- Herr Kollege Hentschel, ich weiß, dass das Recht für Sie keine große Rolle spielt, weil Sie glauben, politische Mehrheiten seien schlicht und ergreifend in der Lage, das Recht zu brechen. Ich habe von diesen Dingen ein anderes Verständnis.
Konsequenterweise dürften Sie keine aufkommensneutrale Umschichtung fordern, sondern müssten die komplette Abschaffung der Pendlerpauschale fordern. Aber das trauen Sie sich nicht, weil Sie genau wissen, dass Sie dafür von Ihrer reichen Klientel auch etwas auf die Ohren bekommen würden. Aber zu erklären, die berufsbedingten Aufwendungen müssten mit einem Mindersatz belegt werden, nur weil man etwas nicht zurückgeben will, das man den Menschen vorher weggenommen hat, ist aus meiner Sicht albern und rechtlich nicht haltbar.
Da ich eine Mehrheit bestehend aus CDU und SPD für den Antrag erkenne, sollten wir schnell handeln und uns die Ausschussberatungen schenken. Ich beantrage - wie die Union übrigens auch - die sofortige Abstimmung in der Sache. Wir stimmen dem Antrag jedenfalls zu.
Für die Gruppe des SSW erteile ich der Vorsitzenden, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dank Herrn Huber diskutiert die ganze Republik plötzlich wieder das Thema Steuersenkungen, wozu die beiden Kieler Koalitionspartner kurz vor der Kommunalwahl anscheinend auch noch ihren Beitrag leisten wollten, und zwar obwohl sie schon beim beitragsfreien dritten Kindergartenjahr Wahlgeschenke verteilt hatten - ohne Erfolg, wie wir heute wissen.
Wir werden sehen, ob es dem bayerischen CSUVorsitzenden ähnlich geht. Denn auch in Bayern sind ja in diesem Jahr Landtagswahlen, und die gleiche Partei, die im Bundestag noch vor Monaten entsprechende Vorschläge der Linkspartei zu Steu
ersenkungen bei den unteren und mittleren Schichten abgelehnt hat, fordert eben diese jetzt lautstark für ganz Deutschland. Vor dem Hintergrund, dass die Große Koalition in Berlin mit Unterstützung der bayerischen Volkspartei noch vor knapp zwei Jahren die größte Steueranhebung in der Geschichte der Bundesrepublik durchgesetzt hat, wirkt diese Initiative in der Tat wenig glaubhaft.
Die Richtung - das will ich deutlich machen stimmt gleichwohl. Denn trotz Lohnerhöhungen in diesem und im nächsten Jahr werden die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedingt durch die steigenden Preise sowie die Steuerprogression nicht mehr im Geldbeutel haben. Dies liegt auch an unserem ungerechten Steuersystem, in dem die Mehrwertsteuer, die gerade die kleinen Leute trifft, massiv angehoben wurde, während wir als eines der wenigen europäischen Länder nicht einmal eine Vermögensteuer erheben.
Ein konkreter Punkt im Steuersenkungsprogramm der CSU ist die Pendlerpauschale, die durch die Beschlüsse der Großen Koalition eingeschränkt wurde. Der damalige Beschluss sah vor, dass die Pendlerpauschale nicht mehr vom ersten Kilometer an steuerlich absetzbar sein sollte. Gegen diese Entscheidung ist vielfach mit Erfolg beim Bundesfinanzhof geklagt worden, und nun ist der Gesetzgeber angehalten, darauf zu reagieren. Dies kann entweder dadurch geschehen, dass man die alte Regelung wieder einführt, und zwar in der alten Höhe für Schleswig-Holstein würde dies ein Steuerminus von ungefähr 30 bis 40 Millionen € bedeuten - oder es kann dadurch geschehen, dass man die Pendlerpauschale zwar wieder ab dem ersten Kilometer einführt, dafür aber in geringerer Höhe. Dafür argumentieren die Grünen in ihrem Änderungsantrag.
