Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe unheimlich viel Verständnis für diese emotional geführten Debatten über Drogenabhängige und über nicht Drogenabhängige, über den Raucherschutz oder über den Nichtraucherschutz. Vielleicht sollten wir uns aber mit der konkret anstehenden Frage beschäftigen. Zunächst einmal habe ich sehr viel Verständnis dafür, dass alle Menschen glauben, sie könnten in alle Lokalitäten hineingehen und dort dürfte nicht geraucht werden. Wenn die Kneipen nicht mehr existieren, dann habe ich auch die Auswahl nicht mehr. Wir stehen vor dem Problem, dass einige dieser Einraumkneipen möglicherweise die Zeit bis zur Herbeiführung einer verfassungsgerichtlichen Klärung nicht mehr überleben werden. Ich glaube nicht, dass wir den Menschen gegenüber angemessen reagieren, wenn wir sagen, dass uns dies völlig egal sei und dass dies ihr Problem sei. Von diesen Menschen kann anschließend keiner zu Herrn Wadephul oder zur SPD gehen und dort sagen: Ersetzen Sie mir den Schaden, der entstanden ist.
Das rheinland-pfälzische Verfassungsgericht hat mit seiner Haltung insofern Auswirkungen, als genau auf diesen Abwägungshintergrund hingewiesen wird. Es wurde gesagt: Bis zur Entscheidung in der Hauptsache ist die Beeinträchtigung der davon Betroffenen weitaus höher zu wiegen als das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache, weil die Beeinträchtigung irreversibel ist. Das kann man nicht mehr zurückdrehen. Das ist auch nicht nur ein Fall in Kiel. Wir kennen das aus Lübeck und vielen anderen Orten.
Wir kennen dieses Problem übrigens auch bei Dorfgaststätten, die keine unmittelbar anliegende Konkurrenz haben. - Herr Harms, jetzt nicken Sie freundlicherweise. Sie haben gerade gesagt, dies sei Wettbewerbsverzerrung, weil die einen dieses Angebot machen können, die anderen nicht. Auch in Dorfgaststätten, von denen es nur eine im Dorf gibt, gibt es einen erheblichen Rückgang der Gästezahlen. Die Gäste bleiben einfach zu Hause, weil sich die Kommunikation beim Knobeln, wobei einige geraucht haben und andere nicht, nicht wie in der Vergangenheit wiederfinden lässt. Das macht keinen Spaß mehr. Die Frage, vor der wir stehen, ist, ob wir dies akzeptieren und Regelungsmöglichkeiten schaffen können, die denen in Rheinland-Pfalz entsprechen, nämlich so lange zu warten, bis für diejenigen eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die ansonsten ihre Existenz verlören. Nicht mehr und nicht weniger.
Wir haben den Wissenschaftlichen Dienst gefragt. Es glaube bitte keiner, dass ich als Fraktionsvorsitzender einen Antrag zulassen würde, von dem offensichtlich wäre, dass er rechtsstaatswidrig wäre oder dass er zum Rechtsbruch auffordern würde. Wir haben das mit dem Wissenschaftlichen Dienst abgesprochen und wir haben eine entsprechende Formulierung gefunden. Wir haben im Ordnungsrecht häufiger den Fall, dass die Ordnungsbehörden für eine Übergangszeit darauf verzichten, entsprechende Bußgelder zu verhängen, bis sich die Rechtslage endgültig geklärt hat. Es macht nämlich keinen Sinn, durch Einsprüche bei Amtsgerichten oder auch bei höheren Gerichten unsere Justiz zu belasten.
Wir hätten hier die Möglichkeit. Ich habe vernommen, dass die Entscheidung innerhalb sehr kurzer Zeit getroffen wird. Sie wird in der Hauptsache noch in diesem Jahr stattfinden. Viele dieser Einraumkneipen, von denen wir in Schleswig-Holstein Hunderte haben, werden den Prozess bis April oder Mai nicht überleben, weil keine Bank bereit ist, weiter zu finanzieren. Mieten, Pachten und sonstige Verpflichtungen müssen bezahlt werden. Wir können nicht so tun, als sei uns deren Existenz völlig egal. Deshalb lautet unsere Bitte, bis dahin zu entscheiden. Ich sage ausdrücklich, dass dies nicht vor dem Hintergrund geschieht, dass wir das Nichtrauchergesetz wieder kippen wollen, was andere wollen. Bis das Verfassungsgericht entschieden hat, wollen wir einfach jenen die Existenz sichern, die davon betroffen sind. Ich denke, das ist unsere Aufgabe.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin durchaus dankbar dafür, dass der Kollege Kubicki für die FDP-Fraktion die Gelegenheit genutzt hat, etwas mehr Sachlichkeit in die Debatte zu bringen. Herr Kollege Dr. Garg, ich muss offen sagen: Sich hier hinzustellen und einerseits dem Ministerpräsidenten zu unterstellen, er hätte ein ausdrückliches Versprechen abgegeben, was genau nicht geschehen ist, und ihm auf der anderen Seite Populismus vorzuwerfen, fällt voll auf Sie zurück.
