Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Susanne Herold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gute Bildungspolitik wird in Zeiten des Wettbewerbs um die besten Köpfe zum Standortfaktor. Deshalb können wir es uns nicht leisten, auch nur auf einen klugen Kopf in Schleswig-Holstein zu verzichten.
Die CDU hat sich deshalb bereits bei den Beratungen zum Schulgesetz für die Aufnahme einer gesetzlichen Regelung zur Förderung hochbegabter Kinder eingesetzt, und diesen Ansatz werden wir auch weiter verfolgen.
Uns ist es ein äußerst wichtiges Anliegen, dass Kinder mit einer hohen kognitiven Disposition - so werden Hochbegabte im Fachjargon bezeichnet endlich auch eine schulische Heimat in SchleswigHolstein finden.
In vielen anderen Bundesländern hat man bereits erkannt, welch ein außerordentlich leistungsfähiges Potenzial Hochbegabte für unsere Gesellschaft darstellen, wenn sie denn entsprechend ihrer hohen Begabungen gefördert und beschult werden. Dahin müssen wir auch in Schleswig-Holstein kommen.
Mit dem vorliegenden Antrag zur Hochbegabung werden wir auch in unserem Bundesland die Grundlagen schaffen, Schülerinnen und Schüler mit hohen kognitiven Begabungen vor allem frühzeitig zu erkennen und zu fördern. Fachleute schätzen, dass 80 % der Hochbegabten nicht erkannt werden. Das frühe Erkennen der Hochbegabung scheint für den weiteren Schulerfolg beziehungsweise Misserfolg eines hochbegabten Kindes mit am wichtigsten zu sein. Dazu ist eine entsprechende Aus- und Weiterbildung von Erzieherinnen, Erziehern sowie Lehrkräften unerlässlich.
So wird es zukünftig verpflichtende Module zur pädagogischen Diagnostik und Förderung besonderer intellektueller Begabungen im Rahmen des Studiums und der Ausbildung von Erzieherinnen, Erziehern und Lehrkräften geben. Jede Schule in Schleswig-Holstein soll zukünftig mindestens über eine Fachkraft verfügen, die über diagnostische Fähigkeiten zur Erkennung von Hochbegabten verfügt.
Entsprechende Förderangebote, die über die bisher praktizierten Enrichment-Programme und Sommercamps hinausgehen, müssen an unseren Schulen eingeführt werden.
Meine Damen und Herren, diese genannten Maßnahmen sieht die CDU als einen Einstieg in eine umfassende, professionelle Hochbegabtenförderung, die im Weiteren sowohl die Bildung von Kompetenzzentren mit Hochbegabtenförderklassen als auch die Etablierung eines landesweiten Gymnasiums für Hochbegabte beinhaltet.
Neben der integrativen Einbindung begabter Schülerinnen und Schüler in den Schulalltag müssen zukünftig auch differenzierte Angebote vorgehalten werden, die es ermöglichen, dass Hochbegabte in eigenständigen Lerngruppen lernen dürfen.
Das Land Mecklenburg-Vorpommern arbeitet zurzeit an einer Schulgesetznovelle, die genau diesen Punkt aufnimmt. Hier wird es zukünftig Hochbegabtenförderklassen geben, die an verschiedenen Orten im Bundesland eingerichtet werden. Die Schülerbeförderung zu diesen Förderschulstandorten ist übrigens kostenlos.
unserem Lande. Denn Schleswig-Holstein macht sich auf den Weg zu einer systematischen und fundierten Förderung Hochbegabter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Schulgesetz geht in § 4 vom Recht der jungen Menschen auf eine ihrer Begabung, ihren Fähigkeiten und ihren Neigungen entsprechenden Erziehung aus und erklärt es zur Aufgabe der Schule, die geistigen, seelischen und körperlichen Fähigkeiten des jungen Menschen unter Wahrung des Gleichberechtigungsgebots zu entwickeln. Das schließt die Verpflichtung ein, auch das obere Fünfzigstel der Schüler, die als umfassend intellektuell hochbegabt gelten, und genauso die vielen, die in bestimmten Bereichen herausragende Talente besitzen, dazu zu bringen, diese Talente zu entfalten.
