Protokoll der Sitzung vom 12.11.2008

Mit 1,4 % Wirtschaftswachstum war SchleswigHolstein im Jahr 2007 trauriges Schlusslicht aller Bundesländer. Für 2008 sieht es nicht besser aus. Auch die Arbeitsmarktzahlen für den Monat Oktober 2008 sahen nicht gut aus. Mit einer Arbeitslosenquote von 7,1 % liegt Schleswig-Holstein derzeit auf Platz 7 der Bundesländer. Im Mai war es noch Platz 5. Und beim Rückgang der Arbeitslosigkeit im Jahresvergleich liegt Schleswig-Holstein mittlerweile auch auf dem letzten Platz aller Bundesländer.

Es fehlt aus unserer Sicht bisher eine Gesamtstrategie für ein höheres Wirtschaftswachstum. Das ist das A und O. Wir erleben in diesem Jahr und auch im nächsten Jahr, dass die Einnahmeverbesserung des Landeshaushaltes wesentlich darauf zurückzuführen ist, dass wir wirtschaftliches Wachstum generiert haben. Ohne Wachstum wird die Sanierung des Landeshaushalts nicht funktionieren, und undifferenziertes Sparen - ich habe es schon mal gesagt wird dazu führen, dass sich unsere Probleme verschärfen.

(Beifall bei der FDP)

Aus Sicht meiner Fraktion erfordern schwierige Situationen auch schwierige Maßnahmen. Es muss in der jetzigen finanzpolitischen Lage der Konsolidierungskurs durch eine Prioritätensetzung verschärft werden. Außerdem sind - das ist der entscheidende Faktor - die vorhandenen Potenziale SchleswigHolsteins weitaus stärker als bisher zu nutzen. Dies wird nur mit langfristigen strukturellen und konkreten kurzfristigen Maßnahmen zur Steigerung des wirtschaftlichen Wachstum, zur Schaffung von Arbeitsplätzen und damit zur strukturellen Verbesserung der Einnahmen möglich sein. Wir würden mit Ihnen gern darüber diskutieren, ob und in welcher Form wir in Schleswig-Holstein durch Vorziehen beispielsweise von öffentlichen Investitionen ein Konjunkturprogramm auflegen können, um in den nächsten zwei Jahren durch die Krise hindurchzukommen, in der wir uns bereits befinden.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich zum Schluss meiner Ausführungen noch kurz darauf eingehen, dass alle diejenigen, die glauben, die soziale Marktwirtschaft habe sich durch die Krise verabschiedet, eines Besseren belehrt werden. Was wir brauchen, ist ein Staat, der treffsicher ist, der sich auf seine Kernaufgaben kon

zentriert, der Rahmenbedingungen setzt, aber auch durchsetzt, dass diese Rahmenbedingungen eingehalten werden. Ein Staat, der sich in das tägliche Leben der Bürger einmischt, dass einem die Luft weg bleibt, und der bei der Aufsicht über die Banken versagt, ist nicht der starke Staat, den wir uns wünschen. Wie die Kontrolle und die Aufsicht des Staates über die HSH Nordbank aussehen, erleben wir gerade mit ungläubigem Staunen.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion der CDU hat ihr Vorsitzender, Herr Abgeordneter Dr. Johann Wadephul, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kaum ein Thema hat die Menschen und die Politik in den letzten Wochen und Monaten so beschäftigt wie die weltweite Krise auf den internationalen Finanzmärkten. Innerhalb weniger Tage ist das Bankensystem kräftig durchgeschüttelt worden. Traditionsreiche Geldhäuser verschwinden vom Markt, verlieren ihre Eigenständigkeit. Nichts bleibt so, wie es ist. Die Börsen erleben eine Bergund Talfahrt. Im September fielen die Aktienkurse innerhalb einer Woche weltweit im Schnitt um 5,2 %, was einem Gesamtverlust an Börsenwert von rund 2,3 Billionen Dollar entsprach.

