Protokoll der Sitzung vom 18.06.2008

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir versuchen einen Spagat für die Zukunft, nämlich den Spagat einerseits bestmögliche Betreuung für unsere Kinder, bestmögliche Bildung für unsere Kinder, bestmögliche Situationen an den Hochschulen für unsere Studierenden zu schaffen und andererseits zu versuchen - im Gegensatz zu dem, was Sie gemacht haben -, die Kosten dafür nicht auf künftige Generationen zu verschieben, sondern dies aus eigener Kraft zu bewältigen. Das ist die Aufgabe, die wir uns gestellt haben.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie beklagen gleichzeitig das Übermaß an Bürokratie und Verwaltung, ohne dabei daran zu denken, dass Sie dieses Übermaß an Bürokratie und Verwaltung erst herbeigeführt haben. Insbesondere unser Umweltminister ist dabei, dieses Übermaß an Bürokratie zu beseitigen.

(Holger Astrup [SPD]: Toller Typ!)

- Ist er auch. Das ist einen Applaus wert, auch von Ihrer Seite, Herr Astrup.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben mit Ihrer Politik in Ihren knapp zehn Jahren Schleswig-Holstein an den Rand des Ruins gefahren, und jetzt wollen Sie versuchen, sich aus dieser Verantwortung herauszustehlen. Das wird Ihnen aber nicht gelingen.

Herr Hentschel, Sie sitzen hier auf der Anklagebank, und der Chefankläger steht vor Ihnen. Sie sind es jedenfalls nicht.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe nie bestritten, dass die Haushaltslage schon seit Jahren schwierig ist. Es war immer eine schwierige Situation. Ich erinnere mich nur, dass damals eine Fraktion, die hier jetzt die größte Fraktion ist, lauthals immer erzählt hat, wie sie das alles sanieren und wie sich das alles ändern würde.

(Zurufe von der CDU)

Sie haben jetzt 1,5 Milliarden € mehr Steuereinnahmen, und Sie schaffen es nicht einmal, von diesen 1,5 Milliarden mehr Steuereinnahmen die Hälfte zur Entschuldung zu nutzen. Das heißt, Sie haben in den letzten Jahren gravierende Mehrausgaben produziert. Das ist der Punkt, den ich kritisiere. Da können Sie noch so viel über die Vergangenheit reden. Ich rede über die Gegenwart.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Minister Rainer Wiegard)

Wir haben von Anfang an - das wissen Sie sehr genau, ich habe mich da immer in den Ring gestellt für Abbau von Stellen und Bürokratie gekämpft.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Und wer war da- gegen?)

Wir haben in der Regierungszeit 1.000 neue Lehrerstellen geschaffen, aber gleichzeitig das Doppelte an Stellen in den Verwaltungen eingespart. Das heißt, wir haben damals für jede Lehrerstelle, die wir neu geschaffen haben, zwei Stellen eingespart. Das nehme ich als Maßstab, und diesen Maßstab würde ich mir auch an Ihrer Stelle einmal setzen. Das können Sie in den Zahlen des Landesrechnungshofs nachlesen; vielleicht sind die ja neutral. Diesen Maßstab stelle ich auch an die neue Regierung.

Wir haben die Verwaltungsstrukturreform, auch die kommunale Verwaltungsstrukturreform, angestoßen, weil ich gesehen habe, wie katastrophal die Lage des Haushaltes ist. Wir haben uns in der Partei darauf geeinigt und dafür gekämpft, dass etwas passiert.

Jetzt sehe ich, wie die Reform zwischen den beiden großen Fraktionen zerrieben wird, wie der dafür zuständige Staatssekretär abgetaucht ist und überhaupt nicht mehr auftaucht. Nachdem er angekündigt hatte, 1.000 Stellen einzusparen, standen im Gesetz nur vier Stellen - wir erinnern uns alle -, und dieses Gesetz ist offensichtlich immer noch nicht reif.

