Protokoll der Sitzung vom 09.10.2008

Ich unterbreche die Sitzung und wünsche Ihnen eine schöne Mittagspause. Wir treffen uns um 15 Uhr wieder und fahren mit Tagesordnungspunkt 16 fort.

(Unterbrechung: 13:19 bis 15:00 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen die Sitzung fort. Ich begrüße Sie nach der Mittagspause. Wir machen in der Tagesordnung weiter mit dem Tagesordnungspunkt 16:

Umsetzung der Resolution der 17. Ostseeparlamentarierkonferenz

Bekanntmachung des Landtagspräsidenten Drucksache 16/2225

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/2256

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Abgeordneten der CDU-Fraktion, Herrn Hartmut Hamerich, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Schleswig-Holstein gern mit seinen weiten Horizonten wirbt, gibt es dafür gute Gründe: Der Blick auf größere Zusammenhänge ist angesichts der internationalen und globalen Verflechtungen von Wirtschaft und Politik unerlässlich. Begegnung, Zusammenarbeit und internationale Netzwerke sind unabdingbare Voraussetzungen für wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Entwicklungen.

Die jährliche Konferenz der Parlamente der Ostseeanrainerstaaten ist aus meiner Sicht ein ebenso gelungenes wie notwendiges Beispiel für die Vernetzung und den Informationsaustausch von Abgeord

(Minister Dr. Werner Marnette)

neten aus der Ostseeregion. Ihr besonderer Wert liegt vor allem darin, dass Landtage und regionale Parlamente in Augenhöhe mit den nationalen Parlamenten des Ostseeraumes und ihren Regierungen Politik gestalten.

Schleswig-Holstein, der Schleswig-Holsteinische Landtag, ebenso wie die Landesregierung gehören zu den Pionieren der Zusammenarbeit im Ostseeraum, und sie sind aus der Entstehungsgeschichte von Ostseeparlamentarierkonferenz und Ostseerat nicht fortzudenken.

(Beifall des Abgeordneten Niclas Herbst [CDU])

Von diesen Grundlagen, von diesem Kapital zehren wir noch heute: Unser Land hat einen guten Namen im Ostseeraum. Wirtschaft und Politik ebenso wie zahlreiche Nichtregierungsorganisationen sind präsent, und sie sind geschätzte Partner.

Damit sind meine Eindrücke von der 17. Ostseeparlamentarierkonferenz in Visby auf der Ostseeinsel Gotland umrissen. Die Konferenz hat von Jahr zu Jahr an Profil gewonnen. Dazu dürften vor allem die vom Ständigen Ausschuss eingesetzten Arbeitsgruppen beigetragen haben. In sie haben sowohl Abgeordnete aller Ostseeparlamente als auch Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft ihr Wissen und ihre Erkenntnisse zu aktuellen Themenschwerpunkten eingebracht. Diese standen auch im Mittelpunkt der Erörterungen der 17. Ostseeparlamentarierkonferenz: Klimawandel und Energieeffizienz, Energieversorgung und Versorgungssicherheit, Eutrophierung, maritime Politik sowie Arbeitsmarktfragen und soziale Angelegenheiten.

Der fraktionsübergreifende Antrag Drucksache 16/2256 nennt die wichtigsten Aussagen und Ergebnisse aus der umfangreichen Konferenzresolution. Die Resolution mag Außenstehenden vielleicht an einigen Punkten recht generell und zu wenig verbindlich erscheinen. Möglicherweise stellt die eine oder der andere auch die Frage nach ihrer Wirkungsmöglichkeit und Durchsetzungskraft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, solche Einschätzungen und kritischen Stimmen begleiten die Ostseeparlamentarierkonferenz - wie im Übrigen alle anderen internationalen Gremien - von Anfang an. Wer aber Gelegenheit hat, ein wenig tiefer in die Strukturen und Verfahrensprozesse dieser internationalen Konferenz einzudringen, wird nicht umhin kommen, das Ergebnis zu würdigen.

(Beifall der Abgeordneten Niclas Herbst [CDU] und Anke Spoorendonk [SSW])

Es ist schon etwas Besonderes, und es hat politisches Gewicht, wenn mehr als zwanzig Parlamente und Parlamentarische Versammlungen einen gemeinsamen Willen äußern. Es ist schon etwas Besonderes, wenn Abgeordnete aus Parlamenten der EU-Staaten und von Nichtmitgliedern, Abgeordnete von nationalen Parlamenten und Regionalparlamenten, Vertreter des Europarates und des Europäischen Parlaments absolut gleichberechtigt zusammenwirken. Es ist auch etwas Besonderes, wenn die Regierungen des Ostseeraumes dieser Versammlung in der Person des Vertreters des Ostseerats Rede und Antwort stehen und diese Zusammenarbeit vertiefen wollen.

