Protokoll der Sitzung vom 27.02.2008

werden am Freitagvormittag über die Ausweitung der Kinderbetreuung für die unter Dreijährigen, nämlich über die Krippenplätze sprechen, bei denen es auch um die finanziellen Beiträge des Landes nicht nur für die Investitionen, sondern auch für die laufenden Kosten gehen wird.

Meine Damen und Herren, Schulsozialarbeit ist also als politisches Anliegen nicht aus der Welt. Das kann auch niemand von Ihnen behaupten.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Daher kann man es doch nicht für völlig undenkbar erklären, über die Frage einer Mitverpflichtung des Landes nachzudenken. Dass gerade Sozialdemokraten auf eine solche Idee kommen, lieber Kollege Höppner, kann ich nicht verstehen.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich zum Schluss noch Folgendes anfügen. Bei uns in der Fraktion sind wir auch deshalb zu der Entscheidung gekommen, diesen Antrag jetzt zu stellen, weil wir uns wie auch viele andere aus anderen Fraktionen in diesem Hause über den Verlauf der Debatte im hessischen Landtagswahlkampf über Jugendkriminalität sehr geärgert haben. Wir waren der Meinung, dass die entscheidenden Instrumente zur Beseitigung von Fehlentwicklungen, die wir in unserer Gesellschaft feststellen müssen, überhaupt nicht angepackt werden. Es geht darum, mit entsprechender Jugendsozialarbeit und auch schon mit Schulsozialarbeit so früh anzusetzen, dass wir die Probleme im Bereich der Jugendlichen, die wir im Extremfall in Form von Jugendkriminalität vor uns haben, in diesem Ausmaß in unserer Gesellschaft nicht mehr vorfinden.

Herr Kollege, die drei Minuten sind um.

Es gilt jetzt, konkret Entscheidungen zu treffen, wie man weiterkommt und wie man den Schulen vor Ort Hilfen geben kann.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Dr. Henning Höppner das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist natürlich immer leicht, schöne Worte zu finden und von „jeder Schule“ zu sprechen. Man muss meines Erachtens aber wirklich unterscheiden, ob die Grundschule in Meggerdorf mit 32 Kindern, die Schule in Bergenhusen oder die Schule in Dersau wirklich Schulsozialarbeit und eine eigene Betreuung oder noch eine Landesförderung brauchen. Schauen wir einmal auf die gegenwärtigen Strukturen. Schulsozialarbeit an den Brennpunkten - wir kennen alle die Projekte; wir haben sie uns alle angeschaut - gibt es doch schon. Diese Schulsozialarbeit muss man fördern.

Ich will noch einen Punkt ansprechen, dessentwegen ich mich eigentlich auch zu Wort gemeldet habe, Herr Kollege Klug. Es ist keineswegs so, dass das Land an der Förderung nicht beteiligt ist. Es gibt eine Jugendhilfekostenerstattungsverordnung, nach der wir an den Jugendhilfekosten der örtlichen Jugendhilfeträger beteiligt sind. Das ist ganz klar und eindeutig geregelt. Wir sind immer dabei. Immer dann, wenn ein örtlicher Träger der Jugendhilfe Maßnahmen veranlasst, sind wir mit unseren Anteilen jeweils dabei. Es ist also keineswegs so, dass wir als Land an den Kosten der Jugendhilfe nicht beteiligt sind. Diesen Hinweis wollte ich noch geben.

(Beifall bei SPD und CDU)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Frau Abgeordnete Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Höppner, Sie haben mir das Stichwort gegeben. Die Jugendfördermittel sind pauschaliert im kommunalen Finanzausgleich verankert. Alle Versuche von grüner Seite, einen Teil dieser Fördermittel zu nutzen und sinnvoll zu steuern, zum Beispiel um neue Wege der Schulsozialarbeit zu beschreiten und dort modellhaft mehr zu tun, als es mit der kleinen Summe, die das für Jugend zuständige Ministerium für Modellvorhaben zur Verfügung stellt, möglich ist, sind damals am Koalitionspartner gescheitert. Ich möchte das noch einmal in Erinnerung rufen.

An dieser Stelle geht es jetzt aber um mehr. Die FDP hat zu Recht daran erinnert, dass es um Kriminalprävention geht.

(Dr. Ekkehard Klug)

Aber lassen Sie mich dabei auch ein realistisches Bild machen. Eine so günstige Situation, wie ich sie für Bargteheide geschildert habe, ist natürlich in einem solchen mittelgroßen Ort, wo ein Schulzentrum mit mehreren Schulen in Nachbarschaft zu einem Jugendzentrum vorhanden ist, sehr viel leichter zu erreichen als etwa in einer Großstadt wie Lübeck, wo es längst nicht so viel Jugendzentren und längst nicht so viel Jugendsozialarbeiterinnen und Jugendsozialarbeiter in den Behörden gibt, dass man an jede Schule im Bestand der Stadt eine oder einen entsenden könnte. Sonst würde nämlich nichts mehr für die anderen Aufgaben - für den Bereich der Kleinkinder, den Bereich der alten Menschen und andere Bereiche, die die Sozialarbeit sonst noch abzudecken hat - zur Verfügung stehen. Das heißt, wenn wir so tun, als könnten wir, wenn wir nur die vorhandenen gemeindlichen Ressourcen der Sozialarbeit zusammenpacken, an jeder Schule einen Schulsozialarbeiter oder eine Schulsozialpädagogin einsetzen, dann irren wir. Das Zahlenverhältnis stimmt einfach nicht.

