Dabei wird es auch um die Entwicklungspolitik gehen. Hier gibt es durchaus auch für die deutsche Entwicklungspolitik Ansatzpunkte. Möglicherweise sind deutsche Gelder für die Entwicklungshilfe, die heute an China ausgezahlt werden, besser angelegt, wenn man sie afrikanischen Küstenstaaten zukommen lässt, um sie vor der Leerfischung ihrer ehemals fischreichen Küstengewässer durch chinesische Schwarzfangflotten zu schützen. Dies ist nur ein Beispiel.
Es geht aber auch um Maßnahmen, die wir in Schleswig-Holstein ergreifen können. Da ist zum einen die Forderung, der Initiative „Countdown 2010“ der Weltnaturschutzorganisation IUCN beizutreten. Als Vorbild haben wir hier andere Bundesländer wie Baden-Württemberg und NordrheinWestfalen, aber auch die Niedersächsischen Staatsforsten, die dieser Initiative bereits beigetreten sind beziehungsweise dies planen. Auch über den eher symbolischen Akt, 1.000 Patenschaften für den Tier- und Artenschutz zu unterstützen, können wir gern reden. Wir sollten aber auch eine systematische landesweite Erfassung verschiedener Arten mit einheitlicher Methodik durchführen lassen, wo dies noch nicht geschehen ist.
Im Bereich der Reptilien ist dies bisher zumindest nicht erfolgt, wenn den Broschüren der Landesregierung Glauben geschenkt werden kann. Insgesamt sollten wir heute nicht über den Antrag ab
stimmen. Wir sollten die konkreten Vorschläge der Grünen in den Ausschuss überweisen und vor einer Abstimmung zunächst die Ergebnisse abwarten, die uns der Bericht der Landesregierung in der 35. Tagung präsentieren wird. Möglicherweise können wir dann alle gemeinsam weitere Maßnahmen erarbeiten und dem Antrag der Grünen hinzufügen oder Vorschläge der Grünen ersetzen, um letztlich den Erhalt der Artenvielfalt in Schleswig-Holstein zu sichern.
Ich danke Herrn Abgeordneten Hildebrand. - Für den SSW im Landtag erhält nun Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der weltweite Rückgang und das Verschwinden von Ökosystemen und Lebensräumen und das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten schreitet Jahr für Jahr voran. Die Wissenschaft geht davon aus, dass in den letzten 300 Jahren „nur“ alle zehn Jahre eine Art verschwand. Gegenwärtig geht in Deutschland durchschnittlich jedes Jahr je eine Pflanzen- und Tierart verloren. Anhand der Roten Listen können wir bereits heute sehen, welche Arten als gefährdet eingestuft werden. Die rasante Entwicklung beim Artensterben lässt befürchten, dass binnen weniger Jahrzehnte Flora und Fauna um 60 % bis 90 % schwinden.
Wesentliche Gründe hierfür sind landwirtschaftliche Monokulturen und die Versiegelung von Natur und Landschaft, die Trockenlegung von Feuchtgebieten und Mooren oder die Zerstörung von Gewässersystemen, das unkontrollierte Jagen und Sammeln sowie Überfischung, Verschmutzung, Klimaveränderung oder die Verdrängung einheimischer Arten durch eingebürgerte Arten.
Überwiegend durch den mittelbaren oder unmittelbaren Eingriff des Menschen in den Naturhaushalt kommt es zum Biotop- und Artensterben. Besonders betroffen sind hierbei in erster Linie spezialisierte Arten und Lebensräume, die empfindlich auf Einwirkungen von außen reagieren. Die Wissenschaft macht bereits seit Längerem auf die rasante Entwicklung beim Artensterben aufmerksam. Aber man gewinnt den Eindruck, dass erst durch die umfangreichen Klimadiskussionen der jüngsten Zeit eine neue Sensibilität auch für bedrohte Arten und Lebensräume geweckt wurde.
Wie auch immer, es ist gut und richtig, dass wir uns ausführlich mit dem komplexen Thema Erhalt der biologischen Vielfalt auch politisch auseinandersetzen, um Wege zu finden, wie dem Artensterben entgegengewirkt werden kann. Die Gründe für das Artensterben sind uns hinlänglich bekannt. Leider fehlt es an der Umsetzung von konkreten Maßnahmen, um die Entwicklung aufzuhalten.
Im ersten Punkt des Antrages der Grünen wird gefordert, besondere Anreize für Bürger zu schaffen, um die ehrenamtliche Tätigkeit im Natur- und Umweltschutz zu stärken sowie 1.000 Patenschaften zu unterstützen. Gegen derartige Initiativen kann man grundsätzlich keine Einwände haben, aber die Grünen bleiben uns die Antwort schuldig, wie die Forderungen konkret ausgestaltet, finanziert und umgesetzt werden sollen. Konkrete Maßnahmen sind aus Sicht des SSW wesentlich effizienter, um entsprechende Erfolge zu erzielen. Maßgeblich zu nennen ist hierbei das europäische Netz NATURA 2000 und insbesondere die Fauna-Flora-Habitatrichtlinie, die vorschreibt, alle für Europa typischen wildlebenden Arten und natürlichen Lebensräume in einen günstigen Erhaltungszustand zu bringen. Auch konkrete Naturschutzmaßnahmen, die zur Verbesserung der Artenvielfalt beitragen, sind aus unserer Sicht besser geeignet, um Erfolge zu erzielen. Wir halten es für durchaus angebracht, im Rahmen derartiger Maßnahmen die ehrenamtliche Arbeit im Natur- und Umweltschutz zu stärken.
