Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Da beide Antragsteller noch nicht die Möglichkeit hatten, ihre Anträge zu begründen, schlage ich vor, dass jetzt zunächst der FDP-Fraktion das Wort erteilt wird. Bitte schön, Herr Dr. Heiner Garg.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Drei Jahre nach Inkrafttreten des SGB II hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die durch Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe gebildete Organisationsform der Arbeitsgemeinschaft von Kommunen und Bundesagentur für Arbeit, die wir unter dem Begriff ARGE kennen, verfassungswidrig ist, weil keine eindeutigen Verantwortlichkeiten gegeben sind. Der Bundesarbeitsminister schlägt zur Lösung des Problems nun vor, sogenannte kooperative Jobcenter einzuführen. Damit will er der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung tragen, ohne dabei gesetzliche Änderungen vorzunehmen. Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen, dass wir diese kooperativen Jobcenter nicht wollen.
Ich freue mich darüber, dass auch Arbeitsminister Döring diesen Vorschlag sehr kritisch sieht. Sein Vergleich mit einer - ich zitiere - „Ämter-WG, bei der man nicht weiß, wer später den Abwasch macht“, macht sehr deutlich, was damit gemeint ist: Mit der Einführung dieser kooperativen Jobcenter würden wieder zwei verschiedene Behörden ge
schaffen, die mehr oder weniger zufällig unter einem Dach arbeiten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine solche Zusammenarbeit wäre kein Fortschritt. Schlimmer noch: Sie wäre ein Rückschritt, würde damit doch die als notwendig erkannte Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe quasi wieder rückgängig gemacht.
Ein kooperatives Jobcenter würde nichts anderes bedeuten, als dass SGB-II-Empfänger sich wieder mit zwei verschiedenen Behörden auseinandersetzen müssten, Daten doppelt eingegeben und verarbeitet werden müssten und Arbeitsuchende wieder zwei verschiedene Bescheide erhielten, gegen die sie gegebenenfalls klagen müssten. Hilfesuchende würden zwischen zwei Behörden hin- und hergeschoben, ohne dass ihnen wirklich geholfen wird. Das bedeutet letztlich nichts anderes, als dass sich die Verwaltung primär wieder mit sich selbst beschäftigen würde, anstatt mit der Dienstleistung für die Arbeitsuchenden.
Der Vorschlag von Minister Döring, das bisher praktizierte Modell der Arbeitsgemeinschaften zu legalisieren, hätte den Charme, alles so zu belassen, wie es ist. Kommunen und Bundesagentur für Arbeit würden im Gegensatz zum kooperativen Jobcenter gerade nicht in zwei getrennte Behörden aufgespalten, sondern gesetzlich noch enger miteinander verknüpft.
Vor dem Hintergrund, dass viele Arbeitsgemeinschaften auch noch drei Jahre nach Inkrafttreten der Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt mit hohen behördeninternen Reibungsverlusten zu kämpfen haben, wollen wir, dass die Kommune allein für die Arbeitsuchenden zuständig ist. Das war das Ansinnen des Ursprungsantrages meiner Fraktion.
Für die FDP sind es vor allem die Kommunen, die aufgrund ihrer Nähe zum Arbeitsmarkt die Kompetenz haben, Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte zu beraten und vermitteln. Auf die Kompetenzen der Bundesagentur kann bei landesübergreifender Vermittlung und der Arbeitsmarktberichterstattung zurückgegriffen werden. Wir sagen allerdings auch: Für den jetzt von CDU und SPD vorgeschlagenen Mittelweg spricht vieles, weil er der am ehesten realisierbare sein dürfte. Der Vorschlag sieht ein Wahlrecht vor, sodass dann vor Ort entschieden werden könnte, wie und in welcher Rechtsform Dienstleistungen für Arbeitsuchende aus einer Hand angeboten werden.
Bei den Arbeitsgemeinschaften, bei denen die Zusammenarbeit in der Vergangenheit funktioniert hat, würde sich faktisch nichts ändern. Gleichzeitig bestünde mit der Entfristung und Öffnung der Experimentierklausel für Optionskommunen auch für andere Kommunen die Möglichkeit, mehr regionale und dezentrale Strukturen bei der Jobvermittlung einzuführen. Dies ist sehr viel mehr, als der Vorschlag des Bundesarbeitsministers zulassen würde, und genau darauf kommt es uns an. Dies war der Hauptgrund dafür, dass sich meine Fraktion entschlossen hat, dem Antrag von Union und SPD beizutreten.