- Ja, der Empfängerhorizont des Kollegen Dr. Garg! Hier haben wir heute etwas dazugelernt. Wer diesen Artikel liest, der hat nur festzustellen: Erstens. Der Ministerpräsident hat eine Problematik, die im Übrigen zu erwarten war und die uns auch nicht völlig überrascht, erkannt. Er hat sich hier im Landtag, trotz einer problematischen Entscheidung für die Betroffenen, die er mit getroffen hat, wie es auch die gesamte CDU-Fraktion getan hat, dazu bekannt. Er ist zu den Betroffenen gegangen und hat sich vor Ort die Sorgen und Nöte angehört. Ich finde, das ist eine gute Geste des Ministerpräsidenten, der auch an dieser Stelle bereit ist, mit den Menschen zu sprechen und sich das vor Ort anzugucken. Ich finde, das könnten Sie eher loben, statt es zu kritisieren.
Zweitens. Er hat gesagt, man werde sich die weitere Sache dahin gehend angucken, inwieweit es dort gerichtliche Entscheidungen gibt. Herr Kollege Kubicki, das erstaunt mich ein wenig. Wir als Juristen mögen möglicherweise noch einmal darüber reden. Hier ist offensichtlich ein Eilverfahren anhängig, das das rheinland-pfälzische Gesetz betrifft. Dieses entspricht im Übrigens nicht unserem Gesetz. In Teilen entspricht es unserem Gesetz, in wesentlichen Teilen jedoch nicht. Naturgemäß ist dieses Verfahren vor der rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichtsbarkeit anhängig. Wir legen sehr viel Wert darauf, dass wir ein eigenes Bundesland sind und dass wir ein eigenes Landesgesetz haben, das man sich genau angucken muss. Wenn wir in der nächsten Landtagstagung das Verfassungsgericht vollständig berufen haben werden und wenn es hier in Schleswig-Holstein Rechtsverfahren geben wird, dann werden wir diese Rechtsverfahren abwarten und Entscheidungen treffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ich möchte in aller Deutlichkeit sagen: Wir können uns hier nicht zum Gesetzeshampelmann machen, wenn - was alle naselang vorkommt - jemand gegen ein Gesetz klagt. Sie haben übrigens auch vor, gegen das Polizeigesetz zu klagen, was Ihr gutes Recht ist. Wir warten das in aller Ruhe ab. Nur weil dagegen geklagt wird und nur weil in einem anderen Bundesland bei einer anderen gesetzlichen Regelung mal eine Eilentscheidung - noch keine Hauptsacheentscheidung - getroffen worden ist, setzen wir getroffene Landesgesetze nicht gleich wieder aus. Wenn wir damit anfangen, dann sind wir kurz davor, uns hier in Schleswig-Holstein absolut lächer
Herr Kollege Garg, ich bin auch etwas erstaunt, weil Sie doch eigentlich Gesundheitspolitiker sind. Das ist ein schwieriger Abwägungsprozess. Die Meinung der CDU ist dankenswerterweise von dem Kollegen Eichstädt noch einmal genannt worden. Während der gesamten Debatte - einschließlich der heutigen - zu den Gefahren des Passivrauchens und erwiesenen Schädigungen von Menschen nicht mit einem Satz Stellung zu nehmen und zu sagen, dass dies natürlich ein schwieriger Abwägungsprozess sei, bei dem in der Tat darauf geachtet werden müsse, dass berufliche Existenzen davon abhängig seien, dass aber auf der anderen Seite auch erhebliche Gesundheitsgefahren bestehen, erstaunt. Ich muss sagen, das finde ich sehr enttäuschend. In Ihrer Eigenschaft als Gesundheitspolitiker hätte es der Sache gut getan, wenn Sie auch zwei oder drei Sätze dazu gesagt hätten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gerade nach dem Wortbeitrag von Herrn Wadephul stelle ich noch einmal fest - und das freut mich -, dass die CDU der Überzeugung ist, dass der FDP-Antrag abgelehnt werden muss, dass sich bis zur nächsten gerichtlichen Entscheidung in Schleswig-Holstein nichts verändert und dass dies kein Koalitionskompromiss ist, sondern dass die CDU dies aus Überzeugung vertritt. Das finde ich richtig. Ich möchte das deshalb noch einmal feststellen, weil das deutlich dem widerspricht, was der Ministerpräsident in der Zeitung gesagt hat.
Das Zitat ist mehrfach gebracht worden; natürlich habe auch ich diesen wunderschönen Zeitungsausschnitt mit dabei. Der genannte Absatz besteht ja aus mehreren Sätzen. Im ersten Satz steht, dass der Ministerpräsident etwas unausgesprochen zu erkennen gegeben hat. Wir alle wissen ja, dass man so etwas machen kann. Manchmal klappt es, manchmal nicht. Der zweite Satz sagt nicht, dass es unausgesprochen ist. Im zweiten Satz schob der Ministerpräsident nach -
- Wie er auch das noch unausgesprochen gemacht haben soll, erschließt sich mir nicht, Frau Tengler. Auf jeden Fall hat er dort sehr deutlich gemacht, dass das jetzt gefasste Urteil, nämlich das Gesetz auf Eis zu legen, schon jetzt in Schleswig-Holstein eine Wirkung haben wird. Damit hat er dem Gastwirt versprochen, dass sich etwas ändert.
