Protokoll der Sitzung vom 10.09.2008

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 35. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig. Erkrankt ist die Frau Abgeordnete Regina Poersch. Wir wünschen ihr von hier aus gute Besserung.

(Beifall)

Beurlaubt ist die Frau Abgeordnete Frauke Tengler.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen)

Wir haben den Tod zweier hier im Landtag sehr geschätzter Abgeordneten zu betrauern. Nach langer, schwerer, mit Gottvertrauen und großer Tapferkeit ertragener Krankheit verstarb die Kollegin Monika Schwalm am 19. Juli für uns alle unerwartet, obwohl wir alle von ihrer schweren Krankheit wussten. Sie gehörte dem Landtag von 1992 bis 1996 und erneut seit 1998 als Mitglied der CDU-Fraktion an.

Gerade als langjährige Vorsitzende des Innen- und Rechtsausschusses und als Parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Fraktion hat sich Monika Schwalm höchste Anerkennung und viele Sympathien erworben. Sie war eine überzeugende Politikerin, die sich gleichermaßen durch große fachliche Kompetenz wie durch ihre besonnene, ausgleichende Art auszeichnete. Auch in schwierigen Situationen war sie stets eine faire, geduldige Partnerin, die es vermochte, Brücken zu bauen und unterschiedliche Standpunkte zusammenzuführen.

Monika Schwalm war eine warmherzige, stets integre Parlamentarierin, die sich mit großem Einfühlungsvermögen für ihre Mitmenschen einsetzte und der sich viele, ganz besonders in diesem Haus, freundschaftlich verbunden fühlten. Sie hat sich um das gute Miteinander der Fraktionen und um Schleswig-Holstein insgesamt sehr verdient gemacht. Wir alle wissen, wie entschlossen und mit welch großem Optimismus Monika Schwalm bis zuletzt gegen ihre Krankheit gekämpft hat. Ihr Tod traf uns dennoch unerwartet. Wir haben eine sehr geschätzte Kollegin verloren, der sich viele von uns auch persönlich sehr verbunden fühlten. Die Lücke, die sie hinterlässt, wird nur schwer zu schließen sein.

Schleswig-Holsteinischer Landtag (16. WP) - 93. Sitzung - Mittwoch, 10. September 2008 6811

Im Alter von 81 Jahren verstarb am 2. September der frühere Landtagsabgeordnete Wilhelm Marschner. Er gehörte dem Schleswig-Holsteinischen Landtag von 1975 bis 1992 als Mitglied der SPDFraktion an.

Wilhelm Marschner war ein überaus engagierter Parlamentarier, der sich vor allem als Vorsitzender des Finanzausschusses in der 11. und 12. Wahlperiode einen Namen gemacht hat.

Der stets bodenständig gebliebene Lehrer trat 1952 in die SPD ein. Von 1966 bis 1973 war er Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Lehrer und ab 1968 auch Mitglied in deren Bundesvorstand.

Zunächst als Ratsherr und ehrenamtlicher Stadtrat der Landeshauptstadt Kiel, später dann als Mitglied des Landtags hat der in seinem Wahlkreis stets direkt gewählte Wilhelm Marschner die Geschicke Schleswig-Holsteins mitgeprägt.

Wilhelm Marschner war ein profilierter, sehr geschätzter Sozialdemokrat, der sich zeitlebens und voller Tatendrang für seine Mitbürgerinnen und Mitbürger eingesetzt hat. Auch als er bereits stark von Alter und Krankheit gezeichnet war, nahm er immer wieder die Mühe auf sich, den Kontakt zur Landespolitik und zur Parlamentarischen Gesellschaft zu halten.

Für seine Verdienste um unser Land wurde er mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland geehrt.

Meine Damen und Herren, wir haben noch einen weiteren, besonders tragischen Todesfall zu beklagen. An Bord des Segelschulschiffes „Gorch Fock“, unseres Patenschiffes, hat sich in der Nacht vom 3. auf den 4. September ein Unglück ereignet, das wir mit großer Bestürzung und wachsender Trauer verfolgt haben.

