Aus der Krise oder aus den Krisen müssen sicherlich - und das wird die öffentliche Diskussion noch viele Jahre prägen - viele Lehren gezogen werden. Schnellschüsse sind aus meiner Sicht fehl am Platze. Ich möchte nur drei Bemerkungen machen.
Erstens. Die Krise zeigt an allererster Stelle, dass kein Regelwerk – schon gar nicht die Wirtschaft bestehen kann, wenn die wirtschaftlichen Akteure glauben, frei von moralischer Bindung, frei von unternehmerischer Ethik ohne gesamtgesellschaftliches Verantwortungsgefühl agieren zu können.
Zweitens. Diese Krise sagt uns auch etwas über die Systemfrage. Der Sozialismus ist passé. Das haben wir gerade in Deutschland - jedenfalls im unfreien Teil - und auch in anderen Ländern deutlich erfahren. Die Krise zeigt aber auch: Liberale Marktgläubigkeit an sich ist ebenfalls passé. Die soziale Marktwirtschaft ist aktueller als je zuvor. Sie hat unter ihrem Vater Ludwig Erhard für Wohlstand, Arbeit, Sicherheit und Freiheit gesorgt – seit 60 Jahren. Das sollten wir nicht vergessen!
- Herr Kollege Neugebauer, seit Godesberg hat doch auch die SPD das nachvollzogen und mit unterstützt, und ich hoffe, die SPD bleibt auf diesem Kurs.
Die Lehre aus dieser Krise ist nicht, den Staatskapitalismus wieder beleben und den Markt als wesentliches Element der sozialen Marktwirtschaft abzuschaffen. Das ist eine geradezu dumme These,
Wir sind für den Markt als Werteordnung. Wir sind für eine soziale Marktwirtschaft, weil sie dem Freiheitsrecht und der Verantwortungspflicht des Einzelnen als Werteordnung am besten gerecht wird.
Drittens. Soziale Marktwirtschaft heißt auch, Ordnung der Märkte, damit diese Märkte den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Soziale Marktwirtschaft heißt auch, Maß zu halten.
Überproportionale Gehaltssteigerungen, wenn gleichzeitig Tausende von Mitarbeitern entlassen werden oder sich mit kleinsten Lohnzuwächsen begenügen müssen, darf es in Deutschland nicht geben.
Politische Konsequenz aus dieser Erkenntnis ist, dass wir die erfolgreiche Ordnung der sozialen Marktwirtschaft auch international etablieren müssen.
Dabei geht es darum, einer besseren europäischen und internationalen Dimension der sozialen Marktwirtschaft zum Druchbruch zu verhelfen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Vorredner haben auf die Konjunktur in Schleswig-Holstein abgezielt und dazu viel Notwendiges gesagt. Ich möchte mich natürlich insbesondere den Äußerungen des Herrn Finanzministers anschließen.
Ich begrüße für meine Fraktion ausdrücklich, dass das Kabinett beschlossen hat, in den kommenden Jahren 42 Millionen € für Schulbaumaßnahmen und 14 Millionen € für Straßenbau zu investieren.
Ich begrüße ausdrücklich das Maßnahmenpaket der Bundesregierung, das Impulse für öffentliche und private Investitionen in den kommenden Jahren setzt, um Bürger und Unternehmer zu entlasten.
Es ist richtig, Frau Kollegin Heinold, dass wir uns natürlich bemühen müssen, auch im umweltpolitischen Sinne nachhaltige Investitionen zu tätigen. Dagegen spricht überhaupt nichts. Aber in dieser Notsituation muss auch schnell und effektiv gehandelt werden. Ich muss sagen, dass ich mit einer großen Sorge insbesondere die Nachrichten aus der Autoindustrie verfolge. Wenn sich die Opel-Belegschaft komplett - nicht nur der Vorstand oder der Aufsichtsrat, sondern auch die Belegschaft - sozusagen mit einem Hilferuf an die Bundesregierung wendet und sagt: „Helft uns, wir sind dabei zu versinken oder in eine schwere Krise zu geraten!“, dann muss das ein Alarmsignal für uns alle sein. Ich rate davon ab, den Q7 von Audi populistisch nach vorn zu stellen. Die Autoindustrie ist ein Kernbestandteil des Industrielandes Bundesrepublik Deutschland, und wir müssen sie fördern und unterstützen. Sie ist Stütze unserer Wirtschaft.
(Beifall bei der CDU - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu große Autos sind nicht zukunftsfähig!)
