Der Inhalt muss stimmen. Das ist eine wesentliche Position, mit der wir uns in der europäischen Politik auseinandersetzen sollten.
Ich denke, wir werden im Ausschuss ausführlich darüber beraten können. Ich freue mich auf die Ausschussberatung.
Ich danke dem Herrn Minister für den Bericht und eröffne die Aussprache. Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Manfred Ritzek das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, zunächst einmal möchte ich Ihnen für Ihre Berichterstattung und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den Bericht, der sehr umfassend ist, danken. Es besteht Konsens in der Frage, dass wir in der Europapolitik hier in diesem Hohen Haus ein ziemlich großes Einvernehmen haben. Ich begrüße das ausdrücklich.
Sie begannen mit dem Satz, Europapolitik sei konkrete Landespolitik. Dies ist auch in dem Bericht beschrieben. Ich möchte dies etwas differenzieren. Ich möchte mit dem folgenden Satz beginnen: Europa muss noch besser erklärt werden. Das ist eine Überschrift der EU-Nachrichten von April. Nachdem ich mich ebenso wie einige andere Kollegen durch den Bericht gearbeitet habe, habe ich das Gefühl, dass die Europäische Union ein verdammt
schwieriges Gebilde ist. Sie umfasst einen Prozess der Gestaltung, der umfassend nur noch von Experten beherrscht und mitgestaltet werden kann.
In der zweiten Hälfte des Berichts finden wir uns wieder. Dort ist Schleswig-Holstein wieder erwähnt. Hier atmet man richtig auf. Hier sind Maßnahmen und Initiativen genannt, die wir weiter forcieren wollen.
Sie haben eben einen durchaus kritischen Kommentar abgegeben. Der Bericht beginnt mit einem etwas weniger ermutigenden Satz. Ich zitiere:
„Die anhaltende Tendenz, die EU als Nutzungsgemeinschaft zugunsten der Verfolgung eigener Interessen einzusetzen, wird trotz der Unterzeichnung des Reformvertrages und der Aussicht auf seine Ratifizierung ein einheitliches Vorgehen der EU im Sinne einer Integrationsgemeinschaft weiterhin erschweren.“
Gern habe ich diesen Satz nicht gelesen, aber es ist wohl so, dass wir damit leben müssen. Es ist gut, dass wir das Hanse-Office haben, das die Aufgaben der Kooperation, der Koordination und des effektiven Frühwarnsystems über institutionelle, ordnungspolitische und gesetzgeberische europäische Entwicklungen bereits in der Phase der Meinungsbildung in der EU-Kommission wahrnimmt. Wir haben zum Glück zwei Europaabgeordnete, die auch Landesinteressen einbringen. Wir haben den Ausschuss der Regionen, in dem auch Sie maßgeblich engagiert sind, der länderspezifische Belange insbesondere bei der Entwicklung von neuen Verordnungen rechtzeitig auf deren Machbarkeit, Wirksamkeit und Finanzierbarkeit - auch unter dem Aspekt der Subsidiarität - vertritt.
In dem Bericht werden einige Beispiele genannt, bei denen wir relativ wenig Aktions- und Einflussmöglichkeiten haben. Als Beispiele nenne ich die Konsultation zum Grünbuch über die handelspolitischen Instrumente der Europäischen Union in einer sich wandelnden globalen Wirtschaft. Ich komme darauf noch zu sprechen. Weitere Beispiele sind die Heranführung der Balkanstaaten an die Europäische Union sowie die Diskussion über eine autonome Einnahmequelle der Europäischen Union, die - so steht es auch im Bericht - Gott sei Dank von allen Bundesländern abgelehnt wird.
In dem Bericht gibt es einige Passagen, die durchaus Sprengstoff beinhalten. Sie enthalten besonders für uns Sprengstoff, weil wir in diesen Bereichen nur geringe Einflussmöglichkeiten haben.
