule muss in tragfähige Strukturen eingebettet sein. Diese Strukturen auf- und auszubauen ist eine zentrale Aufgabe vor Ort. Jede Stadt oder Gemeinde kann selbst am besten beurteilen, welche Maßnahmen wie und an welcher Institution integriert werden. Der regelmäßige Austausch von Jugendhilfe und Schule ermöglicht dann die gemeinsame Lösung der anstehenden Probleme. Das Land hat zu dieser Unterstützung ein Programm aufgelegt, mit dem jeder Landkreis und jede kreisfreie Stadt jährlich finanziell unterstützt werden kann.

Die FDP fordert nun erneut in ihrem heutigen Antrag eine Festlegung dieser Kooperation. Verankert man lediglich die Kooperation von Schule und Jugendhilfe ohne verpflichtenden Charakter im Schulgesetz, so wie es einige Bundesländer geregelt haben, ist das zwar schön zu lesen, hat jedoch keinerlei hilfreiche Konsequenzen. Spricht man von einer Kooperationsverpflichtung - so wollen Sie es, glaube ich, verstanden wissen; Sie sprechen ja nur von „fördern“ -, wird die Zuständigkeit verschoben.

Wir sollten uns davor hüten, meine Damen und Herren, die Trägerschaft der Schulsozialarbeit zu verlagern. Schulsozialarbeiter, die bei einem Schulträger oder an einer Schule eingestellt werden, unterliegen der Schulhierarchie. Das heißt, sie werden von der Schulleitung in den Schulalltag verplant. Nach Ansicht der CDU ist es jedoch wichtig, dass

(Dr. Ekkehard Klug)

die Fachkräfte der Jugendsozialarbeit unabhängig, also aus der schulischen Hierarchie herausgelöst, ihren Job wahrnehmen können. Das bedeutet, auf der einen Seite müssen Lehrerinnen und Lehrer ihre Verpflichtungen und Aufgaben erfüllen und auf der anderen Seite die Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen ihrerseits die Möglichkeit erhalten, ihre Arbeit in der Schule nach eigenen, eben sozialpädagogischen Kriterien zu gestalten.

Zur Gelegenheit zur vertiefenden Diskussion beantrage ich auch dieses Mal die Überweisung des Gesetzesentwurfs der FDP an den Bildungsausschuss.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke der Frau Abgeordneten Susanne Herold und erteile für die SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So ungefähr 20 Tage vor Beginn einer Plenarsitzung rätseln wir in unserer Fraktion immer darüber, ob seitens der FDP ein Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes vorgelegt wird. Auch dieses Mal, lieber Kollege Dr. Klug, sind wir in unseren Erwartungen nicht enttäuscht worden. Sie haben eben einen Gesetzentwurf eingebracht, allerdings zu einem Thema, bei dem wir überhaupt keine Erkenntnisdefizite haben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was wollen Sie jetzt damit sagen?)

Wir diskutieren seit Jahren über dieses Thema. Wir haben Veranstaltungen, Hearings und Ähnliches durchgeführt. Ich wundere mich, dass Sie in der Diskussion um das Schulgesetz diese Aspekte nicht bereits vor einem Jahr eingebracht haben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Haben wir schon mal beantragt!)

Das, was Sie fordern, ist ehrenwert. Sie sagen, Schule und Jugendhilfe sollen zusammenarbeiten. Ihr Zusammenwirken diene insbesondere der Vorbeugung sowie der Bewältigung von Erziehungskonflikten. Das schreiben Sie.

Jetzt zitiere ich einmal aus unserem Schulgesetz. Dort steht in § 3 Abs. 3 vielleicht etwas redundanter, also etwas weiter gefasst:

„Die Schulen sollen eine Öffnung gegenüber ihrem Umfeld anstreben, insbesondere durch

Zusammenarbeit mit den Trägern der Kindertageseinrichtungen und der Jugendhilfe, Jugendverbänden sowie mit anderen Institutionen im sozialen Umfeld von Kindern und Jugendlichen.“

Anschließend werden in § 4 unseres Schulgesetzes die Aspekte hinsichtlich der Erziehungskonflikte abgehandelt.

Ihr Antrag unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt. Das ist der dritte Absatz Ihres Antrages. Sie wollen nämlich, dass die Bildungsministerin und die Jugendministerin die Schulträger finanziell entlasten, indem sie die Schulsozialarbeit insbesondere an den Ganztagsschulen mitfinanzieren. Das tun wir bereits zum Teil. Sie wissen, dass wir im Rahmen der offenen Ganztagsschulen erhebliche Mittel bereitgestellt haben.

Ich denke, was Sie hier beantragen, ist im Hinblick auf die vorhandene Gesetzeslage - damit meine ich das KJHG und das SGB VIII - eindeutig. Den Trägern der Jugendhilfe werden im Gesetz nicht nur die Aufgaben zugeschrieben, sondern es ist auch ein Leistungsgesetz, in dem beschrieben wird, wer diese Leistungen zu tragen hat und von wem sozusagen Erstattungskosten aufgebracht werden müssen. Es ist ganz eindeutig: Träger der Jugendhilfe sind die Kreise und kreisfreien Städte. Sie haben im Rahmen der Jugendhilfe die Leistungen zu erbringen.

Was Sie hier fordern, ist im Grunde genommen die umgedrehte Konnexität. Das Land soll eine Aufgabe an sich ziehen, die eigentlich in den Händen der örtlichen Jugendhilfeträger ist. Dann müssten wir eigentlich in den kommunalen Finanzausgleich eingreifen und sagen: Okay, wenn wir als Land diese Aufgabe annehmen und euch davon befreien, dann möchten wir dafür auch Mittel. - Ich glaube allerdings, dass diese Diskussion hier niemand führen will.

Wir können uns in der Tat darüber unterhalten, ob wir die Träger der örtlichen Jugendhilfe auffordern, ihrem Gesetzesauftrag, der in den §§ 81 und 69 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes formuliert wird, nachzukommen. Die örtlichen Träger der Jugendhilfe haben die Pflicht, mit den Schulen zusammenzuarbeiten. Das heißt, in dem Bundesgesetz ist zuallererst beschrieben, wer auf wen zuzugehen hat.

Meine Damen und Herren, wir werden über diesen Punkt natürlich im Ausschuss diskutieren. Ich sage allerdings schon heute für meine Fraktion, dass wir Ihrem Gesetzentwurf, der beinhaltet, die Finanzie

(Susanne Herold)

rung auch auf die beiden Ministerien zu übertragen, nicht zustimmen werden.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner und erteile für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe meinen Redebeitrag mit der Überschrift „Schulsozialarbeit darf nicht länger am finanzpolitischen Schwarzer-Peter-Spiel scheitern“ überschrieben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wunderbar!)