Ich hätte mir insgesamt eine übersichtlichere Darstellung gewünscht, eine Darstellung, die sich passend zur Fragestellung und zum Thema - nicht auf die Förderangebote aus dem Bereich der Landesverwaltung beschränkt, sondern Organisation und Inhalt des Jugendaustausches mehr berücksichtigt. Wir alle wissen, dass die Art des Jugendaustausches vielseitig sein kann: Au pair, Freiwilligendienst, Job und Praktikum, Schulaufenthalt und Ferienfreizeit, Jugendbegegnung, Sprachkurs, Studium - es gibt so viele Möglichkeiten.
Um sich in dieser Vielfalt an Möglichkeiten zurechtzufinden, haben der Bund und die EU zwei zentrale Fachstellen zum Thema eingerichtet, die Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland und das Informationssystem für die Jugendarbeit und den Jugendaustausch in der Europäischen Union. Hier erhält jede und jeder Interessierte - beispielsweise auch über die Webadresse www.rausvonzuhaus.de - neben ganz allgemeinen Tipps zu Auslandsaufenthalten Informationen mit Auslandangeboten und anbietenden Organisationen, Finanzierungshinweisen, Erfahrungsberichten von jungen Menschen, Lände
rinformationen und so weiter und sofort. Diese Plattformen geben einen guten ersten Überblick, bevor man in das Informationsangebot des Landes einsteigt, beispielsweise das Ostsee-Jugendbüro, das speziell Kontakte im Ostseeraum aufbaut, unterstützt und pflegt.
Lieber Kollege Herbst, ohne Frage ist es ein guter Ansatz, wenn sich Schleswig-Holstein aufgrund seiner geografischen Lage besonders bei Maßnahmen mit den skandinavischen Ländern und den übrigen Ostsee-Anrainerstaaten engagiert. Aber der internationale Jugendaustausch ist auch in Schleswig-Holstein nicht nur auf diese Länder beschränkt, auch wenn aktuell die Zusammenarbeit zwischen Schleswig-Holstein und Süddänemark auf dem Arbeitsmarkt enger wird.
Ich will ganz deutlich sagen, warum ich ein bisschen kritischer war als die Vorredner. Ich erinnere an die Rede von gestern, die wir zur Jugendpolitik geführt haben. Wenn wir einen solchen Bericht ernst nehmen und wenn auch die Verfasser das Arbeiten an einem solchen Bericht ernst nehmen, muss es in unserem Interesse sein, hoch zu halten und zu fordern, dass man Lust darauf macht, dass Jugendliche Lust auf Jugendaustausch bekommen, dass sie die Möglichkeiten, die Breite der Möglichkeiten, die Vielfalt und das bunte Drumherum wirklich erfahren können. Mit einem Bericht mit einer solch technokratischen Herangehensweise, die sich zum Glück nicht in dieser Debatte widergespiegelt hat - das will ich ausdrücklich sagen -, aber in diesem Bericht sehr wohl widerspiegelt, macht man wenig Lust auf das, was es zu entdecken gilt. Wir sollten auch Lust darauf machen, welche Möglichkeiten es in diesem Land für junge Menschen immer noch gibt.
Vielleicht können wir im Ausschuss Möglichkeiten finden, wie wir in Zukunft bei solchen Berichten etwas mehr die Wirklichkeit widerspiegeln und weniger den „technokratischen Finanzkram“ - um das einmal in Anführung zu setzen. Ich gucke da Frau Herdejürgen an. Ich bin nämlich davon überzeugt, dass mit solch einem Bericht bestenfalls eine Pflichtübung erledigt wird, aber die Kür noch aussteht.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zimmerleute wissen es schon lange: Wer sich einmal auf der Walz in der Fremde bewährt hat, legt damit einen soliden Grundstein für seine berufliche Zukunft zu Hause.
Andere Techniken und die Neugier auf fremde Menschen sind die Gründe, die Gesellen auf Wanderschaft treiben. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein konnte man in einigen Berufen ohne die entsprechenden Wanderjahre, also Auslandserfahrung, gar keinen Meister machen.
Heutzutage ist es genau anders herum. Oftmals müssen Beschäftigte kleiner und mittlerer Betriebe kündigen, um überhaupt eine gewisse Zeit im Ausland Erfahrungen sammeln zu können. Weiterbildung gilt vielerorts immer noch als betriebswirtschaftliche Belastung. Das müssen wir dringend ändern, denn Auslandserfahrungen schützen nicht nur junge Menschen vor Arbeitslosigkeit, sondern sind auch ein echter Gewinn für den Betrieb und für ältere Beschäftigte.
Ich möchte das kurz an einem Beispiel erläutern, und zwar dem Besuch angehender junger Landwirte aus Westfriesland im Frühling in Nordfriesland. Sie kommen aus Großbetrieben
die sind völlig anders strukturiert -, die sich weitgehend auf Ackerbau spezialisiert haben. Bei hiesigen Betrieben gewannen sie einen Einblick in die Tierzucht, die sie bisher nicht kannten, die Veredlung im eigenen Betrieb und die direkte Vermarktung, die wir immer fordern. Was sie aber vor allem mitbekommen haben, waren viele Tipps, die man in keinem Handbuch nachlesen kann. Einige überlegen, sich auf neue, für sie bisher völlig unbekannte Techniken einzulassen.