Ich komme zu einer Passage über die Wirtschaft in der globalisierten Welt. Angesprochen wurden die handelspolitischen Schutzinstrumente und damit die Frage, ob Anti-Dumping-Zölle weiterhin gegen Billigimporte aus Drittländern erhoben werden sollen. Der zuständige Kommissar ist dagegen, weil er sagt, in einer Zeit der Produktionsverlagerung und der Globalisierung sei das nicht mehr nötig. Die endgültige Ausgestaltung der handelspolitischen Klauseln ist in der Diskussion, die nicht leicht sein wird. Wenn diese Diskussion aber geführt wird, dann ist es nach meinem Verständnis auch notwendig, dass sie auch die Herstellungsbedingungen für globale und vergleichbare Produkte als Kriterium für den freien Warenverkehr beleuchtet. Wir haben schon vor zwei Tagen darüber gesprochen.
Wenn unwürdige Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit, Vernichtung von Ressourcen und Missachtung von Umwelt- und Sicherheitsstandards zu Billigprodukt-Angeboten führen, sind Schutzklauseln für die nationalen Wirtschaften, die sich der Beachtung dieser Standards unterwerfen, doch nicht einfach vom Tisch zu wischen.
Meine Damen und Herren, konzentrieren wir uns auf unsere Schwerpunkte, in die auch unser Minister hervorragend integriert ist, auf die Vertiefung der Partnerschaften im Ostsee- und Nordseeraum, auf die Gestaltung der INTERREG-Projekte, auf die Mitlösung des Flexicurity-Systems, auf unsere Führerschaft in der maritimen Wirtschaft. Betrachten wir uns als Zentrale des Projekts Landstromversorgung von Schiffen. Werden wir unschlagbar in maritimer Wissenschaft, Forschung und Entwicklung modernster Schiffsmotoren und Sicherheitstechnologie, bauen wir unsere Spitzenposition in moderner regenerativer Energietechnik aus, werden oder bleiben wir Mitwortführer bei der Lösung von Eutrophierungs-, Überfischungs- und Sicherheitsproblemen.
Der Bericht nimmt uns nicht überall mit, weil natürlich Themen angesprochen sind, bei denen wir nicht aktiv sind. Aber dort, wo wir aktiv sein können, sind wir für die Zukunft herausgefordert. Und das wollen wir gern mit Ihnen, Herr Döring, mitgestalten. Ich beantrage die Überweisung in den Europaauschuss.
Ich danke Herrn Abgeordneten Ritzek. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Rolf Fischer.
(Wolfgang Baasch [SPD]: Schnell, wir wol- len nach Hause! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Hallo! Das ist ein Kernthema!)
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Wolfgang Baasch, der vorliegende Europabericht macht für alle in diesem Hause einmal mehr deutlich, dass Staaten und Regionen Europapolitik nicht länger als Teil von Außenpolitik auffassen sollten. Dafür gibt es zwei Belege. Erstens bezieht sich die nationale Außenpolitik immer stärker auf Nicht-EU-Staaten. Zweitens sieht der Vertrag von Lissabon vor, dass es eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik für Europa geben soll. Für uns bedeutet dies: Europapolitik wird immer stärker zum Feld einer eigenständigen, neuen ich möchte es einmal nennen - Nachbarschaftspolitik, die wir als Land Schleswig-Holstein noch stärker als bisher vertiefen sollten. Deshalb ist es kein Zufall, wenn der Reformvertrag gerade die Regionen stärker in die Verantwortung nimmt.
Wir begrüßen die mit großer Mehrheit getroffene Ratifizierung des Vertrages durch den Bundestag vor wenigen Wochen. Ich will aber auch deutlich sagen, dass mich die einzelnen sehr negativen, fast europafeindlichen Äußerungen zum Vertrag und damit zum europäischen Integrationsprozess nicht sehr befriedigt haben. Das ist rückwärtsgewandt und ohne Perspektive, denn eines muss klar sein: Ein Rückfall in Kleinstaaterei ist vor dem Hintergrund der Globalisierung die schlechteste Lösung und politisch nicht verantwortbar.
