Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die Sitzung und begrüße Sie alle recht herzlich. Ich darf Ihnen nach Mitteilung der Fraktionen und der Regierung Folgendes mitteilen: Erkrankt sind die Kolleginnen Monika Schwalm und Sandra Redmann, Kollege Lars Harms und seitens der Landesregierung Herr Minister Rainer Wiegard. Wir wünschen ihnen von dieser Stelle aus gute Besserung.
Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, begrüßen wir auf der Zuschauertribüne Schülerinnen und Schüler der Klaus-Harms-Schule aus Kappeln. - Viel Freude an der Debatte!
Ich erteile nun für den Bericht der Ministerin für Bildung und Frauen, Frau Ute Erdsiek-Rave, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Innerhalb weniger Jahre werden wir in Schleswig-Holstein die Betreuung für Kinder im Alter von unter drei Jahren entscheidend verbessern. Bund und Länder haben sich auf das Ziel einer Versorgungsquote von 35 % bis 2013 verständigt. Das ist eine große Herausforderung, die wir nun beherzt annehmen.
Der Beitrag des Landes in Höhe von 113 Millionen € schafft die Voraussetzungen dafür, dass wir dieses Ziel auch erreichen können. Es geht ganz konkret um 17.000 neue Betreuungsplätze, die bis 2013 entstehen sollen; zwei Drittel sollen in den Kindertageseinrichtungen und - darüber gibt es eine bundesweite Verständigung - ein Drittel in der Kindertagespflege entstehen. Das ist ein großer Schritt hin zu mehr und besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf, meine Damen und Herren.
Darüber freue ich mich sowohl als Bildungs- als auch als Frauenministerin. Denn damit stellen wir auch die frühkindliche Förderung auf eine breitere Basis. Zugleich hilft es den Eltern, die einen Beruf ausüben wollen, und oft ist das die nackte Notwendigkeit, um die eigene Familie finanziell über Wasser halten zu können.
Manche in Deutschland tun sich immer noch schwer mit dem Thema Krippenbetreuung. Einen Eindruck davon gibt die schon gestern von mir zitierte Titelgeschichte des aktuellen „Spiegel“, in der die bekannten Pseudoexperten wie beispielsweise Christa Müller, die Frau des Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei im Bundestag, auftreten. Sie stellen einfach in den Raum, dass Krippenbetreuung seelische Verletzungen verursache. Man reibt sich wirklich die Augen, wie zählebig hierzulande das Idealbild einer allverfügbaren Mutter ist.
Das ist eine Ideologie, die den Frauen seit Jahrhunderten das Leben schwer macht und immer noch mit diesen Begriffen und Vorstellungen vom Heimchen am Herd auf der einen Seite oder Rabenmutter auf der anderen Seite operiert. Unterdessen haben sich viele andere Länder längst auf den Weg zu einer umfassenden Versorgung mit Krippenplätzen gemacht und das hat weit positivere Auswirkungen auf die dortigen Familien als das mütterliche Betreuungsmonopol, das wir in weiten Teilen noch haben.
Wir wissen inzwischen aus der Entwicklungspsychologie, dass Kleinkinder natürlich zuerst die Eltern als enge Bezugspersonen brauchen, aber das schließt nicht aus, dass sie werktags für einige Stunden in andere Obhut gegeben werden können. Die Intensität der Bindung an Mutter und Vater ist wichtiger als die Summe der Stunden, die man zusammen verbringt.
Ebenso ist belegt, dass Kinder aus schwierigen familiären Verhältnissen von der Krippenbetreuung profitieren. Dies hat Auswirkungen bis hin zu späteren Leistungen in der Schule, weil sie in der Krippenbetreuung eben nicht nur betreut werden, sondern auch eine besondere Förderung erfahren.
bemüht, erwarte ich, dass auch dort ein Umdenken stattfindet. Flexibilität kann man nämlich nicht nur den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abverlangen, sondern auch die Betriebe müssen sich mehr als bisher auf die Familien zubewegen. Es gibt gute Beispiele, die belegen, dass dies mit positiven Effekten auf die Motivation der Beschäftigten verbunden ist.
Der Bund hat übrigens ein zusätzliches Förderprogramm für betriebliche Krippenplätze aufgelegt, meine Damen und Herren. Auch davon werden wir in Schleswig-Holstein profitieren.