Kurz vor ihrem 19. Geburtstag ist vor Norderney die aus Geilenkirchen stammende Sanitätsoffizier-Anwärterin Jenny Böken über Bord gegangen. Die umgehend ergriffenen Rettungsmaßnahmen und eine groß angelegte Suchaktion blieben bisher ohne Erfolg. Unser Hoffen und Bangen um das junge Leben war vergebens.

Der Dienst auf See ist immer mit nie ganz beherrschbaren Gefahren verbunden. Das tragische Schicksal der jungen Kadettin, die erst vor wenigen Wochen ihren Dienst bei der Marine angetreten hat, berührt die Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtags in ganz besonderer Weise, denn wir

sind Besatzung und Schiff seit mehr als 25 Jahren eng verbunden.

Meine Damen und Herren, der Schleswig-Holsteinische Landtag gedenkt seiner früheren Mitglieder Monika Schwalm und Wilhelm Marschner sowie der Offizieranwärterin Jenny Böken in Dankbarkeit und voller Respekt. Unsere tiefe Anteilnahme gilt den Angehörigen. Ich bitte Sie um einen kurzen Augenblick des Innehaltens im Gebet.

Sie haben sich zu Ehren der Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.

Meine Damen und Herren, der Landeswahlleiter hat für die verstorbene Abgeordnete Monika Schwalm als Nachfolgerin Frau Jutta Scheicht festgestellt. Die Abgeordnete hat ihr Landtagsmandat am 23. Juli 2008 angenommen. Ich bitte Sie, Frau Scheicht, zur Verpflichtung nach vorn zu kommen. Die Anwesenden bitte ich, sich zu erheben.

Frau Scheicht, ich spreche Ihnen die Eidesformel vor und bitte Sie, die rechte Hand zu erheben und mir nachzusprechen.

(Die Anwesenden erheben sich. Die Abge- ordnete Jutta Scheicht wird nach folgender Eidesformel vereidigt: Ich schwöre, meine Pflichten als Abgeordnete gewissenhaft zu erfüllen, Verfassung und Gesetze zu wahren und dem Lande unbestechlich und ohne Ei- gennutz zu dienen, so wahr mir Gott helfe. - Die Abgeordnete wird von Präsident Martin Kayenburg durch Handschlag verpflichtet)

Ich verpflichte Sie, danke Ihnen und wünsche Ihnen eine gute Zusammenarbeit mit uns allen, den Abgeordneten und der Landesregierung, zum Wohle unseres Landes.

Vielen herzlichen Dank!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat im Wege der Dringlichkeit zwei Anträge eingereicht. Der Antrag mit dem Betreff „HSH Nordbank“ liegt Ihnen mit Drucksache 16/2222 vor, der Antrag „Künstlersozialkasse“ als Drucksache 16/2223. Zu dem Dringlichkeitsantrag Künstlersozialkasse haben die Fraktionen mit dem Antragsteller vereinbart, dass über diesen Antrag morgen zu Beginn der Plenarsitzung abgestimmt werden wird.

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(Präsident Martin Kayenburg)

Ich frage deshalb zunächst, ob zu dem Antrag zum Thema HSH Nordbank das Wort zur Begründung der Dringlichkeit gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Ich lasse über die Dringlichkeit des Antrags Drucksache 16/2222 abstimmen. Ich weise nochmals darauf hin, dass dafür nach § 51 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung eine Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich ist. Wer die Dringlichkeit bejaht, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Dringlichkeit bejaht. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit ist durch Einstimmigkeit erreicht. Ich schlage vor, den Antrag als Tagesordnungspunkt 17b in die Tagesordnung einzureihen und heute Nachmittag aufzurufen. Ich höre keinen Widerspruch, wir werden so verfahren.

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich darauf verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln: Zu den Tagesordnungspunkten 4, 5, 8, 18, 19, 21, 23 bis 28 sowie 31 ist eine Aussprache nicht vorgesehen. Von der Tagesordnung abgesetzt werden sollen die Tagesordnungspunkte 2, 22, 29, 32 und 35.

Es ist vorgesehen, den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Faire Zerlegung der Gewerbesteuer beim Betrieb von Windenergieanlagen, Drucksache 16/2221, als Tagesordnungspunkt 17a in die Tagesordnung einzureihen und mit einer Redezeit von jeweils fünf Minuten am Donnerstag aufzurufen.

