Meine Damen und Herren, insgesamt können wir feststellen: Der Haushalt ist verfassungsgemäß. Die Neuverschuldung sinkt. Die Investitionen steigen. Die konsumtiven Ausgaben steigen langsamer als die Einnahmen. Das operative Ergebnis ist positiv. Die strukturellen Herausforderungen werden zielstrebig angegangen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und für die Nachsicht, dass es Ihnen trotz meiner Behinderung möglich war, meine Rede zum Haushalt zu verfolgen.
Meine Damen und Herren, auf der Tribüne begrüßen wir Schülerinnen und Schüler der Freiherrvom-Stein-Realschule Neumünster mit ihren Lehrkräften, Stabsoffiziere beim COE CSW Kiel, die Minderheiten- und Kulturbeauftragte des Ministerpräsidenten und unseren früheren Kollegen Behm. Ihnen allen ein herzliches Willkommen!
Das Wort hat nunmehr der Oppositionsführer, der Vorsitzende der FDP, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Finanzminister, für eine erfolgreiche Landesregierung war das eine bemerkenswerte Rede in Moll, die ich vernommen habe.
„Die Finanzlage des Landes Schleswig-Holstein ist bedrückend und besorgniserregend.... Die finanzielle Leistungsfähigkeit der kommunalen Ebene ist durch ständige Eingriffe in Kompetenzen und Finanzen derart eingeschränkt, dass Kreise, Städte und Gemeinden nicht mehr in der Lage sind, ihre
örtlichen Aufgaben der allgemeinen Daseinsvorsorge zu erfüllen.... Viele stehen vor dem finanziellen Kollaps. Schleswig-Holstein ist finanzpolitisch handlungsunfähig.“
Diese Sätze stammen aus einem Entschließungsantrag der CDU-Landtagsfraktion zum Haushaltsgesetz des Jahres 2003, unterschrieben von Rainer Wiegard. Wenn ich mir den heute von der Landesregierung eingebrachten Haushaltsentwurf für die Jahre 2009 und 2010 anschaue, dann stelle ich fest, dass sich an der Lage nichts geändert hat, bis auf die Tatsache, dass Rainer Wiegard heute Finanzminister ist.
Der Finanzminister hat einen Haushalt aufgestellt mit einem Ausgabevolumen von 12,083 Milliarden € 2009 und 11,881 Milliarden € 2010. Damit legt Finanzminister Wiegard einen Haushalt vor, der im Vergleich zum Haushalt 2003, den Sie hier beklagt haben, Herr Wiegard, 1,4 Milliarden € mehr Ausgaben zu verzeichnen hat, 5 Milliarden € mehr Schulden ausweist und bei dem 118 Millionen € mehr an Zinsen zu zahlen sind.
Da fragen sich die Steuerzahler dieses Landes zu Recht, ob die Steuergelder, die sie der Landesregierung zur treuhänderischen Verwaltung anvertrauen, bei der Großen Koalition richtig aufgehoben sind. Die Großkoalitionäre beantworten diese Frage selbstverständlich mit einem klaren Ja. Denn, glaube ich den Aussagen von CDU und SPD, dann ist dieser Haushalt der konsequenteste Sparhaushalt, den eine Landesregierung - und auch nur unter härtesten Anstrengungen - je hat aufstellen können. In unzähligen Kabinettssitzungen und Koalitionszusammenkünften - so sagen die Koalitionäre - wurde heftig gestritten und um jeden Cent gerungen, um am Ende dieses Wunderwerk an Anstrengungen zu präsentieren. Mit diesem Haushalt täuscht die Koalition nicht nur die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, sie täuscht vor allem sich selbst.
Denn was ist die Wirklichkeit? Dieser Haushalt ist der Haushalt der verpassten Chancen, er ist geradezu der Haushalt der Verzweiflung. Die Ausgaben steigen massiv an. Von Haushaltskonsolidierung keine Spur. Das sage nicht nur ich, sondern auch der Rechnungshof. Im Gegenteil, die Landesregierung präsentiert sich öffentlichkeitswirksam in Spendierlaune: hier ein paar Millionen für die Kinderbetreuung, dort ein bisschen für neue Lehrer und dort auch noch etwas für die Universitäten. Doch leider alles ohne Konzept, ohne Strategie und ohne
Aber das ist ja auch bei einer Koalition kein Wunder, bei der von den anfänglich mühsam zusammenkonstruierten Gemeinsamkeiten mittlerweile keine einzige mehr übrig ist.
