Insoweit besteht Übereinstimmung. Es gibt aber auch Punkte, in denen es einen Dissens gibt. Ich nenne hier zunächst die Frage des Bildungswesens. Wir haben eine strukturelle Unterfinanzierung im Bildungswesen. Das wissen wir seit einigen Jahren. Das betrifft sowohl die Ganztagsschulen und die Hochschulen mit den zu erwartenden steigenden Studierendenzahlen als auch die Kindertagesstätten. Wir wissen, dass wir diese strukturelle Aufgabe bei der jetzigen Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern nicht werden lösen können. Darüber muss man sich klar sein. Wir werden den nationalen Auftrag im Bereich des Bildungswesens nicht erfüllen können, wenn der Bildungspakt nicht finanziell abgesichert wird. Deswegen haben wir diesen Punkt in unseren Antrag aufgenommen. Wir halten es für notwendig, dass über diesen Punkt ebenfalls gesprochen wird, wenn wir zu einer nachhaltigen Lösung kommen wollen.
Wir haben uns entschieden, in der Frage einer Bundessteuerverwaltung eine andere Positionierung vorzunehmen. Man kann sich über die Einführung einer Bundessteuerverwaltung natürlich streiten. Wenn der Bundesrechnungshof sagt, eine Bundessteuerverwaltung bringe Mehreinnahmen beziehungsweise Minderausgaben in Höhe von jährlich 11,5 Milliarden €, dann ergeben sich dabei für Schleswig-Holstein 380 Millionen €. Wir sollten dann doch bitte eine Bundessteuerverwaltung einführen und nach dem Konnexitätsprinzip verfahren. Wir bekommen dann Geld, um den Bildungspakt zu finanzieren. Ich finde, das ist ein Vorschlag, den man dem Bund gegenüber sehr gut machen kann. Wir sollten darüber einmal reden. Ein entsprechender Vorschlag ist gemacht worden. Der Bundesrechnungshof hat die entsprechenden Zahlen vorgelegt. Ich halte das für eine gute Verhandlungsgrundlage, um genau über diese Frage zu sprechen.
Wir brauchen eine Lösung, die tragfähig ist. Ich verstehe nicht, warum die Große Koalition den aufgezeigten Weg bei dem Thema Bundessteuerverwaltung und Bildungspakt nicht mit beschreiten
will. Schleswig-Holstein darf keinem Kompromiss zustimmen, der die Probleme nicht löst. Die appelliere eindringlich an alle Vertreter, sich für eine Lösung in dem aufgezeigten Sinn einzusetzen. Ich bitte insofern um Zustimmung zu unserem Antrag.
Ich bitte, über die beiden Anträge einzeln abzustimmen. Wir sind selbstverständlich bereit, auch dem Antrag der Regierungsfraktionen zuzustimmen, denn die Punkte, die in diesem Antrag enthalten sind, kommen auch in unserem Antrag vor. Unser Antrag beinhaltet allerdings zwei darüber hinausgehende Punkte. Ich bitte, noch einmal ernsthaft zu prüfen, ob wir uns nicht auf unseren Antrag einigen können. Ich halte es für essentiell, dass wir über die darin angesprochenen Fragen reden.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel. - Für die SPD-Fraktion hat nun deren Vorsitzender, Herr Abgeordneter Dr. Ralf Stegner, das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Beim Thema Föderalismuskommission II geht es um nicht mehr und um nicht weniger als um existenzielle Interessen des Landes Schleswig-Holstein. Herr Kollege Kayenburg, deswegen begrüße ich außerordentlich, was Sie gesagt haben. Was Sie gesagt haben, entspricht in vollem Umfang der Haltung der SPD-Fraktion. Ich finde es sehr erfreulich, dass hier von Herrn Kollegen Hentschel soeben zum Ausdruck gebracht wurde, dass es bei allen eine Verantwortung für dieses Land gibt und dass es gut wäre, wenn wir diese Verantwortung gemeinschaftlich wahrnähmen.
Ich teile auch ausdrücklich die Position, die zu diesen Punkten öffentlich von dem Finanzminister und gestern vom Ministerpräsidenten vorgetragen worden ist, wobei von mir die identische Position der SPD-Fraktion dargelegt worden ist.
