Das Wort für einen weiteren Beitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält Herr Abgeordneter Kalinka.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte hier einige Anmerkungen zum Kollegen Hentschel machen. Allerdings etwas freundlicher und moderater im Ton.
Erstens zum Wohnungsbedarf im Jahr 2020: Ich glaube nicht, dass wir weniger Wohnungsbedarf haben werden. Wir werden einen Bedarf an anders geschnittenen Wohnungen haben. Wir werden mehr Single- und Zweierhaushalte haben, wir werden für die Älteren andere Dinge entwickeln müssen und ich denke, dass viele Ältere auch im höheren Lebensalter noch gern im Grünen wohnen und nicht irgendwo abgestellt werden möchten.
Von daher ist unsere Aufgabe, die Entwicklung des Wohnungsmarktes entsprechend zu gestalten und zu bestimmen. Das ist der erste Denkfehler bei Ihnen, Herr Kollege Hentschel.
Glauben Sie denn im Ernst, dass irgendjemand das alles vorhält, wenn im Ergebnis nichts rauskommt? Das ist doch eine völlig verzerrte Darstellung der Wirklichkeit.
Keine bauliche Entwicklung bedeutet Stillstand im ländlichen Raum. Das können wir nicht akzeptieren.
Infrastruktur haben wir in den Dörfern genauso wie in Städten. Ob Kindergärten, Schulen oder Abwasser: Wir haben doch Gott sei Dank die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Lande erreicht. Und jetzt geht es darum, dies zu erhalten und fortzuentwickeln. Eines der Probleme, das wir haben, ist zum Beispiel der Abwasserbereich und die Kanalisation, die nach 25 oder 30 Jahren überall Probleme bereiten, und wie wir dies finanzieren können, um nur einmal einen Punkt konkret zu sagen. Und von daher ist Ihre Einschätzung von den Dörfern eine schlichtweg unzutreffende.
Drittens. Herr Kollege Hentschel, wenn man Sie zur Verwaltungsreform hätte reden hören, hätten Sie folgendes Bild gemalt: Die Kreise brauchen wir nicht, wir brauchen ein großes Land und große, vitale, pulsierende Gemeinden vor Ort auf Amtsebene, in denen Arbeit und Wohnen unter einem Dach sein sollen. Das haben Sie uns noch vor ein paar Monaten erzählt. Wenn Sie das Wirklichkeit werden lassen wollen, dann können Sie doch einer Schwächung des ländlichen Raumes nicht das Wort reden. Das ist doch völlig ausgeschlossen, das ist doch ein totaler Gegensatz dessen, was Sie selbst gesagt haben.
Deswegen tun wir gut daran, den jetzigen Entwurf nicht nur kommunal, sondern auch mit unseren Möglichkeiten konstruktiv zu begleiten. Nach der heutigen Debatte im Landtag sehe ich eine gute Grundlage, nicht nur durch Mehrheiten, sondern auch durch Argumente und dann auch mehrheitsfähig etwas zu verändern.
Das wäre auch meine Frage gewesen. - Das Wort für einen weiteren #eitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Herr Abgeordneter Karl-Martin Hentschel.
Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich finde, es ist eine wichtige Debatte, weil es hier um die Zukunft des Landes geht. Ich bin nicht der Auffassung, dass man nicht alles voraussehen kann. Ich bin aber auch der Auffassung, dass man sich schon einmal Gedanken darüber machen muss, wie es kommen kann.
Herr Kubicki, ich frage mich, wenn man Sie ernst nehmen soll, wenn Sie meinen, man könnte sowieso nichts voraussagen, warum haben Sie die Landesregierung damit beschäftigt, einen Bericht über die Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf den Finanzhaushalt des Landes zu machen? Das hat viel Geld gekostet, der Finanzminister war beschäftigt. Das ist ja alles völlig unsinnig, wenn man sowieso nichts voraussagen kann. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass das Quatsch ist, was Sie erzählt haben.
(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])
Jetzt kommen wir zu der Frage, was wirklich wichtig ist und worum es geht. Es geht im Grunde um die Frage, ob es bei einem prognostizierten Rückgang von 80.000 Menschen in Schleswig-Holstein noch weiterhin zu wachsendem Wohnungsbedarf kommen wird. Die Landesplanung hat prognostiziert, dass bis 2020 116.000 zusätzliche Wohnun
gen gebraucht werden, danach sinkt es rapide ab. Ob das so kommt, ist fraglich. Bei rückläufigen Bevölkerungszahlen funktioniert das nur, wenn der Trend anhält, dass immer mehr alte Leute weiter in Einfamilienhäusern wohnen, selbst wenn sie nur noch allein sind. Das wird meiner Ansicht nach nicht so passieren.
Es gibt eine ganz starke Tendenz in Diskussionen, weil der Trend ist, dass die aktiven mobilen Alten wieder zurück in Wohnungen ziehen und sich Wohnungen näher an der Stadt suchen, wo sie kulturelles Leben haben, wo sie eingebunden sind und auch noch am Leben teilnehmen können. Meine Eltern sind zum Beispiel vom Lande direkt in das Zentrum von Kiel gezogen, weil sie dort spazieren gehen könne, einkaufen können, in die Kneipe gehen können und weil sie gesagt haben: „Das ist besser, wir können ohnehin nicht mehr so viel spazieren gehen, was sollen wir einsam draußen im Grünen sitzen, wir zwar das Grüne haben, aber da ist nichts los.“ Diese Tendenzen gibt es.
