Protokoll der Sitzung vom 29.02.2008

Betrachtet man dann noch, dass ein Ziel wie die Behindertengerechtigkeit ebenfalls berücksichtigt wurde und die Mitarbeiter aufgrund der Ausschreibungen gemäß des Tariftreuegesetzes nicht schlechter gestellt wurden als vorher, kann man wirklich nur von einem Erfolg der Maßnahmen des damaligen Wirtschaftsministers Rohwer sprechen.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Detlef Buder)

Wie gesagt, alle diese Erfolge waren möglich, obwohl wir sogar durch die Ausschreibungen Geld gespart haben. Deshalb ist es unverständlich, wenn nun durch die Landesregierung von diesem erfolgreichen Verfahren abgewichen werden soll. Im Wirtschaftsausschuss haben Sie, Herr Minister Austermann, gesagt, dass nicht nur Wettbewerbsverfahren zu einem gewünschten Erfolg verhelfen können. Damit ist nichts anderes gemeint, als dass Sie offensichtlich erwägen, direkte Verhandlungen mit potentiellen Betreibern - oder auch nur einem Betreiber - zu führen und damit dann natürlich den Wettbewerb außer Kraft zu setzen.

Hier sich massiv gegen den Wettbewerb zu wenden, kann eigentlich nicht CDU-Politik sein, meine ich. Selbst das immer herangezogene Beispiel des Netzes Ost hinkt in diesem Fall. Natürlich hat man nachverhandelt und auch noch etwas Geld gespart, wenn auch das ganze Verfahren stark kritisiert wurde. Aber ohne einen vorherigen Wettbewerb mit Ausschreibung hätte es wohl nie Einsparungen gegeben. Betrachtet man nüchtern, was man vorher zahlen musste und was man später nach einer Ausschreibung zahlen musste, kann jeder einsehen, dass vorher wohl recht gut gezahlt wurde und man ohne Ausschreibung wohl nicht zu dieser Erkenntnis hätte gelangen können.

Wir werden in diesem und im nächsten Jahr mit den Vorarbeiten für die Vergabe der Netze Nord und Mitte beginnen. Dabei reden wir von insgesamt 11 Millionen Zugkilometern pro Jahr. Das ist knapp die Hälfte aller Nahverkehrsleistungen auf der Schiene in unserem Land. Wer diesen Anteil des zu verteilenden Kuchens bekommt, der verdient wirklich Geld. Das darf man natürlich auch, aber eben erst, nachdem man sich dem Wettbewerb gestellt hat. Mir ist schon klar, dass ein Verhandlungsverfahren rechtlich nicht zu beanstanden wäre, wenn es sauber durchgeführt wird. Aber was rechtlich machbar ist, muss wirtschaftlich nicht immer sinnvoll sein. Wir als SSW wollen, dass es nicht wieder Diskussionen gibt, wie bei der Vergabe des Netzes Ost. Wir wollen, dass in völliger Transparenz und bei gleichen Möglichkeiten des Marktzugangs alle die gleichen Möglichkeiten haben, im Wettbewerb den Zuschlag für eine Strecke zu bekommen. Durch unseren gemeinsamen Antrag mit FDP und Grünen wollen wir auch kleineren Unternehmen die Chance geben, sich an dem Betrieb der Strecken zu beteiligen. Wir wollen Vielfalt auf den Bahnstrecken in Schleswig-Holstein, weil uns diese Vielfalt davor schützt, von einem Unternehmen abhängig zu sein.

Wir können jetzt im Land sehen, dass wir mit dem, was wir im Übrigen bisher parteiübergreifend in diesem Hohen Haus unterstützt haben, Erfolg hatten. Die Praxis des Ausschreibens und die Bedingungen des Wettbewerbs sind von uns allen so gewollt gewesen. Deshalb habe ich kein Verständnis dafür, wenn der Wirtschaftsminister und die Landesregierung möglicherweise den Schienenverkehr auf den Netzen Nord und Mitte ohne Wettbewerb vergeben. Der Landtag hat das Wettbewerbskonzept aus dem Jahr 2001 immer einmütig unterstützt. Nach unserer Auffassung müsste schon ein Beschluss des Landtages her, damit man von dieser Praxis abweichen kann. Hierzu scheint die Große Koalition aber keinen Mut zu haben. Man will offensichtlich den Wirtschaftsminister nicht beschädigen, obwohl man genau weiß, dass das, was FDP, Grüne und SSW heute vorschlagen, genau der richtige Weg war und ist.

Ich bitte um Unterstützung für unseren Antrag.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Abgeordneten Anke Spoorendonk. Ich gehe jetzt nach der Stärke der Fraktionen vor, dann haben wir es auch etwas lebhafter. Das Wort für die CDU-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Arp.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es gut, dass Sie nach Stärke der Fraktionen und nicht nach Größe der Redner vorgehen.

