Protokoll der Sitzung vom 19.06.2008

(Vizepräsidentin Frauke Tengler)

Es wird gegenwärtig in der Öffentlichkeit intensiv über die Frage diskutiert, wie die Arbeitnehmer stärker am wirtschaftlichen Aufschwung beteiligt werden können. Mitarbeiterbeteiligungen - freiwillig und im Rahmen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens - können nach unserer Überzeugung ein guter Beitrag sein, die Einkommenssituation der Beschäftigten zu verbessern. Hierfür hat die Große Koalition in Berlin die Weichen gestellt, und ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag, damit dies auch von Schleswig-Holstein weiter unterstützt und in Schleswig-Holstein positiv begleitet wird.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Johannes Callsen und erteile für die SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten Bernd Schröder das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Historisch betrachtet lag es nicht an der Sozialdemokratie, dass es mit der nun vereinbarten Form der Mitarbeiterbeteiligung so lange gedauert hat. Herr Dr. Garg, 1980 hatte die Bonner Koalition von SPD und FDP ausgehandelt, dass den Tarifpartnern nicht nur die Möglichkeiten zur einzelbetrieblichen Beteiligung der Beschäftigten am Produktivvermögen erleichtert werden sollte, die FDP hatte sich auch dazu durchgerungen, einem SPDund Gewerkschaftswunsch zu entsprechen und den Tarifpartnern den Weg zur überbetrieblichen Vermögensbildung gesetzlich zu ebnen. Auch Finanzminister Matthöfer erklärte sich mit einer steuerlichen Förderung einverstanden.

Zum Erstaunen des sozialdemokratischen Koalitionspartners verabschiedete sich die FDP kurz danach aus dem Kompromiss:

„Die Freidemokraten wollen allenfalls über Gesetzeshilfen für eine rein betriebliche Vermögensbildung mit sich reden lassen; über die von vielen Gewerkschaften geforderte überbetriebliche Vermögensbildung - bei der finanzkräftige Fonds geschaffen würden wollen sie gar nicht mehr verhandeln.“

Das schrieb der „Spiegel“ am 26. April 1982. Hört, hört!

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sehr viel hat sich seit damals geändert, aber eine sehr wichtige Sache nicht: Die Löhne hinken der Rendite hinterher, Unternehmens- und Vermögenseinkommen steigen weit mehr als die Einkommen der Beschäftigten. Und eine stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen ist nach wie vor aktuell, zumal Erfahrungen aus Frankreich oder auch Großbritannien zeigen, dass mit entsprechender Förderung Beteiligungsmodelle für Beschäftigte an Unternehmen attraktiv sein können und sind.

In Deutschland ist die Mitarbeiterbeteiligung in Betrieben bislang nicht weit verbreitet. Im Jahr 2005 hatten nur 2 % der Betriebe ein System der Kapitalbeteiligung. In 9 % der Betriebe sind Beschäftigte am Gewinn beteiligt. Darunter waren - wie eben schon vom Kollegen Callsen gesagt wurde - deutlich mehr große Unternehmen als kleine Betriebe.

Tatsache ist auch, dass vor allem qualifizierte Beschäftigte von Beteiligungsmodellen profitieren. Geringqualifizierte, gewerblich Beschäftigte und Menschen in niedrigen Einkommensgruppen werden bisher seltener einbezogen. Uns Sozialdemokraten war daher besonders wichtig, dass es ein Instrument zur Förderung indirekter Beteiligungen gibt. Dazu werden Mitarbeiterbeteiligungsfonds geschaffen, etwa für einzelne Branchen. Sie müssen 75 % ihres Vermögens in den Firmen anlegen, deren Beschäftigte Anteile an dem Fonds erwerben.

