Protokoll der Sitzung vom 01.09.2005

Ich danke der Vorsitzenden des SSW, Frau Abgeordenter Anke Spoorendonk.

Ich darf auf den Zuschauerrängen Mitglieder der Arbeiterwohlfahrt des Ortsvereins Meldorf und Mitglieder des Frauenringes Neumünster begrüßen. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

(Präsident Martin Kayenburg)

Im Rahmen der angemeldeten Redezeit stehen der Landesregierung noch 27 Minuten und 20 Sekunden zur Verfügung. Ich erteile nunmehr dem Herrn Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man ist fast geneigt, die gesamte Redezeit auszunutzen. Es gibt vieles, worauf man antworten könnte. Es ist auch sehr vieles gewesen, worauf man nicht antworten muss. Dann habe ich selbst auch noch eine Rede mitgebracht. Insofern wäre genügend Stoff vorhanden.

Ich habe ja damit gerechnet, dass bei dem ersten Haushalt, den wir vorlegen, viel Kritik von der Opposition kommt, insbesondere von den Grünen. In der Tat habe ich aber nicht damit gerechnet, dass auch noch kritisiert wird, dass ich eine positive Lebenseinstellung habe.

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Dass Sie vieles wundert, weiß ich. Aber ich finde, wenn der Herrgott mir so etwas Gutes wie dieses Leben mitgegeben hat, dann muss man doch nicht so wie Sie herumlaufen und damit den Eindruck erwecken, man sei der Erfinder des Sodbrennens, Herr Müller.

(Heiterkeit und Beifall bei CDU und FDP)

Wissen Sie, Sie werden mir das auch mit Ihren Reden nicht vertreiben. Herr Müller, Sie haben heute Morgen auch schon einmal recht despektierlich über Abgeordnete, über den Bundestagesabgeordneten Austermann und mich als Bundestagesabgeordneten, geredet und gesagt: Jetzt kommen die hierher. - Offensichtlich ist es bei Ihnen recht tief drin, dass Sie sich an Ihren Lebenslauf nicht mehr richtig erinnern können,

(Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Oh doch!)

weder an Ihre Zeit als Bundestagsabgeordneter - Sie waren nämlich auch mal einer -

(Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ja!)

noch offensichtlich an die Zeit - weil Sie Ihre Rede hier heute so gehalten haben -, in der Sie Minister einer Landesregierung waren.

(Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir waren immer für den Subventi- onsabbau!)

- Wie schön! Das ist ja in Ordnung. Aber erinnern Sie sich bitte daran. Ich höre auch, dass Sie wieder von hier entfleuchen wollen. Man hörte einmal, Sie hätten ein bisschen die Fühler nach Brüssel ausgestreckt. Jetzt kandidieren Sie wieder für den Bundestag. Sie werden sich hier also wieder absetzen.

(Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Im Wahlkreis, Herr Carstensen!)

- Im Wahlkreis! Wenn Sie keine Chance haben und das jetzt schon sagen, warum kandidieren Sie dann und verursachen noch Kosten mit Plakaten, Herr Müller? Das muss doch nun nicht sein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich stelle nur fest: Wenn Sie denn hier weg sein sollten, dann werden Sie eine Lücke hinterlassen, die Sie voll ersetzt.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Zuruf der Abgeordneten Anne Lütkes [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Natürlich geht mich das nichts an. Ich habe es ja auch nur festgestellt, Frau Lütkes.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kommen Sie einmal zum Haus- halt!)

- Das ist einer, der jetzt eine Stunde nicht hier gewesen ist und weder die Rede der eigenen Leute noch die von anderen, etwa von Lothar Hay, gehört hat und jetzt macht er hier solche Bemerkungen.