Es ist klar, dass man über die Frage streiten kann, was man als Erfolg von solchen Unternehmungen bewertet. Wenn man sich die Untersuchung anguckt, die über die Länder Bremen, Saarland und Schleswig-Holstein durchgeführt worden ist, will ich das auch nicht alles in Bausch und Bogen ver
werfen. Da sind durchaus interessante Aspekte drin. Allerdings muss ich schon sagen, das Ergebnis, was der Bund Bayern und Berlin in der Bewertung vorlegt, hat mit der Realität in Schleswig-Holstein überhaupt nichts zu tun. Die Szenarien sind zum Teil meilenweit von dem entfernt, was da vorstellbar ist. Man schönt die Einnahmen gewaltig, weit über das hinaus, was wir in den letzten 20 Jahren hatten, und sagt dann: Wenn ihr weniger tätet, dann würde das doch gehen. Was heißt das denn? Das heißt doch, dass wir die Ausgaben in dem Bereich haben, den wir gar nicht beeinflussen können, aber sie dort kürzen sollen - zum Beispiel bei Bildung, Wissenschaft oder in anderen Bereichen -, wo wir unseren Abstand noch mehr vergrößern würden. Das bedeutet das Gleiche, was wir vorhin in der Debatte hatten, dass wir uns in eine Position bringen, wo wir gar nicht mehr existieren könnten. Wer so etwas tut, würde als demokratische Partei sträflich handeln, weil dann die Bürger dieses Landes sagen würden, dass sie extremistische Parteien wählen müssen, wenn die demokratischen Parteien so etwas tun. Es ist überhaupt nicht vertretbar, dies zu tun, und deswegen werden wir das auch nicht tun.
Ich muss auch ehrlich sagen, dass ich es nicht besonders lustig finde, wenn ich Ratschläge von jemandem bekomme, der 1.500 oder 1.600 € pro Bürger an Zuschüssen durch den Länderfinanzausgleich und Sonderhilfen bekommt, während wir 59 € kriegen. Da kann ich leicht dicke Backen machen und so reden, wie das der eine oder andere tut. Das hat wirklich nichts mit der Realität zu tun. Deswegen muss man die Ausgaben sehen, die wir gar nicht verändern können.
Der deutsche Kabarettist Werner Finck hat einmal gesagt, der Staatshaushalt sei ein Haushalt, in dem alle essen möchten und niemand Geschirr spülen will. Da ist ein bisschen was dran. Deswegen haben wir in dieser Föderalismuskommission - auch da teile ich ausdrücklich die Position des Finanzministers - einen Vorschlag gemacht, der auch von Uwe Döring und anderen in der gleichen Weise vorgebracht worden ist und der einen Beitrag zur Lösung des Problems leisten soll. Der Vorschlag sagt nicht, dass die Schleswig-Holsteiner wollen, dass andere ihnen helfen. Wir strengen uns ja auch in vielen Punkten an. Der Vorschlag sagt, wir wollen das Problem lösen und nicht vertagen. Wann, wenn nicht jetzt? Dazu müssen auch die Vertreter der Volksparteien die Kraft haben, dies zu tun. Da geht es nicht um ein Partikularinteresse Schleswig-Holsteins.
Auf eines muss man auch hinweisen. Es sind gar nicht nur Schleswig-Holstein, das Saarland oder Bremen. Andere sind kaum besser dran. Manche tun so, als seien sie viel besser dran, aber das sind sie gar nicht. Wenn ich den Solidarfonds einmal wegnehme, was bleibt dann für Länder wie Mecklenburg-Vorpommern oder andere übrig? Man muss sehr vorsichtig sein.
Wir können uns über die Begrenzung von Staatsausgaben verständigen, aber nur, wenn die Altschuldenproblematik vernünftig gelöst wird. Ich will als Vertreter der SPD-Fraktion im Landtag auch sagen: Was nicht infrage kommen kann, ist, dass man unter Druck gesetzt wird und es so dargestellt wird, als wolle man etwas Besonderes haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Fraktionen dieses Landtages - ich sage das einmal für meine Fraktion; ich bin aber sicher, das gilt auch für die Union und die Grünen und für andere auch - die Hand für eine Verfassungsänderung heben würden, wenn wir uns sozusagen den Strick um den Hals legen lassen würden, der dann langsam zugezogen wird. So etwas machen wir nicht mit, und das wird dieser Landtag auch deutlich zurückweisen.
Ich will deswegen der Überschrift dieses Antrages nicht zustimmen, ansonsten kann man über vieles reden. Ich will nicht alles tun, um diese Föderalismuskommission zum Erfolg zu führen. Wenn es den Interessen des Landes widerspricht, muss man am Ende auch Nein sagen können, wenn es nötig ist.
Ich habe eben eine Presseerklärung des Herrn Oppositionsführers gelesen, in der er sagt, Carstensen werde fürs Handeln bezahlt und nicht fürs Jammern. Ich will da den Herrn Ministerpräsidenten einmal ausdrücklich in Schutz nehmen. Es geschieht aus Verantwortung für das Land, wenn man die Positionen so darstellt, wie das der Ministerpräsident tut und wie wir das auch tun.
