Protokoll der Sitzung vom 27.02.2008

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 16/1875 dem Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 auf:

Nichtraucherschutzgesetz verfassungskonform auslegen und anwenden

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/1888

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Für den Antragsteller erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir wollen mit unserem Antrag nichts weiter erreichen, als das sichergestellt wird, dass die sogenannten inhabergeführten Kleingaststätten - was für eine Wortschöpfung - bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Vollzug der Regelung des Nichtraucherschutzgesetzes ausgenommen werden.

Ich habe im Vorfeld gehört, das sei die Aufforderung zum Rechtsbruch oder das sei Populismus; so jedenfalls verschiedene Kollegen der Großen Koalition. Sachte, Kollegen! Ich frage Sie: Was ist denn populistischer, ein Gesetz hier im Landtag mit zu verabschieden, wissend, welche Konsequenzen

das Gesetz hat - Peter Harry Carstensen, unser Ministerpräsident, ist ja ein schlauer Mann, der wusste ja, welche Auswirkungen dieses Gesetz hat; das haben wir ihm oft genug in der parlamentarischen Debatte erzählt -, oder, wenn der erste Zeitungsartikel über die konkreten Auswirkungen dieses Gesetzes erscheint, begibt sich der Ministerpräsident in seinen Dienstwagen und besucht den Gastwirt, was ich schön finde. Aber bei dem Besuch allein darf es nicht bleiben, sondern es müssen aus Ihrem Besuch auch Konsequenzen gezogen werden, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der FDP)

Ich sage Ihnen auch, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn es populistisch ist, den Ministerpräsidenten beim Wort zu nehmen und den Versuch zu unternehmen, Existenzen zu sichern, dann allerdings bin ich gern populistisch.

Der Antrag ist nichts weiter als die Aufforderung, die einmal hier von Ihnen getroffene Entscheidung zu überdenken. Dabei ist die Aussetzung eines Gesetzesvollzuges überhaupt nichts Ungewöhnliches, vor allem dann nicht, wenn sich abzeichnet, dass bestimmte Regelungen verfassungsrechtlich zumindest problematisch sind.

Ich bin der Auffassung, dass das Parlament gar nicht sehenden Auges abwarten darf, bis die Folgen eines Gesetzesvollzuges zu einer nicht rückgängig zu machenden Existenzvernichtung geführt haben oder die Gerichte diese Regelung wieder einkassieren.

Ich will das Beispiel aus den „Kieler Nachrichten“ gern aufgreifen. Da gibt es einen Unternehmer, der 42 Jahre lang mit dem Betrieb einer sogenannten inhabergeführten Einraumgaststätte, über die wir heute reden, sein Geld verdient hat. Dieser Mann hat 42 Jahre lang nicht einen Cent oder früher nicht eine einzige Mark an sozialen Transferleistungen in Anspruch genommen. 42 Jahre lang hart gearbeitet, jeden Tag, im Zweifel auch jedes Wochenende. Mit Inkrafttreten des Nichtraucherschutzgesetzes hat er Umsatzeinbußen von bis zu 85 % zu verzeichnen. Jetzt frage ich Sie: Was ist denn sinnvoller? Wollen wir nicht lieber das Gesetz so lange aussetzen, bis das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, ob man es so vollziehen darf oder nicht, sodass die Existenz dieses Mannes gesichert ist, oder soll Frau Trauernicht irgendwann mit tränenerstickter Stimme einen Sozialscheck übergeben nach dem Motto, „Ihr neuer Job nach der Pleite“? Es kann doch nicht wirklich ernsthaft von einem Parlament gewollt sein, ein Gesetz mit solchen

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Folgen zu verabschieden, ohne noch einmal darüber nachgedacht zu haben, welche Konsequenzen damit eigentlich verbunden waren.

(Beifall bei der FDP)

Lieber Peter Harry Carstensen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Sie waren doch selber in der inhabergeführten Einraumkneipe. Sie werden mir doch sicherlich recht geben, dass das nicht die Kneipe ist, die uns damals die Grünen als neues Modell präsentiert haben, auf das sich die Wirte umstellen müssen. Das ist doch nicht die Kneipe, in der zukünftig nachmittags die ökologisch korrekte Familie Möhrenschnitten und Getreidekaffee zu sich nimmt. Das war doch der Alternativvorschlag: Wenn solche Eckkneipen über den Jordan gehen, dann gibt es neue Modelle. Ich sage Ihnen: Wir reden hier über ein paar Dutzend inhabergeführte Eckkneipen allein in Kiel. Da werden keine Möhrenschnitten und kein Getreidekaffee verzehrt, sondern da wird ein Bier getrunken, da wird Skat gekloppt, da wird eben auch eine Zigarette geraucht, und wenn nicht mehr geraucht werden darf, gehen die Leute nicht mehr dahin. Dann muss der Wirt zumachen, dann ist er pleite. Wollen Sie das wirklich? Ich gehe davon aus - jedenfalls hoffe ich das -, dass viele von Ihnen das in dieser Form nicht wollen.