Die Landesregierung hat im Frühjahr auf eine Große Anfrage der Fraktion der CDU mit zahlreichen Daten und Fakten geantwortet, die deutlich machen, dass auch in unserem Bundesland eine Vielzahl von Fördermöglichkeiten für hochbegabte Schülerinnen und Schüler innerhalb der Schule und schulbegleitend existiert.
Auch die Karg-Stiftung für die Förderung hochbegabter Kinder resümierte in einer länderübergreifenden Darstellung der Fördermaßnahmen, dass für die Förderung Hochbegabter in den letzten Jahren viel getan wurde.
Sie stellte fest, dass manche Bundesländer eher auf Segregation, andere auf Enrichment setzen, ohne dass die Stiftung das eine Prinzip über das andere stellen wollte. Das Grundprinzip der Hochbegabtenförderung in Schleswig-Holstein ist dabei nicht die Segregation, also die Einrichtung von besonderen Schulen für Hochbegabte, sondern ein möglichst umfassendes Förderangebot auf der Basis der Integration.
sondern baut auf festen Grundlagen auf. Unser Antrag stellt in den Mittelpunkt, dass der Schwerpunkt auf der Diagnostik liegt. Dieser birgt das Problem, dass der Begriff „Hochbegabung“ nicht eindeutig definiert ist und dass es kein unstrittiges und allseits angewendetes Diagnoseverfahren gibt. Es ist deshalb im Rahmen der Stärkung der pädagogischen Kompetenz der künftigen Lehrerinnen und Lehrer bereits im Studium erforderlich, verpflichtende Lehreinheiten zu den Themen Diagnostik und Förderung besonderer Begabungen einzuführen. Dies sollten wir auch auf die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher in Kindertagesstätten ausweiten. Genauso wichtig ist es deshalb, die Weiterqualifikation derjenigen Lehrkräfte zu intensivieren, die bereits im Schuldienst sind. Das Fortbildungsangebot soll so ausgeweitet werden, dass wir an jeder Schule mindestens eine einschlägig qualifizierte Lehrkraft haben.
Darüber, in welcher Form dies geschieht, muss sorgfältig diskutiert werden. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass die Neustrukturierung des Hochschulstudiums und besonders der Lehrerausbildung nicht immer nur nach dem Prinzip additiv statt alternativ vorgehen kann, wenn der Studienerfolg nicht durch Überforderung infrage gestellt und die Leistungsfähigkeit der lehrerbildenden Universitäten nicht überstrapaziert werden sollen.
Die bereits erwähnte Antwort auf die Große Anfrage listet eine große Zahl an Förderangeboten im Rahmen der schulischen Angebote auf. Ferner zeigt sie darüber hinausgehende Programme und auch die Zusammenarbeit mit den Hochschulen des Landes auf, an der sich mehrere Hochschulen und Forschungseinrichtungen beteiligen. Nicht jeder Schüler wohnt im Einzugsbereich einer Hochschule oder einer sonstigen wissenschaftlichen Einrichtung. Wir sollten daher auch nach Möglichkeiten suchen, solche Chancen auch denjenigen Schülerinnen und Schülern eröffnen zu können, die nicht in Ballungszentren wohnen. Ich gehe davon aus, dass es Diskussionsbedarf zu unserem Antrag gibt, dem wir im Bildungsausschuss nachkommen sollten.
- in der Debatte über die Große Anfrage der CDUFraktion - habe ich Ende April im Einzelnen ausgeführt, wie viel aus unserer Sicht in diesem bildungspolitischen Arbeitsfeld in Schleswig-Holstein noch zu tun ist. Nach der Anhörung, die der Bildungsausschuss durchgeführt hat, legen die Koalitionsfraktionen nunmehr ihre Entschließung vor, die eine Reihe von Zielvorgaben formuliert. Wir erkennen an, dass damit in diesem Bereich in der Tendenz und auch in einer Reihe von konkreten Punkten Verbesserungen vorgesehen sind. Deshalb werden wir dem Antrag auch zustimmen.
