Protokoll der Sitzung vom 10.09.2008

Die 800.000 Überstunden, die die Polizeibeamten angesammelt haben, sind in der Tat ein Problem.

(Dr. Johann Wadephul)

Hier gilt es, diese Überstunden weiterhin abzubauen.

Ich bin sicherlich mit dem Innenminister des Landes einer Meinung, dass uns die schlechte Beförderungssituation im Polizeibereich in SchleswigHolstein ein Dorn im Auge ist. Ich sage für meine Fraktion: Wollen wir die Motivation unserer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten nicht dauerhaft gefährden, dann müssen wir dafür sorgen, dass die Beförderungschancen in Schleswig-Holstein mindestens ebenso gut sind wie in den norddeutschen Nachbarländern. Dieses Problem werden wir uns sehr genau ansehen, und darum werden wir uns auch kümmern.

(Beifall bei CDU und SPD)

Haushaltspolitik kann man nicht betreiben, wenn man nicht auch auf die Einnahmeseite blickt. Natürlich lebt auch dieser Haushalt von deutlich gestiegenen Einnahmen. Die sind darauf zurückzuführen, dass allen Unkenrufen zum Trotz die schleswig-holsteinische Wirtschaft gut dasteht. Ich halte die magische Grenze von 100.000 Arbeitslosen für erreichbar. Das wäre ein tolles Zeichen, und das würde eine Verstetigung einer Entwicklung bedeuten, die wir seit Beginn der Großen Koalition hier in Schleswig-Holstein haben.

Ich finde, dass die Landesregierung, insbesondere der ehemalige Wirtschaftsminister Dietrich Austermann, dem ich an dieser Stelle namens meiner Fraktion im Hohen Haus noch einmal ein herzliches Dankeschön für seine Arbeit im Wirtschafts- und Wissenschaftsbereich sagen möchte,

(Beifall bei CDU und SPD)

hervorragende Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass mehr Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein entstehen können.

Wir brauchen eine bessere Infrastruktur. Deswegen möchte ich an der Stelle auch noch einmal die Freude meiner Fraktion zum Ausdruck bringen, dass im Beisein des Herrn Ministerpräsidenten der Staatsvertrag für die feste Fehmarnbelt-Querung mit dem Königreich Dänemark seitens der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet werden konnte. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist kein Prestigeobjekt, sondern dies wird eine neue Lebensader für Schleswig-Holstein sein mit großen Wachstumschancen für unsere Wirtschaft, natürlich im südlichen Schleswig-Holstein, aber auch ausstrahlend in die Mitte und in den Norden. Wir verbinden zwei boomende Regionen, die Öresund-Region und die Metropolregion Hamburg.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist außerordentlich verdienstvoll, dass sich diese Landesregierung unter Leitung von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen für diese Querung gegen viele Widerstände auch in meiner Partei in Berlin eingesetzt hat. Wir sind stolz darauf, und wir sind froh, dass endlich der Startschuss für diese neue Lebensader unseres Heimatlandes gegeben worden ist.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir gehen mit einer deutlich besseren Ausgangslage in die jetzt beginnenden Haushaltsberatungen als in den vergangenen Jahren. Immerhin ist der Entwurf schon verfassungsgemäß; wir haben darüber gesprochen, das ist keine Selbstverständlichkeit. Unser Ziel muss es sein, in der Mitte der nächsten Wahlperiode einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Dafür muss der Grundstein am Ende dieser Wahlperiode gelegt werden. Es ist keine Selbstverständlichkeit in einem herannahenden Wahlkampf, sich als Große Koalition hier zusammenzufinden. Deswegen bin ich sehr dankbar, dass das Kabinett, und zwar alle Kabinettsmitglieder gemeinsam, diesen Entwurf vorgelegt hat. Meine Fraktion wird konstruktiv mit der SPD-Fraktion die Beratung zu diesem Haushaltsentwurf fortsetzen. Wir wollen diesen Haushalt verfassungsgemäß unter Dach und Fach bringen und damit einen Grundstein dafür legen, dass Schleswig-Holsteins Entwicklung im nächsten Jahrzehnt noch deutlich besser werden kann.

(Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren, auf der Tribüne begrüßen wir Mitglieder des CDU-Ortsverbandes Föhr und Angehörige des 3. Spezialpionierbataillons 164 aus Husum. - Seien Sie uns alle herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die Fraktion der SPD hat das Wort deren Vorsitzender, der Herr Abgeordnete Dr. Ralf Stegner.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vom römischen Kaiser Marc Aurel stammt die Aufforderung: „Die Zukunft darf dich nicht beunruhigen. Wenn es nötig werden sollte, wirst du ja an sie im Besitz derselben Vernunft herankommen, die du jetzt gegenüber der Gegenwart gebrauchst.“

(Dr. Johann Wadephul)

Diese Aufmunterung passt gut für meine erste Haushaltsrede als Fraktionsvorsitzender. Die SPDFraktion bekennt sich ausdrücklich dazu, alle Anstrengungen für eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung zu unternehmen, indem wir entschlossen die Weichenstellungen für die Zukunft vornehmen, die politisch notwendig und verantwortbar sind.

(Beifall bei der SPD)

Hinzu kommen erhebliche Herausforderungen, die es notwendig machen, auch sehr langfristige, das heißt über die Dauer von Legislaturperioden hinausreichende Fragestellungen aufzuarbeiten und entsprechende Konsequenzen für die Haushaltsplanung und für die Förderpolitik des Landes zu ziehen. Dazu gehört insbesondere die demografische Entwicklung, aber auch die Entwicklung der Wirtschaftsstruktur sowie die Veränderung der föderalen Struktur Deutschlands und eines wachsenden Europas.

Wir sehen, dass wir trotz steigender Steuereinnahmen, die ich mir übrigens, ähnlich wie Claus Möller, früher gewünscht hätte - ich gönne Ihnen das aber, Herr Finanzminister Wiegard -, Probleme haben, allein die Minimalanforderungen finanziell zu bedienen. Wir sehen, dass wir für ein gesellschaftlich und wirtschaftlich zukunftsfähiges SchleswigHolstein einen enormen Investitionsbedarf in den Bereichen Bildung, Betreuung und Wissenschaft haben. Alles andere würde zum einen jene ohne Perspektiven lassen, die dringend welche brauchen, und uns zum anderen von der deutschen und europäischen Entwicklung abhängen.

Was heißt das? - Erstens. Wir müssen unsere Strukturen effizienter gestalten. Jeder Euro, der in unnötige Bürokratien fließt, ist ein Euro zu viel.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen unsere Hausaufgaben mit einer konsequenten Verwaltungsstruktur- und Funktionalreform machen. Ich hoffe immer noch, trotz der Einlassungen des Kollegen Dr. Wadephul, dass im Koalitionsausschuss in der nächsten Woche die Zeichen auf grün bleiben und nicht parteipolitische Erwägungen dem Wohl des Landes vorgezogen werden.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Wir können und dürfen nicht auf Einnahmen verzichten. Das gilt in jeder Hinsicht. Ich fordere hier ganz klar eine vernünftige Reform der Erbschaftsteuer,

(Beifall bei der SPD)

die zum Beispiel durch angemessene Belastung der großen Immobilienvermögen nicht nur gerechter ist, sondern uns auch eher mehr als weniger Geld in die Kassen bringt.

Drittens. Wir müssen gerade vor den großen Herausforderungen in Sachen Bildung und Wissenschaft Steuersenkungsphantasien so lange eine Absage erteilen, solange keine seriöse Gegenfinanzierung steht oder Schleswig-Holstein nicht in der Lage ist, einen Haushalt ohne neue Schulden aufzustellen.

