Protokoll der Sitzung vom 10.09.2008

haushaltspolitisches Konzept, das zum einen die Einnahmeseite durch eine aktivierende Wirtschaftspolitik stärkt und zum anderen die Handlungsspielräume durch eine konsequente Konsolidierung der Ausgabeseite erweitert.

Wegen der enormen Haushaltsrisiken, die sich in diesem Haushaltsplan in allen Einzelplänen wiederfinden, wegen der sich abkühlenden Konjunktur und wegen der stark gestiegenen Kreditzinssätze wird es die Landesregierung nicht schaffen, zu einem verfassungskonformen Haushalt zurückzukehren. Leider ist dieser Haushaltsentwurf ein Entwurf der verpassten Chancen. Er zeigt eindrucksvoll, dass diese Koalition nun auch an ihrer letzten selbsternannten Legitimation, der Sanierung der Finanzen des Landes Schleswig-Holstein, gescheitert ist.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU hat deren Vorsitzender, Herr Abgeordneter Dr. Johann Wadephul, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kubicki, „Verpasste Chancen“ ist das Stichwort, mit dem ich beginnen will. So eine Haushaltsdebatte ist immer auch eine Chance für den Oppositionsführer. Diese Chance haben Sie aus meiner Sicht eindeutig verpasst.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir stellen nämlich in den letzten Tagen bei Ihnen eine gewisse Irritation dahin gehend fest, wo Sie sich politisch zu verorten haben. Die SPD kann sich trotz Ihrer Kritik, die Sie hier geübt haben - da will ich die SPD nicht in Schutz nehmen; das überlasse ich dem Kollegen Stegner -, gar nicht vor Koalitionsangeboten seitens der FDP retten. Das entnehme ich beispielsweise der „Leipziger Volkszeitung“ oder NDR Info.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Lesen sollte man können!)

Da frage ich mich schon, Herr Kubicki, wo Sie die FDP sehen.

- Das habe ich schon. Das variiert ja. Es wird gesagt: Na ja, wenn Müntefering und Steinmeier die Sozialdemokraten Ypsilanti und Stegner davon abhalten, mit den Linken zu paktieren, stünde die

(Wolfgang Kubicki)

FDP bereit. Heute höre ich im NDR, es werde noch ein bisschen ordentliche Wirtschaftspolitik verlangt werden. Also, die Konditionen ändern sich jeden Tag. Herr Stegner braucht nur noch ein bisschen zu warten, und dann ist die FDP möglicherweise noch zu ganz anderen Preisen zu haben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Höre ich da eine gewisse Angst heraus, Herr Kollege?)

- Nein, überhaupt nicht. Wir sehen das ganz sportlich.

Ich will dazu nur Folgendes sagen: Wenn Sie hier anmahnen, es fehle ein strukturelles Konzept, wenn Sie von Risiken des Haushaltes sprechen, davon, er sei mit heißer Nadel genäht und hier und da - im Justizbereich, im Wissenschaftsbereich - gebe es weitere Risiken, erwarte ich von einem Oppositionsführer, der zu Recht darauf hingewiesen hat, dass er diesem Hohen Haus seit 18 Jahren angehört, auch einmal ein eigenes Konzept, das er uns vorschlägt.

(Beifall bei CDU und SPD)

Da war Fehlanzeige. Überhaupt nichts zu hören.

Auch wenn es eine rechtliche Selbstverständlichkeit ist, dass dieser Haushaltsentwurf wieder in die Regelkreise von Recht und Gesetz zurückkehrt - seit 1996 haben wir einen solchen Haushalt nicht gehabt -, ist das eine Leistung dieser Landesregierung, für die ich mich namens meiner Fraktion sehr herzlich bedanken möchte. Ich möchte mich auch bei Finanzminister Rainer Wiegard sehr herzlich bedanken, weil er der Schrittmacher dafür gewesen ist, dass es dazu gekommen ist.