Ich hatte erstmals Gelegenheit, den Schleswig-Holsteinischen Landtag in dem Redaktionskomitee zu vertreten, das mit der Ausarbeitung der Schlussresolution beauftragt war. Ich möchte es nicht versäumen, mich in diesem Zusammenhang für die hervorragende Zusammenarbeit mit unserem Landtagsdirektor, Herrn Dr. Schöning, zu bedanken.

(Beifall bei CDU, SSW und vereinzelt bei der SPD)

Es wird niemanden und schon gar keinen Parlamentarier verwundern, dass Konsens und Konflikt auch hier oftmals eng zusammenliegen. Erwartungsgemäß gab es eine breite Übereinstimmung in allen Fragen des Meeres- und des Umweltschutzes und den ehrgeizigen Plan, die Ostseeregion zur maritimen Modellregion Europas zu entwickeln.

Die in der Resolution erwähnte schrittweise Entwicklung einer landgestützten Stromversorgung für Fracht- und Passagierschiffe während der Hafenliegezeit trägt erkennbar eine norddeutsche Handschrift. Sie zeigt auch die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit, die inhaltlichen Schwerpunkte des Parlamentsforums Südliche Ostsee mit denen der Ostseeparlamentarierkonferenz zu verbinden. Das ist in Visby in hervorragender Weise inhaltlich gelungen. Darüber hinaus war es eine Premiere, dass der amtierende Vorsitzende des Parlamentsforums Südliche Ostsee und Präsident des Sejmiks der Wojewodschaft Westpommern die Arbeit des Forums erläutern und seine Ergebnisse vorstellen konnte. Die enge Zusammenarbeit zwischen dem Schleswig-Holsteinischen Landtag und dem Landtag Mecklenburg-Vorpommern in dem Parlamentsforum Südliche Ostsee ist mit Sicherheit ein wichtiges und tragendes Element dieser erfolgreichen parlamentarischen Kooperation.

Es ist auch kein Zufall, dass diese von enger Nachbarschaft und gleichen Interessen geprägte Zusam

(Hartmut Hamerich)

menarbeit im südlichen Ostseeraum durch Konsens und Harmonie geprägt ist. Aber wir dürfen die Augen nicht davor verschließen - und die Erfahrungen von Visby hindern uns auch daran -, dass geopolitische Konflikte, an denen Ostseeanrainerstaaten beteiligt sind, die Ostseeregion insgesamt nicht unberührt lassen: Der russische Militäreinsatz in Georgien führte spürbar zu einer atmosphärischen Anspannung zwischen der russischen Delegation einerseits und den Parlamentsdelegationen aus dem Baltikum und Polen andererseits. Mochten die Kollegen aus der Staatsduma und den ostseenahen Regionalparlamenten der russischen Föderation noch so zurückhaltend sein, es war naheliegend und mit Händen zu greifen, dass die Vertreter der baltischen Parlamente und des Nachbarlandes Polen vor allem von der Frage berührt waren, was der von der russischen Seite in Anspruch genommene Interventionsanspruch im Kaukasus unter bestimmten Konstellationen für ihre Länder bedeuten könnte.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit!

Ich versuche, meinen letzten Satz zu formulieren, und verzichte dabei auf das eine oder andere Komma.

(Heiterkeit)

Diese Anspannung prägte die Diskussion über die Ostseepipeline, die vom russischen Vyborg über finnische, schwedische und dänische Gewässer und durch deren jeweils ausschließliche Wirtschaftszonen zur deutschen Ostseeküste im Raum Greifswald als Anlandepunkt verlaufen soll.

(Zurufe - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von mir kriegt er auch eine Minute!)

- Das ist gut, ich danke meinen Kollegen - wenn das vom Präsidium anerkannt wird.

Für die einen ist das eine willkommene Diversifizierung der Transportwege für russisches Erdgas und somit ein Beitrag zur Sicherung der Gasversorgung Europas, für die anderen ist es ein Faustpfand und Stellschraube für Abhängigkeiten von einem unkalkulierbaren Regime mit zunehmend aggressivem Weltmachtgehabe.

Herr Abgeordneter, trotz der Unterstützung der anderen Fraktionen bitte ich Sie, jetzt Ihren letzten Satz zu formulieren.

Innerhalb dieser Spannbreite bewegen sich die Diskussionsbeiträge.

