Protokoll der Sitzung vom 25.04.2008

Ich werde Ihnen zu Beginn der nächsten Woche einen Aufsatz zuleiten, den ich in dieser Woche geschrieben habe und der verkürzt in einer schleswigholsteinischen Zeitung schon einmal abgedruckt war, weil er die Positionen der Landesregierung zusammenfasst und die Begründung etwas umfangreicher darstellt, weil die Debatte hierfür nicht ausreicht. Selbstverständlich biete ich gern an, dass wir im Finanzausschuss, insbesondere auch mit den Vertretern der Fraktionen, Herrn Martin Kayenburg und Herrn Stegner, sehr intensiv über den derzeitigen Stand der Beratungen informieren, weil es jetzt nämlich spannend und interessant wird, da ja in den nächsten acht Wochen etwa die wesentlichen Entscheidungen durch die Empfehlung, die die beiden Vorsitzenden in die Diskussion einbringen werden, vorbereitet werden.

Ich will noch einmal auf die wesentlichen Eckpunkte aufmerksam machen, die insbesondere den Vorschlag Schleswig-Holsteins von allen anderen Vorschlägen unterscheiden. Erstens hat unser Vorschlag ein wirklich umfassendes Paket für die wirkliche Lösung dieses Problems angeboten, während alle anderen Vorschläge immer nur einzelne Segmente betrachten. Insbesondere der Vorschlag des Bundes ist übrigens katastrophal unzureichend, muss man einfach feststellen.

(Beifall bei CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Der zweite wesentliche Unterschied ist: Wir wollen keine Hilfe nur für Schleswig-Holstein. Wir reden nicht davon, dass wir die Benachteiligten dieser Welt sind und alle anderen uns helfen sollen, sondern unser Vorschlag will das Problem für alle lösen.

(Beifall bei CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deshalb bin ich ja so dankbar, dass sich Roland Koch gestern diesem Vorschlag erstmals und als einziger angeschlossen hat, denn es geht wirklich um ein Schuldenproblem, das alle Länder betrifft, wenn man sich einmal das Verhältnis der Verschuldung ansieht. Da nehme ich gleich einmal die Pensionslasten hinzu, die zu den Kapitalmarktschulden hinzuzurechnen sind, denn die Verpflichtung, diese Gelder zu zahlen, kommt garantiert wie das Amen in der Kirche, und dann gibt es zwölf Länder, die zu mehr als 50 % ihres BIP verschuldet sind. Das muss man einfach einmal feststellen. Deshalb hat

unser Vorschlag auch einen klar an der Finanzkraft der einzelnen Länder und ihrer Kommunen ausgerichteten Lösungsvorschlag für dieses Problem.

Ich habe mich sehr gewundert, als Günther Oettinger schon einmal vorab in der Runde gesagt hat, es mögen sich einmal die Länder melden, die glauben, dass sie bis zum Jahre 2019 einen schuldenfreien, ausgeglichenen Haushalt nicht erreichen können. Schleswig-Holstein, das Saarland und Bremen hoben als einzige die Hände. Ich habe Ingolf Deubel aus Rheinland-Pfalz angeguckt und gefragt: Warum meldest du dich nicht? Und den Kollegen Möllering aus Niedersachsen: Wieso meldest du dich nicht? Den Kollegen Linsen fragte ich bei dem Treffen: Wann seid ihr denn eigentlich Nehmerland? Gestern hat er mir bestätigt: Im ersten Quartal waren wir Nehmerland.

Meine Damen und Herren, da gibt es viel gefühlte Geberland-Mentalitäten. Ich glaube, dass all die, die sich da nicht gemeldet haben und damit dokumentieren, dass sie vor gefühlter Finanzkraft kaum noch laufen können, in wenigen Jahren in derselben Situation sind.

(Beifall bei CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ob also jemand mit 70 % oder mit 74 % seines BIP verschuldet ist, hilft uns nicht weiter. Deshalb bin ich für den Vorschlag von Roland Koch dankbar. Denn Hessen ist das stärkste Geberland, und wenn das stärkste Geberland einen solchen Vorschlag macht, hat das eine andere Qualität - das müssen wir akzeptieren -, als wenn eines der schwächsten Nehmerländer einen solchen Vorschlag unterbreitet.

Ich will kurz etwas zur Bewertung des Berichts, der gestern eingebracht wurde, sagen, übrigens ein Bericht, der von uns erbeten wurde. Wir haben, Schleswig-Holstein, ich habe Günther Oettinger gebeten, einen solchen Bericht erstellen zu lassen, weil ich glaube, dass er hilfreich ist, weil wir dann objektivieren können. Jeder kann das nicht, wie wir gesehen haben. Es gibt da ganz intelligente Leute aus Berlin, aus dem Senat, sogar Finanzsenatoren, bei denen man sich nur wundern kann, zu welchen Bewertungen sie kommen.