Ob Wahlrecht der Arbeitsgemeinschaften oder Optionskommune - das Problem liegt vor allem in den Details. Beide Modelle benötigen Rechtssicherheit bei der Finanzierung. Deshalb ist ein dauerhafter föderaler Finanzausgleich notwendig, wenn wir künftig für die SGB-II-Empfänger sinnvolle und effektiv arbeitende Betreuungs- und Vermittlungsangebote wollen.
Herr Minister Döring, mit unserem Beitritt zum Koalitionsantrag wollen wir ein Signal setzen, wollen wir Sie für die Verhandlungen auf Bundesebene stärken. Wir hoffen, dass Sie sich auf Bundesebene mit Ihrem Vorschlag durchsetzen. Möglicherweise gelingt uns in diesem Landtag ein einstimmiger Beschluss. Denn an dieser Stelle wäre ein starkes Signal aus Schleswig-Holstein wirklich hilfreich.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg. - Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun die Frau Abgeordnete Angelika Birk.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie muss eine Behörde aussehen, die den mehr als 7 Millionen Menschen in der Bundesrepublik, die auf Arbeitslosengrundsicherung angewiesen sind, die beste Grundlage für individuelle, nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt und für die Teilhabe an der Gesellschaft bietet? Wir meinen, unser Antrag weist in die richtige Richtung, und wir sind ein wenig erstaunt über die Kehrtwende der FDP. Menschen sollen nicht gezwungen sein, von Amt zu Amt zu laufen, sondern Leistungen und Hilfen aus einer Hand und aus einem Guss bekommen.
Das Bundesverfassungsgericht war deutlich: Die Zwitterbehörde aus Kommune und Bundesagentur ist verfassungswidrig, weil sie sowohl die Rechte der Hilfesuchenden als auch die kommunale Demokratie missachtet. - So die Richter.
Der Antrag der Koalitionsfraktionen, dem nun die FDP beitreten will, sagt etwas ganz anderes. Er sagt: Diese Arbeitsgemeinschaften haben sich bewährt.
Nicht nur ich, sondern viele Betroffene und auch Menschen, die in diesen Behörden arbeiten, sagen: Das Gegenteil ist der Fall.
In der Regel tritt unter dem Einfluss der Bundesagentur für Arbeit die sozialpolitische Komponente, die für einen nachhaltigen Integrationserfolg unerlässlich ist, in den Hintergrund. Ein Indiz für das Versagen der Behörden beim Fordern und Fördern ist die bundesweit gigantisch gestiegene Anzahl der Klagen vor den Sozialgerichten. Das kommt die Länder teuer. Auch in Schleswig-Holstein mussten die Sozialgerichte personell drastisch aufgestockt werden und ertrinken trotzdem in Arbeit. Die Fehlerquote der ARGEn ist laut der Urteile hoch. Transparente, gerechte und effiziente Verwaltung sieht anders aus. Hut ab vor denjenigen Beschäftigten der ARGEn, die es trotz des operativen Durchgriffs aus Nürnberg schaffen, eine humane Praxis gegenüber den Langzeitarbeitslosen walten zu lassen!
Einig sind wir uns mit der Mehrheit des Landtages in der Ablehnung der sogenannten kooperativen Jobcenter. Hierzu hat der Kollege Garg schon Wesentliches gesagt. Diese wären eine Verschlimmbesserung, nicht nur eine doppelte Bürokratie, sondern auch, sollte dies untergesetzlich geregelt werden, ein erneutes Rechtsrisiko. Ich denke, dass diese kooperativen Jobcenter entweder ihrem Auftrag nicht gerecht werden oder erneut vor dem Bundesverfassungsgericht landen.
tun. Gern verweise ich an dieser Stelle auf Nordfriesland. In diesem Kreis ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen landesweit relativ am niedrigsten, und dort ist auch eine deutlichere Senkung der Zahl der Langzeitarbeitslosen als der Zahl der Kurzzeitarbeitslosen zu verzeichnen.