Ich stelle fest: Es ändert sich erst einmal nichts. In der Bewertung unterscheiden wir uns dabei von der FDP. Die FDP findet das falsch, wir finden das richtig.
Meine Damen und Herren von der CDU, wenn sich nichts ändert, haben Sie auch den Mut, das vor Ort in dieser Deutlichkeit zu sagen!
(Beifall bei der FDP - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Da tauchen die Christdemokraten weg! - Weitere Zurufe)
- Ja, da tauchen die weg! Ich erinnere mich noch an die DEHOGA-Veranstaltung: Monika Heinold im Kampf gegen alle Raucher; CDU und SPD waren nicht da, eine nette Veranstaltung.
Wie dem auch sei, wir haben ja Erfahrungen damit gemacht, dass der Ministerpräsident gern einmal Entscheidungen aus dem Bauch heraus trifft, ob vor Ort, am Telefon oder wo auch immer. Notfalls sagt er am Telefon auch einmal: Lass uns Gesetze wieder außer Kraft setzen!
Ich hoffe, dass sich der Ministerpräsident an dieser Stelle zukünftig so verhält, wie von der CDU, vom Fraktionsvorsitzenden hier bekundet, dass dieses Gesetz so bleibt. Auf jeden Fall ist es schlecht, wenn Politiker und Politikerinnen etwas anderes versprechen, als sie tun oder tun werden. Das hilft uns allen miteinander nicht weiter und das sollten wir nicht machen.
Bevor ich der Landesregierung das Wort erteile, möchte ich auf der Besuchertribüne Mitglieder des Bürgervereins Grünhof-Tesperhude e.V. aus dem Kreis Herzogtum Lauenburg herzlich begrüßen. Seien Sie uns herzlich willkommen!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ausgangspunkt der neuerlichen Debatte um das Gesetz zum Schutz vor dem Passivrauchen ist hinreichend dargelegt. In Rheinland-Pfalz kann - jedenfalls vorläufig - in kleinen, inhabergeführten Einraumkneipen weiter geraucht werden.
Für die einen - das hat auch diese Debatte hier deutlich gemacht - ist dies ein Signal dafür, dass anderslautende Regelungen in Landesgesetzen wieder gekippt werden müssten, für die anderen ist dies ein Urteil gegen Ausnahmeregelungen generell und nicht gegen den Nichtraucherschutz. Für die schleswig-holsteinische Landesregierung ist diese Eilentscheidung eines Landesverfassungsgerichtes kein Anlass, Änderungen im Gesetz vorzuschlagen. Dies gilt ausdrücklich für alle Mitglieder des Kabinetts.
Ich bin überzeugt davon, dass ein verbesserter Nichtraucherschutz nicht mehr aufzuhalten ist. Ich sehe mich im Übrigen darin auch durch die rheinland-pfälzische Entscheidung gestützt. Etwas Wesentliches hat das Gericht nämlich bereits festgestellt: Der Gesundheitsschutz habe Vorrang vor der Freiheit, überall zu rauchen.
Das ist eine zentrale Aussage dieses Gesetzes und ich bin deshalb optimistisch, dass auch das Bundesverfassungsgericht dem Recht auf Gesundheitsschutz Vorrang einräumen wird. Auch hier ist bereits deutlich geworden, dass bei der Abwägung des Landesverfassungsgerichts die Tatsache eine Rolle spielte, dass es sich um ein noch nicht verabschiedetes Gesetz handelt. Hier unterscheidet sich die Situation deutlich von der Situation in SchleswigHolstein. Es gibt also keinerlei Anlass, die Eilentscheidung zum Anknüpfungspunkt für Änderungen zu nehmen, aber durchaus das weitere Verfahren zu
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man sich vergegenwärtigt, was das bedeuten könnte, dann muss man deutlich machen, dass einerseits grundsätzlich über das Prinzip der Ausnahmeregelungen beim konsequenten Nichtraucherschutz und andererseits über bundesweite Regelungen zum Arbeitsschutz nachgedacht werden müsste. Es ist also keinesfalls so, dass diese Urteilsbegründung Anlass sein müsste, einen verschlechterten Gesundheitsschutz auf den Weg zu bringen, sondern im Gegenteil, es könnte auch genau die gegenteilige Lösung geben.
Es liegt auf der Hand, dass es keine sinnvolle Alternative ist, Wirten in selbstgeführten Eckkneipen zu ermöglichen, sich zur Raucherkneipe zu erklären. Die Folge wäre, dass etliche Einraumkneipen auch aus Angst vor Umsatzeinbußen zu Raucherkneipen gemacht würden und die Wirte mit Zweiraumkneipen, die nur einen Raum für Raucher einrichten dürfen - und zwar nach unserem Gesetz den Nebenraum -, dann möglicherweise ungleich behandelt würden. Dies würde wiederum diese Wirte zu Klagen veranlassen können.