Ich habe auch während der Debatten der Föderalismusreform immer gesagt: Ich bedauere, dass die Kooperationsmöglichkeiten zwischen dem Bund und den Ländern mit der Föderalismusreform I komplett abgeschnitten wurden.
Wir dürfen wirklich nicht in föderales Hickhack, geschweige denn in Kleinstaatereien zurückfallen. Vielleicht ist mit dem Bildungsgipfel, auf dem ja immer über Bildung national zwischen Bund und Ländern diskutiert wurde, ein Stück Aufweichen
Meine Damen und Herren, es ist wahr, wir sind, was die Bildungsausgaben angeht, noch nicht auf europäischem Niveau. Das müssen wir offen eingestehen, das ist so. Wir sind auch noch nicht auf europäischem Niveau, was die frühkindliche Bildung angeht. Wir sind auch noch nicht auf europäischem Niveau, was die Studienanfängerzahlen angeht. Wir sind auch noch nicht auf europäischem Niveau in manch anderen Fragen. Ich will jetzt gar nicht die OECD bemühen.
Ich werde auch nicht müde zu sagen: Es kommt eben nicht nur auf Quantität an, es ist auch eine Frage von Qualität, was geschieht in Schulen, in Bildungseinrichtungen überhaupt. Da stellt sich für mich die derzeit zentrale Frage, die auf dem Bildungsgipfel auch mit der nationalen Qualifizierungsinitiative im Vordergrund stand: Wie schaffen wir es, mehr Absolventen in höhere Qualifikationen zu bringen, wie schaffen wir es, die Zahl der Schulabbrecher zu reduzieren, wie bringen wir mehr Jugendliche in eine Ausbildung?
Diese wichtigen Fragen können wir nur lösen, wenn wir dafür sorgen, dass alle Bildungseinrichtungen enger miteinander verzahnt werden, von den Kitas bis zur Weiterbildung, dass Bildung ganzheitlich begriffen wird, das Zusammenarbeit, Anschlussfähigkeit, Durchlässigkeit die wichtigsten Prinzipien sind.
In der Debatte ist angesprochen worden, das der Bildungsgipfel hohe Erwartungen geweckt hat, denen er meiner Auffassung nach nicht gerecht geworden ist.
Ich stehe nicht an, das hier zu sagen. Das war wahrscheinlich auch gar nicht anders möglich. Ich will die Erwartungen keinen bestimmten Personen zurechnen. Ich fand es gut, dass sich Frau Merkel Bildungseinrichtungen im ganzen Land angeguckt hat. Es ist ein derart mediales Ereignis daraus geworden, dass die Erwartungen so hoch geworden sind, dass sie gar nicht erfüllt werden konnten.
Die Zielsetzung ist allerdings richtig. Ich bin entschiedene Anhängerin vom halb vollen Glas. Noch besteht die Chance, daraus einen großen, gemeinsamen Kraftakt von Bund und Ländern für mehr Bildung zu machen. Dazu müssen sich aber alle konsequent den Herausforderungen stellen und daran ihr Handeln ausrichten, auch in finanzieller Hinsicht.
Ich sage hier noch einmal in aller Deutlichkeit, weil wir in letzter Zeit sehr viele Veranstaltungen zur beruflichen Bildung hatten, in denen die Arbeitsagentur mehrfach dabei war und darauf hingewiesen hat: Wenn wir in den kommenden Jahren nicht einen breiten Nachschub von unten bekommen, was die Qualifikation vor allem im Hinblick auf mehr Akademiker und qualifizierte Fachkräfte angeht, dann droht uns ein massiver Wertschöpfungsverlust in den nächsten zehn, 15 Jahren. Im Zusammenwirken von höherer Qualifikation, die gebraucht wird, und demografischer Entwicklung ist das absehbar. Deswegen ist der Kraftakt erforderlich.
Ich bin sonst eher eine, die im Bildungsbereich nicht ständig ökonomisch argumentiert, aber hier gibt es eine glasklare ökonomische Herausforderung, die wir erfüllen müssen.