Die Lage auf den internationalen Finanzmärkten ist nach wie vor ernst. Sie stellt vieles, was für uns in der Vergangenheit als selbstverständlich galt, infrage. Sie stellt unsere Wirtschafts- und Haushaltspolitik vor enorme Herausforderungen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Finanzminister hat beleuchtet, was am Anfang dieser Krise stand: eine unsolide Immobilienfinanzierung in den Vereinigten Staaten von Amerika. Über Jahre hinweg wurden in unverantwortlicher Weise Immobilienkredite an Bankkunden vergeben, bei denen keine Aussicht auf eine normale Rückzahlung des Darlehens bestand. Alle Beteiligten verließen sich dort auf ständig steigende Immobilienpreise und niedrige Zinsen. Die Risiken aus diesen Krediten wurden weiterverkauft, neu verpackt, weltweit gestreut und waren damit der Keim einer weltweiten Finanzkrise.

Traditionsreiche Investmentbanken mit klangvollen Namen sind in den USA von einem auf den anderen Tag vom Markt verschwunden. Aus der amerikani

(Wolfgang Kubicki)

schen Immobilienkrise ist inzwischen eine globale Finanzkrise geworden. Das Vertrauen, das wichtigste Pfund der Finanzmärkte, ist verloren gegangen. Das Kreditgeschäft der Banken untereinander kam praktisch zum Erliegen. Es drohte ein Zusammenbruch des gesamten internationalen Finanzsystems mit unvorhersehbaren Folgen.

Die zentralen Begriffe in dieser Debatte sind daher ganz klar Vertrauen und Verantwortung. Das sind Anforderungen, die die Menschen in unserem Land nicht nur zu Recht an Politiker, sondern auch an Manager und Banker richten, und auch diese sollten die Aufforderung ernst nehmen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Deshalb müssen wir ihnen folgende Fragen beantworten: Wie können wir die Krisenbewältigung den Bürgern gegenüber rechtfertigen? Was sind die Lehren, die wir, die Politik, aus dieser Krise ziehen?

Krisenbewältigung ist das Gebot der Stunde. Es geht nicht an vorderster Stelle um Schuldzuweisung, sondern zunächst geht es darum, Risiken und Gefahren zu erkennen und diese abzuwenden. Es geht nicht um einzelne Banken und Institute. Auch private Interessen stehen zunächst nicht im Mittelpunkt, sondern allein die Funktionsfähigkeit und Stabilität des Finanzmarkts insgesamt.

Die Bundesregierung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und auch der Deutsche Bundestag haben mit der Verabschiedung des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes exzellente Arbeit geleistet.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich halte es für eine Sternstunde der parlamentarischen Demokratie, und ich halte es im Übrigen auch für eine Sternstunde Europas, der Europäischen Union - das ist bisher zu wenig erkannt worden; vielleicht wird es mit einem gewissen Abstand noch zu würdigen sein -, die konzertiert reagiert und in einer Zeit, in der die Vereinigten Staaten von Amerika wirtschafts- und finanzpolitisch - der Kollege Kubicki hat darauf hingewiesen - schwere Fehler gemacht haben, Verantwortung gezeigt hat. Europa war handlungsfähig, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Dieses geschlossene Handeln der Politik über Parteigrenzen hinweg, ist ein Beispiel dafür, dass Politik, wenn es darauf ankommt, handlungsfähig ist und ihrer Verantwortung gerecht wird. Häufig ge

nug werden Politiker beschimpft und müssen sich vorhalten lassen, nicht schnell genug zu handeln. In dieser konkreten Situation haben Manager und Banker mit hohem Ansehen, guter Ausbildung und exzellenter Bezahlung versagt, und die Politik hat reagiert. In einem Parlament, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir man auch einmal festhalten dürfen, dass dies - bei Fehlern auf anderer Seite ein aktives, gutes und umsichtiges Handeln der Politik gewesen ist.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich wünsche mir daher, dass mehr solche Beispiele, bei denen wir in der Sache hart, aber ohne Streit um des Kaisers Bart, etwas für unser Land bewegen.

