Wer jetzt sagt - ich lese das in der Zeitung, und Herr Stegner hat es wiederholt -, wir können doch nicht das Versagen von Bankmanagern mit Steuermitteln ausgleichen, und gleichzeitig sagt, für die Kinder haben wir das Geld nicht, der öffnet tatsächlich allem Tür und Tor.
Damit können wir zusätzliche Lehrerstellen bezahlen, damit können wir die Jugendpolitik - wir haben gestern darüber diskutiert - großzügig ausstatten. Wer dieses Argument benutzt, wird es zukünftig sehr sehr schwer haben - ich sage das in allem Ernst -, überhaupt noch für eine sparsame Haushaltspolitik zu werben.
Noch eines: Noch handelt es sich um staatliche Garantien, Garantien, die wir aus meiner Sicht dringend geben müssen, damit unser Wirtschaftssystem nicht zusammenbricht. Es handelt sich noch nicht um Steuermittel, die real ausgegeben werden. Das kann kommen - das weiß heute niemand -, aber noch sind es Garantien. Hier sollten wir den Bürgerinnen und Bürgern nichts Falsches erzählen.
Eltern in unserem Land haben zwei Anliegen: Sie wollen von den überproportional hohen Beiträgen entlastet werden, und sie erwarten eine hohe Qualität sowie bedarfsgerechte Öffnungszeiten in den Kindertagesstätten. Lassen Sie uns endlich ernsthaft darüber diskutieren, wie wir Beitragsfreiheit und Qualitätsverbesserung hinbekommen können. Lassen Sie uns Finanzierungskonzepte erarbeiten und Prioritäten festlegen für die 105 Millionen €, am besten gemeinsam mit der Landeselternvertretung der Kindertagesstätten. Die könnten wir ja auch einmal fragen, wo denn die Priorität gesetzt werden soll.
Deutschland gibt zu wenig Geld für die Bildung, Betreuung und Erziehung seiner Kinder aus. Das muss sich ändern. Dazu brauchen wir konkrete Vorschläge. Wir haben unseren Antrag vorgelegt. Folgen Sie uns!
Ich danke der Frau Abgeordneten Monika Heinold. - Das Wort für den SSW im Landtag hat Herr Abgeordneter Lars Harms.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus unterschiedlichen Berichten der Landesregierung wissen wir, dass die weit überwiegende Zahl der Eltern das Angebot einer Kindertagesstätte nutzt. In Zeiten steigender Lebenshaltungskosten und stagnierender Löhne überlegen sich al
lerdings immer mehr Eltern, ob sie sich nicht den Kindergarten im wahrsten Sinne des Wortes sparen. Eben nicht die sozial schwachen Eltern, die Anspruch auf Unterstützung haben und für die nur eine vergleichsweise geringe Summe anfällt, sondern die nach außen gut situierten Mittelstandsfamilien spitzen den Rechenstift und melden ihr Kind im Zweifelsfall nicht in der Kita an. Diese Kinder können wir auf jeden Fall durch ein beitragsfreies Kindergartenjahr erreichen. Eltern, die vor der Wahl stehen, 100 oder mehr Euro im Monat an den Kindergarten zu überweisen oder das Kind selbst zu betreuen, würden so wirklich die Hilfestellung bekommen, die sie benötigen, wenn das letzte Jahr beitragsfrei werden würde. Für die Kinder ist die qualifizierte Bildung im Kindergarten auf jeden Fall ein Gewinn.
Auch die Träger stehen der Idee eines beitragsfreien Jahres aufgeschlossen gegenüber, bemerken sie doch gerade das, was ich eben beschrieben habe. Die familienfreundlichen Kampagnen einiger Kommunen wie Handewitt, die das letzte Jahr im Kindergarten vor Schuleintritt aus ihrem Haushalt finanzieren, ist für manche Familie ein gewichtiges Argument bei der Wahl des Wohnortes. Es bestehen also überhaupt keine Zweifel, dass ein beitragsfreies Jahr einen positiven Effekt und eben nicht nur einen Mitnahmeeffekt bei Eltern, die ihr Kind auf jeden Fall in den Kindergarten anmelden, zur Folge haben wird.