Verantwortung muss man auch können. Dazu gehört auch, dass man parteiübergreifend im Interesse des Landes Verantwortung übernimmt. Das ge
schieht hier durch die Koalitionsparteien und erfreulicherweise auch durch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich habe die Position des SSW, Frau Kollegin Spoorendonk, genauso wahrgenommen. Dabei sollten wir im Interesse des Landes und der Bürger auch bleiben.
Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Stegner. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun der Oppositionsführer und Vorsitzende der FDP-Fraktion, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki. Ich wäre allen dankbar, wenn sie auch etwas zur Antragsberatung sagten.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte vorweg dem Landtagspräsidenten und dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, Herrn Dr. Stegner, ausdrücklich für die Vertretung der Landesinteressen im Rahmen der Föderalismuskommission danken. Das ist nichts Besonderes, weil wir in den Kernfragen, seitdem wir darüber diskutieren, grundsätzlich einer Auffassung sind.
Andererseits möchte ich auch darauf hinweisen, dass interessanterweise unsere Fraktionskollegen in den anderen Landtagen, mit denen wir auf Fraktionsvorsitzendenkonferenzen diskutieren, eine durchaus differenzierte Haltung zu unseren Vorstellungen einnehmen, zum Beispiel dazu, wie die Altschuldenproblematik geregelt werden soll. Das ist keine Geschichte, die in Parteien, Fraktionen oder auf Fraktionsvorsitzendenkonferenzen einheitlich gewertet wird. Da gibt es durchaus differenzierte Überlegungen, wenn ich meine hessischen und baden-württembergischen Kollegen immer höre.
Ich will für die FDP-Fraktion erklären, dass wir dem Antrag der Koalitionsfraktionen ausdrücklich zustimmen und den Antrag der Grünen ablehnen, und zwar - das will ich kurz begründen - nicht, weil wir die Intention nicht teilen, sondern weil er komplett nichtssagend ist.
Bundestag und Bundesrat haben am 15. Dezember 2006 beschlossen, eine gemeinsame Kommission zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen einzusetzen. Die Kommission hat den Auftrag, Vorschläge zur Modernisierung der BundLänder-Finanzbeziehungen zu erarbeiten und ent
sprechende Empfehlungen abzugeben. Die Empfehlungen sollen dazu führen - das ist ganz wesentlich; darauf müssen wir Wert legen, wenn es um die finanzielle Unterfütterung geht -, dass die Eigenverantwortung der Gebietskörperschaften und deren aufgabengerechte Finanzausstattung gestärkt werden. Man muss immer wieder darauf hinweisen, dass das der Einsetzungsbeschluss ist, an dem man sich orientieren muss und für den wir selbstverständlich auch im Interesse unseres eigenen Landes immer wieder kämpfen werden.
Im Einsetzungsbeschluss wird eine Reihe von Problemen aufgeführt, die in der Kommission einer Lösung zugeführt werden sollen: Bewältigung von Haushaltsrisiken, Aufgabenkritik, Definition von Kernaufgaben staatlichen Handelns, Entbürokratisierung, Entflechtung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung und mehr Eigenverantwortung der Gebietskörperschaften. Dieser Einsetzungsbeschluss wurde im Bundestag von CDU/CSU, SPD und FDP bei Enthaltung der Grünen angenommen. Seit dem 8. März 2007 ist die Föderalismuskommission II konstituiert. In zwölf Sitzungen, zwei Klausurtagungen und zwei mündlichen Anhörungen wurde gearbeitet. Es gibt erste Ergebnisse. Nun sollen wir mit dem Antrag der Grünen einen Appell und im zweiten Teil ein Sammelsurium unvollständiger und extrem unkonkreter Forderungen beschließen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Antrag ist nichtssagend, er ist unvollständig und bringt uns keinen Millimeter weiter. Punkt eins sagt, wir sollen an die Vertreter der anderen Landtage appellieren, alles zu unternehmen, um die Föderalismuskommission II zum Erfolg zu führen. Ich erkläre jetzt, dass ich von hier aus an alle Kolleginnen und Kollegen in den Landtagen appelliere, alles zu unternehmen, um die Sache zum Erfolg zu führen. Ich weiß, was sie mir antworten werden: Das tun wir auch. Schleswig-Holstein soll sich bewegen. Ich sage: Wir haben gar keine große Möglichkeit, uns zu bewegen, ihr müsst entgegenkommen. Damit habe ich also Punkt eins des Antrages erledigt.
