Protokoll der Sitzung vom 16.07.2008

Viertens. Die künftige Bioenergieförderung sollte sich auf Bioenergielinien mit besonders niedrigen CO2-Vermeidungskosten und hohen CO2-Vermeidungsleistungen konzentrieren.

Fünftens. Die Erzeugung von Biokraftstoffen ist nur dann zu verantworten, wenn diese einen anspruchsvollen Beitrag zur Minderung der Treibhausgasemissionen leisten und eine energieeffiziente Nutzung der Fläche erfolgt. Der Ausbau von Biokraftstoffen sollte zudem im europäischen Geleitzug erfolgen. Ich freue mich deshalb, dass Herr Gabriel seine Maßstäbe überprüft und an Europa ankoppelt hat. Das ist im Rahmen der zu erwartenden Konkurrenz auch realistisch.

(Beifall bei CDU, SPD und des Abgeordne- ten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich erteile nunmehr Herrn Abgeordneten Claus Ehlers das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor nicht allzu langer Zeit war nicht die Mehrproduktion ein Thema, sondern Flächenstilllegung und Überproduktion mit vollen Lagern. Das Bild hat sich völlig gewandelt. Jede Fläche wird wieder in die Bewirtschaftung genommen, die Lager sind leer, und die Nachfrage ist höher als das Angebot. In den letzten sieben Jahren wurde weltweit fünf Jahre lang mehr Getreide verbraucht als erzeugt. Weltweit hungern über 860 Millionen Menschen. Dennoch leisten wir uns den Anbau von Energiepflanzen und hoffen, dass sich dadurch die Abhängigkeit bei der Energieversorgung verringert.

Jetzt stellen wir in der Agrarpolitik fest, dass es eine totale Abkehr von der Intervention gegeben hat - das war die Absicherung nach unten mit großen staatlichen Subventionen - und dass nun eine Preisabsicherung über den Ölpreis erfolgt. Insofern können wir den OPEC-Ländern und den Ölscheichs vielleicht sogar dankbar für die jüngste preisliche Entwicklung auf dem Nahrungsmittelsektor sein. Denn wenn die Nahrungsmittelpreise zu weit sinken, dann werden Nahrungsmittel im Energiesektor genutzt.

Parallel dazu werden in der Europäischen Union Regeln umgesetzt, die künftig noch mehr Fläche für

den Energiepflanzenanbau in Anspruch nehmen. Der Beimischungszwang von Biokraftstoffen in Benzin und Diesel ist auf den Flächen in der Europäischen Union nicht zu verwirklichen. Die Folge wird sein, dass erhebliche Mengen Biokraftstoffe aus Drittländern importiert werden müssen. Möglicherweise ist dies Anreiz, Urwälder abzuholzen, um Flächen für den Anbau von Biokraftstoffen frei zu machen. Das kann nicht Sinn und Zweck unserer Energiepolitik in Deutschland sein.

(Beifall)

Es muss daher geprüft werden, ob unsere ehrgeizigen Ziele verantwortungsvoll umzusetzen sind und die bestehenden Förderungsmechanismen richtig sind.

Auch ein anderer in der Kritik stehender Bereich ist zu prüfen. Das ist die Gentechnik. Nach Aussage von Fachleuten ist die Gentechnik, die weltweit Anwendung findet, nicht mehr zu stoppen. Es stellt sich sehr wohl die Frage, ob nachwachsende Rohstoffe mit Unterstützung der Gentechnik ertragreicher werden und insbesondere in klimatisch benachteiligten Gebieten eine Zukunft haben.

Nach Auskunft der Fachleute - ich meine hier keine Politiker, die sich ein wenig angeeignet haben, meine sehr geehrten Damen und Herren

(Heiterkeit)

werden in vielen Regionen der Welt weder Nahrungsnoch Energiepflanzen in ausreichenden Mengen angebaut werden können, wenn es nicht gelingt, mit modernen Techniken die Ernten deutlich zu steigern. Wir haben heute schon eine Eiweißlücke, weil Importe überwiegend gentechnisch verändert sind. Das verteuert die Erzeugung von Fleisch, Milch und anderen Nahrungsmitteln.

Es wird immer wieder gern verdrängt, dass die Weltbevölkerung jedes Jahr um weitere 80 Millionen Menschen ansteigt. Zugleich müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass der Klimawandel voranschreitet und dass sich die Wüsten der Erde immer weiter ausbreiten. Schon vor vielen Jahren ist die Trinkwasserknappheit ein Problem gewesen, und diese Situation wird sich weiter verschärfen.

In dieser Gemengelage darf es daher nicht verwundern, dass unsere Lebensmittel weltweit reißenden Absatz finden und durch die damit verbundene relative Verknappung die Lebensmittelpreise bei uns deutlich ansteigen.