Frau Lütkes, nur damit wir jetzt einmal ernst werden: Ich habe auf einer parteipolitischen Veranstaltung in Lübeck die Grünen aufgrund ihres Verhaltens als Lumpen bezeichnet. Das tut mir Leid. Das gehört sich nicht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD sowie des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich sage aber auch: Mich hat das Verhalten - auch das, was Sie hier an den Tag legen - außerordentlich geärgert und dann ist es herausgerutscht. Wissen Sie, wenn Sie hier darüber sprechen, wir würden die Nettoneuverschuldung des Haushalts aufblähen, damit wir dann von einer hohen Zahl heruntergehen und gute Erfolge vorzeigen könnten - wir werden mit dieser Koalition Erfolge haben; das nur nebenbei -, dann finde ich das unredlich und unanständig. Da finde ich die Äußerung der Frau Kollegin Spoorendonk schon etwas offener, sauberer und ehrlicher, die gesagt hat, diese Landesregierung hat eine schwierige Haushaltssituation vorgefunden.

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

Das, was wir mit dem Nachtragshaushalt und für den Haushalt 2006 auf den Tisch legen, zeigt endlich einmal die wirkliche Situation, die in den Haushalt Eingang gefunden hat. Wissen Sie, ich habe in den letzten Monaten, in denen wir noch nicht an der Regierung waren, insbesondere auch in den Koalitionsverhandlungen mit großem Respekt zur Kenntnis genommen, dass die Kolleginnen und Kollegen von der SPD, namentlich Herr Döring und Herr Stegner, die Haushaltssituation offen auf den Tisch gelegt haben. Wir haben bis gestern noch mit einem Haushalt gearbeitet, der eine Nettoneuverschuldung von 550 Millionen € vorsieht. Wir haben in den Koalitionsverhandlungen festgestellt, dass eine zusätzliche Deckungslücke von 940 Millionen € vorhanden war. Man kann sich gerade in einer solchen Koalition angewöhnen - das tue ich -, nicht nach hinten zu gucken, sondern die Situation, wie sie denn da ist, zu analysieren und zu versuchen, damit optimal umzugehen. Aber wenn Sie, Herr Müller, der Sie Verantwortung getragen haben, hier eine solche Rede halten und das auch draußen im Wahlkampf tun, dann empfinde ich das - das muss ich ganz deutlich sagen - als unanständig.

(Beifall bei CDU und FDP - Zuruf des Ab- geordneten Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, SchleswigHolstein ist ein starkes Land, weil die Menschen, die bei uns leben und arbeiten, starke und zupackende Menschen sind und sich selbst auch etwas zutrauen. Ich bin Woche für Woche unterwegs und sehe und höre, wie sich die Stimmung im Land verändert. Mein Eindruck ist, die Bürgerinnen und Bürger können sehr genau wichtige Aufgaben von unwichtigem Gerede unterscheiden. Das sollten wir uns auch bei Debatten in diesem Hause klarmachen.

Als wir vor vier Monaten die Arbeit aufnahmen, habe ich gesagt, wir werden Schleswig-Holstein wieder nach vorn bringen, weil wir uns auf das Wesentliche konzentrieren werden. Die Menschen erkennen, dass wir damit Ernst machen. Dabei steht die Auflösung von Blockaden, auch derer, für die Sie zu einem großen Teil verantwortlich sind, ganz oben an. Ich bin deshalb froh, dass die große Koalition im Land ohne Reibungsverluste und effektiv arbeitet. Wir haben Verantwortung übernommen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir können es uns nicht leisten, uns in Kleinkram zu verzetteln. Wir müssen offen und ehrlich sagen, wo wir stehen. Weil wir in dieser Art arbeiten, sind wir auch in der Lage als CDU und als SPD, die mit unterschiedlichen Wahlprogrammen in die Bundestags

wahl hineingehen und auch mit unterschiedlichen Wahlprogrammen in die Landtagswahl hineingegangen sind, nicht miteinander, aber nebeneinander Wahlkampf zu machen. Denn wir unterscheiden das Wesentliche vom Unwesentlichen, jeder selbstverständlich mit seiner Präferenz.

Herr Stegner ist nicht derjenige, der gerne für Angela Merkel Wahlkampf macht. Das will er nun einmal nicht; das ist auch nicht nötig. Aber ich finde, wir sollten unsere politische Auseinandersetzung in der Art, wie wir sie haben - am Kabinettstisch geschlossen für das Land zu streiten und draußen bei einer Bundestagswahl die unterschiedlichen Auffassungen darzustellen -, auch ausleben können. Das machen wir in einer guten Art und Weise. Herzlichen Dank dafür!