(Heiterkeit und vereinzelter Beifall)

Ich formuliere jetzt wirklich meinen letzten Satz: Die Ostseeparlamentarierkonferenz hat nicht nur ihre Entscheidungs- und Artikulationsfähigkeit auch unter schwierigen Bedingungen bewiesen. Sie hat auch ein weiteres Mal zur Horizonterweiterung beigetragen. Ich wünsche mir, dass das in die Arbeit des Schleswig-Holsteinschen Landtags mit einfließt.

Herr Abgeordneter!

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und schließe hiermit meinen Redebeitrag.

(Beifall bei CDU, SSW und vereinzelt bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte begrüßen Sie jetzt mit mir auf der Tribüne Mitglieder des Deutschen Hausfrauenbundes, Ortsverband Mölln, sowie Mitglieder des 1. Instandsetzungsbataillons 166 der Graf-Rantzau-Kaserne in Boostedt. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Das Wort für die SPD-Fraktion erhält Frau Abgeordnete Astrid Höfs.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf der 17. Ostseeparlamentarierkonferenz in Visby wurden mehrere bedeutende Schwerpunkte diskutiert, nämlich Energieeffizienz und Klimawandel, Arbeitsmarkt und soziale Angelegenheiten sowie die maritime Politik und der Helcom-Baltic-Sea-Action-Plan.

(Hartmut Hamerich)

Durch die Globalisierung wird jetzt auch immer deutlicher, dass wir die großen Aufgaben unserer Zeit nicht nur gemeinsam auf den Weg bringen, sondern auch die Ziele gemeinsam umsetzen müssen. Deshalb begrüße ich es ausdrücklich, dass in diesem Jahr die soziale Situation der Ostseeanrainerstaaten beraten wurde. Auf Initiative des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Franz Thönnes, und dem dann folgenden Beschluss der 16. Ostseeparlamentarierkonferenz in Berlin wurde die Arbeitsgruppe „Arbeitsmarkt und soziale Wohlfahrt“ eingerichtet, die sich schwerpunktmäßig mit der Jugendarbeitslosigkeit und der Situation der Grenzpendler beschäftigt hat. Die Arbeit der Gruppe richtet sich an der Resolution der 16. Ostseeparlamentarierkonferenz aus, die gefordert hat, vor dem Hintergrund der wachsenden Zahl von Grenzgängern politische Maßnahmen zur Einrichtung von Informationszentren in der Region an stark frequentierten Grenzübergängen zu unterstützen. Diese sollen die Mobilität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern fördern, und sie sollen in Sozialversicherungsfragen beraten, die in den EU Staaten bekanntlich sehr unterschiedlich sind. Ebenso sollen sie Arbeitsmärkte fördern, die auch benachteiligte Gruppen sowie junge Menschen integrieren.

Erste Ergebnisse wurden bereits in Visby präsentiert. In der Ostseeregion gibt es vor allem zwischen den westlichen und den nördlichen Anrainern gut institutionalisierte Informationszentren und Projekte zur Förderung des grenzüberschreitenden Arbeitsmarktes. Dagegen sind die Informationsstrukturen für Grenzpendler an den Grenzen zwischen den östlichen und den südlichen Ostseeanrainern bisher nur wenig entwickelt. Hier gibt es in jedem Fall einen Nachholbedarf. In Schleswig-Holstein arbeitet das Infocenter Grænse, das wir sehr gut kennen, seit 2004 sehr erfolgreich daran, die Grenze für Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber durchlässiger zu gestalten.

In Schleswig-Holstein ist die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit das wichtigste arbeitsmarktpolitische Ziel der Landesregierung. Mit den Projekten „Schule und Arbeitswelt“ und „Bündnis für Arbeit“ wird versucht, der Jugendarbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Diese Erfahrungen konnten dort aus Schleswig-Holstein eingebracht werden. Positiv zu bewerten ist auch die Zusammenarbeit der Arbeitsgruppe „Arbeitsmarkt und soziale Wohlfahrt“ mit den Sozialpartnern, unter anderem mit dem interregionalen Gewerkschaftsverband BASTUN. Geplant ist, die verschiedenen Strukturen, Projekte

und Aktivitäten der Regionen zu analysieren. Auf der 18. Ostseeparlamentarierkonferenz 2009 wird die Arbeitsgruppe eine Zusammenfassung vorlegen und Empfehlungen für die Umsetzung geben.

Ingesamt ist es angesichts der zurzeit stattfindenden Diskussion über die soziale Dimension Europas zu begrüßen, dass sich die Ostseeparlamentarierkonferenz verstärkt auch mit sozialen Themen beschäftigt hat.

(Beifall bei der SPD)