Die Koalition in Berlin vereinbarte ein Modell, das sowohl direkte als auch indirekte Beteiligungen ermöglicht: Die steuerliche Förderung von Vermögensbeteiligungen wird deutlich ausgeweitet. Es werden neue, professionell gemanagte Mitarbeiterbeteiligungs-Fonds geschaffen, in die Beschäftigte investieren können. Die Arbeitnehmer-Sparzulage wird für in Beteiligungen angelegte vermögenswirksame Leistungen von 18 auf 20 % angehoben, die Einkommensgrenzen für die Sparzulage steigen. Die Beteiligung ist absolut freiwillig. Beteiligungsmodelle müssen zusätzlich zum Lohn verhandelt werden. Die Mitarbeiterbeteiligung darf - dies ist der SPD ausgesprochen wichtig - nicht zulasten der betrieblichen Altersvorsorge gehen. Die Regierung wird eine Informationskampagne für mehr Mitarbeiterbeteiligung auf den Weg bringen. Diese beschlossene Regelung soll möglichst noch Anfang 2009 in Kraft treten.

Dies ist einmal ein Kompromiss, der wirklich sehr positiv ist und deshalb unsere Überstützung finden sollte. Für den Erfolg von Mitarbeiterbeteiligungen wird das Engagement der Tarifpartner eine

(Johannes Callsen)

wichtige Rolle spielen, zum Beispiel die Aufnahme in entsprechende Tarifverträge. Und damit Beteiligungssysteme ihre positiven Anreizeffekte entfalten können, müssen die Beschäftigten Einfluss auf den Leistungsoutput haben, das heißt die Erfolge einer Mitarbeiterbeteiligung sind auch abhängig von einer Veränderung in der Unternehmenskultur.

Ich glaube, dieses ist ein gutes Modell. Das ist ein Antrag, der unterstützt werden sollte. Ich bitte das Hohe Haus um Unterstützung des gemeinsamen Antrages.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Bernd Schröder und erteile für die FDP-Fraktion Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herzlichen Dank, Kollege Schröder, für den Geschichtsunterricht.

(Beifall bei der FDP - Wolfgang Kubicki [FDP]: Ich war dabei!)

- Du warst im Zweifel überall dabei.

Seit 1980 hat sich doch einiges geändert, insbesondere haben die Sozialdemokraten hier im Land tatsächlich die Landesbediensteten am Erfolg des Unternehmens Schleswig-Holstein dahin gehend beteiligt, dass sie den Landesbeamten das Urlaubsgeld gestrichen und das Weihnachtsgeld gekürzt haben. So viel zur Mitarbeiterbeteiligung, wie sie hier vor Ort gelebt wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Kollege Schröder, ich bin ein wenig ratlos. Wir debattieren einen Antrag der Koalition aus CDU und SPD, die die Landesregierung auffordert, sich auf Bundesebene für die freiwillige Mitarbeiterbeteiligung an Unternehmen einzusetzen. Nun ist es aber so, dass auf Bundesebene - derzeit noch - eine Regierung existiert, die aus Mitgliedern von CDU und SPD besteht.

(Beifall bei der FDP)

Der Koalitionsausschuss - auch er besteht bekanntlich aus Mitgliedern von CDU und SPD - hat eine „Arbeitsgruppe für mehr Mitarbeiterkapitalbeteiligung in Deutschland“ eingesetzt. Diese hat ihre Ergebnisse am 21. April 2008 vorgestellt. Das Ergeb

nis dieser Arbeitsgruppe wurde in den Koalitionsfraktionen als durchgreifender Erfolg gefeiert. So heißt es zum Beispiel auf der Internetseite der CDU oder in einem Flyer der SPD: Diese Ergebnisse „sind ein wichtiger Schritt zum flächendeckenden Aufbau einer Kapitalbeteiligungskultur von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Deutschland“.

Nun frage ich die Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU ernsthaft, was dieser Antrag der Koalitionspartner in Schleswig-Holsteinischen Landtag soll, der die Bundesregierung auffordert, in dieser Frage aktiv zu werden?