Die Leistungen des kulturellen Jugendaustausches der Chöre und Jugendorcheser will ich nicht in Abrede stellen, doch die beruflichen Austauschmöglichkeiten zahlen sich für junge Schleswig-Holsteiner irgendwann einmal in barer Münze aus. So paradox es klingt: Wer weggeht, kann in seiner Heimat wieder Fuß fassen. Man muss das Rad nicht neu erfinden, sondern kann sich bei der Erschließung neuer Märkte auf Erfahrungen anderer Länder stützen. Das sichert den rohstoffarmen Standort Schleswig-Holstein am besten.
Der Landesregierung sind diese Zusammenhänge bekannt. Sie unterstützt mehrere transnationale Austauschprogramme für Auszubildende. Nahe liegend sind da natürlich vor allem Projekte auf dem deutsch-dänischen Arbeitsmarkt, von denen der Bericht vier näher ausführt. Leider vermisse ich konkrete Zahlen, also Angaben darüber, wie viele Azubis wirklich die Chance nutzen und einen kurzfristigen Arbeitsaufenthalt im Nachbarland haben. Sind es mehr oder weniger als die angegebenen nur 20 Auszubildenden, die im Zuge des Projekts „Grenzenlose Berufsausbildung“ nach Frankreich, Österreich oder Dänemark gingen? 20 Leute in der Berufsausbildung im Ausland ist eine Katastrophe und nicht ein Ruhmeszeichen einer Landesregierung.
(Beifall der Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD], Jürgen Weber [SPD] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die kleine Fallzahl zeigt überdeutlich, dass die berufliche Bildung im Rahmen des Jugendaustausches ein Stiefkind ist. Sie kann weder inhaltlich noch von der Breitenwirkung her mit den traditionellen Programmen des Jugendaustausches mithalten. Das EU-Programm LEONARDO führt in Deutschland im Vergleich zu COMENIUS und ERASMUS ein Schattendasein. Das unflexible deutsche System der dualen Ausbildung verhindert einen Erfahrungsaustausch während der Ausbildungsphase.
Man kann es einem ausbildenden Betrieb kaum verdenken, dass er neben den Berufsschulzeiten nicht noch vier oder fünf Monate auf seinen Azubi verzichten möchte. Lediglich die Großkonzerne schicken ihre Auszubildenden regelmäßig ins Ausland, weil diese dort ebenfalls Filialen haben und so kein Geld zusetzen müssen - die Mitarbeiten bleiben ja trotzdem, auch bei einem Auslandsaufenthalt, immer noch im Konzern, dem dann die Arbeitsleistung, wenn auch an einem anderen Standort, zugute kommt.
Besonders ideal ist das beispielsweise für die Firma Danfoss, denn von Nordborg in Dänemark bis nach Flensburg ist es nur ein Katzensprung. Die jungen Danfoss-Azubis nutzen diese besondere Chance gern, und der Konzern erweitert sein Kompetenzniveau. Betriebliche und individuelle Interessen gehen hier Hand in Hand.
Junge Menschen, deren Horizont nicht hinter der nächsten Kreisstadt endet, sind für jeden Betrieb eine Bereicherung. Die Landesregierung muss in die Hufe kommen: Wir brauchen schleunigst Konzepte, die auch kleinen und mittleren Betrieben den Jugendaustausch schmackhaft macht. Sie müssen für die Zeit des Austausches finanziell entlastet werden. Anders geht es nicht, weil unser System nun einmal so ist, wie es ist. Es muss darauf ankommen, möglichst allen Jugendlichen im Land internationale Erfahrungen zu ermöglichen. Maßgeschneiderte Gymnasial- und Studienaustauschprogramme sprechen nämlich nur eine Minderheit der jungen Menschen an,
nämlich die, die es sich leisten können und die ohnehin schon besser gestellt sind. Gerade die Jugendlichen, die sich in einer stinknormalen Ausbildung befinden, sollen auch die Chance haben, Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Das ist nicht nur für sie ein Vorteil, sondern auch für unser Land.
Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 16/2236, dem Sozialausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist einstimmig so beschlossen worden.
Ich danke dem Berichterstatter. - Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.
Ich lasse zunächst über die Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses, Drucksache 16/2263, abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist die Vorlage einstimmig angenommen worden.
Ich schlage Ihnen vor, den Antrag der Volksinitiative, Drucksache 16/2267, federführend dem Bildungsausschuss und mitberatend dem Innen- und Rechtsausschuss und dem Petitionsausschuss zu überweisen, dem Petitionsausschuss deswegen, weil die Volksinitiative den Anspruch hat, dort gehört zu werden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Sammeldrucksache über Vorlagen gemäß § 63 Abs. 1 a der Geschäftsordnung des Schleswig-Holsteinischen Landtags
Wir werden über die Punkte der Tagesordnung, zu denen eine Aussprache nicht vorgesehen ist, in einer Gesamtabstimmung beschließen. Voraussetzung ist, dass keine Abgeordnete oder kein Abgeordneter widerspricht. - Es widerspricht offenbar niemand. Die Tagesordnungspunkte mit den entsprechenden Voten der Ausschüsse und der Fraktionen entnehmen Sie bitte dieser Drucksache 16/2266.
Wir kommen damit, meine Herren Kollegen von der FDP, zur Abstimmung. Wer mit der Übernahme der Empfehlungen gemäß der Sammeldrucksache 16/2266 einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit hat der Landtag diese Empfehlungen einstimmig angenommen.
Ich darf Ihnen mitteilen, dass die nächste Tagung des Landtags, die 37. Tagung, am 12. November 2008 um 10 Uhr beginnen wird.
Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst und Ausschussdienst