CDU und SPD haben dies in ihrem Antrag offen gelassen und fordern den Bundestag lediglich dazu auf, umgehend eine gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen, dass Fahrtkosten zum Arbeitsplatz wieder vom ersten Kilometer an steuerlich abgesetzt werden können. In welcher Höhe dies geschehen soll, geht aus dem Antrag nicht hervor.
Die Grünen fordern in ihrem Änderungsantrag, die Höhe des Kilometersatzes so zu bemessen, dass keine zusätzlichen Defizite für die öffentlichen Haushalte entstehen. Das ist zwar ehrenwert, trifft aber den Kern des Problems nicht. Darum lehnt der SSW den Antrag der Grünen ab. Die ganze Änderung würde keinen Sinn mehr ergeben, weil die Bürgerinnen und Bürger finanziell gar nicht entla
Allerdings zeigt diese Debatte auch, dass sich die heutige Diskussion nur um eine kleinen Ausschnitt unseres Steuersystems dreht. Es ist aber zugegebenermaßen ein Teil, der traditionell mit vielen Emotionen verbunden ist, da gerade Pendler immer zu hören bekommen, dass Arbeitnehmer mobil sein müssen, um die Herausforderungen des Arbeitsmarktes meistern zu können.
Da wirkt es natürlich fatal, wenn gerade die Pendlerpauschale gekürzt wird, und das zu einem Zeitpunkt, zu dem der Benzinpreis täglich neue Rekordhöhen erklimmt. Daher wird der SSW auch grundsätzlich dem Antrag von SPD und CDU zustimmen, wobei wir zur alten Pendlerpauschale zurück wollen.
Aus Sicht des SSW geht es aber vielmehr darum, dass wir endlich ein gerechteres Steuersystem schaffen, das die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger hat.
Heute ist es doch sprichwörtlich so, dass der Arme der Dumme ist. Wer nicht die Mittel hat und einen Steuerberater bezahlen kann, der wird sich im Steuerdickicht der Bundesrepublik schnell verirren und somit auch mehr Steuern bezahlen als derjenige, der sich einen teuren Berater leisten kann. Wir brauchen also ein einfacheres - kein Bierdeckelsteuersystem -, aber ein einfacheres, transparenteres und gerechteres Steuersystem, zu dem auf jeden Fall die Wiedereinführung der Vermögensteuer und eine höhere Erbschaftsteuer gehören. Aber das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist heute nicht das Thema. Ich gehe jede Wette ein, dass wir uns zu diesem Thema zu einem späteren Zeitpunkt noch austauschen werden.
Ich danke der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk und erteile nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung dem Herrn Abgeordneten und Fraktionsvorsitzenden Karl-Martin Hentschel das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist wirklich eine seltsame Debatte, die wir hier führen. Die SPD tut so, als sei die Formu
lierung offen. Das ist nicht der Fall. Im ersten Satz steht eindeutig drin, es soll zum alten Modell zurückgehen.
Und das alte Modell kostet bundesweit 2,4 Milliarden €. Da müssen Sie uns doch nicht Sand in die Augen streuen. Das widerspricht völlig dem, was gestern Ihr Bundesvorsitzender auf Bundesebene gesagt hat - übrigens eine sehr kluge Geschichte -: Wir machen eine Steuerreform, die einkommensneutral ist. Warum einkommensneutral, weil keine Zeit für Steuergeschenke ist. Wir haben kein Geld für Steuergeschenke. Der Bundeshaushalt ist immer noch im Minus. Schleswig-Holstein macht dieses Jahr 10 % minus, erhebliche Schulden werden weiter aufgehäuft, jeden Tag in diesem Haus. Und Sie machen hier Beschlüsse, als könnten wir das Geld hier nur so rausspucken. Das ist eine lächerliche Debatte, die Sie hier führen.
