Protokoll der Sitzung vom 23.04.2008

Wir müssen gründlich über den vorliegenden Antrag beraten. Beim Zusammenrechnen der Titel, um die es geht, fällt nämlich auf, dass die Ansatzverminderung, also das Einsparvolumen, höher ist als die Ansätze der Titel, die neu in der Maßnahmengruppe aufgenommen werden sollen. Ich halte es für sehr problematisch, wenn wir im Namen der Verbesserung des Kinderund Jugendschutzes letztlich eine Einsparung beschließen sollten.

Der Gesetzentwurf wirft noch viele Fragen auf. Deshalb macht es unserer Auffassung nach keinen Sinn, das Gesetz im Schnelldurchlauf durchzupeitschen.

Nun habe ich noch zwei Minuten Redezeit, die mir die Gelegenheit geben, kurz auf den Beitrag der Kollegin Franzen zu reagieren. Wir als SSW sind nämlich nicht der Auffassung, dass die Jugendämter als zentrale Stelle fungieren sollten. Die Jugendämter haben auch über finanzielle Ressourcen zu entscheiden. Das führt in der Praxis dazu, dass medizinisch-psychologische Kriterien nicht immer die

einzige Rolle im Entscheidungsprozess spielen. Das ist zumindest die Erfahrung, die ich gemacht habe. Darum sind unserer Auffassung nach die Gesundheitsämter die geeignetere Stelle. Nur dort werden die Probleme der Kinder und Jugendlichen ausschließlich unter medizinisch-psychologischen Kriterien betrachtet.

Die Finanzierung der Maßnahmen muss sich nach dem Bedarf der Kinder und Jugendlichen richten und nicht umgekehrt. Dafür sind die Gesundheitsämter die geeignetere Stelle. Sie haben die Kompetenzen und in ihrer Arbeit eben keinen Zielkonflikt wie die Jugendämter.

(Beifall beim SSW)

Für die Landesregierung hat die Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren, Frau Dr. Gitta Trauernicht, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Kinderschutzgesetz wurde im November letzten Jahres mit einer breiten Mehrheit des Landtages auf den Weg gebracht. Diese konstruktive und schnelle Zusammenarbeit der Fraktionen in dieser wichtigen Sache hat mich besonders gefreut, weil es sich beim Thema Kinderschutz um ein Thema handelt, das mir ein besonders wichtiges politisches Anliegen ist. Ich teile die Einschätzung der Vorredner, von Ihnen, Herr Dr. Garg, dass dieses Kinderschutzgesetz Bewegungen in die Entwicklung gebracht hat, dass neue Akzente gesetzt wurden.

Wer wie ich in den letzten Wochen zahlreiche Veranstaltungen dazu gemacht hat, bekommt auch die Rückmeldung, dass es die Praxis der Jugendämter verändert hat, weil die Perspektive sehr viel stärker als in der Vergangenheit auf die Kleinsten gerichtet wird, auf den Anfang gerichtet wird, und deshalb die frühen Hilfen in einem doppelten Sinn eine enorme Wirkung entfalten.

(Beifall des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes am 1. April 2008 haben wir erste wichtige Erfolge zu verzeichnen. Ich nenne drei Punkte. Der erste Punkt: die verbindlichen Vorsorgeuntersuchungen. Wir sind hier sehr schnell vom Start weggekommen. Die Einführung des verbindlichen Einla

(Lars Harms)

dungswesens war eine beachtliche organisatorische Herausforderung, da es hierfür kein Vorbild gab und es sich angesichts der Gesamtdimension um eine große Herausforderung handelt. Umso zufriedener bin ich, dass das Landesfamilienbüro die Einführung für das verbindliche Einladungs- und Erinnerungswesen mit Bravour gemeistert hat. Es gibt bereits jetzt zahlreiche Anfragen aus anderen Ländern, die den Eindruck haben, dass wir hier ein wirklich vorbildliches System auf den Weg gebracht haben. Deshalb in diesem Sinn einen ganz herzlichen Dank auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser zentralen Stelle. Die enge Abstimmung mit Dataport ist wirklich vorbildlich gelaufen.