Es gibt unterschiedliche Auffassungen in der Sozialpolitik: Die SPD will mit der Einführung von Mindestlöhnen Tausenden Menschen - aus unserer Sicht - ihren Arbeitsplatz wegnehmen, die CDU lehnt dies zu Recht ab. An die Adresse der SPD sei gesagt: Herr Kollege Stegner, Ihre Kampagne wäre um vieles glaubwürdiger, würden Sie den Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes nicht permanent Gehaltskürzungen zumuten und sich dafür einsetzen, dass das Pflegepersonal in den landeseigenen Kliniken endlich der Schwere seiner Arbeit angemessen entlohnt wird.
Es gibt unterschiedliche Auffassungen in der Wirtschaftspolitik. Die SPD will unternehmerische Tätigkeit umfassend in staatliche Obhut zurückführen - Stichwort Rekommunalisierung -, für die CDU sind private Investitionen nicht grundsätzlich Teufelszeug, für uns übrigens auch nicht. Aber hier gibt es einen diametralen Gegensatz in der Ausrichtung. Ich frage mich Herr Ministerpräsident, wie Sie eigentlich eine nachhaltige Wirtschaftspolitik zur Strukturverbesserung betreiben wollen, bei so unterschiedlichen Auffassungen, auf die ich im Einzelnen noch zu sprechen kommen werden.
Es gibt unterschiedliche Auffassungen in der Energiepolitik: Die SPD will weder Kohle noch Atom, die CDU will beides und von beidem sogar möglichst mehr. Und ich frage mich in allem Ernst, Herr Minister - fragen Sie einmal den Wirtschaftsminister -, wie Sie eigentlich, wenn der Kraftwerksbau durch Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein gestoppt wird, zu strukturellen Verbesserungen der Haushaltslage in Schleswig-Holstein beitragen wollen.
So könnte ich die Liste weiterführen. In allen relevanten Politikfeldern herrscht Uneinigkeit, und wo Uneinigkeit herrscht, herrscht leider auch Stillstand. Dieser Haushaltsentwurf zeigt, dass diese Koalition schlicht verzweifelt ist. Dieser Haushaltsentwurf dokumentiert das Hinschleppen in das Jahr 2010. Das ist schlecht für die Menschen in SchleswigHolstein, aber das ist die traurige Wirklichkeit.
Was erwartet die Menschen in den kommenden zwei Jahren? - Die Landesregierung verspricht eine Bildungsoffensive durch einen Zukunftspakt. Das nenne ich nach mittlerweile 18-jähriger Zugehörigkeit zu diesem Parlament wirklich einmal eine Innovation. Die Landesregierung startet eine Bildungsoffensive. Das machten übrigens in den letzten 20 Jahren alle Landesregierungen jedes Jahr aufs Neue. Ich konzentriere mich auf die letzten Jahre. Im Koalitionsvertrag des Jahres 2000 setzte die rot-grüne Landesregierung unter Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave auf das Programm ,,Stärkung der Eigenverantwortung an Schulen in Schleswig-Holstein" mit den entsprechenden Haushaltsmitteln. Im Jahr 2003 legte die Landesregierung dann das Programm ,,Jede Stunde zählt" auf. Bei der Einbringung des Haushaltes 2004/2005 versprach der damalige Finanzminister Ralf Stegner, dass mit der Initiative ,,Jede Stunde zählt" 12 Millionen € investiert werden, ,,um den Unterrichtsausfall wirkungsvoll zu bekämpfen". Am 13. September 2006 sagte Finanzminister Wiegard bei der Einbringung des Haushaltes 2007/2008: „Neue Stellen gibt es für neue Lehrer, um mehr bessere Bildung für unsere Kinder zu ermöglichen.“
Seit Ute Erdsiek-Rave Bildungsministerin dieses Landes ist, hat es eine Bildungsoffensive nach der anderen gegeben, wurden Millionen investiert. Aber was ist denn davon bei den Schülern, bei den Eltern und bei den Lehrern angekommen? - Ganz offenbar nichts, Frau Ministerin.
Denn nach sämtlichen Vergleichserhebungen in den Bundesländern steht Schleswig-Holstein auf den hinteren Plätzen.
Die regionalisierten Pisa-Ergebnisse im Jahr 2002 stellten Schleswig-Holstein kein gutes Zeugnis aus. Besonders besorgniserregend sei der enge - ich zitiere - „Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Schulleistungen in Schleswig-Holstein“.
Die „Wirtschaftswoche“ ermittelte für das Jahr 2006 Platz 13 bei den Schulabgängern ohne Abschluss, Platz 12 bei den Bildungsausgaben pro Einwohner, Platz 11 bei der Schüler-Lehrer-Relation. Beim Bildungsmonitor 2008 kommt SchleswigHolstein auf den schlechten 13. Platz. Oder anders ausgedrückt: Je schlechter, desto SPD.