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Es gibt eigentlich nur zwei plausible Erklärungen: In den Reihen von CDU und SPD in Kiel weiß man nichts von den Dingen, die CDU und SPD in Berlin treiben,

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

oder aber CDU und SPD in Kiel haben erhebliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit der von CDU und SPD im Bund vorgeschlagenen Maßnahmen. Sollte die zweite Erklärung zutreffen, dann haben Sie die ausdrückliche Unterstützung der FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Denn das von CDU und SPD auf Bundesebene beschlossene „Gesamtkonzept zur Förderung der Mitarbeiterbeteiligung“ ist kontraproduktiv, teuer und absolut ineffektiv.

Wenn CDU und SPD hier in diesem Haus das genauso sehen, dann frage ich mich, warum das nicht auch in ihrem Antrag so steht? Wir werden Ihnen im Zweifelsfall im Wirtschaftsausschuss mit einem Formulierungsvorschlag weiterhelfen.

Lassen Sie mich kurz begründen, warum wir das Konzept von CDU und SPD auf Bundesebene strikt ablehnen. Was will die Koalition in Berlin? - Die Steuer- und Sozialversicherungsbeitragsfreiheit für die Kapitalbeteiligung an der eigenen Firma soll von derzeit 135 € auf 360 € pro Jahr erhöht werden. Der Arbeitgeber kann zukünftig das Kapital auch in Branchenfonds investieren; das wird speziell gefördert. Der Fördersatz für vermögenswirksame Leistungen wird von 18 % auf 20 % angehoben, und die Einkommensgrenzen sollen ansteigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Vorschläge von CDU und SPD begünstigen ausschließlich

(Bernd Schröder)

Großunternehmen, sie gehen am Mittelstand völlig vorbei.

(Beifall bei der FDP)

Sie machen das deutsche Steuerrecht noch komplizierter, und sie sind extrem teuer. Die Vorschläge von CDU und SPD gehen insbesondere zulasten der betrieblichen Altersvorsorge und schaden in der Summe der Vermögensbildung.

(Beifall bei der FDP)

Natürlich ist es grundsätzlich sinnvoll, Arbeitnehmer am Erfolg ihres Unternehmens oder am Unternehmenskapital zu beteiligen. Da gibt es, Kollege Callsen, zwei Möglichkeiten: entweder der Investivlohn oder die investive Gewinnbeteiligung. Die konkrete Umsetzung muss allerdings auf betrieblicher Ebene erfolgen; denn nur dort kann darüber befunden werden kann, wie hoch der Anteil der erfolgsabhängigen Vergütung sein kann. Der Staat kann und darf sich da nicht einmischen! Dass Sie als Union ein solches Konzept mittragen, sagt eigentlich schon alles: Im grünen Anstrich den Roten hinterherrennen!

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie das genauso sehen, dann schreiben Sie das doch in Ihren Antrag und verklausulieren Sie hier nicht irgendetwas!

Deutschland braucht keine neuen staatlich gesteuerten Förderwege. Das System muss vielmehr einfach und verständlicher werden, soll die betriebliche Altersvorsorge eine breitere Akzeptanz finden als bisher. Wir brauchen Modelle, die die Bürger zu eigenverantwortlicher Vorsorge animieren. Wir brauchen Modelle, die den Arbeitnehmern individuelle Wahlfreiheiten zwischen den einzelnen Produkten lassen. Wir brauchen Modelle, die die Arbeitgeber von Haftungsrisiken und Bürokratie befreien und nicht noch zusätzlich belasten.

(Beifall des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Ein solches Modell ist das Altersvorsorgekonto.

(Beifall bei der FDP)

Die Bündelung von Altersvorsorge und Mitarbeiterbeteiligung unter einem Dach wird die Transparenz und die Flexibilität des Vorsorgesparens deutlich erhöhen und damit neue Anreize schaffen. Der Weg, den die Große Koalition in Berlin geht, kann diese Anreize hingegen nicht schaffen. Im Gegenteil: Durch mehr Bürokratie und durch höhere fi

nanzielle Belastung des Mittelstandes, zum Beispiel durch die Einführung flächendeckender Mindestlöhne, wird die Mitarbeiterbeteiligung erschwert.