Protokoll der Sitzung vom 25.04.2008

Im Übrigen leisten auch Politiker oder Minister gleich welcher Couleur ordentliche Arbeit. Auch Sie leisten ordentliche Arbeit.

(Zurufe von der SPD)

- Doch, das ist schon so. Man sollte gefälligst Respekt vor der Leistung haben, die wir und die Sie als Politiker für die Öffentlichkeit erbringen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Aber nicht Herr Stegner!)

Kollege Garg, da Sie mich gerade ansprechen, nenne ich noch das Stichwort Kombilöhne. Kombilöhne dürfen nicht, wie der Kollege Baasch das sagte, zu einer Geschäftsidee mutieren. Kombilöhne sind vielmehr eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme, um Menschen für begrenzte Zeiträumen wieder in Arbeit zu bringen. Nur dann, wenn Menschen ihr Leben lang davon leben müssen, dass der Staat sie alimentiert, was aber wirklich nur eine Alimentation ist, ist etwas nicht richtig gelaufen, und zwar sowohl für den Staat als auch für den Beschäftigten. Der Beschäftigte wird ewig abhängig sein, und der Staat wird ewig zahlen müssen. Das ist wirklich Sozialismus, das wollen wir alle hier nicht.

Worum geht es eigentlich bei ordentlichen Löhnen? Es geht darum, dass Unternehmen in einem fairen Wettbewerb stehen. Es geht immer noch darum, dass die Unternehmen hier in Deutschland fair und nicht durch Dumpinglöhne konkurrieren können. Unser System ist so aufgebaut, dass die Sozialkassen überleben können. Das wollen wir auch. Das geht aber nur, wenn auch Geld in die Kassen fließt. Je höher die Löhne sind, desto mehr Geld fließt auch in die Sozialkassen und desto mehr Möglichkeiten haben wir als Politiker, sozial gerecht zu handeln.

(Jürgen Weber)

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der, dass Beschäftigte gerechte Löhne bekommen, von denen sie entsprechend leben können. Für mich ist es ein Menschenrecht, dass Menschen von ihrer Hände Arbeit, die sie in 40 Stunden in der Woche erbringen, leben und ihre Familien durchbringen können.

(Beifall bei SSW und SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, der Markt regelt eben nicht alles. Vielmehr muss der Markt zum Wohl der Menschen geregelt werden. Das muss die Maxime sein.

(Beifall bei SSW und SPD)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist wichtig, richtigzustellen, dass die Fraktionen von Rot-Grün nicht erst jetzt, sondern schon weit vor dem Jahr 2005 angefangen haben, sich für Mindestlöhne einzusetzen. Der Kollege Weber hat es eben gesagt. Das Entsendegesetz, das dies für bestimmte Branchen regeln soll, besteht schon länger. Mindestlöhne sind aber nicht nur eine Erfindung von Rot-Grün. Vielmehr werden Mindestlöhne in der Wirtschaft - zum Beispiel in der Baubranche - von den Unternehmen und von den Arbeitnehmern gemeinsam getragen. Im Baubereich sind wahrlich nicht alles Sozialisten, die dort Unternehmen haben.

(Beifall bei SPD und SSW)

Der verbindliche Tariflohn ist im Osten und im Westen Deutschlands noch unterschiedlich. Der verbindliche Tariflohn regelt jedoch, dass man den Wettbewerb organisiert und dass man sich nicht mit Billigarbeitskräften gegenseitig kaputt konkurrieren will. Das ist zumindest im Baubereich tariflich geregelt. Überall dort, wo das nicht tariflich geregelt wird, wollen wir tarifliche Regelungen haben. Wenn das aber nicht geht, dann soll es einen Mindestlohn geben. Den organisieren wir im Moment, und zwar auch gemeinsam mit den Kollegen der Großen Koalition in Berlin, indem wir das Entsendegesetz geöffnet haben. Weitere acht Branchen mit über 1,5 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gehen dieses Entsendegesetz an, weil man das in diesen Unternehmen so will. Das zeigt, dass wir das brauchen. Das zeigt, dass das richtig

und notwendig ist. Daher glaube ich, dass die Große Koalition in Berlin hier gute Arbeit leistet.

(Beifall bei der SPD)

Ich beziehe mich nun noch einmal auf die Arbeitsmarktreform, da man die Dinge hier fröhlich durcheinander würfeln kann. Warum haben wir bis 1998 auf kommunaler Ebene Beschäftigungsgesellschaften aufbauen müssen? Warum haben wir bis 1998 regionale Arbeitsmarktprogramme - wie Sie auch der Kollege Garg mit ASH I, II und III aufgezählt hat - entwickeln müssen? Wir mussten dies tun, weil man sich bis 1998 unter der Mitverantwortung der liberalen Partei in der Bundesregierung auf Bundesebene überhaupt nicht um die Arbeitsmarktpolitik gekümmert hat. Man hat den Kommunen alles überlassen. Man hat nichts gemacht, und da waren Sie in der Verantwortung. Sie als FDP waren mit der größte Bremser in dieser Frage.