Was ist mit dieser Regierung eigentlich los?

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Da können Sie noch so viel über die Vergangenheit reden, das wird Ihnen nichts nützen. Wir reden über die Gegenwart, Herr Wiegard.

Es ist richtig, wir hatten große Defizite. Es sind Schulden aufgehäuft worden, unter unserer Regierung, unter der vorherigen rein roten Regierung und vorher unter schwarzen Regierungen. Wenn Sie die Geschichte der Haushaltssteigerungen und Haushaltsdefizite durchlesen, werden Sie feststellen, dass auch schwarze Regierungen in der Vergangenheit dramatische Haushaltsdefizite produziert haben, immer wieder.

Es geht jetzt darum - da sind wir uns zum Glück einig; ich nehme Ihnen ab, dass Sie das wollen -, den Haushalt zu sanieren. Darüber müssen wir reden. Wenn die Regierung Eckpunkte vorlegt und in den

Eckpunkten erhebliche Ausgaben vorschlägt, erwarte ich -

Ich erwarte, dass Sie Ihren letzten Satz formulieren, Herr Kollege.

Herr Präsident, ich bin bei meinem letzten Satz. Wenn die Regierung erhebliche Mehrausgaben vorlegt, dann erwarte ich, dass sie in diesen Eckpunkten zumindest sagt, wie sie diese finanzieren will. Das haben Sie nicht getan. Wir werden uns in drei Wochen wieder sprechen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das waren mindestens drei weitere Sätze. - Zu einem Kurzbeitrag hat jetzt Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister, Chapeau! Die Aktuelle Stunde hat sich doch noch gelohnt, denn die Rede, die Sie hier gehalten haben, war eine Ihrer großen Reden, wenn ich das einmal so sagen darf. Ich werde sie überall verteilen. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Regierung, der Sie jetzt angehören, mit einer erheblichen Erblast der alten Regierung zu kämpfen hat. Sie haben die Situation, die Sie jetzt zu bekämpfen haben, so vorgefunden, wie sie ist. Ich meine, Sie haben die Grünen zu Recht angegriffen, was die Verhinderung von Infrastrukturmaßnahmen in Schleswig-Holstein angeht. Gleichzeitig haben Sie ebenfalls zu Recht erklärt, dass damit ein Begründungselement geliefert wird, warum sich die Bruttoinlandsprodukte pro Kopf in Bayern und in Schleswig-Holstein anders entwickelt haben. Das heißt, wir stünden heute besser da, hätte es dieses neun oder zehn Jahre währende Intermezzo einer rot-grünen Koalition nicht gegeben.

Ich meine, Sie haben auch zu Recht darauf hingewiesen, dass für den Haushalt des Jahres 2005 gesetzlich vorgeschriebene Mehrausgaben nicht realisiert worden sind. Das haben wir schon im Jahr 2005 moniert. Sie haben die nächste Frage, die danach kommen muss, nicht gestellt. Daher will ich sie stellen: Wer war der Finanzminister in dieser Zeit? Ich frage wie ein sehr bekannter deutscher Sportmoderator: Wo ist Stegner?

(Heiterkeit bei der FDP)

(Karl-Martin Hentschel)

Sie attestieren der Vorgängerregierung nicht nur Gesetzesbruch, sondern auch mangelnde politische Leistungsfähigkeit. Sie nehmen - wie ich meine, zum überwiegenden Teil zu Recht - die Grünen vor das Brett, aber Sie tun so, als hätte der jetzige Koalitionspartner nichts mit der Sache zu tun.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Die Grünen ha- ben allein regiert!)

- Die Grünen haben allein regiert.