(Heiterkeit und Beifall - Zuruf: Das wäre ein guter Vorschlag!)

Insofern haben wir es wieder lebhaft. Wir haben doch erreichen wollen, dass Sie nach der Mittagspause alle wieder wach werden. Das geht ja nun auch los.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU spricht sich grundsätzlich für Wettbewerb aus. Wenn nicht wir, wer dann wohl sonst, lieber Kollege Heiner Garg? Das ist doch wohl klar.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wir!)

Es liegt aber mittlerweile eine EU-Verordnung vor, über die uns der Wirtschaftsminister informiert hat, die ausdrücklich die direkte Vergabe von

(Anke Spoorendonk)

Schienenpersonennahverkehrsleistungen erlaubt, sofern die Laufzeit des Vertrages 10 Jahre nicht überschreitet. Dafür gibt es auch einen guten Grund, wenn uns die EU auch solche Dinge ermöglicht.

(Zurufe der Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Heiner Garg [FDP])

- Herr Kollege Matthiessen, ermöglicht; hören Sie bitte zu, dann kriegen Sie auch viel mehr mit.

Wir sollten zunächst einmal im Ausschuss - das hat uns auch der Minister zugesagt, und daran gibt es keinen Zweifel - ausführlich über die Erfolge und Misserfolge der vergangenen Jahre miteinander diskutieren. Im nächsten Schritt sollten wir auf dieser Basis definieren, welche Kriterien für uns, das Parlament, in den kommenden Ausschreibungen wichtig sind. Der Rest, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist dann Regierungshandeln.

Um es vorweg zu sagen: Das gesetzliche Vergaberecht lässt verschiedene Verfahren dafür zu, wie ein öffentlicher Auftrag im Schienenpersonenverkehr zu vergeben ist. Die Ausschreibung allein kann hier nicht gefordert werden und garantiert, wie wir wissen, auch noch keinen Erfolg. Die letzten Jahre haben uns ja gezeigt, liebe Frau Kollegin Spoorendonk, dass es unterschiedliche Erfahrungen gegeben hat. Schleswig-Holstein hat bei der Vergabe von Schienenverkehrsleistungen grundsätzlich gute Erfahrungen gemacht.

Die Qualität im gesamten Schleswig-Holstein konnte gesteigert werden, und die Kosten für unser Land sind über diese Verfahren gesenkt worden. Die Ausschreibung im Netz West war nach Anfangsschwierigkeiten am Ende ja doch erfolgreich, aber am Anfang - das geben wir doch alle zu - hatten wir eine Menge Probleme, insbesondere in den Sommermonaten. Auch in Husum hat man sie. Auch die Ausschreibung Ost war für uns sehr erfolgreich, insbesondere für den Landeshaushalt, in dem wir dadurch rund 20 Millionen € jährlich gespart haben. Nicht nur, dass wir Geld gespart haben, lieber Kollege Garg - das können Sie bestätigen, und dann sind Sie gleich dran -, das allein macht es gar nicht aus, nicht Geiz ist geil, sondern auch die Qualität ist verbessert worden.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Durch die Ausschreibung?)

- Ich komme noch dazu, lieber Kollege Matthiessen. Wollen wir jetzt alle durcheinanderreden, wollen wir singen, oder wollen wir miteinander debat

tieren? An diesem Erfolg werden wir auch zukünftig den Minister und die Regierung messen. Es ist für uns nicht wichtig, ob es eine direkte Vergabe, eine Ausschreibung oder eine beschränkte Vergabe gibt. Für uns ist in erster Linie entscheidend, welches Ergebnis dabei herauskommt. Das ist für uns der Maßstab, an dem wir das messen. Qualität und Leistung stehen für uns im Vordergrund.

Wichtig ist dabei: Nicht nur der Preis der Leistung darf eine Entscheidungsgrundlage sein, sondern die Qualität muss mitentscheidend sein. Billig, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist nicht gleich gut.

Im vorliegenden Antrag wird behauptet, das Wettbewerbskonzept der rot-grünen Landesregierung sei erfolgreich gewesen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Im Gegensatz zu dir, lieber Kollege Schulze, bin ich schon fünf Jahre länger dabei. Ich habe FLEX selbst miterlebt. Ich gehöre noch zu den Zeitzeugen. Das ist noch nicht so lange her. Da von einem Erfolgsmodell zu sprechen, ist allerdings sehr wagemutig. Das Beispiel beweist, dass Ausschreibung nicht das Alleinglückseligmachende ist. Nehmen Sie das als Erfahrung der letzen Jahre mit.

Dass, was wir in den letzen Jahren erfahren haben, hat uns ein ganzes Stück weitergebracht - sowohl bei West als auch bei Ost. Jetzt warten wir auf Nord-West oder wie auch immer die Ausschreibung heißen mag.