Zurück zum Vertrag und zum Bericht: Wir begrüßen es außerordentlich, dass die Rechte des Europäischen Parlaments in dem Reformvertrag gestartet wurden. Wir begrüßen, dass die Subsidiarität gestärkt wurde. Das gilt auch für die nationalen und regionalen Parlamente. Und wir begrüßen, dass das europäische Bürgerbegehren - um hier ein Stichwort zu nennen - Realität geworden ist. Das ist bürgernahes Europa, und das ist der richtige Weg, ein Europa der Akzeptanz und des Engagements zu schaffen.
Die neue Sozialstaatsklausel, die Teil der neuen sozialen Dimension Europas ist, nimmt endlich einen Bereich auf, der in den bisherigen Entwicklungen zu wenig beachtet wurde - nicht so sehr, weil sich Europa um dieses Feld nicht kümmern wollte, sondern weil die Nationalstaaten hier immer große Vorbehalte angemeldet haben.
Ich stimme aber mit dem Minister überein - und ich sehe da eine gemeinsame Linie -: Wir werden Europa nur verwirklichen, wenn soziale Gerechtigkeit, soziale Daseinsvorsorge und die Wahrung einiger grundlegender Prinzipien gewährleistet sind.
Zu diesen Prinzipien gehören die Förderung hoher Beschäftigung, die Sicherung arbeitsrechtlicher Schutzmechanismen, aber auch - um nur zwei zu nennen - die Förderung der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes.
Der Europabericht verweist auf diese Punkte und stellt die Problematik der sozialen Dimension deutlich dar. Der Minister hat es angesprochen.
Ich möchte einen Punkt aufnehmen. Der Bericht verweist auf den sogenannten Flexicurity-Ansatz der EU-Kommission und stellt ihn in einen nationalen und landespolitischen Zusammenhang. Diesen Ansatz teilen wir und sehen darin einen wichtigen Aspekt anstehender Diskussionen.
Das Thema ist hoch kontrovers und muss in seinen beiden Bestandteilen bewertet werden, das heißt, die geforderte Flexibilität darf nicht auf Kosten von sozialer Sicherheit der Arbeitnehmer gehen. Europa überlässt es im Übrigen den Mitgliedstaaten, eine je spezifische Flexicurity-Lösung festzulegen. Das ist deshalb ein guter Ansatz, weil wir von den Erfahrungen unserer Nachbarn an der Ostsee lernen können.
Die Rahmenbedingungen für diese Strategie sind die Aufforderung zum lebenslangen Lernen, zu aktiveren arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, zu verlässlichen vertraglichen Vereinbarungen und zur Förderung von Systemen der sozialen Sicherung. Flexicurity darf aber nicht als Instrument zur Lockerung des Kündigungsschutzes und zum Abbau sozialrechtlicher Absicherung der Arbeitnehmer verstanden werden.
Insofern müssen wir diese Debatte auch hier in Schleswig-Holstein führen. Der Europabericht spricht diesen Punkt an. Ich freue mich - und sage das nur als Stichwort -, dass auch die Nordseezusammenarbeit erkennbare Früchte trägt.
Das ist keinesfalls selbstverständlich, weil wir es eben mit einer anders strukturierten Region als der Ostsee zu tun haben.
Lassen Sie mich zum Schluss dem Ministerium für den Bericht danken, der deutlich macht, dass nicht nur eine Datensammlung vorgelegt wurde, sondern auch Perspektiven aufgezeigt wurden.
Die Arbeit am sozialen Europa, die für uns von hoher politischer Priorität ist, wird durch diesen Bericht einfacher. Es bleibt die Notwendigkeit, die Detailarbeit im Ausschuss zu vertiefen. Das wollen wir tun. Der Bericht ist eine gute Grundlage dafür.
Ich danke Herrn Abgeordneten Rolf Fischer. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung neigt sich nun unabänderlich dem Ende entgegen.
Da geht mir doch durch den Kopf, dass ich in dieser Plenartagung wirklich etwas vermisse, was uns sonst in den Plenarsitzungen der vergangenen Monate immer begleitet hat.
Bislang erklang noch nicht die machtvolle Stimme des Fraktionsvorsitzenden der SPD in diesem Hohen Hause. Hat irgendein unbekanntes Ereignis den Herrn Kollegen Dr. Stegner vorübergehend sprachlos gemacht?