Was die 1.000 Patenschaften angeht, macht die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage der Grünen zur Biodiversität deutlich, dass die Anstrengungen der Landesregierung noch größer sein könnten. Im Rahmen des Jubiläumsprojektes des LandFrauenVerbands Schleswig-Holstein wurden insgesamt 60 Patenschaften - das sind meines Wissens die einzigen - unterstützt. Dieses Engagement des LFV ist durchaus bemerkenswert. Jedoch macht es deutlich, dass hier noch viel mehr geleistet werden kann als bisher, wenn insgesamt 1.000 Patenschaften vergeben werden sollen. Vordringlich sehe ich hierbei aber die Unterstützung von Naturschutzorganisationen als Ansprechpartner für derartige Projekte.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Initiative der Landesregierung zur biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein Früchte tragen wird, damit das Bewusstsein in der Bevölkerung für die biologische Vielfalt geschärft und das Engagement hierfür geweckt wird. Generell bleibt festzuhalten, dass die Landesregierung das Problem erkannt hat und auch initiativ geworden ist.
In dieses Bild passt auch die erarbeitete Nationale Strategie der Bundesregierung zur biologischen Vielfalt zur Umsetzung des UN-Übereinkommens, die rund 330 Ziele und rund 430 Maßnahmen zu allen relevanten Themen enthält. Wichtig ist hierbei, dass diese nationalen Bestrebungen alle gesellschaftlichen Akteure einbeziehen und die Maßnahmen umgesetzt werden. Hier hat die Landesregierung eine Verantwortung, dass die Nationale Strategie auch in Schleswig-Holstein erfolgreich verläuft.
Wenn Schleswig-Holstein seine Maßnahmen zum Erhalt der biologischen Vielfalt wirklich umsetzt, sollte aus Sicht des SSW nichts dagegen sprechen, der Initiative „Countdown 2010“ der Weltnaturschutzorganisation IUCN beizutreten und schon vorhandene Projekte unter diese Initiative zu stellen. Damit würde die Landesregierung mit gutem Beispiel vorangehen und deutlich machen, dass sie es ernst meint, den Artenverlust bis 2010 zu stoppen, und dafür auch werben will.
Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms. - Für die Landesregierung erhält nun der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Dr. Christian von Boetticher, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich zunächst ganz herzlich für diese sehr ernsthaft geführte Debatte bedanken. Ich glaube, sie zeigt, dass dieses Thema in allen Fraktionen einen sehr hohen Stellenwert hat.
Herr Matthiessen, das unterscheidet sich ein bisschen von Ihrem Beitrag, der eine alte ökologische Grabenkampfrede der 80er- und 90er-Jahre war, die eigentlich schon überwunden ist. Irgendwie gelten Sie damit auch als aussterbende Art. Denn wenn Sie einmal nach Hamburg gucken, sind andere Grüne in der Bundesrepublik schon viel weiter. Ich weiß gar nicht, wie Sie das Ihren Wählern erklären wollen, dass man dort eine Koalition mit dem Erzbösen eingeht, das Sie an dieser Stelle immer noch so schön pflegen.
Sie auch nicht getan, Sie haben noch nicht einmal zu Ihrem eigenen Antrag Stellung genommen -: Sie rennen damit natürlich offene Türen ein. Hier in Kiel könnte man sagen, Sie tragen Schiffe nach Kiel.
Besondere Anreize für ehrenamtliche Arbeit, für Patenschaften - das wissen Sie natürlich -, gibt es in diesem Land schon lange. Der ehrenamtliche Naturschutz hat nicht nur eine über 100-jährige Tradition, er wird schon seit vielen Jahren und auch jetzt - in einer für das Land finanziell nicht einfachen Zeit - von uns mit über 1 Million € gefördert. Wir hatten gerade im März die jährliche Betreuertagung mit über 140 Anwesenden, die sich ehrenamtlich vor Ort im Naturschutz einsetzen. Frau Todsen-Reese hat schon darauf hingewiesen, dass wir von „GEO“ zu Recht für diesen sehr hohen Anteil an ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern im Naturschutz gelobt worden sind.
Darum muss der Naturschutz und der ehrenamtliche Naturschutz auch nicht aus einem Schlummer geweckt werden. Die Unterstützung hatte und hat nach wie vor einen hohen Stellenwert. Gerade diese Arbeit leistet Erstaunliches. Im Übrigen hat uns die Europäische Union aufgefordert, auch auf der großen UN-Konferenz die positiven Beispiele zu nennen, die wir im Zusammenwirken mit Politik und Regierung auf der einen Seite und mit dem Ehrenamt auf der anderen Seite erreicht haben.