Hinzu kommt der Anstieg der Energiepreise, der sich auch auf die Lebensmittelpreise niederschlägt.

(Minister Dr. Christian von Boetticher)

Dies ist für Europa, für die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie für die Landwirtschaft eine völlig neue Situation. Der Konkurrenzdruck auf die Fläche - Energie- oder Lebensmittelpflanzenanbau - hat zu weiteren Verteuerungen geführt. Dies ist an den Flächen- und insbesondere an den Pachtpreisen ablesbar. Auch dies sind Faktoren, die zu einer Verteuerung und zu Verwerfungen unter den verschiedenen Produktionsrichtungen führen.

Deshalb, meine Damen und Herren, wollen wir uns von Energieimporten unabhängiger machen. Wir wollen die Preise für Lebensmittel begrenzen. Wir wollen unserer ethischen Aufgabe nachkommen, den Hunger in der Welt zu bekämpfen. Zugleich wollen wir den Raubbau in den Urwäldern beenden und den Klimawandel bekämpfen.

(Beifall)

Im Mittelpunkt dieser Überlegungen steht die Landwirtschaft, die aufgrund der Preisentwicklungen eine hervorragende Zukunft hat; das hätte man vor drei oder vier Jahren noch nicht sagen können.

Schon in der Vergangenheit hat die Politik durch eine entsprechende Förderung bestimmte Ziele verfolgt und damit in der Landwirtschaft Weichen gestellt. Wir sagen, dass die Nahrungsmittelproduktion Vorrang vor anderen Flächennutzungen haben muss. Meine Damen und Herren, ich entsinne mich noch daran, dass wir vor zwei oder zweieinhalb Jahren hier die Diskussion um „Heizen mit Weizen“ führten. Ich bin heute dankbar, dass wir das auf schadstoffbelastetes und Futtermittelgetreide begrenzt und nicht auf Brotgetreide ausgedehnt haben.

(Beifall)

Verschiedene Faktoren haben zu dieser Entwicklung geführt.

Erstens. Bedingt durch die Wohlstandsentwicklung in Südostasien mit rund 2,5 Milliarden Menschen und Wachstumsraten von über 10 % sind deutliche Veränderungen eingetreten, die zu einer starken Nachfrage geführt haben.

Zweitens. Der Klimawandel hat zu größeren Wetterextremen geführt, die bis zum Totalausfall der Ernten beigetragen haben.

Drittens. Die von mir ausgeführte Flächenkonkurrenz durch Biomasse hat in Nord- und Süd-Amerika eine wesentlich größere Bedeutung als bei uns in Europa.

Viertens. Eine größere Nachfrage nach Lebensmitteln ist auch in den sogenannten Schwellenländern festzustellen.

Fünftens. Wasser ist der begrenzende Faktor in der landwirtschaftlichen Produktion. Ich kann nur hoffen, dass in den Krisengebieten nicht Kämpfe um Wasser geführt werden.

Insgesamt betrachtet müssen wir feststellen, dass wir jetzt noch die Möglichkeit haben, die Weichen richtig zu stellen, um allen Ansprüchen gerecht zu werden. Die Flächenkonkurrenz muss sich bei uns nicht zu einem ernsthaften Problem auswachsen. Wir können die Dinge in die Hand nehmen und gegensteuern. Die Menschen bei uns wie auch in anderen Regionen der Welt stellen zu Recht Ansprüche an uns. Wir dürfen sie nicht enttäuschen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP und SSW)

Für die Fraktion der SPD erteile ich der Frau Abgeordneten Ulrike Rodust das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Was vor zehn Jahren für viele kaum vorstellbar war und in den Köpfen keinen Raum fand, ist heute für alle nicht übersehbar: Der Klimawandel ist bereits in vollem Gange. Sehr deutlich erkennen wir, dass die Gletscher schmelzen, die Stürme stärker und die Dürren länger werden und dass die Überschwemmungen bisher unbekannte Ausmaße erreichen. Darum brauchen wir, und zwar so schnell wie möglich, den doppelten Ausstieg aus der Kohle und aus der Atomenergie. Ich bin dankbar für die Diskussion, die wir vor einer Stunde geführt haben.