14 Millionen € im ersten Jahr und 35 Millionen € im zweiten Jahr hat die Große Koalition, bei einem durchschnittlichen Elternbeitrag von 120 € im Monat für fünf Kita-Stunden berechnet. Wir haben hier aber zwei grundsätzliche Szenarien, die zeigen, dass die Umsetzung nicht so einfach ist, wie wir es uns wünschen. Wenn das Geld pauschal pro Kind ausgezahlt wird, erhalten wir folgendes Szenario: Es wird Kindergärten mit geringeren Elternbeiträgen geben, die dann sozusagen einen Gewinn machen, und andere, die einen Verlust machen werden, weil ihr Beitrag höher ist. Wer soll nun für diesen Verlust aufkommen? Die Kommune oder der Träger? - Wir wissen es nicht, aber wir wissen manchmal schon, wie teuer dies einem Träger zu stehen kommen kann; schließlich soll ja die Beitragsfreiheit gesetzlich verankert werden.
Die Kalkulation mit 120 € führt rechnerisch zu einem Verlust bei den Kindergärten des Dänischen Schulvereins. Aufgrund des Auftrags der Sprachund Kulturvermittlung sind die Öffnungszeiten dieser Kindergärten länger als bei den meisten deutschen Einrichtungen; der Elternbeitrag ist dement
sprechend höher. Mit 120 € Ausgleichzahlung im Monat geriete der Schulverein im Handumdrehen in die roten Zahlen. Erste Überschlagsrechnungen gehen von Ausfällen von bis zu 170.000 € aus, sollte die Summe nicht erhöht werden. Bereits dieses Beispiel zeigt, dass die Koalitionäre dringend nacharbeiten müssen.
Nicht nur hier zeigen sich die Fallstricke einer unübersichtlichen Finanzstruktur, die sicherlich kein einziger Experte völlig aufzulösen weiß. Im schleswig-holsteinischen Kita-System gibt es unterschiedliche Einrichtungs-, Träger- und Finanzierungstypen. Es muss vermieden werden, dass sich Kommunen oder Träger an den neuen Zuschüssen bereichern oder an den Unterschüssen zugrunde gehen. Darum bedarf es einer gründlichen Diskussion und eines ordentlichen Verfahrens. Von daher glaube ich auch, dass der Weg richtig ist, jetzt ein Gesetzgebungsverfahren einzuleiten und sich Zeit zu nehmen, denn diese Zeit brauchen wir auch, um mit den Trägern und den Kommunen darüber zu reden.
Sehen wir uns jetzt das Szenario zwei an. Würde man nun die Summe von 120 € nur als Rechengröße ansehen und davon ausgehen, dass jeder Elternbeitrag in seiner tatsächlichen Höhe abgerechnet wird, so würde eine Kindertagesstätte mit niedrigen Beiträgen vergleichsweise wenig und eine mit derzeit hohen Beiträgen eine hohe Erstattung erhalten. Das heißt zweierlei: Erstens würden die Kitas mit geringen Beiträgen natürlich ihre Finanzierungsstruktur dahin gehend ändern wollen, dass die Elterngebühren und damit die Erstattungen durch das Land steigen. Zweitens würden auch alle anderen keinen Anreiz mehr haben, die Gebühren zu senken. Wir hätten eine Preisspirale nach oben.
Dies waren erst einmal nur grobe Darstellungen dessen, wie verworren hier die Interessenbeziehungen sind, und zwar aufgrund der Basis des derzeit geltenden Systems.
Wenn wir dann noch die Sozialstaffeln der Kreise und kreisfreien Städte einbeziehen und uns vor Augen halten, dass die Gemeinden, sofern sie nicht schon selber Träger der Einrichtungen sind, die finanziellen Defizite der Kindergärten mit abdecken, wird es erst richtig kompliziert. Die Verbandsvertreter der Kreise, Städte und Gemeinden haben schon deutlich gemacht, dass sie nicht gewillt sind, hier die Lasten zu schultern. Dabei geht es nicht so sehr um die Finanzierung des letzten Kindergartenjahres. Vielmehr stellt sich die kommunale Ebene die Frage, wer die anderen Kindergartenjahre in Zukunft bezahlen soll. Die Einführung des beitragsfreien Kindergartenjahres soll ja erst der Einstieg in
eine vollständige Beitragsfreiheit sein. Wie das finanziert werden soll, weiß derzeit niemand. Und da bauen die kommunalen Vertreter schon einmal vor. Sie wollen die Zeche nicht bezahlen, zumal sie schon mit erheblichen Mitteln an der derzeitigen Kindergartenfinanzierung beteiligt sind. Das kann man auch verstehen.