Ebenso wie Finanzminister Steinbrück halte ich nichts von einem breiten Konjunkturprogramm. Das verpufft ohne Wirkung. Wir müssen miteinander ein intelligentes Investitionsprogramm schmieden. Ich bedanke mich ausdrücklich beim Herrn Oppositionsführer, dass er heute seine Bereitschaft zur Mitarbeit bekundet hat. Wir müssen auf jeden Fall daran festhalten, dass bei allen Investitionen, die jetzt getätigt werden, Steuererhöhungen falsch wären. Sie wären Gift für unsere gegenwärtige wirtschaftliche Lage. Das bedeutet bei allen Investitionen, die der Staat tätigen muss: Wir brauchen nach wie vor eine grundlegende Steuerreform, wir brauchen eine Senkung der Lohnebenkosten. Wir dürfen bei all den staatlichen Maßnahmen, die wir ergreifen, nicht eine neue finanzielle Zwangsjacke für die Wirtschaft schnüren, was Arbeitsplätze mittel- und langfristig verhindert.
Deshalb ist es wichtig, das wir hier zusammenwirken, so wie es bei der Schnürung des Finanzmarktpaketes auf Bundesebene und beim Mitwirken im Bundesrat durch den Herrn Ministerpräsidenten und den Finanzminister gelungen ist. Ich glaube, diese Finanzmarktkrise hat bei aller Sorge, die wir um die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands haben müssen, auch ein Gutes. Wir rücken an dieser Stelle im Parlament zusammen und tun das Notwendige für unser Heimatland.
Für die Fraktion der SPD erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der frühere Bundespräsident Gustav Heinemann hat einmal gesagt: Der Staat ist eine Notordnung gegen das Chaos. In diesen Tagen wird besonders deutlich, dass die demokratischen Staaten - auch Deutschland - eine Notordnung gegen das Chaos auf den internationalen Finanzmärkten sind. Sie verhindern, dass falsches Denken und falsches Handeln bei Investmentbanken, Börsenanalysten und Managern nicht nur die Realwirtschaft weltweit in die Rezession treiben, sondern den Arbeitsmarkt und die ganze Gesellschaft in eine Krise stürzen.
Milliarden Dollar oder Euro werden garantiert, verbürgt oder als direkte Staatshilfen in die Wirtschaft gepumpt, um Schlimmeres für die zu verhindern, für die die Wirtschaft doch eigentlich da ist, nämlich die hart arbeitenden Bürgerinnen und Bürger auch unseres Landes, die das alles auszubaden beziehungsweise zu bezahlen haben.
Das gegenwärtige Chaos in den Finanzmärkten ist das Ergebnis konsequenter Liberalisierungspolitik und ihrer zu unkritischen Begleitung.
(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist doch völliger Schwachsinn!)
Hier ist nach dem Ende des Staatssozialismus auch der Marktradikalismus gescheitert, der in den letzten Jahren allzu sehr den Zeitgeist bestimmt hat.
(Beifall der Abgeordneten Holger Astrup [SPD], Detlef Buder [SPD) und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Leider ist diese Haltung von auf kurzfristige Rendite versessenen, smarten Jungmanagern aus RatingAgenturen, von Heuschrecken und anderen auch als Virus in die Politik gelangt. Wir brauchen ein wirkliches, ein dauerhaftes Umdenken im gesamten wirtschaftlichen und politischen System. Bevor ich auf die HSH Nordbank zu sprechen komme, bedarf es daher einer soliden Herleitung von Ursache und Wirkung.
Ich will ausdrücklich hinzufügen, dass ich mit der Regierungserklärung des Herrn Finanzministers weitgehend übereinstimme. Ich finde, dass das eine sehr gute Regierungserklärung war.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Barack Obama hat in der letzten Woche nach einer begeisternden Kampagne die amerikanischen Präsidentschaftswahlen deutlich gewonnen. Das freut mich nicht nur, weil er mitten in einer aufziehenden Weltwirtschaftskrise einen der schlechtesten Präsidenten in der US-Geschichte ablöst, sondern auch weil die Chancen zu koordiniertem internationalen Handeln gestiegen sind, vor allen Dingen aber, weil er es geschafft hat, viele Menschen davon zu überzeugen, dass Politik - demokratische Politik - etwas bewegen und verändern kann, und zwar zum Guten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Weltmarktführer, Exportweltmeister, Renditeerwartungen von 25 %, die - koste es, was es wolle - gesichert werden mussten, weil sonst die Abwanderung ins Ausland drohte - dieses waren Ziele, denen sich alles unterzuordnen hatte. Der Weg dazu lautete: mehr Markt in immer mehr Lebensbereichen und immer mehr Deregulierung. Je mehr Markt - so das einfache Credo des Marktradikalismus -, desto besser. Je mehr Leute man rausschmeißt, desto höher der Börsenkurs.
Das ist ein verhängnisvoller Fehler, nicht nur für die Wirtschaft, wie wir jetzt sehen, sondern für das Vertrauen der Menschen in die Demokratie.
Wie soll jemand, der seinen Arbeitsplatz verliert, obwohl es seinem Betrieb gut geht, an soziale Marktwirtschaft glauben, statt als Nichtwähler zu resignieren oder sogar extremen Parteien zu folgen?
Un- oder deregulierte Märkte neigen zur Instabilität, weil es keine sichernden, keine mäßigenden Elemente gibt. Ohne marktfremde Elemente entste