Es gibt auch gegensätzliche Tendenzen, darüber müssen wir uns unterhalten. Das ist eine ernsthafte Diskussion, Herr Kubicki, und keine Diskussion, die lächerlich ist. Und es ist eine wichtige Diskussion, denn wenn es so ist, dass wir keinen weiteren Wohnungsbedarf haben und dass die Wohnungsnachfrage sinkt, dann kriegen wir in der Tat, wenn wir weiterhin auf dem flachen Land Wohnungen bauen, einen massiven Preisverfall der Wohnungen.
Es ist so, dass heute schon aufgrund der Energiekosten Neubauten zum Teil billiger sind als die Sanierung von Altbauten. Das heißt, es lohnt sich eher, einen Neubau zu machen als das alte Haus energietechnisch zu sanieren. Das bedeutet, wenn das so kommt, kriegen wir einen massiven Wertverfall der gesamten Einfamilienhäuser auf dem Lande. Das würde für die Menschen tatsächlich eine Krise sein, die ähnlich dem wäre, was wir in den USA mit der Subprime-Krise sehen.
Es tut mir leid, dass es zu Ende ist. - Wer sagt, es ist kein ernsthaftes Problem, der nimmt die Anzeichen der Zeit einfach nicht wahr. Ich glaube, wenn wir über die Landesplanung reden, sollten wir diese Diskussion ernst nehmen und uns wirklich mit nachhaltigen Planungsprozessen beschäftigen.
Wir müssen nicht so vorgehen wie die Landesplanung, man kann auch eine dezentrale Planung machen, aber ich halte es für wichtig, diese Planungsprozesse ernst zu nehmen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich über die Debatte zum Entwurf des Landesentwicklungsplans. Dieser Entwurf ist seit Mitte Januar in der Anhörung und ich habe wenig Lust, auch unmittelbar nach der Kommunalwahl, hier im Hohen Haus einen Streit darüber zu führen, wer die Partei der ländlichen Räume ist. Dass natürlich die Entwicklung des ländlichen Raums einer der Hauptkritikpunkte ist, ist bei den Anhörungen, die ich mitgemacht habe und bei den Debatten mir nicht verborgen geblieben. Es gibt auch andere Punkte, bei denen eine große Übereinstimmung besteht, zum Beispiel, dass das Achsenkonzept mit reingenommen worden ist, zum Beispiel bestimmte Entwicklungen an den vorhandenen Autobahnen. Dass dabei eine Autobahn - die A 20 - nicht mit aufgenommen worden ist in den Planungsraum bis 2025, heißt natürlich nicht, dass
die Landesregierung davon ausgeht, dass die A 20 bis zum Jahr 2025 nicht realisiert ist. Insofern wird das natürlich noch nachgeholt werden.
Auch wenn das manchem vielleicht nichts ins Weltbild passt: Die gesamte Landesregierung einschließlich der Landesplanung hat die positive Entwicklung der ländlichen Räume im Fokus. Deshalb sind wir der Meinung, dass der Landesentwicklungsplan bestimmte Vorgaben enthalten muss, die vielleicht heute nicht von jedem sofort akzeptiert werden können.
Es gibt in den Regionen Schleswig-Holsteins eine unterschiedliche Besiedlungs- und Bevölkerungsentwicklung. Der Landesteil Schleswig wird sich anders entwickeln - er entwickelt sich jetzt schon anders - als der Randbereich um Hamburg. Schon heute stellen wir zum Beispiel im Landkreis Nordfriesland - ich nenne als Beispiel nur mein Heimatdorf - fest, dass zwar um den Ortskern herum neue Wohnbaugebiete ausgewiesen werden, es im Ortskern aber Leerstände gibt. Es ist die Aufgabe einer verantwortungsvollen Kommunalpolitik, sich mit diesen Leerständen zu beschäftigen.
Sonst hätten wir bald entkernte Dörfer, und das kann beim besten Willen nicht sein. Aber dieses Thema betrifft die kommunale Selbstverwaltung, und ich weiß, dass es sehr ernst genommen wird.
Wir haben seit Januar das im Gesetz vorgeschriebene Anhörungs- und Beteiligungsverfahren. Kommunen, Verbände, Kammern und sonstige Organisationen sind aufgefordert, bis zum 31. Oktober dieses Jahres Stellungnahmen abzugeben. Ich bin dankbar dafür, dass Herr Kubicki das aufgegriffen hat, was ich ihm zwischendurch gesagt habe. Ich würde mich noch mehr über eine Stellungnahme der Landtagsfraktionen freuen. Denn obwohl es am Ende eine Verordnung und kein Gesetz geben wird, ist das ein ganz wichtiges Thema, mit dem sich die Landtagsfraktionen - wie übrigens auch beim letzten Mal - intensiv beschäftigen werden; jedenfalls gehe ich davon aus.