(Beifall bei der CDU)

Die Finanzlage des Landes Schleswig-Holstein Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, Herr Kubicki - war 2003 natürlich dramatisch. Sie ist auch heute noch dramatisch. Warum führen wir denn im Rahmen der Föderalismuskommission II Gespräche darüber, dass man drei Bundesländern, dem Saarland, Bremen und Schleswig-Holstein, hilft? Deswegen, weil es uns dramatisch schlecht geht. Das ist so. In dieser Lage einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen und an schwierigsten Stellen zu sparen, Menschen erklären zu müssen, dass sie ihr Weihnachtsgeld nicht mehr bekommen, den Kommunen zu erklären, dass ihre Zuschüsse zu kürzen sind, ist kein Zuckerschlecken. Das ist nicht Politik nach Art von Sonntagsreden, wie Sie sie hier im Plenarsaal gerade gehalten haben, sondern das ist Alltagsarbeit einer Großen Koalition, die ihre Pflicht erfüllt und erkennt, was ihre Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern die

ses Landes ist. Das machen wir. Diesen Weg werden wir weitergehen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Die Ausgangslage ist schwierig genug. Der Herr Finanzminister hat sie beschrieben. Wir kommen von einer Nettokreditaufnahme von 1,7 Milliarden € und haben immer noch eine viel zu hohe Nettokreditaufnahme. Insgesamt stehen wir vor Aufgaben, die weiterhin eine Herkulesarbeit im Bereich des Haushalts erfordern.

Herr Kollege Hentschel, ich habe im Vorfeld gehört, was Sie zur Haushaltspolitik so sagen und was Sie von uns in den einzelnen Bereichen verlangen. Die finanzpolitische Ausgangslage, vor der wir miteinander stehen, ist eine, für die in diesem Haus viele Verantwortung tragen, vielleicht mit Ausnahme der Freien Demokraten. Auch die Haushaltspolitik der Union in den 80er-Jahren ist nicht immer allen Ansprüchen gerecht geworden, wie der Finanzminister heute zu Recht noch einmal formuliert hat.

Aber auch die Haushaltspolitik in der Zwischenzeit und gerade in der Regierungszeit zwischen 1996 und 2005, in der die Grünen beteiligt waren, hat zu einer erheblichen Steigerung der Schulden geführt. 8 Milliarden € neue Schulden verantworten auch die Grünen. Sie sollten sich aus dieser Verantwortung nicht herausstehlen. Wir werden es in der Öffentlichkeit immer wieder sagen.

Deswegen höre ich mit einem gewissen Amüsement, dass gerade Sie, Herr Kollege Hentschel, uns auch beim Thema Verwaltungsstrukturreform treiben: Es kann nicht schnell genug gehen, die Einsparungen können nicht hoch genug sein. Ich stelle zunächst einmal fest, dass zu dem Thema Verwaltungsstrukturreform, die sich nicht nur auf die Frage bezieht, ob man die Gebietskulissen auf der Ebene der Kreise verändert, sondern die auch eine Menge interne Strukturreformen beinhalten kann, ja sollte, Rot-Grün in den Zeiten ihrer Verantwortung überhaupt nichts gemacht hat.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist Quatsch! - Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dazu kommen wir!)

Sie haben zu diesem ganzen Bereich nicht einen einzigen Vorschlag in die öffentliche Diskussion hineingebracht.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darüber können wir noch einmal reden!)

(Dr. Johann Wadephul)

Ich höre Ihre Zahlen, was es an Einsparvolumen gibt. Dazu muss ich sagen, dass mich der Kollege Hentschel an Graf Zahl aus der Sesamstraße erinnert. Auch er geriet immer in Ekstase, je höher die Zahl war, und freute sich immer mehr.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir müssen uns schon an den Zahlen festhalten, die seriös ermittelt worden sind.