Für die Kurzzeitarbeitslosen ist Nürnberg zuständig. Hier ist die Zahl geringer gesunken als bei den schwerer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen, für die der Kreis und die kreisangehörigen Kommunen zuständig sind. Dies spricht eine deutliche Sprache.
Ich weiß, dass viele andere kommunale Lösungen nicht so gut sind wie in Nordfriesland. Uns geht es aber an dieser Stelle um die kommunale Demokratie und um das Prinzip. Die Möglichkeit, eine bessere Lösung für die Langzeitarbeitslosen zu finden, ist vor Ort dort, wo man die kommunalen Strukturen kennt, wo man vor allem auch eine eindeutige Verantwortung hat, einfach besser gegeben.
Da die Bundesagentur nach wie vor bei ihren Vermittlungszahlen auch Fortbildung und Ein-EuroJobs als Erfolg mitzählt, ist die Evaluation vieler Optionskommunen ehrlicher. Diese weist nur die Zahlen der echten Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt aus. Deshalb schlagen auch viele Landkreise vor, dass es bundesweit nicht bei den bisherigen nur 69 Optionskommunen bleiben sollte. Auch die Sozialdezernenten großer Städte wie Köln und München würden lieber auf die eigene Kraft setzen.
Wie kommen wir nun rechtlich dorthin? - Um für alle Kommunen eine Lösung zu finden und nicht nur das Schlupfloch der Optionskommunen zu vergrößern, brauchen wir - daraus machen wir kein Hehl - nach der Föderalismusreform tatsächlich eine Änderung des Grundgesetzes. Hierauf zielt unser Antrag. Auch der Antrag der Großen Koalition braucht eine Änderung des Grundgesetzes. Aber wenn ich schon das Grundgesetz ändere, dann doch nicht, um die ARGEn für die Ewigkeit festzuschreiben, sondern um eine wirklich bessere Lösung zu finden.
Die Alternative wäre eine alleinige Finanzverantwortung der Länder. Wer diese fürchtet, verkennt, dass die Bundesregierung auch bei der jetzigen Lösung schon viele Instrumente in der Hand hat, den Ländern und den Kommunen über die Bundesagentur Finanzverantwortung zuzuschieben. Ich habe jetzt nicht genügend Zeit, um das ausführlich zu erklären.
Wir wollen diese Verschiebebahnhöfe verhindern, und wir wollen den Bund in der Verantwortung lassen, allerdings nicht mit dem operativen Durchgriff, wie er jetzt in der ARGE ist. Deshalb brauchen wir eine neue Lösung. Da sage ich gemeinsam mit Herrn Döring: Lieber gründlich als Schnellschuss!
Die Große Koalition hat sich zwar schon ein großes Stück bewegt, hat aber Angst vor der Rache des Bundes und verteidigt deshalb die ARGEn. Dies wird wenig helfen, und deshalb lehnen wir trotz des Zugeständnisses an die Optionskommunen den Koalitionsantrag ab.
Ich danke der Frau Abgeordneten Angelika Birk. Für die CDU-Fraktion erhält nun Herr Abgeordneter Torsten Geerdts das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die CDU-Landtagsfraktion lehnt die Einrichtung von sogenannten kooperativen Jobcentern ab. Sie sind für uns kein geeignetes Mittel, für die zurzeit verfassungswidrigen Arbeitsgemeinschaften einen adäquaten Ersatz zu schaffen. Kooperative Jobcenter würden zu einer verwaltungsmäßigen Doppelstruktur führen. Sie würden dem Ziel der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe widersprechen, und sie würden Langzeitarbeitslosen keine Leistung aus einer Hand mehr gewähren können. Aus dem Grunde kann man diesen Weg nicht mitgehen.
Die Vorschläge von Bundesarbeitsminister Scholz führen zur doppelten Anzahl von Bescheiden, zu doppelten Widerspruchsverfahren und doppelt so vielen Ansprechpartnern für die Arbeitslosen, und genau das wollten wir nicht, als wir uns vor drei, vier Jahren in diesem Hause auch über die Reform der Arbeitsmarktpolitik unterhalten haben.