Gleichzeitig möchte ich aber auch deutlich machen, dass aus unserer Sicht nach wie vor wesentliche Dinge fehlen. Zum Landeshaushalt 2009/10 wird die FDP-Fraktion ebenso wie in den Vorjahren den Antrag stellen, jährlich 1 Million € für ein landesweit aufzubauendes Fördernetzwerk für besonders begabte Schülerinnen und Schüler einzusetzen. Nur so kann das, was auch der vorletzte Punkt des Entschließungsantrags umfasst, tatsächlich mit Inhalt gefüllt werden. Derzeit sind regional und im Einzelfall bereits existierende Initiativen in wesentlichem Maße auf die Einwerbung von Spenden- und Sponsorengeldern angewiesen. Das schränkt die Möglichkeiten einer effektiv verbesserten Hochbegabtenförderung vor Ort in der Praxis erheblich ein.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die kürzlich im Nachrichtenblatt des Kultusministeriums veröffentlichte Bekanntmachung zum Enrichment-Programm 2009/10 für besonders begabte Schülerinnen und Schüler hinweisen. Dort heißt es: „Alle Teilnehmenden zahlen grundsätzlich einen Kostenbeitrag.“
Es ist schade, dass der Kollege Weber momentan nicht im Plenarsaal ist. Er hat vorhin für die organisierte Sozialdemokratie so vehement die Kostenund Gebührenfreiheit für alle Bereiche des Bildungswesens eingefordert. Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet in dem Schulbereich, in dem Sozialdemokraten Regierungsverantwortung haben, nämlich bei der Hochbegabtenförderung, grundsätzlich von den Eltern der hochbegabten Schülerinnen und Schüler, die an dem Förderprogramm teilnehmen, ein Kostenbeitrag eingefordert wird. Sonst singen Sie doch immer das Hohelied der Gebührenfreiheit.
Das macht beispielhaft deutlich, wie schwer sich Sozialdemokraten häufig tun. Bei dem Kollegen Buder war das nicht der Fall, aber auch in der Frage der Enrichment-Programme wird das deutlich. Hier
tun sich Sozialdemokraten in der Praxis sehr schwer. Ich merke an: Natürlich gibt es auch hochbegabte Kinder und Jugendliche aus Familien, die kein überdurchschnittliches Einkommen haben. Für die bedeutet die Kostenpflichtigkeit eine echte Hürde bei der Teilnahme an solchen Förderprogrammen.
Das ist eine ungerechte und ungleiche Behandlung. Selbstredend gilt das auch für andere Gruppen, aber gerade hier führen Sie die Kostenbeteiligung ein. Ich kenne nichts Ähnliches für ein weiteres Förderprogramm des Landes.
Des Weiteren sehen wir es als erforderlich an, in einzelnen Schulen auch die Einrichtung besonderer Lerngruppen für hochbegabte Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen. Natürlich ist das abhängig von der vor Ort vorhandenen Anzahl geeigneter Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Es sollte möglichst eingebettet in ein Konzept regionaler Schwerpunktschulen zur Hochbegabtenförderung sein. Erst ein solches Angebot, für das unter den gegebenen Mehrheitsverhältnissen - wie wir wissen im Landtag keine Zustimmung zu finden ist, würde der Hochbegabtenförderung in diesem Land den eigentlich nötigen Qualitätssprung nach oben ermöglichen. Andere Bundesländer - darunter das auch das mit absoluter SPD-Mehrheit regierte Rheinland-Pfalz - geben hier ein Beispiel. Dabei ist freilich anzumerken, dass die entsprechenden Schulangebote zuzeiten einer sozial-liberalen Koalition auf Landesebene auf Betreiben der rheinland-pfälzischen FDP eingeführt worden sind. Im Land Rheinland-Pfalz gibt es mittlerweile mehrere Gymnasien für Hochbegabte.
Eine letzte Anmerkung: Der erste Spiegelstrich des Koalitionsantrags fordert die Einführung von Ausbildungsmodulen zur pädagogischen Diagnostik und die Förderung besonderer intellektueller Begabungen im Rahmen der Erzieherausbildung sowie der Lehrerbildung. Das ist ein richtiger Ansatzpunkt. Die Verwirklichung setzt jedoch voraus, dass die Ausbildungseinrichtungen über das entsprechende Fachpersonal verfügen. Wir brauchen an den Lehrerbildungsuniversitäten Kiel und Flensburg beispielsweise Professuren für Hochbegabtenpädagogik. So könnte dies Teil der Lehrerbildung sein.