Ich will einmal als Beispiel sagen: Wenn der Bericht feststellt, dass Schleswig-Holstein 87 € pro Einwohner mehr für Zinsen ausgibt als der Durchschnitt der westlichen Flächenländer, und man das mit den 2,8 Millionen Einwohner multipliziert, kommt man darauf, dass man hier 250 Millionen € mehr ausgibt als andere Länder. Wenn das dann in

(Minister Rainer Wiegard)

der Bewertung vom Bund, von Berlin und Bayern so ausgelegt wird: „Ihr gebt an dieser Stelle 250 Millionen zu viel aus, das müsst ihr senken!“, dann - kann ich nur sagen - ist das so ungefähr wie die Politik mit der Scheibe Bierschinken, die Herr Sarrazin permanent vor sich hertreibt, nämlich wenig akzeptabel.

Wenn man feststellt, Schleswig-Holstein nimmt etwa 100 Millionen € aus dem Verkauf von Vermögen ein, und sagt: „Das müsst ihr verbessern!“, dann kann ich nur antworten: Das Finanzministerium dort drüben, das 1999 veräußert wurde, müssen wir bis 2019 noch elfmal veräußern, um diesem Vorhalt zu folgen. Es ist schlicht und ergreifend Unsinn, was dort in der Bewertung gesagt wurde.

(Beifall bei CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deshalb glaube ich, dass die Bewertung, wie wir sie vorgenommen haben, auch sehr kritisch an die eigene Adresse drei Dinge deutlich macht. Erstens: Die Kernaufgaben sind in allen Ländern gleich. Die Kinder sind mit Bildung zu versorgen, die alten Menschen sind mit Gesundheitsleistungen zu versorgen, die Menschen sind mit Sicherheitsleistungen zu versorgen. Die Kernaufgaben sind überall gleich, da gibt es keine unterschiedlichen Ansprüche, ob man in Bayern oder in Schleswig-Holstein wohnt. Für diese Kernaufgaben der Politik gibt Schleswig-Holstein 16 € pro Einwohner weniger aus als der Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer. Das ist die erste Botschaft. Es war für mich wichtig zu erfahren, dass wir nicht mit dem Geld um uns werfen. Das ist in den verschiedenen Bereichen sehr unterschiedlich und ist noch eine Aufgabe für uns.

Die zweite Nachricht ist - Anke Spoorendonk hat das sehr aufmerksam verfolgt und es eben schon einmal dargestellt -: Wir nehmen 119 € pro Einwohner weniger an Steuern und Länderfinanzausgleichsmitteln ein, und das macht schlappe 340 Millionen € Nachteil gegenüber dem Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer. Wenn man dann die Zinsen, die ich eben nannte, hinzurechnet, liegen wir bei etwa 600 Millionen €, die wir strukturell weniger zur Verfügung haben, weil wir weniger einnehmen und weil wir für Altschulden mehr ausgeben müssen.

Ich habe am Montag dem bayerischen Ministerpräsidenten, mit dem ich mich in einer Versammlung dazu auseinander gesetzt habe, gesagt: Wenn Ihr Finanzminister, Erwin Huber, nur in den beiden Positionen - da reden wir noch gar nicht über alle an

deren Dinge - Steuereinnahmen und Zinslasten das Niveau Schleswig-Holsteins erleiden müsste, hätte er 5,5 Milliarden € weniger zur Verfügung, und dann würde manches laute Wort aus Bayern sehr viel leiser klingen. Genau um diese Diskussion geht es jetzt. Wir werden Sie weiter führen. Wenn wir den Stand von gestern und den Stand von heute nehmen, haben wir für unseren Vorschlag keine Mehrheit bei den Ländern, noch haben wir Zustimmung beim Bund. Aber ich glaube, dass Bewegung hineingekommen ist und unsere Vorschläge bewirkt haben, dass wir heute überhaupt über diese Fragen reden, denn zu Beginn haben wir darüber überhaupt nicht gesprochen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir können heute sagen: Wir reden über Altschulden, wir reden über Finanzausstattung, wir reden über Schuldengrenze und über Haushaltscontrolling. Die reichen Länder mögen die Begriffe Benchmarking und Haushaltscontrolling gar nicht hören.