Wahrscheinlich stünden wir in bestimmten Bereichen - wobei ich nicht den Bereich der Infrastruktur meine, sondern beispielsweise die Grundversorgung in den Kindergärten und Schulen - besser da, wenn sie allein und nicht mit den Sozialdemokraten regiert hätten, denn wir wissen aus der Vergangenheit, dass die Grünen sich in diesen Fragen gelegentlich gegenüber den Sozialdemokraten nicht durchsetzen konnten. Ich erwarte aber tatsächlich, dass die Sozialdemokratie eine Erklärung zu dieser Erblast abgibt, die jetzt beseitigt werden soll.

Herr Finanzminister, ich frage weiter: Verstehe ich Sie richtig, dass die Lösung der Probleme in Schleswig-Holstein dann, wenn Sie diesen alten Teil der Regierung nicht noch am Bein hätten, der mit dafür verantwortlich ist, dass die Situation so ist, wie sie ist, schneller gehen könnte, als es gegenwärtig geschieht? Darauf hätte ich gern eine Antwort.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Gruppe des SSW hat Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es zeigt sich doch immer wieder, dass Vergangenheitsbewältigung spannend ist. Vielleicht ist sie auch einfacher, als das zu formulieren, was umgesetzt werden soll und was umgesetzt werden kann. Ein deutscher Politiker hat irgendwann einmal gesagt: Visionen bringen nichts Gutes. Wer Visionen hat, sollte zum Augenarzt gehen.

Eine Bemerkung zur Vergangenheitsbewältigung! Ich stelle die These in den Raum, dass jede Regierung versucht, mit dem Haushalt die Probleme zu lösen, die aktuell in der Gesellschaft gelöst werden müssen. Ich kann mich gut daran erinnern, dass die Bundesregierung Anfang der 90er-Jahre feststellte, dass es jetzt einen Rechtsanspruch auf einen Kin

dergartenplatz gebe. Ich habe noch im Ohr, wie die Debatte damals ablief. Ich habe noch im Ohr, wie in Schleswig-Holstein gesagt wurde, in der langen Zeit der CDU-geführten Landesregierungen habe es keine Bewegung gegeben. Nun stand man mit einem großen Berg an Aufgaben da, die zur Lösung anstanden. Ich kann mich an eine Debatte über die Elektrifizierung erinnern, bei der das Land die Finanzierung derselben übernommen hat. Ich kann mich auch an eine Debatte über die Einführung einer Unternehmensteuerreform erinnern, die für den Haushalt des Landes Schleswig-Holstein katastrophale Folgen hat.

Mit diesen Beispielen will ich nur deutlich machen, dass diese Art von Vergangenheitsbewältigung, die jetzt wieder erfolgt, tödlich ist und uns nicht weiterbringt. Darum will ich meinen letzten vermurksten Satz noch einmal richtigstellen: Die Pressekonferenz der Landesregierung zum Eckpunktepapier zeigte, dass man sich nicht einig war. Sie zeigte, wie schwierig die Haushaltsberatungen werden. Das ist nichts Neues. Wir werden sehen, ob man sich einigen kann. Sollte man sich nicht einigen, dann sage ich für den SSW: Es ist dann für das Land allemal besser, wenn gesagt wird, wir müssen die politischen Karten neu mischen. Dann muss es zu Neuwahlen kommen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Finanzminister Rainer Wiegard das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Herrn Kubicki die Antworten nicht schuldig bleiben. Der Unterschied ist in der Tat der, dass diese Regierung sich in all ihren Teilen dieser Aufgabe stellt. Auch die Sozialdemokratische Partei stellt sich dieser Aufgabe. Wir werden das erreichen, was wir in der vergangenen Woche angekündigt haben: Wir werden erreichen, dass wir zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder einen verfassungsgemäßen Haushalt aufstellen. Wir werden es auch erreichen, dass wir ihn auch im Abschluss so erfüllen. Das war der erste Punkt.

Zum zweiten Punkt: Herr Kubicki, das ist der Unterschied, den Sie angesprochen haben. Der Unterschied zwischen den beiden Parteien liegt darin begründet, dass die Grünen versuchen, sich aus der Verantwortung zu schleichen.

(Wolfgang Kubicki)