(Beifall bei der CDU)

Nur auf dieser Grundlage - das will ich Ihnen in aller Ernsthaftigkeit sagen - kann man eine Verwaltungsstrukturreform, die auch eine Gebietskulisse verändern kann, begründen. Ich kann Ihnen nur empfehlen, das Urteil des Verfassungsgerichts Greifswald ausführlich zu lesen. Wenn in Mecklenburg-Vorpommern solche Fehler gemacht worden sind, sollte man dieselben hier nicht noch einmal machen. Wir kommen nicht daran vorbei, eine sehr sorgfältige Analyse zu betreiben, wie viele Kosten dort verursacht werden und wie viele Kosten eingespart werden können, das heißt, welche Fusionsrendite zu erwirtschaften ist. Nur wenn wir ein klares Zahlenmaterial haben, werden wir eine klare Grundlage für eine politische Entscheidung haben, die auch durchhält. Uns hilft ein großer Beschluss jetzt nicht, der 2012 oder 2013 vor dem gerade jüngst eingerichteten Landesverfassungsgericht wieder scheitert.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Alles für unsere Ausgaben!)

Für so eine Geschichte sind wir nicht zu haben. Wir machen unsere Arbeit solide. Wir wollen einsparen. Wir wollen Verwaltungskosten einsparen. Aber wir machen keinen verfassungsrechtlichen Blindflug.

(Beifall bei CDU und FDP - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gar nicht!)

Ich will offen einräumen, dass ich mir im Bereich der Entbürokratisierung, des Stellenabbaus mehr erwünscht hätte.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Stattdessen gibt es weniger!)

Da sind wir in der Koalition nicht weitergekommen. Das ist eine Problematik. - Frau Kollegin Heinold, gerade von den Grünen gibt es doch die größten Widerstände, überall dort etwas einzusparen, wo es möglich wäre.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Quatsch!)

- Natürlich! Denken wir einmal über die gesamte Umweltverwaltung nach. Hier sage ich Minister Dr. Christian von Boetticher einen ausdrücklichen Dank dafür, dass er substanziell

(Beifall bei der CDU)

und ohne dass es eine Verpflichtung dazu gab, etwas gemacht hat. Er hat einfach gehandelt. Das muss Vorbild sein. Das müsste auch gerade für die Grünen Vorbild sein, sodass wir an dieser Stelle weiterkommen können.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich haben wir erhebliche Altlasten. Jeder weiß, wenn wir keine Altlasten hätten und wir die Schulden nicht bedienen müssten, wären wir schon lange im grünen Bereich und hätten das erreicht, was der Finanzminister gesagt hat: Wir würden eine schwarze Null schreiben. Wir würden sogar Überschüsse haben. Aber wir haben die Schulden. Wir werden sie nicht ohne Weiteres loswerden, obwohl der Ministerpräsident gemeinsam mit Minister Döring auf Bundesebene einen von meiner Fraktion sehr unterstützten Vorschlag gemacht hat. Ich bin sehr froh, dass auch andere, zum Beispiel Herr Oettinger, das politisch begleitet haben. Zum jetzigen Zeitpunkt müssen wir möglicherweise feststellen, dass das nicht umzusetzen sein wird. Deswegen stehen wir weiter vor einer riesigen Aufgabe.

Die bundespolitische Diskussion geht eindeutig in die Richtung, dass es ein Verschuldungsverbot im Grundgesetz und in den Landesverfassungen geben soll und geben wird. Das wird kommen. Man wird darüber sprechen müssen, wann. Ich weiß nicht, ob der Kollege Neugebauer auch dann noch hier im Landtag sitzt. Für ausgeschlossen halte ich das nicht.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Es ist zu befürch- ten!)

Mitte des nächsten Jahrzehnts werden wir über so ein Verschuldungsverbot reden. Ich bin der Auffassung, dass wir uns in aller Ernsthaftigkeit darüber klar werden sollen, welche Aufgabe damit vor uns liegt.

Weitere 500 Millionen € müssen substanziell eingespart werden. Das ist keine Kleinigkeit. Wer in diesem Zusammenhang - es ist naheliegend, und es bringt Spaß, und es ist einfach - immer wieder so tut, als könnte man 500 Millionen € in der Substanz noch einmal einsparen, als könnte man gleichzeitig ohne Weiteres 120 Millionen € in den Kommunalen Finanzausgleich zurückschießen, als könnte man