Deshalb glaube und hoffe ich immer noch, insbesondere weil Roland Koch jetzt ins Boot geklettert ist, dass wir eine Chance haben, zu einer wirklich guten Lösung zu kommen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese Linie der Landesregierung weiter so unterstützen wie bisher.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich danke dem Herrn Finanzminister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es liegen zwei Anträge vor, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/1972, und Antrag der Fraktionen von CDU und SPD, Drucksache 16/2029. Es ist beantragt worden, über beide Anträge einzeln abzustimmen. Das setzt voraus, dass ich die Anträge gemäß § 75 der Geschäftsordnung für selbstständig erklären darf. - Ich höre keinen Widerspruch; dann verfahren wir so.

Wer dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/1972, zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Dieser Antrag ist mit den Stimmen von CDU, SPD, FDP und SSW gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt worden.

Wer dem Antrag von CDU und SPD, Drucksache 16/2029, zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Dieser Antrag ist einstimmig angenommen worden.

(Minister Rainer Wiegard)

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 51 auf:

Vorrang für Erdkabel im Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz

Antrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/1282 (neu)

Bericht und Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses Drucksache 16/1980

Wir müssen dazu das konventionelle Verfahren machen, und ich erteile deshalb dem Berichterstatter des Wirtschaftsausschusses, Herrn Abgeordneten Hans-Jörn Arp, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Durch Plenarbeschluss am 23. März 2007 wurde der Antrag der Abgeordneten des SSW zum Vorrang für Erdkabel im Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz, Drucksache 16/1282 (neu) , dem Wirtschaftsausschuss federführend und dem Innen- und Rechtsausschuss mitberatend überwiesen. Während sich der federführende Wirtschaftsausschuss in zwei Sitzungen, nämlich am 18. April 2007 und am 19. März 2008, mit der Vorlage befasste, fand die Beratung im mitberatenden Innen- und Rechtsausschuss am 16. April des Jahres statt.

In der Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 19. März 2008 legten CDU und SPD einen Änderungsantrag mit der Zielrichtung vor, dass der Landtag noch einmal expressis verbis zum Ausdruck bringt, dass er sich beim Ausbau des Hochspannungsnetzes grundsätzlich für Erdverkabelungen ausspricht, sobald dies technisch machbar und wirtschaftlich vertretbar ist. Der Landtag erwartet von Erzeugern regenerativer Energien, dass sie sich angemessen an den möglichen Mehrkosten von Erdkabeln beteiligen.

Des Weiteren wurde beantragt, dass der Landtag die Initiative der Bundesregierung begrüßen möge, durch eine Änderung des Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetzes rechtlich klarzustellen, dass die Regelung in Artikel 7 Nr. 6 des Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetzes - das betrifft § 43 Energiewirtschaftsgesetz - neben den OffshoreWindkraftanlagen auch Onshore-Windkraftanlagen in einem 20-km-Küstenstreifen erfasst.

Nach alternativer Abstimmung über den Ursprungsantrag der Abgeordneten des SSW, Drucksache

16/1282 (neu), und den von CDU und SPD eingebrachten Änderungsantrag empfiehlt der federführende Wirtschaftsausschuss dem Landtag die Annahme des Antrages Drucksache 16/1282 (neu) in der von mir eben mündlich vorgetragenen Fassung der Drucksache 16/1980.

Ich bitte das Hohe Haus um Annahme der Drucksache 16/1980.

(Beifall)

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

Ich lasse jetzt über den Antrag Drucksache 16/1282 (neu) in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Damit ist der Antrag Drucksache 16/1282 (neu) in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung, Drucksache 16/1980, mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP gegen die Stimmen des SSW bei Enthaltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen worden.

Jetzt haben wir das vereinfachte Verfahren. Ich rufe die Tagesordnungspunkte ohne Aussprache auf:

Sammeldrucksache über Vorlagen gemäß § 63 Abs. 1a der Geschäftsordnung des SchleswigHolsteinischen Landtages

Drucksache 16/2021

Bevor wir darüber abstimmen, hat Frau Abgeordnete Monika Heinold ums Wort gebeten. Bitte schön, Frau Heinold!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben uns mit der Regierung geeinigt, dass der unter Tagesordnungspunkt 25 beantragte Bericht zur Einkommensund Vermögensentwicklung in Schleswig-Holstein erst zur 37. Tagung gegeben werden soll. Wir haben uns mit der Regierung darauf verständigt, dass wir das nicht noch einmal schriftlich einreichen, sondern dass wir das hier mündlich zur Abstimmungsgrundlage machen.

Herzlichen Dank. - Das Wort hat nun Herr Kollege Wolfgang Kubicki.

(Vizepräsidentin Ingrid Franzen)