Es sind nicht nur die Bildungspolitiker, die hier agieren müssen. Es geht nicht, dass sich nur die Bildungspolitiker überall hinstellen und mehr Geld und mehr Ressourcen fordern, sondern hier sind wirklich Kraftanstrengungen auf allen Ebenen erforderlich. Hier beziehe ich natürlich die Kommunen mit ein, hier beziehe ich natürlich den Bund mit ein, und hier beziehe ich auch die Wirtschaft mit ein.
Meine Damen und Herren, wir können ein paar positive Trends erkennen, aber das will ich jetzt gar nicht weiter ausführen, sondern nur auf eine Zahl hinweisen, weil das sehr gewagt ist, was der Bildungsgipfel da angekündigt hat, wenngleich wir natürlich darauf hinwirken müssen. Der Bildungsgipfel hat gefordert, dass wir die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss in den nächsten fünf Jahren halbieren müssen.
Damit sich niemand Illusionen macht, wie leicht das sein könnte, will ich das hier einmal ganz deutlich sagen: Von den 8,7 % Schulabgängern ohne Schulabschluss - die Quote ist in Schleswig-Holstein von 9,8 % im Jahre 2006 immerhin schon auf 8,7 % im Jahr 2007 gesunken - sind 4,9 % Schulabgänger aus den Sonderschulen. Davon haben 4,1 % einen Förderschulabschluss, 0,8 % sind ohne Förderschulabschluss. Mit anderen Worten: Die Hälfte der Schulabgänger ohne Schulabschluss kommt aus den Förderschulen. Das bedeutet im Umkehrschluss: Alle Schulabgänger aus den anderen Schularten müssen einen Abschluss erhalten, wenn wir die Zahl halbieren wollen. Das ist eine große Herausforderung, die wir erreichen müssen. Wir
werden es allerdings nicht schaffen, jedem Förderschüler einen Hauptschulabschluss zu geben. Das ist bedauerlich, aber ich will das hier einmal gesagt haben, denn es sagt sich immer so leicht, das sei eine Schande: 8,7 % ohne Schulabschluss. Darunter befinden sich eben auch sehr benachteiligte Schüler, mit denen es sehr schwer sein wird.
Herr Dr. Klug, Ihre Behauptung zu den Steigerungen der Bildungsausgaben und den angeblichen Einsparungen der Landesregierung im nächsten Jahrzehnt kann ich so einfach nicht stehen lassen.
- Nein, manche Dinge kann man nicht einfach so stehen lassen, auch wenn sie nur polemisch gemeint sind.
- Ja, gut. Sie haben von der demografischen Rendite gesprochen und haben anhand dieser Zahl behauptet, dass die Ausgaben für Bildung im nächsten Jahrzehnt automatisch sinken würden. Das haben sie mit der Zahl sagen wollen.
Die demografische Rendite - das hat auch der Ministerpräsident gesagt - würde es ermöglichen, wenn man den jetzigen Stand der Lehrerversorgung fortschreiben würde, etwas über 1 Milliarde € bis 2020 einzusparen.
Wir sagen: Die Hälfte davon bleibt im Schulsystem. Sie können sicher sein, wenn Sie hochrechnen, was wir jetzt für beitragsfreie Kita-Jahre, für den Ausbau der Hochschulen und der Studienplätze ausgeben müssen, dass die komplette demografische Rendite im gesamten Bildungssystem bleiben muss. Wenn Sie mich fragen, werden die Bildungsausgaben über dieses Maß hinaus steigen müssen. Das ist meine Überzeugung. Es ist aber nicht so das suggerieren Sie ständig, auch draußen; ich lese das ja -, die Landesregierung wollte im nächsten Jahrzehnt die Hälfte aller Lehrerstellen oder die Hälfte der demografischen Rendite einsparen.
Herr Dr. Klug, so argumentieren Sie. Aber umgekehrt wird ein Schuh daraus. - Entschuldigung. Meine Redezeit ist abgelaufen, ich habe schon überzogen; das weiß ich, aber es müssen ein paar Dinge richtiggestellt werden.