Wir freuen uns zunächst einmal auf die im Spätherbst nächsten Jahres kommenden neuen Züge. Wir freuen uns auf das im Spätherbst entstehende Dienstleistungskonzept der Ausschreibung Ost. Ich freue mich auch auf weitere Beratungen in diesem Zusammenhang bei uns im Ausschuss und über die Zusagen des Ministers, uns auf den Weg dorthin zu begleiten und mitzunehmen. Ich habe keine Zweifel, dass wir gemeinsam mit dem Wirtschaftsausschuss bei der nächsten Ausschreibung ein gutes Ergebnis hinbekommen werden.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Arp. - Damit wir ein bisschen gemischt bleiben, hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg für die FDP-Fraktion das Wort. Es steht dem Präsidium zu, frei aufzurufen. Bitte schön.

(Hans-Jörn Arp)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Präsidentin, jetzt drängt sich natürlich doch der Eindruck auf, dass hier nach Körpergröße aufgerufen wird.

(Heiterkeit)

- Lieber Kollege Arp, die paar Zentimeter!

Die jüngste Geschichte der schleswig-holsteinischen Schienenverkehrsleistungen ist - daran ändert auch die Rede des Kollegen Arp nichts - eine Erfolgsgeschichte. Sie ist ein deutschlandweites Vorbild. Denn das Konzept, Strecken konsequent auszuschreiben und so Wettbewerb im schleswig-holsteinischen Schienenverkehr zu starten, war und ist ein großer Erfolg.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der SPD)

Kollege Arp, was Sie über FLEX gesagt haben, ist in der Sache richtig, aber Sie wissen auch, dass das die erste Ausschreibung war. Dass man dort schiefliegen kann, das gehört dazu. Konsequenterweise dürfte man sich sonst nie einem neuen Verfahren bedienen. Es ist also nicht so ganz redlich, das hier als Beweis dafür anführen zu wollen, dass Wettbewerb nicht funktioniert. Ich werde Ihnen gleich erzählen, warum das nicht funktioniert hat.

Die Früchte dieses Wettbewerbs kommen den Kunden zugute. Die Züge fahren häufiger, schneller, pünktlicher und sie sind besser ausgestattet als in den Zeiten des staatlichen Bahnmonopols. Deshalb begrüßen wir den Wettbewerb auf der Schiene.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Und offenbar begrüßen nicht nur wir diese Entwicklung, sondern auch die Fahrgäste begrüßen diese Entwicklung. Die Zahlen sprechen für sich. Im Jahr 2007 konnte der öffentliche Schienenpersonennahverkehr in Schleswig-Holstein mit einem Fahrgastzuwachs von rund 3 % glänzen. Der Wettbewerb gefällt also nicht nur uns hier im Plenum - darauf kommt es im Zweifel nicht an -, sondern der Wettbewerb gefällt vor allem den Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteinern. Wettbewerb um Strecken und Teilnetze, das ist gut für Schleswig-Holstein. Wettbewerb gibt die Garantie auf Angebote mit der gewünschten Qualität zu günstigem Preis. Wettbewerb auf der Schiene sorgt für genau dieses bessere Angebot zu niedrigeren Preisen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Voraussetzung für einen erfolgreichen Wettbewerb sind allerdings Ausschreibungen. Ohne Ausschreibungen gibt es keinen Wettbewerb. Ausschreibungen mit klaren Kriterien, die von vornherein alles enthalten, was das Land von einem Betreiber will.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der SPD)

Und hier kommen wir nun zu dem Problem, welches uns veranlasst hat, gemeinsam mit dem SSW, von dem die Initiative ausgegangen ist, und den Grünen hier heute den vorliegenden Antrag einzubringen. Wir wollen einfach, dass die Vorteile des Wettbewerbs auch in Zukunft erhalten bleiben. Sie sollen erhalten bleiben zum Wohle des Landeshaushaltes, aber insbesondere zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Verkehrsminister Austermann will offensichtlich keinen Wettbewerb. Er wollte ihn im Jahr 2007 nicht und er will ihn auch heute nicht. Im Wirtschaftsausschuss am 6. Februar 2008 hat er ziemlich unverblümt und sinngemäß kundgetan: Wettbewerb sei ja ganz gut und schön, aber für die Netze Nord im Jahr 2008 und Mitte im Jahr 2009 wolle er lieber wieder eine Direktvergabe.

Kollege Arp, es ist unstrittig, dass es zulässig ist, dieses Verfahren zu wählen. Aber niemand zwingt uns, dieses Verfahren zu wählen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und vereinzelt bei der SPD)

Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass der Landtag, jedenfalls die Opposition, noch einmal ganz dezidiert gesagt hat, wie sie sich die künftige Vergabe vorstellt, nämlich durch Ausschreibung.

Sehr geehrter Herr Kollege Austermann, Sie stellen sich damit - das ist das eigentlich Problematische eindeutig gegen den Beschluss des Landtages aus dem vergangenen Jahr.