Der Finanzmarktstabilisierungsfonds ist in der Sache bereits ausführlich dargestellt worden. Es geht darum, durch die Gewährung von einer Sicherheit, einer Bürgschaft, wieder Vertrauen in das Finanzsystem herzustellen, das Vertrauen der Banken untereinander zu gewährleisten und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unser Bankensystem wiederherzustellen.

Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise auf Schleswig-Holstein? - Auch dazu hat der Finanzminister einiges gesagt. Kein Experte kann die Folgen der Krise auf die Kapitalmärkte abschließend einschätzen und vermag deren Auswirkungen zu erkennen, auch bei uns nicht. Tatsache ist aber, dass sich die schleswig-holsteinische Wirtschaft noch in einer stabiler Verfassung befindet. Sie ist robuster als in anderen Ländern, auch in anderen Bundesländern. Unsere Unternehmer erwarten einen gegenüber dem Vorjahr um 9,1 % erhöhten Umsatz. Die Arbeitslosenzahlen sind im Oktober im Vorjahresvergleich um 8.100 zurückgegangen. Das ist ein Minus von 7,5 %. Aber auch wir werden uns den Folgen der Krise nicht völlig entziehen können.

Nach Meinung vieler Experten werden die durch die Finanzkrise ausgelösten Schockwellen die reale Wirtschaft erst im Winterhalbjahr erreichen. Diese Auswirkungen werden wir wohl noch das ganze nächste Jahr zu spüren bekommen und zu verdauen haben. Besorgniserregend ist, dass den Firmen gegenwärtig mit nicht gekannter Geschwindigkeit Aufträge wegbrechen. Mit deutschlandweit minus 8 %war der Rückgang im September so stark wie in der gesamten deutschen Geschichte noch nie.

Dennoch gilt, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass Schwarzmalerei nicht das Gebot der Stunde ist. Ich bin dankbar, dass die mittelständische Wirtschaft gerade heute in den „Kieler Nach

(Dr. Johann Wadephul)

richten“ hierauf hingewiesen hat. Es macht überhaupt keinen Sinn, jetzt in Panik zu verfallen und sich gedanklich schon in eine Rezession zu begeben. Die schleswig-holsteinische Wirtschaft ist eine mittelständische Wirtschaft. Wir haben alle Chancen, mit den staatlichen Hilfen, die jetzt geplant sind - ich komme darauf noch zu sprechen -, diese Wirtschaft stabil zu halten und weiterhin für Beschäftigung und Wachstum in Schleswig-Holstein zu sorgen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Selbstverständlich berührt dieses Parlament an vorderster Stelle und sehr empfindlich die Situation unserer Landesbank, die wir gemeinsam mit Hamburg haben, der HSH Nordbank. Die Demission des bisherigen Vorstandsvorsitzenden Berger ist nach den Informationen, die der Finanzminister dem Parlament gegeben hat, sicherlich gerechtfertigt. Einzelheiten, wie dort weiter zu verfahren ist, sind Sache des Aufsichtsrats. Herr Kollege Kubicki, Sie haben das angesprochen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Der Anteilseig- ner!)

- Richtig. Der Anteilseigner. - Wir haben auch insoweit - das möchte ich ausdrücklich sagen - vollstes Vertrauen in die Tätigkeit derjenigen, die uns dort vertreten und die Interessen des Landes SchleswigHolstein wahrnehmen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich stelle fest - das ist für jemanden, der als Vorstandsvorsitzender wissen muss, dass er in einer öffentlichen Bank tätig ist, keine Kleinigkeit -: Das Parlament ist offensichtlich, insbesondere in der Sitzung des Finanzausschusses in der vergangenen Woche, nicht vollständig informiert worden. Dies ist ein Verhalten, das für das Landesparlament Schleswig-Holsteins nicht akzeptabel ist und das Konsequenzen haben muss, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei CDU, FDP und des Abgeordne- ten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir sind jetzt auf eine sehr exakte Krisenanalyse angewiesen. Wie ist die Lage der Bank wirklich? Wir brauchen eine saubere Analyse der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung. Wir brauchen eine Darstellung aller Risikopositionen. Wir brauchen eine Analyse aller Geschäftsfelder.

