Protokoll der Sitzung vom 30.05.2008

Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist ohne Zweifel ein Wirtschaftsfaktor für das Land. Die Unternehmen haben Tausende neue Arbeitsplätze geschaffen, vermelden traumhafte Wachstumszahlen und hohe Gewinne. Das muss auch so sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, denn mittlerweile sind die Subventionen, die die erneuerbaren Energien erhalten, bedeutend höher, als sie für Steinkohle jemals waren. Vielleicht sollte sich die Landesregierung einfach einmal etwas intensiver mit der Thematik auseinandersetzen. Dann würde es ihr auch gelingen, präzise Antworten auf präzise Fragen dieses Parlamentes zu geben.

Das gilt im Übrigen auch für den Bereich OffshoreWindparks. Was die Landesregierung in ihrem Bericht in Drucksache 16/1946 (neu) ausliefert, ist gelinde gesagt auch nicht besonders aufbauend. So heißt es zwar, dass das POWER-Projekt Informationen und Analysen geschaffen hat und dass sich daran weitere Aktivitäten anschließen werden. Konkret benannt, Herr Minister Austermann, haben Sie diese Aktivitäten aber nicht. Es steht also noch gar nichts fest. Ich will das nicht wirklich glauben.

Was aber offenbar jetzt bereits feststeht, ist, dass 10.500 Arbeitsplätze durch den Aufbau der Offshore-Windenergie geschaffen werden. Mit anderen Worten: Was die erneuerbaren Energien in der Vergangenheit gebracht haben - siehe Drucksache 16/1944 -, ist der Landesregierung nicht bekannt, was sie in Zukunft bringen werden - siehe Drucksache 16/1946 (neu) - allerdings sehr wohl. Finden Sie es wirklich glaubwürdig, mit dem Parlament in dieser Art und Weise umzugehen? - Ich nicht! Beide Berichte sind aus unserer Sicht mehr als dünn, und ich bezweifele, dass der Landesregierung die Zahlen und Fakten, die der Landtag abgefragt hat, wirklich nicht vorliegen.

Dann komme ich zu dem Grünbuch, über das wir ja auch gesprochen haben. Vielleicht passen Ihnen ja

die konkreten Zahlen einfach nicht, weil sie ein Bild der erneuerbaren Energien zeichnen, das in Ihr Bild mit Kohle und Kenkraft noch nicht so recht hineinpasst, Herr Minister Austermann.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich hoffe wirklich, dass die Landesregierung noch einmal in sich geht und wenigstens im Ausschuss ein wenig konkreter auf die erbetene Beantwortung der gestellten Fragen eingeht. Ich finde, der Landtag hat darauf ein Recht; denn schließlich hat er auch einstimmig beschlossen, dass er diese Antworten haben will. Ich will sie jedenfalls haben.

Lassen Sie mich aus aktuellem Anlass noch auf eine, wie ich finde - der Kollege Schulze hat das angesprochen -, dramatische Entwicklung bei der Förderung der erneuerbaren Energien eingehen. Dass sich am vergangenen Sonntag bei einer Bürgerbefragung 58 % der Bürger von Eggebek gegen die Entwicklung des Energie- und Technologieparks, gegen die Schaffung von bis zu 1.700 neuen Arbeitsplätzen und gegen die Forschung und Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien ausgesprochen haben, ist aus unserer Sicht ein herber Rückschlag für die erneuerbaren Energien. Wir hier im Landtag - ich sage das ausdrücklich auch an die Adresse der Abgeordneten von SPD und Grünen sollten alles daransetzen, dass die neue Mehrheit in der Gemeindevertretung Eggebek dieses Projekt nicht auf Eis legt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich würde mir wünschen, dass wir darüber Einigkeit erzielen könnten.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Garg ebenfalls für die geschenkte Zeit. - Das Wort für den SSW im Landtag hat Herr Abgeordneter Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bericht macht - freundlich formuliert in aller Kürze deutlich, dass die erneuerbaren Energien für uns in Schleswig-Holstein eine wirtschaftlich bedeutende Entwicklung hinter sich und auch noch vor sich haben. Angesichts dieser Tatsache wundert es schon, dass der Landesregierung keine belastbaren Daten zu den wirtschaftlichen und finanziellen Effekten der erneuerbaren Energien in

(Dr. Heiner Garg)

Schleswig-Holstein vorliegen. Einer der größten und innovativsten Wirtschaftszweige im Land, und die Landesregierung hat hierzu keine belastbaren Daten! Das kann uns nicht zufriedenstellen, und das darf auch nicht so sein.