Bis heute wurden rund 5.600 Einladungen zu den Früherkennungsuntersuchungen verschickt, das heißt rechtzeitig genug, damit alle gesetzlichen Vertreterinnen und Vertreter für die im Mai anstehenden Untersuchungen bereits ein Schreiben vorliegen haben. Das ist ein guter Start, obgleich ich auch hier nicht verschweigen will, dass es teilweise Anfangsprobleme gibt. Ein Stichwort ist hier vor allem die gelieferte Datenqualität. Wir sind aber sicher, dass wir diese Mängel in kurzer Zeit behoben haben werden.

Zum zweiten Thema, der Mobilisierung der Zivilgesellschaft zum Schutz von Kindern. Wir alle haben gesagt, Kinderschutz brauche eine Kultur des Hinsehens. Misshandlung, Vernachlässigung und Missbrauch gehen alle an. Alle sind gefordert, zum Schutz von Kindern aktiv zu werden.

Wir können feststellen: Immer mehr Menschen gerade auch hier in Schleswig-Holstein - tun das erfreulicherweise auch. Deshalb war es unabdingbar, dass die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar und schnell Kontakt zu einem Jugendamt aufnehmen können, und zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit. Wir haben deshalb in einer ganz aktuell erstellten Broschüre gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden die entsprechenden Telefonnummern nach Kreisen sortiert aufgelistet. Diese Broschüre enthält Angaben zur Erreichbarkeit der Jugendämter zu jeder Tages- und Nachtzeit. Das ist auch ein vom Kinderschutzbund sehr begrüßter Schritt, denn bislang fehlte es an einer entsprechenden Transparenz. Das Kinderschutzgesetz schreibt es vor, eine landeseinheitliche Kinderschutztelefonnummer auf den Weg zu bringen, unter der zu jeder Tages- und Nachtzeit Fachkräfte erreicht werden können. Das haben wir vor.

Drittens. Wir lassen nicht nach bei der Fortbildung von Fachkräften. Damit Kindeswohlgefährdungen

frühzeitig erkannt und entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden können, brauchen wir in allen beteiligten Einrichtungen qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir haben einerseits eine Fortbildungsreihe Kindeswohlgefährdung und ASD, mit der wir inzwischen fast 1.000 Mitarbeiterinnen in Schleswig-Holstein erreicht und qualifiziert haben.

Andererseits haben wir inzwischen 51 Kinderschutzfachkräfte durch das Kinderschutzzentrum Kiel in Kooperation mit den Jugendämtern ausbilden lassen, die herausragende Kompetenzen haben. Wir werden in diesem und im nächsten Jahr weitere 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausbilden. Wir haben eine Fortbildung mit der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung auf den Weg gebracht, um Hebammen und Fachkräfte im Gesundheitswesen zu qualifizieren.

Für alle diese Maßnahmen und andere mehr muss Geld in die Hand genommen werden. Darüber waren wir uns in den Debatten über das Landeskinderschutzgesetz im vergangenen Jahr einig.

Als wir das Kinderschutzgesetz beschlossen haben, war der Haushalt 2008 aber bereits aufgestellt. Um in diesem Jahr dennoch die notwendigen Mittel einsetzen zu können, will ich im Rahmen des bestehenden Einzelplans für das Ministerium Ansätze umschichten. Dass Sie beanspruchen, über diese Umschichtungen genauestens informiert zu sein und die Wirkungen zu kennen, finde ich auch absolut legitim. Deshalb wird es morgen im Finanzausschuss eine entsprechende Information meines Hauses und eine Debatte dazu geben.

Insgesamt bitte ich um die Zustimmung des Parlaments zu den vorgelegten Änderungen beziehungsweise zu den Ergänzungen des Kinderschutzgesetzes und des Haushaltsschutzgesetzes. Ich erbitte diese Zustimmung auch und gerade von den Grünen, denn eben in der Debatte über die Kindertagesbetreuung haben Sie noch beklagt, dass keine Deckungsvorschläge vorgelegt wurden. Nun haben wir sie vorgelegt. Ich hoffe, dass Sie dies konstruktiv begleiten werden.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, die Drucksache 16/1994 an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

um sein Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Wahl der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichtes

Bericht und Beschlussempfehlung des Ausschusses zur Vorbereitung der Wahl der Mitglieder des Landesverfassungsgerichtes Drucksache 16/2010

Der Ausschuss zur Vorbereitung der Wahl der Mitglieder des Landesverfassungsgerichtes hat dem Landtag mit Drucksache 16/2010 einen Wahlvorschlag vorgelegt. Der Landtag hat sieben Mitglieder des Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichtes sowie deren persönliche Stellvertreterinnen und Stellvertreter in geheimer Wahl ohne Aussprache zu wählen. Für die Wahl ist die Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtags erforderlich. Das sind 46 Stimmen. Die vom Ausschuss vorgeschlagenen Personen begrüßen wir alle sehr herzlich oben auf der Tribüne. - Seien Sie uns alle sehr herzlich willkommen!