Ich wette übrigens: Genau das, was wir verlangen, nämlich eine Aufkommensneutralität, wird am Schluss dabei herauskommen und genau das wird in Berlin beschlossen werden, denn für alles andere ist überhaupt kein Geld da. Ich wette, dass der Finanzminister, der hier unten sitzt - der übrigens gestern, letzte Woche oder ich weiß nicht mehr, wann das war, dazu deutliche Stellung bezogen hat -, alles dafür tun wird, dass der Beschluss, den Sie hier heute fassen werden, nicht umgesetzt wird.
Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat der Fraktionsvorsitzende der FDP, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß gar nicht, warum sich immer jemand so offensiv zu Wort meldet, der - jedenfalls mit seiner Partei - im Wesentlichen dazu beigetragen hat, dass die öffentlichen Haushalte so sind wie sie sind.
deshauhalt Schleswig-Holsteins 30 oder 40 Millionen € - das wird der Finanzminister gleich bestätigen -, von einer Partei nicht wirklich überzeugend, die dazu beiträgt, dass beispielsweise wegen ihrer Antikernkraftpolitik und -position die Grundwasserentnahmeabgabe in Schleswig-Holstein momentan nicht gezahlt wird. Das sind etwa 30 Millionen €, die uns da verloren gehen. Sie sind gegen alle Infrastrukturmaßnahmen, die für uns wesentlich sind. Ich möchte einmal sagen, die Tatsache, dass die Steuereinnahmen heute so sprudeln wie sie sprudeln, hat auch etwas damit zu tun, dass die Wachstumsraten in Deutschland von Null oder von etwas über Null auf 1,7 bis 2 % gestiegen sind. Das heißt, wenn Sie die öffentlichen Haushalte sanieren wollen, dann müssen Sie eine wachstumsfördernde Politik betreiben und nicht das Gegenteil, so wie Sie das tun.
Denn allein - und zwar nahezu ausschließlich - die Steuermehreinnahmen aufgrund des Wachstums und damit verbunden auch aufgrund einer höheren Beschäftigung haben dazu geführt, dass die öffentlichen Haushalte wenigstens einigermaßen in eine Sanierungsphase haben eintreten können. Sparmaßnahmen allein - das wissen wir doch - führen zu gar nichts. Schleswig-Holstein hat - wie wir gehört haben - im letzten Jahr 1,75 % mehr ausgegeben als das Jahr zuvor. Das heißt, mit nur sparen würden wir nichts werden.
Also, wenn Sie mit der gleichen Emphase, mit der Sie hier gegen die Rückgabe von Beträgen an die Bürgerinnen und Bürger, die ihnen entzogen worden sind, antreten, für eine wachstumsorientierte Politik eintreten würden, dann wäre Ihre Haltung glaubwürdiger als diejenige, die Sie uns hier vorgeführt haben.
Ich kann nur sagen: Union und SPD sind dankenswerterweise wieder auf einem guten Weg, denn sie geben den Bürgerinnen und Bürgern nur das zurück, was sie ihnen vorher weggenommen haben. Das muss man sehen. Das war kein Gastgeschenk, sondern das war im Prinzip Raubrittertum, und das müssen wir korrigieren.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fühle mich durch den Beitrag des Kollegen Hentschel doch provoziert, noch drei Worte loszuwerden. Richtig ist natürlich, dass die Wiedereinführung der Pendlerpauschale 30 bis 40 Millionen € kosten könnte.
- Ich sage auch: könnte. Fest steht aber auch, dass für ein Flächenland wie Schleswig-Holstein die Abschaffung der Pendlerpauschale katastrophal war.
Fest steht auch, dass mit der Wiedereinführung der Pendlerpauschale hoffentlich auch der Konsum etwas besser angekurbelt wird.
Damit meine ich: Einsparung allein ist keine Politik, sondern sie ist nur Politik, wenn damit auch Prioritäten verknüpft werden, wenn man auch sagt, was man damit erreichen will. Ich habe es allmählich satt, wenn als oberstes Ziel gesagt wird: Wir müssen erst einmal überall einsparen, ohne dass man sich überlegt, welche gesellschaftspolitischen Prioritäten man setzen will. Darum sage ich: Volkswirtschaftlich wird sich dieses rechnen - für Schleswig-Holstein allemal.