Insofern geht es auch um Synergieeffekte. Es geht aber auch um neue Ressourcen. Man darf sich in dieser Hinsicht nichts vormachen. Die Lage ist heute nun einmal eine andere als zu der Zeit, als in der Bundesrepublik die Grundlagen für die Jugendgesetzgebung gelegt wurden. Deshalb ist es richtig, über diese Aufgabe gemeinsam mit den Kommunen zu verhandeln und diese Aufgabe gemeinsam mit ihnen anzugehen. Wenn sich das Land aber zu nichts verpflichtet, brauchen Sie mit den kommunalen Landesverbänden noch nicht einmal zu verhandeln. Insofern ist es wichtig, dass all diejenigen, die bisher in dieser Frage vorangegangen sind - wir waren uns ja mit vielen Sozialdemokraten einig -, jetzt klarmachen - und zwar auch im Vorfeld von Haushaltsberatungen -, was die Schule der Zukunft braucht. Wenn wir eine offene Schule wollen, wenn wir eine Schule wollen, die sich mit den Stadtteilen vernetzt, dann müssen wir seitens des Landes dafür auch Mitverantwortung übernehmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die Landesregierung hat jetzt die Bildungsministerin Frau Ute Erdsiek-Rave das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Birk, lassen Sie mich an das zuletzt Gesagte anknüpfen. Sie waren an dem, was Sie angesprochen haben, als Ministerin nicht mehr beteiligt. Ich war mit Ihrer Kollegin und Nachfolgerin Frau Lütkes konzeptionell aber wirklich schon ein bisschen weiter, als Sie es in Ihrem Beitrag heute haben anklingen lassen. Zum Glück ist das so.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir lassen uns nicht belehren! Wir sind in der Rolle der Opposition und be- treiben auch Opposition!)

- Herr Abgeordneter Hentschel, Sie können aber nicht leugnen, dass wir in gewissen Fragen eine gemeinsame Geschichte haben. Daran darf man gelegentlich erinnern.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Was ich hier sage, soll nicht oberlehrerhaft klingen. Dies weise ich von mir. Ich erlaube mir aber durchaus, gewisse Beiträge aus meiner Sicht zu leisten. Ich will dabei nicht zensieren, wohl aber meine Meinung sagen.

Ich finde, hier ist für das komplexe Problem, über das wir sprechen, ein ziemlich eindimensionaler Ansatz gewählt worden, auch von Ihnen, Herr Dr. Klug. Natürlich müssen Schule und Jugendhilfe heute intensiv zusammenarbeiten. Junge Menschen vormittags in der Schule zu unterrichten und sie nachmittags durch die Jugendhilfe betreuen zu lassen, ist einfach nicht mehr zeitgemäß und entspricht nicht den heutigen Herausforderungen. Darüber sind wir uns vollkommen einig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen heute ganzheitliche Ansätze, die die gesamte Lebenswelt junger Menschen in den Blick nehmen. Wir brauchen die Kompetenz sowohl der Lehrkräfte als auch der Erzieher, der Jugendpfleger und der Sozialarbeit insgesamt. Heute können weder die Lehrkräfte ihre Erziehungsverantwortung einfach abgeben noch kann sich die Jugendhilfe dauerhaft aus der Schule heraushalten. Beides muss verzahnt werden. Ich bin mir aufgrund von vielerlei Gesprächen und Erfahrungen auch sehr bewusst, wie schwer diese beiden Welten - Schule und Jugendhilfe - zueinander gefunden haben beziehungsweise überhaupt zueinander finden können. Der Weg, beides miteinander zu verzahnen, also sich nicht nur bei Projekten, sondern sehr grundsätzlich

(Angelika Birk)

füreinander zu öffnen, war richtig und er ist auch zunehmend erfolgreich.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Dabei spielt übrigens die sprichwörtliche Augenhöhe eine wichtige Rolle, die zwischen Lehrkräften, Schulsozialarbeit und Jugendhilfe herzustellen nicht immer ganz einfach war. Dieser Prozess muss gefördert werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann allerdings nicht erkennen, warum dafür eine zusätzliche gesetzliche Regelung erforderlich sein sollte. Eine solche Änderung, wie sie von Ihnen vorgeschlagen wird, wird uns nicht weiterbringen. Im Gegenteil. Sie greift nicht nur - das ist offenbar auch gewollt - in die Aufgabenverteilung zwischen Land und Kommunen ein, sondern sie verkennt auch, dass Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule etwas ist, was vor Ort entstehen muss und was an vorhandenen Strukturen anknüpfen muss. Das kann nicht einfach verordnet werden. Ich sage hier auch ganz offen: Das kann auch nicht einfach vom Land übernommen werden.