Die Kopplung von erwarteten Einsparungen durch die Verwaltungszusammenarbeit und beitragsfreiem Kindergarten ist nach unserer Auffassung nicht zulässig. Wir wissen nicht, ob überhaupt Einsparungen kurzfristig erzielt werden können.
Erfahrungen aus Dänemark zeigen - dort ist gerade eine Kommunalreform gemacht worden -, dass zumindest in den ersten Jahren eher höhere Kosten als Einsparungen zu erwarten sind. In den ersten Jahren werden wir somit mit Ähnlichem auch bei uns rechnen müssen. Aber selbst, wenn wir tatsächlich nennenswerte Einsparungen haben werden, stellt sich die Frage, wie diese dann in die Berechnung einfließen sollen. Ich nenne hier ein Beispiel: Soll, wenn Flensburg mit dem Kreis Schleswig-Flensburg kooperiert und dabei nennenswerte Einsparungen erzielt, aber Neumünster zum Beispiel nicht mit dem Kreis Segeberg kooperiert, dann im Norden der Kindergarten umsonst sein und in der Mitte des Landes nicht? Das kann doch wohl so nicht gewollt sein! Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Kreise und kreisfreien Städte, die Einsparungen erzielen, diese zur Finanzierung aller Kindergartenplätze im Land zur Verfügung stellen. Die werden ihr Geld behalten wollen.
Ähnlich verhält es sich im Übrigen mit der Sozialstaffel, die ja in Zukunft eingespart werden soll. Die Belastung aufgrund der Sozialstaffel ist in den kreisfreien Städten relativ größer als in den Kreisen. Sollen diese Mittel nun auf alle verteilt werden? - Da würden sich die Städte sicherlich kräftig zu Wort melden. Wir können also auch hier feststellen, dass viele Frage noch offen sind.
Betrachten wir aber noch einmal die Berechnungsgrundlage, die bisher zugrunde gelegt werden soll. Es ist ein Satz von circa 120 € auf Basis einer fünfstündigen Betreuung im Kindergarten ermittelt worden. Was aber ist, wenn ein Kindergarten länger geöffnet ist? Wer zahlt dann den übersteigenden Betrag? - Wahrscheinlich die Eltern. So, wie es derzeit geplant ist, will man vonseiten der Landesregierung nur eine fünfstündige Grundbetreuung finanzieren. Ist eine längere Betreuung gewünscht
oder vonnöten, so muss wieder eine andere Finanzierung her. Das heiß - grob gesprochen -, die Grundbetreuung wird vom Staat bezahlt, aber wenn jemand seinen Beruf weiterhin ausüben oder jemand wieder in den Beruf einsteigen will, so muss er oder sie weiterhin zahlen. Das politische Ziel Vereinbarkeit von Kindern und Beruf wird so immer noch verfehlt. Es wäre eigentlich besser, hier auch die längeren Betreuungszeiten zu finanzieren, damit möglichst bei allen Kindergärten der Anreiz gesetzt wird, länger aufzumachen. Das Ziel muss es doch sein, möglichst viele Kitas zu haben, die so lange geöffnet sind, dass Berufstätige effektiv entlastet werden. Hier sollten wir wirklich noch einmal über die Anreize nachdenken. Es wäre schade, wenn wir hier nur einen halben Schritt vorankämen und nicht einen ganzen Schritt wagten.
Ein Projekt wie das beitragsfreie Kindergartenjahr ist eben nur bedingt geeignet für öffentlichkeitswirksame Koalitionsrunden. Wir benötigen ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren, um die unterschiedlichen Gruppen anzuhören und deren Einwände berücksichtigen zu können. Trotzdem muss man aber sagen, dass der Schritt hin zu einer völligen Beitragsfreiheit natürlich richtig ist. Die Kindergärten sind der Beginn der professionellen Integration von Kindern mit Migrationshintergrund, und sie sind die erste dauerhafte Anlaufstelle, um mögliche Defizite bei den Kindern feststellen zu können. Außerdem lernen die Kinder Sozialverhalten, und es macht ihnen einfach nur Spaß, im Kindergarten zu spielen und neue Freunde zu gewinnen.