Ich hätte auch gern gewusst - Herr Kollege Stegner, Sie haben es angesprochen -, was denn die Grünen unter „alles“ verstehen. „Alles“ bedeutet im Zweifel auch die Selbstaufgabe der eigenen Position. Wo bleibt die Aufgabenkritik, wo ist die Definition der Kernaufgaben staatlichen Handelns, was ist mit Entbürokratisierung? Wollen die Grünen keine Entflechtung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, wollen die Grünen etwa keine Steigerung der Eigenverantwortung der Gebietskörperschaf
Das Problem der Altschuldenregelungen wird der Kern der Auseinandersetzungen werden. Herr Finanzminister, Sie haben recht, und alle anderen wissen es auch: Wenn wir die Altschuldenproblematik nicht in den Griff bekommen - auf welchem Weg auch immer -, wird es eine eigenständige Gebietskörperschaft Schleswig-Holstein auf Dauer nicht geben können,
weil wir - egal was wir beschließen - mit den Mitteln, die wir dazu zur Verfügung haben oder zur Verfügung gestellt bekommen, nicht mehr politisch werden agieren können. Das müssen und können und dürfen auch die anderen Länder so sehen. Im Rahmen der Fraktionsvorsitzendenkonferenz weise ich zum Beispiel darauf hin, dass die besonderen Aufgaben, die das Land Schleswig-Holstein wahrnimmt, beispielsweise bei der Zurverfügungstellung von Häfen, im Länderfinanzausgleich bisher keine Berücksichtigung gefunden haben. Andere Länder haben in der Vergangenheit von Sonderaufgaben, die sie für den Bund wahrgenommen haben, profitiert. Wir nicht.
Man muss sich auch einmal die Verteilung des Länderfinanzausgleichs der letzten Jahre und Jahrzehnte ansehen. Man muss sich die Verteilung der Zuwendung von Fördermitteln aus dem Bund zur Herstellung von Infrastruktur in bestimmten Bereichen ansehen. Wenn man das einbezieht, ist die Position Schleswig-Holsteins gar nicht so schlecht. Wenn wir die Diskussion führen, wie ein Teil der Altschulden zu beseitigen ist, und wenn man sagt, man müsse das aus eigener Wirtschaftskraft tun, dann muss man fragen, was in der Vergangenheit in verschiedenen Ländern zur Steigerung deren Wirtschaftskraft von anderen Gebietskörperschaften und vom Bund geleistet worden ist. Das muss in einer wie auch immer gearteten Anrechnungsweise dazu führen, dass Schleswig-Holstein eine Besserstellung erfährt.
Ich glaube, dass sich sowohl der Bund als auch die anderen Länder noch bewegen. Ich bin überrascht und völlig begeistert gewesen, dass der geschäftsführende Ministerpräsident des Landes Hessen, Herr Koch, von dem ich bis dahin gehört hatte, er sei ein vehementer Gegner des Altschuldenfondsmodells, wie Schleswig-Holstein es vorgetragen hat, eine offensichtliche Kehrtwende vollzogen hat. Die Einzelheiten kennen wir noch nicht; ich wäre
dankbar, wenn wir sie im Ausschuss noch erfahren würden. Aber es ist schon einmal ein gutes Zeichen, dass möglicherweise bestimmte Wahlergebnisse Einsichtsfähigkeiten verändern.
Ich will damit keine Prognose für die weitere Entwicklung abgeben, aber ich glaube, wir haben gute Karten mit der Argumentation, die der Finanzminister und der Ministerpräsident vorgetragen haben und die von allen Fraktionen dieses Hauses unterstützt werden, um mit der Altschuldenproblematik einigermaßen sinnvoll umgehen zu können.
Noch einmal: Herr Finanzminister, ohne Regelung der Altschuldenproblematik wird das von der Landesregierung selbst gesetzte Ziel, irgendwann einmal zu einer auskömmlichen Situation zu kommen, schwerlich, wenn überhaupt, zu erreichen sein.
Ich beantrage, dass wir den Antrag der Koalitionsfraktionen jetzt in der Sache abstimmen - über ihn brauchen wir nicht mehr zu debattieren -, dass wir aber gleichzeitig den Finanzausschuss bitten, in der nächsten Sitzung das Thema der Föderalismuskommission noch einmal aufzurufen, damit wir uns intensiver, als das im Plenum leider möglich ist, über den Diskussionsstand informieren lassen können und vor allen Dingen auch in die Lage versetzt werden, im Rahmen unserer Möglichkeiten in die eigenen Parteien hinein zu wirken, noch zu einer Veränderung zu gelangen.