Protokoll der Sitzung vom 11.09.2008

- Den Satz kann ich zitieren. Ich habe es hier auch vorliegen:

(Zuruf)

- Das ist ja eine Mehrheitsabstimmung, wenn ich das richtig verstehe.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Weiter! - Zurufe)

- Ach so, Entschuldigung. Dann ist die Information, die ich hier vorliegen habe, falsch.

„Der Bundesrat fordert, dass die Künstlersozialversicherung abgeschafft oder zumindest unternehmerfreundlich reformiert wird.“

Und über die Probleme -

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist doch die Abschaffung!)

Lassen Sie doch bitte den Redner zu Ende reden!

Frau Heinold, wie Sie das interpretieren, ist Ihre Sache, ich interpretiere das auf meine Weise.

(Angelika Birk)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, in Deutschland, dem Land der Dichter und Denker, dem Land der Komponisten und Künstler, fehlt es vielerorts noch an einem grundsätzlichen Bekenntnis zur Kultur.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allem der Landesregierung!)

- Die Zeit ist schon etwas fortgeschritten, aber vielleicht können Sie sich noch ein bisschen konzentrieren, lieber Herr Hentschel.

Die deutsche Politik hat im Vergleich zu anderen Staaten in Europa und der Welt sehr frühzeitig die notwendige soziale Absicherung der Künstlerinnen und Künstler sichergestellt. Das 1983 verabschiedete Künstlersozialversicherungsgesetz ist bis heute europaweit einmalig.

Seitdem können sich selbstständige Künstlerinnen und Künstler sowie Publizistinnen und Publizisten im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung kranken-, pflege- und rentenversichern. Vor der Einführung des Gesetzes hatten sie keinerlei soziale Absicherung. So wurde für sie ein eigenes Versicherungssystem geschaffen, und das aus gutem Grund. So sagte es auch das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung.

Auf Bundesebene haben sich CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag deshalb ausdrücklich zur Künstlersozialversicherung als einem wichtigen Instrument der Kulturförderung und der sozialen Sicherung der Künstlerinnen und Künstler bekannt. Es wurde aber auch Handlungsbedarf gesehen.

Der Finanzbedarf der Künstlersozialversicherung und jetzt komme ich zum Thema Reform - hat sich in den letzten Jahren massiv erhöht. Die Ursachen sind vielfältig. Das durchschnittliche Jahreseinkommen von Künstlerinnen und Künstlern liegt bei nur 11.000 € - für viele von uns unfassbar wenig. Zudem nimmt die Anzahl der Versicherten seit Jahren zu. Der Anteil der selbstständigen versicherten Künstlerinnen und Künstler steigt. Die Selbstständigkeit birgt aber sowohl für die Unternehmen als auch für die Tätigen auch die Möglichkeit, Beiträge an die Sozialversicherung zu sparen. Zudem drängen auch Tätige in die Künstlersozialversicherung, die die Voraussetzung dafür nicht immer erfüllen.

Der dadurch erhöhte Finanzbedarf hat seinerseits Folgen: Der Bundeszuschuss und auch die Künstlersozialabgabe mussten erhöht werden. Dies wirkt sich auf die Wettbewerbsfähigkeit in der Kulturund Medienwirtschaft aus.

Angesichts der überaus problematischen sozialen Lage vieler Künstlerinnen und Künstler in Deutschland dürfen wir politisch Verantwortliche uns nicht in das romantisch verklärte Bild vom zwar armen, aber schönen Künstlerleben flüchten. Verantwortungsvolle Politik heißt für mich und die CDUFraktion, die Rahmenbedingungen der sozialen Absicherung der Künstler zu stärken und fortzuführen.

Wir lehnen daher den Vorstoß zur Abschaffung der Künstlersozialversicherung - wie viele andere Bundesländer und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ebenfalls - ab und fordern die Weiterführung der Künstlersozialversicherung.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Wengler. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Hans Müller.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht immer lösen sich Konflikte so schnell in Wohlgefallen auf wie die Auseinandersetzung um den Erhalt der Künstlersozialversicherung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Ich bin sehr dankbar dafür, dass es gelungen ist, in kürzester Zeit diesen interfraktionellen Antrag auf den Weg zu bringen, und ich danke auch der Landesregierung für ihre Klarstellung, die sie am Dienstag Abend vorgenommen hat. Ich hätte mir eine solche Klarstellung ein wenig eher gewünscht, aber sie ist dann immerhin gekommen. Die Landesregierung hat erklärt, dass sie der Abschaffung der Künstlersozialversicherung widerspricht.