Haben Sie an irgendeiner Stelle einmal durchkalkuliert - Sie haben hier keine Zahlen genannt -, was dies an zusätzlichen Personalkosten bedeuten würde, die Sie im Landesbereich ja immer geißeln? Sie reden immer von Stellenabbau und Einsparungen im Landeshaushalt, fordern hier aber eben einmal schlankweg die Einstellung von Sozialarbeitern an jeder Schule. Von welcher Größe an soll das für eine Schule eigentlich gelten? Was stellen Sie sich eigentlich genau vor? Man kann zwar leicht einen solch fantasielosen Gesetzesantrag stellen, aber man sollte doch auch einmal darüber nachdenken, was dieser an zusätzlichen Kosten bedeutet und was er an Konnexität auslöst. Damit haben Sie sich gar nicht befasst.

(Beifall bei SPD, CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir müssen uns damit aber befassen. Insofern kann ich nur sagen: So einfach geht es nicht, Herr Dr. Klug. Wenn diese Forderung nicht für jede Schule gelten soll, ist die Frage zu stellen, für welche Schule sie denn gelten soll. Das haben Sie, Herr Dr. Klug, nicht gesagt. Das findet sich auch nicht in Ihrem Gesetzentwurf.

Unser Schulgesetz sieht bereits jetzt vor, dass die Schulen eine Öffnung gegenüber ihrem Umfeld anstreben sollen. Das ist nicht nur ein frommer Satz

oder ein frommer Wunsch. Es heißt im Gesetz wörtlich:

„… insbesondere durch Zusammenarbeit mit den Trägern der Kindertageseinrichtungen und der Jugendhilfe, Jugendverbänden sowie mit anderen Institutionen im sozialen Umfeld von Kindern und Jugendlichen.“

Das ist an vielen Schulen Gott sei Dank schon gelebte Praxis, nicht nur an den offenen Ganztagsschulen, die jetzt schon ein Drittel der Schulen im Land ausmachen. Im letztgenannten Bereich haben wir allerdings die Erfüllung der Voraussetzungen besonders gesichert. Damit Ganztagsschulen genehmigt werden können, ist das Einvernehmen mit dem örtlichen Träger der Jugendhilfe unbedingte Voraussetzung. In der Richtlinie werden unter den Angeboten, die den Unterricht ergänzen, Projekte der Jugendhilfe ausdrücklich genannt.

Wie Schule und Jugendhilfe an vielen Orten Hand in Hand arbeiten, will ich an einem kleinen Beispiel darstellen. Beim Schulzentrum Süd in Norderstedt ist das Jugendzentrum - es gibt ja viele kommunale Jugendzentren im Land - direkt an die Schule angebunden. Die Schulsozialarbeiter stellen sich bereits bei den Einschulungen vor, haben Zugang zu allen Bereichen der Schule, stehen regelmäßig am Vormittag für Gespräche mit Schülern, mit Eltern und mit Lehrkräften zur Verfügung und tragen zur Lösung der Probleme bei. Das Jugendzentrum ist tageweise sogar am Vormittag für die Schüler geöffnet, etwa für Hausaufgaben und so weiter. Die Stadt Norderstedt hat mit diesem Modell sehr positive, auch präventiv positive Erfahrungen gemacht. Viele andere Beispiele, die übrigens vor zwei Wochen auf dem Schulbaukongress vorgestellt worden sind, zeigen, was heute schon in diesem Bereich von den Kommunen, die sich dafür verantwortlich fühlen und dafür verantwortlich sind, geleistet wird.

Dazu gehört auch die schon vielerorts umgesetzte Forderung, die Sie erheben, nach Beschäftigung von Sozialpädagogen im schulischen Kontext. Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Kommunen das machen und ihre Verantwortung auch so wahrnehmen. Das gehört mit zur Verantwortung der Schulsozialarbeit, wie sie im § 48 des Schulgesetzes geregelt ist. Auf das KJHG hat Herr Höppner ja schon hingewiesen. Wir brauchen also kein Plus an Vorgaben, wir brauchen ein Plus an Umsetzung und Unterstützung.

Wenn Sie die Frage des drohenden Schulversagens ansprechen, Herr Dr. Klug, dann will ich hier auf

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

das Großprojekt „Schule und Arbeitswelt“ hinweisen, bei dem gerade das geleistet werden soll, und zwar mit Millionen Beträgen in den nächsten Jahren, nämlich individuelle Betreuung von Schülern, die von Schulversagen bedroht sind.

Es gibt also viele gelungene Beispiele, nicht nur Kleinprojekte hier und da, lieber Herr Harms, sondern es gibt eine deutliche Unterstützung dieses Anliegens, das auch ich absolut teile, nämlich der Kooperation zwischen Jugendhilfe und Sozialarbeit und Schule, der Integration von Sozialarbeit in die Schule. Das wird vor Ort gelebt, betrieben und in hoher Verantwortung von den Kommunen auch umgesetzt.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke der Frau Ministerin. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 16/1875 dem Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen worden.