(Beifall bei der FDP)

Mit der Aussetzung des Vollzuges des Nichtraucherschutzgesetzes für einen ganz klar umrissenen Personenkreis unter ganz bestimmten Voraussetzungen könnten Sie schnell und unbürokratisch helfen. Sie können natürlich den Antrag auch so lange im Ausschuss versenken, bis es diese Kneipen nicht mehr gibt, und können dann auf Nachfrage der FDP sagen: Diese Problematik haben wir gar nicht mehr, weil alle pleitegegangen sind. Oder Sie können den Antrag heute ablehnen und abwarten, welche Entscheidung das Bundesverfassungsgericht fällen wird.

Ich sage Ihnen: Die sich bereits jetzt abzeichnenden Umsatzeinbrüche genau in diesen inhabergeführten Einraumgaststätten sollten uns heute zum Handeln auffordern. Ich würde mich freuen, wenn Sie über Ihren Schatten springen könnten und dem Antrag heute Ihre Zustimmung geben würden. Ich weiß, dass es kein riesiger Personenkreis ist, über den wir sprechen. Ich weiß aber auch, dass diejenigen, die davon betroffen sind, Existenznöte haben. Ich finde, wir sollten diese Existenznöte ernst nehmen. Deswegen bitte ich Sie um die Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg. Das Wort für die CDU-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Frauke Tengler.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Garg, sehr engagiert, großes Kino, aber nicht als gesundheitspolitischer Sprecher.

(Beifall bei CDU, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir haben unzählige Debatten in diesem Landtag zum Thema Nichtraucherschutz geführt, darunter sehr ernsthafte und lösungsorientierte Debatten. Die Koalition hat lange um eine Lösung gerungen. Sie wissen alle, die sogenannte Eckkneipe war ein wesentlicher Diskussionspunkt in der Koalition. Wir haben gemeinsam beschlossen: Auch die Einraumkneipe soll rauchfrei sein. Wir haben gewusst, dass es in diesem Bereich eine Delle geben wird.

In über 90 Ländern ist ein Nichtraucherschutzgesetz in Kraft. In Schottland wurde der Untergang der Pub-Kultur vorausgesagt. Nichts dergleichen geschah.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wissen Sie, wie viele in Schottland zugemacht haben?)

Auch Irlands Kneipen haben das Rauchverbot nach einer Delle unbeschadet überstanden.

Sehr geehrter Herr Dr. Garg, das schleswig-holsteinische Nichtraucherschutzgesetz ist seit sieben Wochen in Kraft

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ja und?)

und schon rufen Sie zum Gesetzesbruch auf.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ich rufe nicht zum Gesetzesbruch auf!)

Wir machen in diesem Parlament keine Gesetze zur Ansicht, nach dem Motto: „Bei Nichtgefallen Gesetz zurück“ oder „Gesetzesbruch toleriert durch die Landesregierung“. Dann sollten wir Gesetzesverfahren grundsätzlich einstellen.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das kommt mir doch bekannt vor! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Was für ein Un- sinn!)

Ein bisschen Gesetz gibt es nicht. Sie springen auf das Urteil vom 11. Februar 2008 des Landesverfas

(Dr. Heiner Garg)

sungsgerichts Rheinland-Pfalz in Mainz auf und fordern Gleiches für Schleswig-Holstein, ohne das Hauptverfahren abzuwarten. Wir halten, wie wir es eingangs schon gesagt haben, Ihren Antrag für opportunistisch in einer Frage, in der wir uns doch grundsätzlich einig sind: dem Nichtraucherschutz.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Heiner Garg?

Es tut mir leid, bei fünf Minuten ist das nicht drin.

(Konrad Nabel [SPD]: Ab morgen ja!)

Herr Dr. Garg, in Ihrer Pressemitteilung werfen Sie uns vor, wir hätten uns mit der Verhältnismäßigkeit der Mittel zu wenig auseinandergesetzt.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Haben Sie auch!)

Verehrter Kollege Garg, warum hat das Gesetzgebungsverfahren so lange gedauert? Das wurde immer wieder von den Grünen angemahnt. Eben weil wir abgewägt und uns sehr wohl mit den Konsequenzen des Gesetzes auseinandergesetzt haben.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Weil Sie sich nicht einigen konnten! Jetzt tun Sie doch nicht so, als ob die Koalitionsquerelen etwas mit dem Inhalt zu tun haben!)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Tengler. Sie haben einen Dreiminutenbeitrag beantragt.

Wir befinden uns in einer Umstellungsphase, die abzuwarten ist und die andere europäische Länder ohne die von Ihnen prognostizierten Einbrüche hinter sich gebracht haben. Wir werden die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur endgültigen Rechtsklarheit abwarten und bei gravierend neuen Erkenntnissen gesprächsbereit sein. Und genauso hat sich der Ministerpräsident eingelassen, auch wenn Sie es gern anders interpretieren.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Stand anders in der Zeitung!)

Dass eine Landesregierung per Antrag gebeten wird, einen Gesetzesbruch zu tolerieren, erlebe ich zum ersten Mal in meiner Abgeordnetenzeit. Herr Dr. Garg, wir sind auf Einhaltung von Recht und Gesetz vereidigt worden. Sie haben sicherlich Ver

ständnis dafür, dass wir auch aus diesem Grund Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke der Frau Abgeordneten Frauke Tengler. Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Peter Eichstädt.