(Beifall bei der SPD)

Viertens. Wir werden unsere Schwerpunkte nur finanzieren können, wenn wir auf andere verzichten. Ich glaube, dass wir in der gesamten Förderpolitik diesbezüglich eine eindeutigere Ausrichtung brauchen. Gießkannen helfen dabei, Zimmerpflanzen zu wässern, für eine vernünftige Haushaltspolitik taugen sie nicht.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen einen Zukunftspakt für Bildung, Kinderbetreuung und Familien. Die wirtschaftsliberalen Konzepte rigoroser Ordnungstheoretiker taugen nicht für die politische Praxis. Im Gegenteil, sie stärken real die aktuelle Negativspirale, da wir wichtige, ja existenzielle Weichenstellungen für die Zukunft nicht treffen können. Lesen Sie einmal das „Handelsblatt“ von heute, nicht gerade ein linkes Blatt, was das zu diesem Thema sagt. Genau dieses, was ich gerade festgestellt habe! Bildung ist der Rohstoff, aus dem wir zukünftigen Wohlstand und eine gerechtere Gesellschaft erreichen können. Es ist ein teurer Rohstoff. Es gibt nur eines, was uns noch teurer zu stehen käme, nämlich wenn wir diesen Rohstoff in den Köpfen unserer Kinder und Jugendlichen nicht entschlossen fördern würden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt nichts Besseres als Bildung, wenn man eine Gesellschaft stark, leistungsfähig, gesund und modern gestalten will. Bildungsarmut hingegen zieht andere Arten von Armut nach sich. Wer Bildung hat, partizipiert. Das gilt für Einzelne ebenso wie für die Gesellschaft. Menschen mit höherer Bildung sind deutlich weniger von Arbeitslosigkeit und Armut bedroht. Sie werden älter, und sie können die Teilhabemöglichkeiten in unserer Gesellschaft besser nutzen. Wer Gerechtigkeit will, muss für faire Bildungschancen sorgen.

(Dr. Ralf Stegner)

Deshalb müssen wir uns den Einstieg in die beitragsfreie Kindertagesstätte selbst dann leisten, wenn wir ihn uns fiskalisch und nach dem Saldo aus gegenwärtigen Einnahmen und Ausgaben nicht leisten könnten. Deshalb müssen wir Geld in die Hand nehmen, um mehr Chancengerechtigkeit in unserem Schulsystem herzustellen.

Landesweit stimmen die Eltern mit den Füßen ab und geben uns Sozialdemokraten recht, wenn wir ihren Kindern längeres gemeinsames Lernen und Aufstieg durch Bildung von Flensburg bis Ratzeburg ermöglichen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb betonen wir die Qualität der Bildung auch und gerade in der Weiterbildung. Bildungsbarrieren sind Zukunfts- und Wohlstandshemmnisse beziehungsweise ganz praktisch die Haushaltsprobleme von morgen - ob beim Jugendhilfeetat oder bei den Sozialtranfers im Erwerbsalter und später noch einmal nach dem Berufsleben.

Für uns gilt weiterhin - wie es auch Sozialdemokraten in anderen Bundesländern und auf Bundesebene in der vergangenen Woche erneut bekräftigt haben -, dass wir die Kostenfreiheit für Bildungsangebote auf allen Ebenen erreichen wollen. Für uns gilt weiterhin, dass auch das Erststudium von Gebühren frei bleiben muss. Mit der SPD-Fraktion wird es Studiengebühren in Schleswig-Holstein nicht geben. Sie kosten mehr, als sie einbringen.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Wir wollen nicht auf Effizienz verzichten. Mit der Verteilung von Geld ist es nicht getan. Es braucht eine vernünftige, an Fairness und Gerechtigkeit orientierte Struktur, wenn wir bestehende Ungleichheiten überwinden wollen. Es geht auch nicht um Tabubereiche im Landeshaushalt, und die Effizienz bestehender Strukturen wird auch im Bildungsbereich nicht ausgeklammert. Und ja: Wir können auch noch weniger Bildungsbürokratie und mehr Eigenständigkeit für Schulen erreichen.

Bildung ist mehr als nur Schule.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Unser Land wird deshalb seine Ausgaben für die Bildung und Betreuung kleiner Kinder in den nächsten zwei Jahren beinahe verzehnfachen. Wir Sozialdemokraten wollen die Gebührenfreiheit für das erste Kita-Jahr sicherstellen. Darüber hinaus streben wir weiterhin an, in der kommenden Legisla

turperiode zusätzlich das zweite und dritte KitaJahr für die Eltern kostenfrei zu gestalten.

(Beifall bei der SPD)

Und wir müssen dafür sorgen - und ein reiches Land wie Deutschland kann das -, dass auch in Schleswig-Holstein kein Kind ohne warme Mahlzeit bleibt.