Eingangs wird in dem Bericht auf Angaben des Bundesverbands Windenergie verwiesen, die zwar aus dem Jahr 2006 stammen, aber dennoch deutlich machen, über welche Größenordnungen wir in Schleswig-Holstein inzwischen sprechen. Demnach beliefen sich die privaten Investitionen in der Windenergienutzung bis 2006 auf annähernd 3 Milliarden €. Ich denke, allein dies ist eine Hausnummer, die durchaus berechtigt, dass die Landesregierung ein bisschen mehr Mühe in den Bericht gesteckt hätte. Gleiches gilt aus meiner Sicht auch für die geschätzten 7.000 direkten und indirekten Arbeitsplätze, die bei der Windenergie entstanden sind, sowie die weiteren 1.700 Arbeitsplätze, die bei den anderen erneuerbaren Energien geschaffen wurden.

Ganz besonders profitiert die Westküste von dieser Entwicklung, die sich durch vorausschauendes Handeln zu einer Kompetenzregion für erneuerbare Energien entwickelt hat. Ich gehe davon aus, dass sich die Landesregierung von dieser Erfolgsgeschichte nicht abwendet. Denn wir wissen, dass die Potenziale in der Windenergie noch längst nicht ausgeschöpft sind, insbesondere wenn wir auf die Potenziale im Offshore-Bereich und Repowering schauen.

Daneben wird künftig aber auch die im Bericht angesprochene Ausweitung der Eignungsgebiete für die Windenergienutzung von derzeit 0,8 % auf circa 1 % einen neuen Schub für die Windenergiebranche bedeuten. Hierbei gehe ich davon aus, dass die Kommunen, die sich seinerzeit gegen derartige Eignungsflächen ausgesprochen haben und dies mittlerweile bereut haben, ihre Entscheidung von damals revidieren dürfen, auch wenn ein entsprechender Antrag von uns von der Großen Koalition bisher abgelehnt wurde. Denn für die Gemeinden, die sich für Eignungsflächen ausgesprochen haben, sind die Einnahmen aus der Windenergie ein lukratives Zubrot.

Künftig wird es darauf ankommen, die Voraussetzungen für ein planvolles Repowering zu schaffen. Vonseiten der Landesplanung benötigen wir daher Richtlinien, die es den Kreisen und Gemeinden ermöglichen, anhand der Vorgaben entsprechende Eignungsflächen zu prüfen, zu planen und auszuweisen. Nach dem Motto „weniger ist mehr“ würde durch das Repowering die Zahl der kleineren Wind

energieanlagen in der Fläche abnehmen, bei gleichzeitiger Leistungssteigerung. Das Repowering der ersten Generation wird laut Bericht voraussichtlich bis 2020 abgeschlossen sein. Damit wird die bisherige Leistung nahezu verdoppelt, und das bedeutet, dass wir damit knapp 60 % des in Schleswig-Holstein verbrauchten Stroms durch Windkraft erzeugen.

Doch die derzeitigen Abstandsempfehlungen für die Errichtung von größeren Windkraftanlagen im Zuge des Repowerings sind teilweise uneffektiv. Dadurch verhindern sie den Rückbau vieler kleinerer Anlagen. Hier brauchen wir klare und nicht starre Vorgaben. Dabei muss die Landesregierung endlich auch sagen, wer in Zukunft für die Windflächenplanung zuständig sein wird - das Land, wie bisher, oder in Zukunft die Kreise.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Windenergie ist natürlich der Offshore-Bereich. Die Potenziale auf dem Meer sind enorm. Denn mit der Errichtung und Erschließung der derzeit in Planung befindlichen sieben Offshore-Parks sowie den bestehenden Windkraftanlagen an Land würden wir rechnerisch weit über 100 % des schleswig-holsteinischen Stromverbrauchsäquivalents produzieren, und Schleswig-Holstein könnte sich zum Stromlieferanten aus erneuerbaren Energien entwickeln. Allerdings ist es dafür notwenig, dass wir unsere Netze entsprechend ausbauen, dass wir sie neu gestalten und dass wir auch auf die Interessen der Bürger vor Ort Rücksicht nehmen, wenn es um diesen Netzausbau geht. Dann schaffen wir es am schnellsten. Auch das ist eine Aufgabe, die sich für die Landesregierung stellt.