Wenn der Antrag an den Ausschuss überwiesen wird, sollten wir über Einzelheiten und Zahlen, die hier in die Welt gesetzt worden sind, noch einmal reden. Es reicht nicht aus - das betrifft den Bildungsgipfel und die öffentliche Debatte darüber -, immer nur irgendwelche Parolen zu verkünden. Das Parlament hat den Auftrag, hier aufklärend zu wirken und Dinge richtigzustellen, die manchmal, ob bei Demos oder sonstwo, ein bisschen verkürzt und schräg dargestellt werden. Das empfinde ich als meine Aufgabe, und die haben wir auch gemeinsam.
Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal dafür werben, dass der Antrag an den Ausschuss überwiesen wird, weil ja das Signal gegeben wurde, dass der Antrag heute in der Sache abgelehnt wird. Wenn wir alle miteinander erkannt haben - das ist ja heute deutlich geworden -, dass wir vor einer großen nationalen Aufgabe stehen, dass wir ein Konzept von der Frühförderung bis zur Forschung brauchen, dann muss sich dieser Landtag dazu positionieren. Wir haben gemeinsam festgestellt, dass sich der Bund beteiligen muss. Das wird noch ein hartes Stück Arbeit, bis der Bund tatsächlich Geld für die Länder bereitstellt.
Ich kann verstehen, dass Sie nicht jeden Absatz unseres Antrages richtig finden, wobei der erste Absatz, den ich einmal vorlese, identisch mit dem ist,
was die Bildungsministerin gesagt hat: „Der Bildungsgipfel der Bundesregierung hat die Erwartung zur Stärkung des Bildungssystems in Deutschland nicht erfüllt.“ Das hat die Bildungsministerin eben auch gesagt. Warum können wir das nicht feststellen?
Dann kommen die drei Punkte, wo wir sagen, das muss von Schleswig-Holstein aus ein Schwerpunkt sein. Da müssen wir über den Bundesrat an die Bundesregierung herantreten und zeigen, welches die Punkte sind, bei denen wir tatsächlich mehr Geld für Bildung brauchen. Das ist der Bereich Ganztagsschulen mit Kantinen und Schulsozialpädagogik. Da waren wir uns bisher auch immer einig. Es ist der Übergang von der Schule in die Ausbildung. Es wurde eben von der Ministerin noch einmal bekräftigt, wie wichtig es ist, dort nachzusteuern. Und es ist der Bereich der Hochschulen, wo wir natürlich eine dauerhafte und gute Finanzierung in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern brauchen, damit wir mittelfristig mehr Studentinnen und Studenten in SchleswigHolstein haben.
Deshalb appelliere ich noch einmal an Sie: Setzen Sie nicht das falsche Signal, indem Sie das ablehnen und sagen, dass es egal ist, was in Berlin passiert, sondern lassen Sie uns das an den Ausschuss überweisen, und lassen Sie uns dann in der Sache gemeinsam beim Bund dafür streiten, dass Geld hier in Schleswig-Holstein auch ankommt. Sonst können wir nämlich die ganzen hehren Ziele, die wir haben, nicht umsetzen.
Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Jürgen Weber das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will nur kurz begründen, warum wir diesen Antrag nicht an den Ausschuss überweisen, sondern ablehnen wollen: Nicht, weil die Punkte, um die es inhaltlich in dem Antrag geht, nicht diskutabel sind. Damit wird sich der Bildungsausschuss ohnehin be
fassen. Nein, Sie fordern direkt und konkret dazu auf, eine Bundesratsinitiative zu starten. Wir sagen, dass auf dem Bildungsgipfel eindeutig besprochen ist, in welchen Bereichen gearbeitet werden soll. Jetzt eine Bundesratsinitiative ins Blaue hinein zu starten, die dort ohnehin beerdigt wird, ist nichts weiter als das Vortäuschen von Aktivität, die zu nichts führt. Deswegen sind wir gegen einen Antrag für eine Bundesratsinitiative zu diesem Zeitpunkt. Über die inhaltlichen Punkte können wir im Ausschuss gern reden. Deshalb wollen wir den Antrag heute nicht überweisen, sondern wollen ihn im Hinblick auf die Sache - Bundesratsinitiative - ablehnen.
Meine Damen und Herren! Es ist gute Sitte, dass wir, wenn Ausschussüberweisung beantragt ist, darüber auch abstimmen. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag auf Ausschussüberweisung mit den Stimmen von CDU und SPD gegen die Stimmen von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW abgelehnt.