Ich frage in allem Ernst - und das fragen sich die Menschen auch -: Wie glaubwürdig ist eine SPD, die mehr Chancengleichheit durch mehr Bildung will, die nicht will - so der Kommunalwahlkampf in Kiel -, dass Bildung vom Geldbeutel der Eltern abhängt, und die doch seit 20 Jahren für die Schulund Bildungspolitik in diesem Land verantwortlich ist? - Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie beklagen einen Zustand, den Sie selbst herbeigeführt haben!
Und jetzt soll mir doch einmal jemand erklären, dass sich die Schüler-Lehrer-Relation dadurch verbessert, dass sich die Organisationsstrukturen der schleswig-holsteinischen Schulen verändern. Haben wir jetzt ein besseres Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern, weil wir Gemeinschafts- und Regionalschulen bekommen? Haben wir eine Verbesserung der Qualität des Unterrichts, weil wir eine Schulreform bekommen? - Nein, haben wir nicht! Das sagen nicht nur wir, sondern das sagen auch die entsprechenden Verbände.
Aber nicht nur die Bildungspolitik ist in diesem Land unterirdisch. Kommen wir zur Verwaltungsreform. Ex-Innenminister Stegner hat sich bei der Polizeireform erheblich verschluckt, Ministerpräsident Carstensen ist an der Kreisgebietsreform gescheitert, und der selbsternannte Entbürokratisierungs-Staatssekretär Schlie ist über der Verwaltungsreform schlicht eingeschlafen.
Bis heute haben CDU und SPD in Sachen Verwaltungsreform ihre inhaltlichen Hausaufgaben nicht im Ansatz erledigt. Statt über Kooperationsräume, Flächen- und Bevölkerungsgrößen zu fabulieren, hätte die Koalition schon vor zwei Jahren anfangen müssen zu definieren, welche Aufgaben überhaupt noch erledigt werden müssen, um dann mit den Kommunen festzulegen, wer diese Aufgaben ausführt. Dafür fehlt aber sowohl der SPD als auch der CDU der inhaltliche Wille.
Stattdessen werden Gutachten um Gutachten in Auftrag gegeben, bei denen die potenzielle Einsparsumme immer kleiner wird. Am Ende werden die zu realisierenden Einsparungen wahrscheinlich genau den Kosten der Gutachten entsprechen, und das wird die Koalition dann immer noch als Erfolg feiern.
Ich frage mich ernsthaft, was die 60-Stellen-Truppe im Haus des Entbürokratisierungs-Staatssekretärs Schlie eigentlich macht.
Die groß angekündigte Verwaltungsstrukturreform, die umfangreiche Bürokratieabbaumaßnahmen umsetzen sollte, dieses wunderbare Gesetz, ist jedenfalls still und leise begraben worden, und zwar ohne Ergebnisse. Dabei liegen hier enorme Potenziale, wie Niedersachsen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen uns zeigen.
Kommen wir zur Wirtschaft! Das, was die Landesregierung treibt, ist nur noch die reine Selbstbeschäftigung ohne nennenswerte Ergebnisse. Das geht natürlich nicht spurlos am Land vorüber. Herr Minister Wiegard, ich bin dankbar, dass Sie beschrieben haben, dass Versäumnisse in der Vergangenheit dazu geführt haben, dass das Steueraufkommen in Schleswig-Holstein unterirdisch geringer ist als in anderen Bundesländern. Aber diejenigen, die dafür Verantwortung tragen, sitzen mit Ihnen in derselben Koalition und verhindern auch gegenwärtig - jedenfalls wenn ich Ihren Erklärungen trauen darf -, dass entsprechende Infrastrukturmaßnahmen ins Werk gesetzt werden können, die Schleswig-Holstein auf einen besseren finanzpolitischen Weg bringen können. Schleswig-Holstein war im Jahr 2007 mit 1,4% Wirtschaftswachstum trauriges Schlusslicht aller Bundesländer. In keinem Bundesland wächst die Wirtschaft derzeit langsamer als in Schleswig-Holstein. Gegen den Bundestrend stieg die Arbeitslosigkeit im Monat August 2008 in Schleswig-Holstein von 7,4 auf 7,5 % an, und bei der Änderung der Arbeitslosenquote im Jahresvergleich erreicht Schleswig-Holstein mit einem Rückgang von 9,6 % nur den 15. und damit den vorletzten Platz aller Bundesländer.
Aber ist irgendeine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik dieser Regierung erkennbar? - Ich sage: Nein. Stattdessen werden Steuergelder in Millionenhöhe in Spaßbädern in Glücksburg, in Flensburg und auf Sylt versenkt. Stattdessen wird ein Nichtraucherschutzgesetz verabschiedet, in dessen Folge Hunderte Gastronomen in den wirtschaftlichen Ruin getrieben werden und das den Landeshaushalt Millionen kostet. Stattdessen wird ein Glücksspielstaatsvertrag unterzeichnet, der einen ganzen Markt privater Wettanbieter zerstört