Der Bericht zur Nordseekooperation im Zusammenhang mit erneuerbaren Energien macht deutlich, dass die Offshore-Windenergienutzung auch wirtschaftlich einen enormen Effekt haben wird. Insbesondere wird in dem Bericht attestiert, dass der Standort Nordfriesland/Husum gute Voraussetzungen für die weitere Entwicklung im OffshoreBereich mit sich bringt. Angesichts der Tatsache, dass sich der Kreis Nordfriesland bereits seit Jahren durch seine Windkraftkompetenz auszeichnet, überrascht einen diese Aussage nicht, sie bestätigt sie aber. Trotzdem müssen wir in diesem Bereich der Nordseekooperation weiter vorankommen. Denn ein Projekt plus ein Folgeprojekt sind einfach zu wenig. Wir müssen da mehr Energie im wahrsten Sinne des Wortes hineinstecken, damit die Nordseekooperation mit mehr Leben erfüllt wird. Zumindest in diesem Bereich haben wir große Chancen, auch wirtschaftlich weiter voranzukom

(Lars Harms)

men. Da ist bisher zu wenig geschehen. Hier kann das Land möglicherweise helfen, und hier sollten wir als Land auch entsprechende Projekte in der Region anschieben.

(Beifall beim SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms. Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich schließe die Beratung.

Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Es ist beantragt worden, die Berichte der Landesregierung, Drucksachen 16/1944 und 16/1946 (neu), federführend dem Wirtschaftsausschuss und mitberatend dem Europaausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer dem zustimmen will, bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so geschehen.

Dann darf ich noch einmal auf den Tagesordnungspunkt 40 zurückkommen, den ich eben mit „ohne Aussprache“ gekennzeichnet habe. - Im Hintergrund passt Herr Voss immer gut auf, dass wir hier alles richtig machen.

Ich rufe also Tagesordnungspunkt 40 auf:

Bericht der Landesregierung über die Tätigkeit der Innovationsstiftung Schleswig-Holstein 2006

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/1971

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Ich schlage vor, den Bericht der Landesregierung dem Wirtschaftsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer dem folgen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so geschehen.

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 41 auf:

Schleswig-Holstein in Europa: Europapolitische Schwerpunkte der Landesregierung 2008 Europabericht 2008

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/1983

Ich erteile Herrn Europaminister Uwe Döring das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Europabericht 2008 macht vor allem deutlich, dass Europapolitik konkrete Landespolitik ist. Zumindest haben wir uns darum bemüht. Wie in den vergangen Jahren auch benennt der Bericht Perspektiven. Er definiert Ziele und ermöglicht eine Transparenz der europapolitischen Diskussion in Schleswig-Holstein. Damit befindet er sich in der Kontinuität der Europapolitik des Landes. Das ist übrigens eine Kontinuität, die hier in diesem Haus immer geherrscht hat. Die Übereinstimmung, die hier in den Grundfragen herrscht, ist wichtig. Wir streiten uns zwar manchmal über den besseren Weg, aber wir stellen Europa nicht infrage. Ich denke, das ist ein europapolitischer Standortvorteil des Landes, den wir auch im Rahmen der Diskussionen, die wir in Brüssel führen, nutzen sollten.

Die europapolitischen Schwerpunkte des Jahres 2008 sind teilweise auch die des vergangenen Jahres, und zwar sowohl auf europäischer Bühne als auch hier im Land. Zu nennen sind hier die Asylund Migrationspolitik, die Energiepolitik, über die wir eben diskutiert haben, die Klimaschutzpolitik, über die wir gestern diskutiert haben, wobei hier insbesondere der Bereich Meerespolitik zu nennen ist, sowie die Reform des EU-Vertrags. Ich möchte in der kurzen Zeit, die mir zur Verfügung steht, nicht alle Punkte wiederholen, die im Bericht enthalten sind. Der Bericht liegt Ihnen vor, und wir können alle Fragen im Ausschuss vertieft behandeln.

Im Jahr 2007 konnte unter der deutschen Ratspräsidentschaft mit der Einigung auf den Reformvertrag die Weiterentwicklung der EU vorerst zu einem wichtigen Zwischenziel gebracht werden, mit dem man bei aller berechtigten Kritik an einzelnen Punkten ganz gut leben kann. Der Vertrag bringt Veränderungen, aber er löst nicht alle Probleme. Auch seine Umsetzung wird noch einige Diskussionen zur Folge haben.