Die Haushaltslage des Landes war noch nie so schwierig wie in diesem Jahr. Das spiegelt sich in den Vorlagen zum Nachtragshaushalt 2005 und im Haushaltsplanentwurf für 2006 mit dem Haushaltsstrukturgesetz und der mittelfristigen Finanzplanung wider. Der Landeshaushalt verfügt nur noch über einen sehr begrenzten Handlungsspielraum. Rund 92 % der Nettoausgaben von knapp 8 Milliarden € sind festgelegt, davon rund 40 % durch Personal, rund 30 % durch Gesetze von Bund und Land und rund 12 % durch Zinsen. Die 8 %, die noch nicht festgelegt sind, bilden Zuschüsse, etwa an die Hochschulen, oder es sind Mittel, mit denen wir zusätzliche Gelder aus Berlin oder Brüssel ins Land holen wollen und sollen.

Einen solchen Haushalt saniert man nicht per Knopfdruck. Wir müssen eine Entwicklung zum Guten in Gang setzen. Dieser Prozess ist eingeleitet. Die ersten Schritte sind gemacht.

Diese Landesregierung hat mit den Haushaltsvorlagen eine echte Gemeinschaftsleistung abgeliefert und diese Gemeinschaftsleistung, die wir hier abgeliefert haben, zeigt erste Ergebnisse.

Das wird uns jetzt auch von außen attestiert. In einer aktuellen Studie hat die Bertelsmann-Stiftung den Standortwettbewerb der Länder im Jahr 2005 untersucht. Dabei stellt sie ausdrücklich fest, dass sich Schleswig-Holsteins Position verbessert.

(Lachen des Abgeordneten Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Lesen werden Sie doch können, Herr Kollege! - Dort heißt es, die neu formierte Landesregierung zeige sich bereit dazu, die Probleme des Landes anzugehen.

Wir haben uns ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Wir wollen die Nettoneuverschuldung bis zum Jahr 2010

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

halbieren. Wenn wir die Zukunft unseres Landes sichern und den Haushalt endlich wieder in Ordnung bringen wollen, reicht es aber nicht, nur zu sparen. Vielmehr werden wir gleichzeitig das Kunststück schaffen, unsere Schwerpunkte, nämlich Vorfahrt für Wirtschaft und Arbeit, gute Bildung und Ausbildung, Bürokratieabbau und die Aufgabe von Aufgaben, zu stärken.

Damit lassen wir uns nicht lange Zeit. Das am 25. Mai angekündigte 100-Tage-Programm wurde umgesetzt, meine Damen und Herren. Der SchleswigHolstein-Fonds ist aufgelegt und er kommt gut an. Wir dotieren den Fonds in den Jahren 2005 bis 2009 mit 415 Millionen € und mobilisieren damit eine Investitionssumme von 1,7 Milliarden € für Wirtschaft und Beschäftigung, für Bildung und Innovation. Schon jetzt haben wir damit einen Wettbewerb der guten Ideen ausgelöst. Wir haben Mittel gebündelt und Förderinstrumente neu geschaffen. Das sorgt für Transparenz.

Wir stärken die Eigenkapitalbasis von Unternehmen und diese kommen leichter an Kredite. Für die kleinen und mittleren Unternehmen haben wir die Mittel noch einmal erhöht. Sie sind der Motor unserer Wirtschaft und der muss rund laufen.

Die Verkehrsblockade ist aufgelöst. Es geht voran bei der Elektrifizierung des Ostnetzes und beim Weiterbau der A 20. Wir verkürzen die Planungswege. Die Bertelsmann-Studie bescheinigt uns, dass wir auch damit auf dem richtigen Weg sind.

Hinzu kommen wichtige, millionenschwere Investitionen, um die Fremdenverkehrsinfrastruktur zu modernisieren. Das Sturmflutmuseum „Blanker Hans“ in Büsum, das Erlebnisbad in Glücksburg und auch das Science-Center in Kiel sind dafür gute Beispiele.

Wir stärken den Mittelstand und das Handwerk. Wir machen die Verwaltungswege kürzer und bauen Bürokratie ab.