(Beifall bei der SPD)

Dann war es notwendig, kommunal und regional gegenzusteuern. Das haben wir in Schleswig-Holstein, wie ich glaube, gut auf die Reihe gekriegt. Unsere Arbeitsmarktpolitik hat sich sehen lassen können. Die Ergebnisse, die wir heute im Bereich der Arbeitsmarktpolitik zu verzeichnen haben, auch was die Zusammenarbeit im Rahmen der Große Koalition hier in Kiel angeht, sind meines Erachtens vernünftig. Die Reden von der FDP sind Ausdruck populistischer Schauspielerei. Das hat sehr viel von Gregor Gysi; das gebe ich zu. Da passen Sie zusammen. Das ist auch in Ordnung. Das, was Sie geliefert haben, war aber nicht von Sachkenntnis und von dem Willen, am Arbeitsmarkt Fortschritte zu erzielen, gekennzeichnet.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Hans-Jörn Arp das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als das Thema der Versorgung mit Postdienstleistungen und der vereinbarten Tarife auf die Tagesordnung gesetzt wurde, war eigentlich klar, dass wir mit Sicherheit auf das Thema Mindestlohn zu sprechen kommen. Das war so gewollt, und wahrscheinlich war der Zeitpunkt dafür auch richtig gewählt. Wir tagen hier öffentlich. Was wir sagen,

(Lars Harms)

verfolgen nicht nur die Zuschauer auf der Tribüne hier im Saal, sondern verfolgt auch die Öffentlichkeit.

Ich weiß nicht, wie die 40.000 Menschen, die in den letzten drei Jahren in Schleswig-Holstein sozialversicherungspflichtige Arbeit bekommen haben, diese Debatte hier empfinden. Ich weiß auch nicht, wie die über 100.000 Menschen, die nach wie vor arbeitslos sind, diese Debatte aufnehmen, und wie diese Debatte bei ihnen ankommt.

Herr Dr. Höppner, hier war von Menschenwürde die Rede. Für mich ist Arbeit ein Teil von Menschenwürde.

(Beifall bei CDU und FDP)

Es ist besser, wenn jemand Arbeit hat - von mir aus auch im Rahmen eines Kombilohnmodells -, als wenn er keine Arbeit hat. Es ist besser, wenn jemand bei der Arbeit mit der Unterstützung des Staates anfängt, als wenn er zu Hause bleibt. Das ist die Botschaft, die von diesem Haus hier heute ausgehen muss.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Dr. Stegner, die Würde des Menschen ist unantastbar. Arbeit ist ein Teil der Würde, die wir jedem Menschen, der draußen keine Arbeit hat, zu vermitteln haben. Das ist unsere Aufgabe.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir sollten hier also keine ideologischen Sprüche machen. Sie sollten heute nicht so tun, als hätten Sie mit Maßnahmen, die Sie alle in Berlin oder hier in Kiel mitgetragen haben, nichts zu tun. Sie sollten darauf verzichten, hier eine andere Soziallehre vorzustellen, deren Realisierung Sie nicht bezahlen können. Dadurch können die Menschen nicht in Arbeit gebracht werden. Insofern waren Ihre Aussagen heute hier von Falschheit gekennzeichnet.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Beitrag des Kollegen Arp hat mich veranlasst, noch einmal an das Rednerpult zu treten. So kann man natürlich nicht argumentieren.

(Beifall bei SSW und SPD - Dr. Heiner Garg [FDP]: Genau so muss man argumentieren!)

Ich komme hier auf Ihren schönen Slogan bei der Bundestagswahl zurück: Was Arbeit bringt, ist sozial. - Das stimmt natürlich nicht, denn nicht alle Arbeit ist auch sozial und Ausdruck sozialer Gerechtigkeit und sozialer Verantwortung.

(Beifall bei SSW und SPD)

Die Menschen, von denen Sie vorhin sprachen, lieber Herr Kollege Arp, wissen ganz genau, dass die Arbeit, die sie haben, schlecht bezahlt und unwürdig ist. Wenn Sie sich die Statistik anschauen, wissen Sie auch, dass es in der Bundesrepublik mittlerweile eine große und wachsende Gruppe von Menschen gibt, die nicht mit einem Gehalt auskommen, die drei, vier oder fünf Arbeitsstellen haben müssen. Die Bundesrepublik hinkt in dieser Hinsicht mittlerweile nur wenig Amerika hinterher. Darum ist es natürlich richtig, als Konklusion aus dieser Debatte festzustellen, dass nicht alles, was Arbeit bringt, sozial ist. Wir müssen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze haben, wir müssen nach Tarif bezahlte Arbeitsplätze haben.

(Beifall bei SSW und SPD)

Die Menschen in diesem Land - das sollte vielleicht auch ein Ausdruck von Selbstkritik bei der Arbeitnehmerschaft sein - haben in diesem Land noch nicht begriffen, dass sie in einer globalisierten Welt eine stärkere Stellung haben, wenn sie sich gewerkschaftlich organisieren. Das hat man hier noch nicht begriffen. Vor diesem Hintergrund sagen wir: Wir brauchen einen Mindestlohn, wenn die Tariflöhne nicht ausreichend sind. So ist es, und so muss es sein.

Sich hier hinzustellen und zu fragen, wie die Debatte hier bei den Menschen draußen ankommt, ist nun wirklich Populismus. Es ist zwar etwas anderes als das, was wir vorhin gehört haben, aber Populismus ist es allemal.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage in Drucksache 16/1848 dem Wirtschaftsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen.

(Hans-Jörn Arp)

Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist es einstimmig so beschlossen.

Abweichend von der Tagesordnung rufe ich nunmehr den Tagesordnungspunkt 41 a auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwicklung und Verbesserung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein (Kinderschutzgesetz)

Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/2036