(Beifall)

Zum Wahlablauf darf ich folgende Hinweise geben: Wir beschließen über den Wahlvorschlag des Ausschusses in der Drucksache 16/2010. Wer dem Wahlvorschlag zustimmen will, kreuzt Ja an. Wer ihn ablehnen will, kreuzt Nein an. Wer sich der Stimme enthalten will, kreuzt Enthaltung an. Ich mache deshalb darauf aufmerksam, weil in diesem Fall Stimmenthaltungen die gleiche Wirkung haben wie Nein-Stimmen.

Die Mitglieder des Landtages werden durch die Schriftführerinnen und Schriftführer aufgerufen und gehen dann bitten außen um den Ring des Plenarsaals herum zum Saaldiener. Dort werden wir Ihnen die jeweiligen Stimmzettel aushändigen. Gehen Sie dann bitte einzeln in die Wahlkabine. Nach Abgabe Ihrer Stimme bitten wir, den Stimmzettel zu falten und ihn in die Wahlurne zu meiner Rechten zu werfen.

Ich bitte alle Mitglieder des Landtages, darauf zu achten, dass das Kreuz auf dem Stimmzettel korrekt gekennzeichnet wird, sodass wir keine Zweifel an der Gültigkeit Ihrer Stimme haben. Wer den Stimmzettel beschädigt, verändert oder mit Zusätzen oder mit anderen Kennzeichen versieht, macht

ihn ungültig. Es ist daher auch nur der in den Wahlkabinen bereitliegende Stift zu nutzen, Herr Kollege Kubicki. Die Verwendung eines anderen Schreibgerätes ist als eine unzulässige Kennzeichnung anzusehen, die zur Ungültigkeit des Stimmzettels führt. Die Mitglieder des Landtages bitte ich, bis zum Aufruf ihres Namens auf ihren Plätzen zu verweilen und nach Abgabe ihrer Stimme gleich wieder ihre Plätze einzunehmen. - Das gilt auch für den Kollegen Arp.

Bevor wir in den Wahlgang eintreten, bitte ich den Kollegen Koch, sich davon zu überzeugen, dass die Wahlurne leer ist.

(Tobias Koch [CDU]: Ja, das kann ich bestä- tigen!)

Danke. Damit wird der Wahlakt eröffnet. Ich bitte die Schriftführer, nunmehr die Namen aufzurufen.

(Namensaufruf und Stimmzettelabgabe)

- Meine Damen und Herren, bevor ich die Wahlhandlung beende, frage ich Sie, ob noch eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter im Saal ist, die oder der noch nicht seine Stimme abgegeben hat. - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann ist der Wahlakt damit beendet.

Ich unterbreche die Sitzung zur Auszählung der Stimmzettel für etwa fünf Minuten.

(Unterbrechung: 12:17 bis 12:20 Uhr)

Meine Damen und Herren, die Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich gebe das Ergebnis der Wahl bekannt. Abgegebene Stimmen: 64, gültige Stimmen: 64, also keine ungültigen Stimmen, Jastimmen: 64.

(Lebhafter Beifall)

Der Wahlvorschlag ist damit einstimmig angenommen worden. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit ist damit natürlich gegeben.

Die im Wahlvorschlag Drucksache 16/2010 genannten Bewerberinnen und Bewerber sind damit gewählt. Da die Kandidatinnen und Kandidaten bereits vorher ihre Zustimmung zur Übernahme des Amtes erklärt haben, erübrigt sich die Frage, ob sie die Wahl annehmen. Ich beglückwünsche Sie alle im Namen des ganzen Hauses sehr herzlich zu Ihrer Wahl und wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Erfüllung Ihrer Arbeit. - Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall)

(Präsident Martin Kayenburg)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 31 und 36 auf:

Gemeinsame Beratung