Wir, die SPD-Fraktion, setzen somit auf die Nutzung der Bioenergie. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Nutzung der Biomasse neben Windenergie, Geothermie und Solarenergie einen Teil der regenerativen Energieherstellung darstellt, und sie trägt zur Minderung der CO2-Belastung bei. Dabei sind wir nicht blauäugig. Sehr wohl sind auch Gefahren der Bioenergie zu berücksichtigen und mit den Fachleuten zu diskutieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so ist die Nutzung von Biomasse kein Allheilmittel, sondern birgt auch Gefahren. Sie ist nicht per se klimafreundlich. Der weltweite Anbau zum Beispiel von Mais für Biogaswerke hat gravierende Auswirkun

(Claus Ehlers)

gen auf die Preise für Lebensmittel. So ist laut internem Bericht der Weltbank die Biomasse bis zu 75 % am Preisanstieg der Lebensmittel beteiligt. Das bedeutet für viele Menschen Hunger und Not. Deshalb sagen wir: Lebensmittel, und zwar für alle bezahlbar, haben Vorrang. Die Flächenkonkurrenz wird hier sehr deutlich.

Wir beobachten mit großer Sorge die Abholzung von Tropenwäldern, den Umbruch von Grünland und die Nutzung von Mooren. Dieses Verhalten führt nicht weg, sondern hin zu einer weiteren Belastung des Klimas.

Deshalb stellt die SPD folgende Forderungen auf: Wir sollten hier in unserem Land streng darauf achten, dass nur die Reststoffe, zum Beispiel Stroh und Gülle, genutzt werden. Wenn wir Biomasse importieren, muss diese zertifiziert und streng nach ökologischen und sozialen Standards hergestellt sein.

Auch der Grünlandumbruch muss gestoppt werden. Die SPD-Landtagsfraktion hat in den vergangenen Jahren massiv darauf gedrängt. Inzwischen hat der Umweltminister gehandelt; darüber freuen wir uns. Auch der Rodung von Wäldern und der Zerstörung von Mooren sollte Einhalt geboten werden.

Empörend ist das Verhalten der Spekulanten auf dem Weltmarkt. Rücksichtslos, ohne jedes Verantwortungsbewusstsein, hat ihr Handeln zu ernormen Preissteigerungen von Lebensmitteln geführt.

Was ist also zu tun? Wir alle, jeder einzelne von uns, kann dazu beitragen, dass der Energieverbrauch reduziert wird. Es ist inzwischen erwiesen, dass auf diese Art und Weise 50 % des Energieverbrauchs eingespart werden kann. Ich wiederhole: 50 %! Setzen wir uns also ein für eine Steigerung der Energieeffizienz.

Einiges ist schon auf den Weg gebracht worden. So hat die Bundesregierung unter der Führung eines sozialdemokratischen Umweltministers das Klimapaket auf den Weg gebracht. Hier wurde beschlossen, dass Biogasanlagen ab einer bestimmten Größe nur noch als Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen gebaut werden dürfen.

Außerdem hat das BMU im April ein Papier vorgelegt, das zur Weiterentwicklung der Strategie zur Bioenergie beiträgt. Darin sind zum Beispiel enthalten: standortabhängige Ausschlusskriterien, Konkretisierung der Nachhaltigkeitsverordnung, Bewertungskriterien für den Klimaschutz. Dieses ist der Weg in die richtige Richtung. Und doch: Es

gibt noch viel zu tun. In diesem Sinne freue ich mich auf die weitere Beratung.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das „Bauernblatt“ berichtete bereits Ende Juni vom Fördeforum der CDU-Landtagsfraktion zum Thema „Wie viel Bioenergie verträgt die Welternährung?“ Offenbar wollten uns die regierungstragenden Fraktionen das nicht vorenthalten, da sie passend dazu heute das Thema auch im Landtag auf die Tagesordnung gesetzt haben. Allerdings haben sie einen mündlichen Berichts der Landesregierung erbeten, der zwangsläufig etwas oberflächlich ausfallen muss. Ich kann nur sagen: Nachdem Sie Ihre Rede gehalten haben, Herr Minister, habe ich mir noch einmal den Antrag von CDU und SPD angeguckt. Da sind verschiedene Punkte aufgeführt, auf die Sie aber nicht eingegangen sind.

(Beifall bei der FDP)

Wenn die regierungstragenden Fraktionen hier einen Antrag stellen, dann gehe ich eigentlich davon aus, dass dieser Antrag vorher mit dem Minister abgestimmt wird, damit er darauf entsprechend antworten kann. Aber offensichtlich klappt die Kommunikation in den Reihen nicht so ganz. Wenigstens habe ich nichts davon gehört, wie sich beispielsweise die Entwicklung der Inanspruchnahme von Flächen für den Ausbau nachwachsender Rohstoffe mit dem Schwerpunkt Biokraftstoffe und Biogas in Schleswig-Holstein darstellt. Da gibt es ja Statistiken. Deshalb meine ich, es wäre besser gewesen, hier keinen mündlichen Bericht anzufordern, sondern einen schriftlichen Bericht, den wir dann auch anhand von Zahlen, die uns dann vorliegen, auch entsprechend diskutieren können. Die habe ich jetzt vermisst.