Anträge zur Fragestunde und zur Aktuellen Stunde liegen nicht vor. Wann die weiteren Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratungen in der 35. Tagung.

Wir werden jeweils unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause heute bis längstens 17:30 Uhr und am Donnerstag bis längstens 18:00 Uhr tagen. Für Freitag ist keine Sitzung vorgesehen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

a) Entwurf eines Haushaltsstrukturgesetzes zum Haushaltsplan 2009/2010

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/2150

b) Finanzplan des Landes Schleswig-Holstein 2008 bis 2012

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/2198

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile Herrn Finanzminister Rainer Wiegard mit dem Hinweis darauf das Wort, dass die Regierung zugesichert hat, dass die Haushaltsrede künftig wieder am Abend vor der Plenartagung zugeleitet wird. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuerst die guten Nachrichten: Der Haushaltsentwurf für die Jahre 2009 und 2010 ist verfassungsgemäß.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

- Ach, Herr Klug. Was eigentlich eine selbstverständliche Regel sein sollte, ist in Schleswig-Holstein ein Ereignis. Erstmals seit Jahren legt eine Landesregierung dem Parlament wieder einen Haushaltsentwurf vor, der schon bei der Planaufstellung weniger neue Schulden als neue Investitionen vorsieht. Bereits im vergangenen Jahr haben wir zum ersten Mal seit 1996 weniger neue Schulden aufgenommen, als die Summe der Investitionen und Vermögenserlöse ausgemacht hat. Für dieses Jahr haben wir das gleiche Ziel gesetzt, auch wenn im gültigen Haushalt noch 1,2 Milliarden € an Neuverschuldung ausgewiesen sind.

Ich will Sie an dieser Stelle an das Jahr 2005 erinnern, als ich Ihnen das erste Mal einen Haushaltsentwurf vorgelegt habe, der - wie übrigens auch in den Jahren davor - den Regeln unserer Verfassung schon bei der Aufstellung eindeutig widersprochen hat. Es hat mich damals tief berührt, Ihnen als verantwortlicher Minister erklären zu müssen, der Haushalt könne derzeit nicht den Regeln der Verfassung entsprechend aufgestellt werden. Ich glaube, das war das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik überhaupt. Es hätte damals auch für diese Regierung einen einfacheren Umweg über die Erklärung einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts gegeben, um eine Verfassungsmäßigkeit vorzutäuschen. Wir haben uns für den schwierigeren Weg entschieden. Damals wie heute bin ich davon überzeugt, dass dieser Weg richtig gewesen ist. Ich bin zugleich der Meinung,

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(Präsident Martin Kayenburg)

dass wir uns als politisch Verantwortliche vor der schleswig-holsteinischen Öffentlichkeit dafür entschuldigen müssen, dass Regierung und Parlament es über einen so langen Zeitraum nicht vermocht haben, den eindeutigen Vorgaben der Verfassung zu entsprechen. Das war kein rühmliches Kapitel in der deutschen Geschichte.

Der Fehlbetrag betrug im Mai 2005 noch mehr als 1,7 Milliarden €. Diese Summe war dreimal so hoch wie die Summe der Investitionen. Sie war mehr als dreimal so hoch, wie es die Verfassung zugelassen hat. Im Jahr 2006 haben wir das Vorjahresdefizit halbiert, aber immer noch mehr neue Schulden gemacht, als neue Investitionen getätigt. Ab 2007 waren wir erstmals seit 1996 wieder im Vollzug entsprechend den Vorgaben der Verfassung für eine Haushaltsplanaufstellung. Das soll und muss auch so bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Das bedeutet, dass unser Land heute weniger als ein Drittel weniger neue Schulden aufnehmen muss als beim Regierungsantritt. Das sind über 1 Milliarde € weniger an neuen Schulden. Haushaltstechnisch heißt das, die Kreditfinanzierungsquote wird von 20,7 % bei Regierungsantritt auf 5,8 % im Jahr 2010 reduziert. Das aber ist Haushaltstechnik. Lebenswirklich bedeutet das, dass durch 1 Milliarde € weniger neue Schulden in den Folgejahren jeweils 50 Millionen € weniger neue Zinsen anfallen. Das ist die eigentliche Botschaft, das ist der eigentliche Auftrag.