Ich bin dankbar, dass dies in Angriff genommen wird, und sage für meine Fraktion dem Aufsichtsrat und allen, die insoweit beauftragt sind, Unterstützung zu. Wir müssen jetzt alle Karten auf dem Tisch haben, damit wir wissen, wie es um die HSH Nordbank steht.

(Beifall bei der CDU)

Dies ist die Voraussetzung dafür, dass wir neu definieren können, was die Kerngeschäftsfelder einer Landesbank sind und in welcher Weise wir weiter auf dem Markt agieren können.

Verschiedentlich ist in Wortbeiträgen - auch der Kollege Kubicki hat es noch einmal beleuchtet darauf hingewiesen worden, dass die Verluste im Bereich der Finanzmarktpapiere erheblich sind und dass diese das Ergebnis nachhaltig beeinflussen und auch Risiken für die Zukunft beinhalten. Aber ich sage auch ganz selbstkritisch - jeder mag überlegen; ich gehöre keinem Gremium der HSH Nordbank an, bin weder jetzt im Aufsichtrat noch wie der nach mir redende Kollege Stegner früher darin gewesen, auch nicht im Beirat, Herr Kollege Kubicki -: Dieses Geschäftsfeld der Finanzmarktpapiere wird dort seit mehr als zehn Jahren betrieben. Wenn an der Stelle Fehler gemacht worden sind und wenn es - Sie, Herr Kollege Kubicki, haben das hinterfragt - falsch gewesen ist, sich dort je zu engagieren, dann ist das eine Frage, die heute nicht nur vordergründig an jene zu richten ist, die heute im Aufsichtsrat sind, sondern dann ist das eine Frage, die an alle zu richten ist, die heute dafür Verantwortung tragen und in der Vergangenheit getragen haben.

(Beifall bei der CDU)

Was die Frage der Aufstockung des Eigenkapitals der HSH Nordbank betrifft, so ist für mich heute offen, in welcher Höhe genau und in welcher Art und Weise diese Erhöhung des Eigenkapitals sinnvoll ist. Wenn sie notwendig ist, werden wir als Eigner an der Seite der Bank stehen müssen. Der Finanzminister hat das gesagt. Die verschiedenen Möglichkeiten sind öffentlich erörtert worden. Ich will ganz offen sagen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt - das muss aber noch analysiert werden meine Präferenz dahin geht, den Bundesschirm in Anspruch zu nehmen.

Das machen andere Landesbanken auch, das machen auch Geschäftsbanken wie die Commerzbank AG. Deswegen sollten wir diesbezüglich eine Präferenz haben. Andere Möglichkeiten müssen heute nicht definitiv ausgeschlossen werden.

(Dr. Johann Wadephul)

Klar ist schon jetzt, dass die Dividendenauszahlung für 2009 und 2010 fehlen wird. Ich finde es richtig, dass das Kabinett in der Nachschiebeliste gestern auf Vorschlag des Finanzministers insoweit den Haushaltsentwurf korrigiert hat. Das ist ehrliche Vorsorge für die nächsten beiden Jahre. Aber ich sage auch für meine Fraktion: Ein verfassungsgemäßer Haushalt ist weiterhin das Gebot der Stunde. Bei aller Krise und aller Belastung, die wir haben, gibt es keinen Anlass, alle Schleusen zu öffnen und alle Verantwortung für eine seriöse Haushaltspolitik an dieser Stelle zu opfern. Das wollen wir nicht!

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Aus der Krise oder aus den Krisen müssen sicherlich - und das wird die öffentliche Diskussion noch viele Jahre prägen - viele Lehren gezogen werden. Schnellschüsse sind aus meiner Sicht fehl am Platze. Ich möchte nur drei Bemerkungen machen.