Ich nenne hier einmal die Pflege der Tümpel, das Aufhängen und Kontrollen von Fledermauskästen, die Mahd von Orchideenwiesen nur mit der Sense, die Kennzeichnung der Gelege der Seeschwalben am Strand und die Vogelzählung - übrigens auch eine große Tradition in Schleswig-Holstein. Ich weiß, dass schon mein Großvater in den 50er-Jahren Vogelzähler auf Amrum war. Auch heute noch kommen viele Menschen aus der Bundesrepublik für diese Aufgabe hierher. Wir haben große Erfolge beim Schutz der Eule, des Seeadlers und beim Schutz des Otters, weil sich Menschen dafür ehrenamtlich engagieren. In Ihrem Sinne könnte man sagen, sie übernehmen Patenschaften.
Herr Matthiessen, ich freue mich im Übrigen, dass Sie einer der sehr eifrigen Leser unserer Koalitionsvertrages sind, denn die geforderten 1.000 Patenschaften sind nichts Neues.
Vieles ist in diesem Land geschehen. Ich denke daran, dass beispielsweise heute Landfrauen Patenschaften übernehmen. Angesichts des 60. Geburtstages des LandFrauenVerbandes gab es diese 60 Patenschaften für Wildpflanzen in Schleswig
Holstein. Sie haben mit fachkundiger Unterstützung des LANU heimische Wildpflanzen herangezogen und sie dann auf geeigneten Flächen ausgesetzt.
Ich darf beispielhaft noch ein anderes Projekt nennen, das wir jährlich unterstützen. Das ist die Nussjagd, wo Tausende von Kindern aus Schulen und Kindergärten Haselnüsse in Schleswig-Holstein suchen, um die hier selten gewordene Haselmaus nachzuweisen. Auch das ist ein Beispiel dafür, dass Kinder Patenschaften übernehmen, dass sie sich anstrengen, dass sie sich für den Artenschutz engagieren.
Ich glaube, in diesem Land tut sich eine ganze Menge. Sie sollten die Augen davor nicht verschließen, dass Menschen in ganz unterschiedlichen Bereichen ehrenamtlich im Naturschutz aktiv werden.
Lassen Sie mich noch ein Wort zu der Initiative „Countdown 2010“ der IUCN sagen. Wenn wir eine Umfrage durchführen und hier im Haus und auf der Straße fragen würden, was die IUCN ist, würde es wahrscheinlich ein relativ erschütterndes Ergebnis geben. Das freut mich auch nicht, denn das ist eine sehr ehrenwerte Initiative. Aber es ist eine von vielen Initiativen, die sich bestimmte Ziele gesetzt hat.
Nun kann man zwei Dinge machen: Man kann beitreten und darüber reden, dass man viel Gutes tun möchte, oder man kann viel leisten, ohne beizutreten. Wir haben uns für den zweiten Weg entschieden. Vielleicht ist das ein bisschen unsere norddeutsche zurückhaltende Art. Ich möchte die Initiative nicht schlechtreden. Aber mir ist es nicht so wichtig, dass man irgendwo beitritt und darüber redet, was man vielleicht tun möchte, sondern mir ist es eher wichtig, dass man konkrete Dinge auf den Weg bringt.
Ich freue mich über Ihre Aufforderung zu diesem Bericht, den ich hier sehr gern geben werde. Wir werden dann anhand des Berichtes gemeinsam analysieren können, was noch zu tun ist. Ich bin immer für Anregungen für den Artenschutz dankbar. Aber, lieber Kollege Matthiessen, Sie müssen dann konkret sein und sich nicht nur auf rein populistische, alte Äußerungen beschränken. Da muss dann ein bisschen mehr kommen.
Wenn ich das Plenum richtig verstanden habe, wollen Sie dem Berichtsantrag heute zustimmen und den anderen Antrag überweisen. Dann schlage ich vor, den Antrag Drucksache 16/2025 - das ist der Berichtsantrag zur 35. Tagung - abweichend von der Geschäftsordnung nach § 75 der Geschäftsordnung zu einem selbstständigen Antrag zu erklären. Widerspruch sehe ich nicht. Dann können wir so verfahren. - Wer diesem Berichtsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das haben fast alle getan, dann ist das so beschlossen.
Dann gibt es den Wunsch auf Ausschussüberweisung. Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 16/2000 (neu) dem Umwelt- und Agrarausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen.
Bevor ich Sie in die Mittagspause entlasse, möchte ich einen geschäftsleitenden Hinweis machen. Die Parlamentarischen Geschäftsführer haben sich darauf geeinigt, dass die Tagesordnungspunkte 34 und 35 gemeinsam zur Beratung aufgerufen werden sollen, und zwar um circa 16:30 Uhr. Wir würden dann für die Tagesordnungspunkte ein bisschen mehr Zeit, wir haben da an sieben Minuten gedacht, verwenden. Es geht um 15 Uhr verabredungsgemäß weiter mit den Tagesordnungspunkten 38 und 53, Kohlestrom/Neubau von Kohlekraftwerken in Schleswig-Holstein.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung wieder und rufe die Tagesordnungspunkte 38 und 53 zur gemeinsamen Beratung auf.