Jede unserer Fraktionen und Parteien führt regelmäßig kulturelle Veranstaltungen durch, seien es Ausstellungen, Lesungen oder Musikveranstaltungen. Im Durchschnitt verfügen Künstler, die dort auftreten, über ein Monatseinkommen von vielleicht 1.000 €; manchmal ist es auch weniger. Eine Privatversicherung ist aus diesen Mitteln so gut wie ausgeschlossen. Das heißt, dass eine soziale Absicherung im Umlageverfahren unverzichtbar ist.

Was mich allerdings erschreckt hat, ist das Zustandekommen dieses Konflikts. In dem viel zitierten Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Bürokratieabbau wird die Künstlersozialversicherung gar

(Wilfried Wengler)

nicht thematisiert. Die Forderung nach einer Abschaffung fand sich erst in der Stellungnahme mehrerer Bundesratsausschüsse - bezeichnenderweise nicht des Kulturausschusses; der war dabei gar nicht beteiligt. Hierzu der Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen erklärt, es habe sich offenbar um einen Fehler

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Herr Kubicki hilft mir dabei - auf der Arbeitsebene gehandelt. Wenn das so ist, dann war es ein gravierender Fehler!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin nun der Letzte, der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Parlamente und der Fraktionen unter irgendeinen Generalverdacht stellt. Wir haben mit unseren Mitarbeitern hier sehr gute Erfahrungen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Parlamente und Fraktionen haben damit nichts zu tun!)

Es ist keine Zwischenfrage zugelassen. Das Wort hat Herr Abgeordneter Müller.

Aber mir wird doch etwas unheimlich bei der Vorstellung, wie schnell es ganz offensichtlich passieren kann, dass spontane Ideen aus der Verwaltung zu Stellungnahmen der politischen Ebene werden obwohl diese offensichtlich eine ganz andere Richtung hat. Insofern bin ich dem Deutschen Kulturrat ausdrücklich dankbar dafür, dass er am Dienstag so laut und vernehmlich Alarm geschlagen hat.

(Beifall bei der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn wer hätte uns anderenfalls garantiert, dass die Stellungnahme der Ausschüsse nicht zur Grundlage einer Veränderung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung geworden wäre?

(Zurufe)

Ich gehe davon aus, dass die Landesregierung den Bildungsausschuss über den weiteren Gang der Dinge informieren wird.

Ich bitte um Zustimmung zu dem interfraktionellen Antrag und danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Hans Müller. Das Wort für die FDP-Fraktion hat jetzt deren Vorsitzender, der Herr Abgeordnete Wolfgang Kubicki.

Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Da wir uns in der Sache einig sind, will ich zur Sache selbst gar nichts sagen. Ich habe aber darauf bestanden, dass wir über dieses Thema heute debattieren, weil ich es der Regierung doch nicht so einfach machen will - bei aller Harmonie, die wir gern unser eigen nennen -, hier vom Acker zu kommen.

Zunächst einmal freue ich mich natürlich darüber, dass die Pressemitteilungen der FDP, wie bereits in der Vergangenheit, gelegentlich auch bereits von den Grünen zu Anträgen umfunktioniert werden. Worüber ich mich jedoch am Dienstag in besonderer Weise geärgert habe - ich sage als Jurist, dass wir uns hier in einem Bereich bewegen, der rechtlich wirklich bedenklich ist -, ist die Stellungnahme der Landesregierung durch den Pressesprecher der Regierung, die die FDP-Fraktion erst kurz nach 18 Uhr erreichte. Ich zitiere daraus den folgenden Satz:

„Die Medien-Information des Deutschen Kulturrates sowie die daraus resultierenden Agenturmeldungen sind in diesem Punkt schlicht falsch.“

Nämlich, dass Schleswig-Holstein einer entsprechenden Initiative zugestimmt hat.

„Durch eine Nachfrage in der Staatskanzlei hätten es sich die Berichterstatter ersparen können, eine Ente in die Welt zu setzen. Abgeordnete hätten es sich ersparen können, diese Ente zu kommentieren...“

Nun bin ich ja für Belehrungen aus der Staatskanzlei darüber, was Abgeordnete tun oder lassen sollen, immer sehr dankbar.

(Zurufe von der SPD: Ja!)