An der Summe des Landesbeitrags von 113 Millionen € bis 2013 kann man ablesen, dass die Landesregierung trotz schwierigster Haushaltslage ganz bewusst einen deutlichen Schwerpunkt setzen will. Wir wollen, dass dieses Bundesland für Familien attraktiv wird, dass ihnen die Entscheidung für Kinder leichter fällt, dass kein Elternteil gezwungen wird, den Beruf nach der Geburt eines Kindes aufzugeben oder auf eine Ausbildung zu verzichten. Uns geht es vor allem auch darum, dass alleinerziehende Mütter der Armutsfalle entgehen.
Wir versprechen uns schon vor 2013 deutliche Effekte und Erfolge vor allen Dingen dort, wo die Versorgung noch unter dem Landesdurchschnitt von 8 % liegt. Wo immer nach dem 18. Dezember 2007 in Plätze für unter Dreijährige investiert wurde und dies im örtlichen Bedarfsplan aufgenommen wird, kommt eine Förderung in Betracht. Unter Hochdruck ist eine Förderrichtlinie erarbeitet worden, die in Kürze veröffentlicht wird.
Zum Abwicklungsverfahren insgesamt. Wir befinden uns in einem intensiven Abstimmungsprozess mit den kommunalen Landesverbänden und der Lenkungsgruppe, die wir seit Jahren in allen Kitaund Krippenfragen etabliert haben.
Unsere Kommunen werden im Vergleich zu denen anderer Bundesländer sehr zügig Planungssicherheit bekommen. Sie sollten einmal zur Kenntnis nehmen, was in anderen Bundesländern noch diskutiert wird. Manche Länder diskutieren beispielsweise, ob sie sich überhaupt beteiligen oder ob sie das Geld komplett an die Kommunen weiterleiten wollen. Insofern liegen wir diesbezüglich weit vorn. Und das ist auch gut so.
Mit dem Krippenausbau hier in Schleswig-Holstein steht für mich im Vordergrund, dass es sich nicht allein um einen quantitativen Ausbau handeln kann. Ich lege großen Wert darauf, dass es zugleich um gute Qualität gehen muss und dass die Familien, die ihr Kind in eine Einrichtung geben, davon überzeugt sein können, dass es dort gut aufgehoben ist und dass es seinem Alter entsprechend gefördert wird. Deswegen werden wir in derselben Höhe wie der Bund, nämlich mit 62 Millionen €, den laufenden Betrieb der Einrichtungen unterstützen. Außerdem sieht unser Konzept vor, dass ausgewählte Kindertageseinrichtungen als Kompetenzzentren für die Qualifizierung und Vermittlung von Tagesmüttern wirken. Dafür bringen wir zusätzlich 1 Million € jährlich auf. Das ist ein deutliches Signal. Wir wollen bei der Tagespflege nicht irgendeine Tagespflege, sondern wir wollen sie qualifizieren, gut ausbilden und fortbilden.
Noch ein Wort zu den Investitionskosten. Nach unseren Berechnungen - das können Sie dem Bericht entnehmen - liegen die Kosten pro Platz in Schleswig-Holstein unter dem angenommenen Bundesdurchschnitt von 36.000 €. Wir sind uns auch mit den kommunalen Landesverbänden darin einig, dass das so ist.
Hinzu kommt, dass wir mit einer größeren Zahl von Umbauten und Umwandlungen rechnen als vielleicht bundesweit angenommen. Wir merken jetzt schon an den Anträgen, die uns erreichen, dass die Anzahl der Neubauten niedriger liegen wird und dass viele Einrichtungen vorhandene Gebäude nutzen wollen.
Inzwischen haben wir eine sehr gute Grundversorgung mit Kindertageseinrichtungen. In manchen Regionen entstehen jetzt aufgrund des Geburtenrückgangs Freiräume für die Einrichtung von Krippengruppen in vorhandenen Gebäuden. Dort ist die Arbeit mit unter dreijährigen Kindern in den letzten Jahren immer stärker zu einem Schwerpunkt geworden. Das spiegelt sich auch in der Nachfrage und Unterstützung durch unser Fortbildungsangebot wider. Für die Weiterentwicklung unserer Kindertageseinrichtungen insgesamt ist der Ausbau der Betreuung für unter Dreijährige ein deutliches Signal. Ihre Stellung als Bildungsstandorte in den Kommunen wird somit gestärkt. Insofern profitieren die Kommunen ganz erheblich von diesem Programm.