Die Chancen stehen gut, dass der Vertrag im Jahr 2008 ratifiziert wird. Die Diskussion über die weitere Entwicklung und über die Ausrichtung der EU wird jedoch weitergehen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen Punkt kommen, den ich besonders ansprechen möchte. Das ist die Diskussion über den Bereich der sozialen Dimension. Ich begrüße es ausdrücklich, dass der Europäische Rat im Rahmen seiner Märzsitzung beschlossen hat, soziale Fragen wieder verstärkt auf die Tagesordnung der Lissabon-Strategie zu setzen. Die Kommission

(Lars Harms)

wird zudem im Juni in einer neuen Sozialagenda zeigen, ob sie die Globalisierung nur verarbeiten oder im Sinne der europäischen Idee mitgestalten will. Ich sage hier deutlich: Europa muss gleichermaßen wirtschaftliches Wachstum, sichere Arbeitsplätze und gute Löhne zum Ziel haben. Das ist für die Bürgerinnen und Bürger letztlich der erkennbare Mehrwert der europäischen Integration. Daran wird sich entscheiden, ob die europäische Idee die Legitimation und die Zustimmung erhält, die sie braucht, um die großen Herausforderungen auch wirklich bewegen zu können.

(Beifall der Abgeordneten Rolf Fischer [SPD] und Jürgen Weber [SPD])

Ich sehe mit Sorge, dass diesen Ankündigungen bei der Kommission häufig keine Tagen folgen. Als Beispiel dient, dass wir im Protokoll zum Vertrag von Lissabon haben nachlesen können, dass den Diensten von allgemeinem Interesse zugestanden wird, den nationalen, regionalen und lokalen Behörden einen weiten Ermessensspielraum zuzugestehen. Das bedeutet aus meiner Sicht, dass der Reformvertrag durchaus unterschiedliche Modelle der Daseinsvorsorge anerkennt und respektiert. Gerade bei uns in Deutschland und in Schleswig-Holstein spielt dies eine große Rolle. Öffentliche Dienstleistungen dürfen unter dem Aspekt der Daseinsvorsorge nicht auf eine enge Interpretation hoheitlicher Aufgaben reduziert werden, wie das die Kommission offensichtlich im Auge hat. Hier muss man die Sichtweise revidieren.

Wir erleben auch bei der Rechtsprechung des EuGH, in der es immer um die Frage geht, inwieweit das EU-Binnenmarktrecht weitgehend nationalen, staatlichen oder auch gewerkschaftlichen Standards übergeordnet ist, dass dies eine Entwicklung ist, die dazu führt, dass der Binnenmarkt eine große Bedeutung und ein Übergewicht hat. Das ist richtig, zu diesem Zweck wurde die EU auch einmal als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet. Das darf aber nicht alles sein.

Ich sehe mit großem Unbehagen, wie die Balance zwischen Liberalisierung und Binnenmarkt auf der einen Seite und leistungsfähigen nationalen Strukturen, die wir auf der anderen Seite haben, ins Wanken gerät. Man kann schon jetzt sagen, dass wir in dieser Frage wieder in Diskussionen darüber kommen werden, wie bei uns in Deutschland die Strukturen im Bereich der Daseinsvorsorge organisiert sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um öffentlich-rechtliche Anstalten geht. Da sind die Krankenhäuser und die Sozialversicherungen im Visier. Wir müssen hier sehr aufpassen, dass uns

dieser Prozess nicht entgleitet und dass Europa etwas anderes erschafft, als wir es hier über viele Jahre hinweg zu Recht vereinbart haben.

Ich möchte nicht einfach dafür plädieren, Schutzräume für nationale Strukturen zu fordern, aber wir müssen sehen, dass wir in der EU im sozialen Bereich nicht alles den Regeln des Binnenmarktes und der Niederlassungsfreiheit opfern. Vielmehr muss auch die andere Seite in einer vernünftigen Balance stehen. Dafür plädiere ich. Ich plädiere auch dafür, dass wir bei europäischen Regelungen so etwas wie einen Sozialcheck einführen, das heißt, dass Maßnahmen im Einzelnen auch auf ihre sozialen Auswirkungen hin untersucht werden. Es reicht nicht, dass wir Vorschläge nur als sozial etikettieren.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Inhalt muss stimmen. Das ist eine wesentliche Position, mit der wir uns in der europäischen Politik auseinandersetzen sollten.