Wer einen Kindergarten besucht, hat einen besseren Start ins Leben. Dieser Start darf nicht vom Einkommen der Eltern abhängig sein. Deshalb haben wir als SSW immer die Beitragsfreiheit gefordert und freuen uns, dass wir diesem Ziel offensichtlich einen Schritt nähergekommen sind.
Der entscheidende Grundsatz muss bleiben: Wer bestellt, der muss auch bezahlen. Es kann nicht sein, dass die Kommunen, die Träger oder gar doch wieder die Eltern draufzahlen müssen.
Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms. - Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat nun Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist bedauerlich, dass bei diesem wichtigen Thema, bei dem bei uns allen eigentlich Konsens bestand und besteht, durch öffentliche Äußerungen und den Redebeitrag des Kollegen Stegner heute der Eindruck erweckt wird, es gebe hier Dissens. Herr Kollege Stegner, Sie haben weder sich selbst noch der Sache einen Gefallen getan.
Ich weise darauf hin, dass die Positionsänderungen, die Sie ständig vornehmen, mittlerweile dazu führen, dass Politikern überhaupt niemand mehr glaubt. Die Kollegin Heinold hat zu Recht darauf hingewiesen, dass in der Zeit, in der Sie Verantwortung getragen haben, das nicht passiert ist, was Sie jetzt einfordern. Für die Bildungspolitik in Schleswig-Holstein sind seit über 20 Jahren Sozialdemokraten verantwortlich. Deshalb ist der Anwurf an andere in diesem Haus, den Sie heute gestartet haben - ich will die Union gar nicht verteidigen; die hat selbst einen Fraktionsvorsitzenden, der das gelegentlich kann -
Sie tragen dazu bei, dass die Menschen draußen niemandem von uns mehr glauben. Die Menschen sind doch nicht dumm. Sie wissen doch, wie die Sachlage aussieht. Sie wissen doch, wie die wirtschaftliche Situation ist. Sie wissen doch, wie Sie selbst Vorsorge betreiben. Das Versprechen, auf jeden Fall 2011 und 2013 die nächsten Stufen der Beitragsfreiheit einzuführen, kann keiner glauben, weil wir nicht wissen - weder der Finanzminister, noch wir, noch sonst jemand -, wie die Haushaltslage ist.
Eine Erklärung wie die der Bildungsministerin, wenn es denn eine Haushaltsnotlage gäbe, würde man das Gesetz eben außer Kraft setzen, macht Ihre Position nicht gerade sicherer.
Was Ihre Aussagen wert sind, Herr Stegner, kann man eindeutig nachlesen. Sie haben am 8. Oktober - so werden Sie zitiert - öffentlich erklärt: „Ich wette, 2013/2014 haben wir bundesweit keine Kita-Gebühren mehr.“
Ich will gar nicht dagegenhalten. Das mag ja so sein. Aber ich will auch aus den „Lübecker Nachrichten“ vom 4. September 2008 zitieren. Das ist einen Monat her. Da haben Sie zur Verwaltungsstrukturreform gesagt:
„Es wird eine umfassende Veränderung der Verwaltungsstrukturen geben, und dazu gehört auch eine Veränderung der Kreisstrukturen - ohne Wenn und Aber. … Eine Nullvariante ist völlig ausgeschlossen.“
Nun präsentiert uns die Große Koalition eine Nullvariante. Ich habe ja nichts dagegen. Aber dass Sie Ihren Finanzierungsvorschlag für die Beitragsfreiheit der Kindertagesstätten aufgeben - Sie haben uns dauernd erklärt, die eingesparten Millionen sollen für Bildung in Kinder ausgegeben werden - mit der Erklärung: „Wir werden das Geld woanders herholen“, ist schon ein starkes Stück. Dass Sie das der Öffentlichkeit nicht nur als Kompromiss, sondern sozusagen als Ideallösung verkaufen wollen, ist schon ein starkes Stück.
Herr Finanzminister Wiegard, ich erwarte von Ihnen als Aufsichtsrat der HSH Nordbank, dass Sie sich manifest vor den Vorstand der HSH Nordbank stellen, wie Sie das im Finanzausschuss schon getan haben. Den Angriff von Herrn Stegner gegen Herrn Berger finde ich unverhältnismäßig, indem er sagt:
„Es wäre den Bürgern politisch nur schwer zu vermitteln, dass der Staat auf der einen Seite Hunderte von Millionen aufbringt, um Managementfehler auszugleichen, und auf der anderen Seite kein Geld für die Kindergärten da sein soll.“