Insgesamt kann man festhalten: Durch eine enge Kooperation, die ohnehin vorgesehen ist, zwischen Kindertageseinrichtungen und Grundschulen und durch gezielte Elternarbeit vor allen Dingen in sozial schwachen Umfeldern wird dies weiter ausgebaut. Kindertageseinrichtungen müssen wir zunehmend als Bildungseinheit sehen und dies wollen wir entsprechend befördern. Das Land wird diesen Prozess über den Ausbau der Krippenplätze hinaus befördern.
Ebenso wichtig ist das Signal an die Familien in Schleswig-Holstein, die sich mit - ich will es einmal freundlich formulieren - sehr viel Kreativität auf Betreuungsengpässe einrichten mussten. Wir wollen mit Notlösungen Schluss machen. Wir wollen eine qualitativ gute Betreuung. Wir wollen Verlässlichkeit mit guter fachlicher Qualität schaffen. Ich würde mich freuen, wenn in der Debatte zum Ausdruck käme, dass alle diese Ziele unterstützen und auch den Beitrag des Landes würdigen.
Ich danke der Frau Ministerin für ihren Bericht und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die ursprünglich den Berichtsantrag gestellt hatte, der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der gesellschaftliche Konsens, dass Eltern die Möglichkeit haben sollten, sich frei zu entscheiden, ob und wie sie Familie und Beruf miteinander vereinbaren, ist erst wenige Jahre alt. So wundert es nicht, dass Deutschland beim Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen noch immer zu den europäischen Schlusslichtern gehört. Über Jahrzehnte hat insbesondere die CDU eine Fremdbetreuung von Kindern unter drei Jahren blockiert und stattdessen auf die heile Familie, auf die aufopfernde Mutter, welche in ihrer Rolle voll aufgeht und Kinder wie Mann zuverlässig und gleichermaßen mit Streicheleinheiten und Butterbrot versorgt, gesetzt. Dass dieses konservative Weltbild der CDU endlich ins Wanken geraten ist, macht insbesondere das Ausbauprogramm für Krippenplätze deutlich.
Das Gesetz knüpft an das 2004 von Rot-Grün beschlossene Tagesbetreuungsausbaugesetz an, welches bis 2010 einen Versorgungsgrad von 20 % vorsah. Für Schleswig-Holstein heißt der neue Kurs, dass bis zum Jahre 2013 17.000 neue Betreuungsplätze geschaffen werden müssen. Das ist ein organisatorischer und ein finanzpolitischer Kraftakt. Dementsprechend schwer hat sich die Landesregierung mit der Umsetzung der bundespolitischen Verabredung getan. Schon im November 2007 hatten sich Kommunen und Träger von Kindertageseinrichtungen darüber beklagt, dass die Landesregierung nicht in die Hufe kommt und dass es keine Eckpunkte für die Umsetzung der Finanzierung des Kinderbetreuungsausbaus gibt. Niemand wollte vor Ort das Abenteuer eingehen, auf eine scheinbar verbindliche Zusage von Bundesregierung oder Landesregierung zu setzen und mit einem Ausbau zu beginnen, nicht wissend, wie die Finanzierung letztendlich aussieht. Mit unserem Berichtsantrag aus dem letzten Jahr wollten wir Klarheit in diese Debatte bringen.
Auf Wunsch der Bildungsministerin waren wir damit einverstanden, dass dieser Bericht nun erst heute im Februar gegeben wird, in der Hoffnung, dass dann feststeht, nach welchen Kriterien und nach welchem Verfahren die Fördermittel den Kommunen, Einrichtungen und Trägern bewilligt werden. Aber Pustekuchen! Nach dem Bericht sind wir nicht schlauer als vorher, denn noch immer ist alles in der Schwebe. Die Ministerin hat es gesagt. Die Gespräche mit den Kommunen laufen - das ist die Antwort der Landesregierung auf unsere Frage.
Dennoch gibt es vier erfreuliche Feststellungen im Bericht. Erstens. Das Land wird alle Investitionsund Betriebskostenmittel des Bundes ungeschmälert an die Kommunen weiterleiten. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Dennoch ist dies als erfreulicher Sachverhalt zu registrieren.
Zweitens. Das Land hat sich verpflichtet, sich in gleicher Höhe wie der Bund an den Betriebskosten zu beteiligen und sich zu 50 % auch an den für die Kommunen verbleibenden Investitionskosten zu beteiligen.